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Liebe Leserinnen und Leser, treten Sie ein in die wundersame, phantastische Welt der SCHULE DER GAUKLER. Lassen Sie sich erzählen, wie dieses DING bei einem denkwürdigen Kartenspiel vom alten Schausteller Hardouin gewonnen wurde. Wie der seinen Assistenten Tiécelin vor dem sicheren Tod gerettet hat, als dieser ein Junge von sieben Jahren war. Auf den Wegen und Irrwegen der beiden begegnen Sie der Wahrsagerin Grand Macabre, die das wahre Leben des Hermaphroditen erfinden wird, Sie hören mit Staunen die Geschichte von Juan, der mit Kolumbus nach Westindien fuhr, Sie machen Bekanntschaft mit dem…mehr

Produktbeschreibung
Liebe Leserinnen und Leser, treten Sie ein in die wundersame, phantastische Welt der SCHULE DER GAUKLER. Lassen Sie sich erzählen, wie dieses DING bei einem denkwürdigen Kartenspiel vom alten Schausteller Hardouin gewonnen wurde. Wie der seinen Assistenten Tiécelin vor dem sicheren Tod gerettet hat, als dieser ein Junge von sieben Jahren war. Auf den Wegen und Irrwegen der beiden begegnen Sie der Wahrsagerin Grand Macabre, die das wahre Leben des Hermaphroditen erfinden wird, Sie hören mit Staunen die Geschichte von Juan, der mit Kolumbus nach Westindien fuhr, Sie machen Bekanntschaft mit dem Mongoloiden Mondgesicht, begegnen der blinden Ava und ihrem entstellten Bräutigam, schließlich dem zarten Ritter Delphin, einem Nachfahren Jeanne d'Arcs, mit seinem furchteinflößenden Knappen und, nicht zuletzt, der Schildkröte Carolingine.Willkommen, liebe Leserinnen und Leser, in der barock beschriebenen Welt der SCHULE DER GAUKLER. Einer Welt im Übergang vom Mittelalter zur Renaissance. Einer Welt, in der Geschlechterrollen aufbrechen, einer Welt auch ohne Gott, in der der Mensch allein ist und selbst die Verantwortung für sein Tun und Treiben übernehmen muss. DIE SCHULE DER GAUKLER ist vor allem auch ein Märchen. Man fragt sich, wohin uns dieser Teufelskerl, Olivier Sillig, noch nasführen wird. Groteske Szenen, Beschreibungen von betörender Schönheit und unsäglichem Dreck fesseln uns, das Feuerwerk der Fabulierkunst lässt den Atem stocken; bis der Autor nach einer letzten poetischen Pirouette zum logischsten aller Schlüsse kommt: Die Welt dauert nur fort durch die Kinder der Kinder der Kinder, die wir eines Tages (sein) werden.
Autorenporträt
Oliver Sillig, 1951 in Lausanne geboren, arbeitete als (Kinder-)Psychologe, Informatiker, Maler, Filmregisseur, Schriftsteller und Romancier. Zusammen mit der EPFL erarbeitete er ein Roboterprojekt für die Expo01. Sillig ist Autor von bisher sechs Romanen. Die Bandbreite seines literarischen Schaffens erstreckt sich von Science Fiction über kafkaeske Phantastik bis zu historischen Romanen und Kriminalromanen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.05.2011

Nach allen Regeln der Verführung
Olivier Silligs mitreißender Roman "Schule der Gaukler" ist auch die Fiktionalisierung der Erkenntnisse Foucaults

"Zieh lieber mit uns fort, etwas Besseres als den Tod findest du überall!" Im Märchen der Bremer Stadtmusikanten machen die unnütz Gewordenen und potentiellen Kochtopfanwärter diese Worte zur Losung, mit der sie sich selbst retten. Auch in "Schule der Gaukler" stehen Bedrohte, Abweichler und Marginalisierte, die in die Welt hinausziehen, im Fokus der Handlung. Der Roman des 1951 geborenen, in Lausanne lebenden Autors Olivier Sillig, der auch Informatiker, Maler und Psychologe ist, wurde von Claudia Steinitz und Barbara Heber-Schärer als erster seiner bislang sechs Romane in ein geschmeidig zu lesendes Deutsch übersetzt.

Der Jude Hardouin ist als kleiner Junge von seiner Mutter in ein christliches Kloster gesteckt worden. Dort hat er seine Liebe zu Männern entdeckt und dem Kloster den Rücken gekehrt. Seit langem zieht er als Schausteller kreuz und quer durch Europa; als Attraktion führt er einen in Alkohol konservierten Hermaphroditen im Glasbehälter im Gepäck. Als Hardouin ein Dorf erreicht, das von marodierenden Soldaten fast ausgelöscht worden ist, stößt er auf eine Gruppe halberfrorener Kinder. Dem aufgeweckten siebenjährigen Tiécelin rettet er das Leben und nimmt ihn als Assistent mit auf seine Reise. Aus einem ungleichen Zweiergespann wird nach und nach eine kleine Karawane werden, die sich, wie die Stadtmusikanten, trotz oder gerade wegen ihrer von der Norm abweichenden Biographien und Eigenheiten zu einer eingeschworenen, solidarischen Gemeinschaft entwickelt.

Neben der Geschichte Hardouins, einer Ahasver-Figur mit pikaresken Zügen, wird auch die des schaurigen konservierten Hermaphroditen, den Tiécelin immer nur "das Ding" nennt, nach und nach aufgedeckt. Aber wird sie es wirklich? Silligs barock anmutender und märchenhafter Ton täuscht zunächst darüber hinweg, dass die Chronologie der Geschehnisse und die Zeugenschaft im Text trickreich sind, dass manche Frage nach der Verbürgtheit des Erzählten offenbleibt. Wenn die gemeinsam Wandernden sich ihre Geschichten erzählen, wird immer improvisiert, hinzugedichtet, ausgespart.

Klar ist aber, dass die Erzählungen der blinden Ava oder die von Delphine, die behauptet, eine Nachfahrin von Jeanne d'Arc zu sein, innerhalb der Gemeinschaft erreichen, was die Künste der Truppe wiederum beim Publikum bewirken: Sie bezaubern und verführen die Zuhörer. Das dürfte dem Roman auch bei seinen Lesern gelingen, jedoch nicht ohne immer wieder nach den Regeln der Verführung zu fragen. Sillig erzählt so, dass der handwerkliche Aspekt seines Schreibens gelegentlich aufscheint. Doppelte, manchmal schwankende Böden der Fiktion werden sichtbar, wenn der Leser direkt angesprochen oder das Erzählte bis in die Gegenwart hinein fortgesponnen wird.

Obwohl die Periode des ausklingenden Mittelalters und der Aufbruch in die Neuzeit, die im Roman durch die Seefahrt