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Yusuf wacht neben seinen ermordeten Eltern, als ihn Salahâttin Bey in einer Herbstnacht des Jahres 1903 findet. Der Landrat zögert nicht und nimmt den Jungen an Sohnes statt bei sich auf. Was gut gemeint, wenn auch nicht selbstlos ist, bedeutet für Yusuf vor allem Demuütigung. Er gehört nicht hierher, er ist und bleibt ein Fremder. Yusuf ist ein Kämpfer, wenn auch ein schweigsamer. Er widersetzt sich dem Sohn des Fabrikanten wie seiner Stiefmutter. Früh verbündet er sich mit Muazzez, seiner Stiefschwester, die er später gegen den Willen aller - nur nicht gegen ihren - zur Frau nimmt.In einer…mehr

Produktbeschreibung
Yusuf wacht neben seinen ermordeten Eltern, als ihn Salahâttin Bey in einer Herbstnacht des Jahres 1903 findet. Der Landrat zögert nicht und nimmt den Jungen an Sohnes statt bei sich auf. Was gut gemeint, wenn auch nicht selbstlos ist, bedeutet für Yusuf vor allem Demuütigung. Er gehört nicht hierher, er ist und bleibt ein Fremder. Yusuf ist ein Kämpfer, wenn auch ein schweigsamer. Er widersetzt sich dem Sohn des Fabrikanten wie seiner Stiefmutter. Früh verbündet er sich mit Muazzez, seiner Stiefschwester, die er später gegen den Willen aller - nur nicht gegen ihren - zur Frau nimmt.In einer bilderreichen Sprache erzählt Sabahattin Ali in seinem ersten Roman Yusuf diese Geschichte eines Mannes, der alles aufs Spiel setzt und am Ende gewinnt - und verliert.
Autorenporträt
Sabahattin Ali wurde 1907 in Gümülcine geboren. Nach seinem Studium in Berlin und Potsdam lehrte er in der Türkei Deutsch. Ali mußte zeitlebens gegen die staatliche Zensur kämpfen, 1932 wurde er wegen eines Satire-Gedichts über Atatürk für ein Jahr inhaftiert. 1944 gab er in Istanbul das Satire-Blatt Markopasa heraus. Am 2. April 1948 wurde Ali auf der Flucht ins Exil an der bulgarischen Grenze ermordet. Bis heute ist ungeklärt, ob er einem Raubmord oder einem politischen Anschlag zum Opfer fiel.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Den jüngst auf Deutsch erschienen, im türkischen Original bereits 1937 publizierten Erstlingsroman von Sabahattin Ali liest Angela Schader mit Erstaunen darüber, dass der Autor in einer wohl teilweise autobiografischen Geschichte den Helden einmal mehr das "Jammertal der seelischen Impotenz" durchschreiten lässt. Dies, obgleich Schader die Hauptfigur, anders als in den anderen Romanen des Autors, ganz und gar nicht blässlich erscheint, wenn sie auch als Waise eingeführt wird. So statisch das Charakterbild der Figur Schader erscheint, so rasant kommt ihr die Handlung vor, die Ali um seine Figur als eine Art Bildungsgeschichte inszeniert. Ob das eine Leseempfehlung ist, wird allerdings nicht so recht deutlich.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.03.2014

Bitte schießen, wenn der Roman ins Stocken kommt

Er wurde verfolgt, ins Gefängnis geworfen und am Ende ermordet. Doch gelesen wird der türkische Autor Sabahattin Ali bis heute. Jetzt erscheint sein Debütroman "Yusuf" von 1937 auf Deutsch.

Wer war Sabahattin Ali? Er gilt als "Gorki Anatoliens", als maßgeblicher Autor der türkischen Kurzprosa und Urheber der Marke "Dorfprosa". Von seinen fünf Erzählungsbänden ist jedoch nur ein einziger in deutscher Übersetzung erschienen - und der ist vergriffen. Viele seiner Geschichten hat der Autor, der immer wieder wegen regierungs- und sozialkritischer Äußerungen als "Kommunist" verfolgt wurde, im Gefängnis geschrieben. Nach seiner Inhaftierung im Jahr 1934 schrieb er ein berüchtigtes Loblied auf Atatürk: "Meine Liebe" heißt dieses erfolgreich zur beruflichen Rehabilitierung führende Machwerk, von dem man sich nicht einig ist, zu welchen Anteilen Satire, Opportunismus und Patriotismus darin miteinander verquickt sind. Auf Deutsch ist es nicht zu finden.

Für den Sprachtransfer in die andere Richtung war Sabahattin Ali selbst aktiv: Er übersetzte unter anderen Lessing und E. T. A. Hoffmann ins Türkische. Über die Gründe, warum er sein Fünfjahresstipendium für einen Berlin-Aufenthalt 1930 nach nur anderthalb Jahren abbrechen musste, gibt es unterschiedliche Spekulationen: zu viel Türkentum oder zu viel Marx? Rätselhaft sind bis heute auch die Umstände seines Todes. Offiziellen Angaben zufolge fiel er 1948, als er die Türkei verlassen wollte, einem Raubmord zum Opfer. Die Vermutung, staatliche Stellen seien in den Vorfall verwickelt gewesen, hält sich beharrlich.

Bislang wurde den Romanen Alis auf dem deutschsprachigen Markt mehr Wert beigemessen als der Kurzprosa. Mit dem Romanerstling "Yusuf" aus dem Jahr 1937, einem konsequenten Antibildungsroman, ist nun die deutsche Ausgabe seines schmalen, nur drei Bände umfassenden Romanwerks komplett. Und das macht die Frage nach dem Verfasser nur noch spannender. Denn einerseits ist auch hier sein erklärtes Ziel, nicht nur über die Protagonisten, sondern auch aus deren Perspektive zu schreiben, andererseits stecken in jedem Roman zahlreiche biographische Themen aus dem sprunghaften Leben des Autors: so sein Berlin-Aufenthalt in "Die Madonna im Pelzmantel", sein Istanbuler Intellektuellenleben samt inneren Konflikten in "Der Dämon in uns", Orte und Milieus der Kindheit in "Yusuf". Und ein Lebensthema, das in jedem der Bücher als Wendepunkt angesteuert wird, ist der frühe Tod des Vaters.

In "Yusuf" gibt es sogar zwei dramatische Todesfälle. Zuerst fallen die Eltern des kindlichen Protagonisten einem Mord zum Opfer, später ist es der Tod des Ziehvaters Salahattin, der die Geschichte aufs Finale zusteuern lässt. Die geringe Differenz von nur einem Buchstaben zum Namen des Autors, der sich seinen Nachnamen erst 1934, nach Atatürks Nachnamenseinführung, gab, ist sicher kein Zufall. Sabahattin Alis eigener Vater hatte einst eine vierzehnjährige Kindfrau geheiratet und damit eine unglückliche Ehe heraufbeschworen - die Mutter wird in Briefen des Sohnes als streitsüchtig beschrieben, die Liebe gilt dem gebildeten Vater. Genauso verhält es sich mit dem Landrat Salahattin, dessen Frau und Yusuf. Auch den Ort des Geschehens, das westanatolische Städtchen Edremit (das heute eine veritable Stadt ist) auf Höhe der Insel Midilli (Lesbos), kennt der Autor gut. Er musste dort mit seiner Mutter zeitweise bei Bekannten unterschlüpfen.

Als Mittelmeeridyll kann er die Zeit dort nicht erlebt haben. Der Autor beschwört nicht den Reiz von Olivenhainen, Weinbergen und Maulbeerbäumen, sondern setzt gekonnt das Skalpell des sozialkritischen Realismus an: Das Gefängnis ist für "Dörfler" da, während Verbrecher aus der Besitzer- und Unternehmerschicht ihre Strafen aus der Portokasse begleichen. Das Leben eines Tagelöhners ist in etwa so viel wert wie seine Einkünfte, die Kinder der Ärmsten arbeiten für eine Schale Suppe achtzehn Stunden am Tag beim Kaffeesieder. Die Beamten tun so, als seien sie nur dafür gemacht, ihre Zeit abzusitzen: "Die Bedeutung liegt also nicht in irgendeiner Leistung der Beamten, sondern lediglich in ihrer Anwesenheit."

Entwicklungsmöglichkeiten für den Einzelnen sind in den konservativen, kriminellen Clan-Strukturen kaum einmal vorgesehen. Das einzig zulässige Lebensziel ist, sich genau so zu verhalten, wie es die kleingeistigen Gepflogenheiten verlangen. Ein Mann trägt eine Pistole im Gürtel und benutzt sie auch, ein schönes Mädchen wird entweder wie ein "Haustier" gehalten oder vergewaltigt, je nach Klasse. Wer flüchten will, hat genau eine Chance: den Raki, "das Heilmittel Anatoliens". Eine der wenigen Lebensweisheiten des Vaters lautet: "Sobald du etwas älter bist, ... kann das Trinken sogar notwendig sein."

Sabahattin Ali beherrscht die Kunst, die Existenzenge bis zum Äußersten zu treiben und dabei so zu tun, als handele es sich um ein fatalistisches Naturgesetz. Dadurch gelingt es ihm, den Leser auch dann bei der Stange zu halten, wenn die Handlung wilde Haken schlägt. Denn der Roman ist eben nicht nur Milieustudie, nicht nur Schilderung eines verstockten und traumatisierten Heranwachsenden, sondern auch eine Liebestragödie mit geradezu italowesternartigem Verlauf. Wo es nicht mehr weitergeht, wird geschossen. Oder, wie in Alis Romanen üblich, der Zufall bemüht. Durch diese Handlungsbeschleuniger droht der finstere Realismus jedoch zur Kulisse zu werden.

Für eine Erzählung reicht das Episodische, für einen Roman nicht unbedingt. Und zudem verhakt sich das Biographische zu sehr in die Zeichnung der Figuren und macht sie nicht selten zum Spielball von Affekten. Während der Erzähler an Yusuf und dem Landrat nicht nur ein dramatisches, sondern auch ein psychologisches Interesse hat, stempelt er die viel zu junge Frau Salahattins zum nuancenarmen Klischee der vergnügungssüchtigen Intrigantin ab. Muazzez dagegen, die Ziehschwester von Yusuf und das Epizentrum der Liebestragödie, scheint ihren Charakter eher aus altorientalischen Märchen zu beziehen als aus der Realität.

Wie die gerade mit dem Tarabya-Preis geehrte Übersetzerin Ute Birgi in ihrem Nachwort anmerkt, war der Roman ursprünglich als Trilogie gedacht. Das ist gut zu wissen, wenn man sich nicht den Kopf darüber zerbrechen will, warum mancher Handlungsfaden verödet. Mit "Yusuf" liegt also kein perfekt konstruiertes Stück Weltliteratur vor. Aber es lohnt sich, über die Schwächen hinwegzulesen. Der Humor und der pointierte Stil des Autors sind zeitlos. Auch der Stoff hat es hundert Jahre nach Ablauf seiner erzählten Zeit noch in sich. Das soziale Gefälle erscheint als kaum zu bewältigendes Negativkapital des aufkommenden modernen Staates. Und fast schon nebenbei vollzieht sich die Dekonstruktion eines der ältesten Berufe der Welt: des Berufs "Sohn". Atatürk ließ diesen Autor ins Gefängnis werfen, und auch die heutigen Regierungspolitiker der Türkei dürften diesen Roman noch immer für unzumutbar halten.

ASTRID KAMINSKI.

Sabahattin Ali: "Yusuf". Roman.

Aus dem Türkischen von Ute Birgi. Dörlemann Verlag, Zürich 2014. 362 S., geb., 22,90 [Euro].

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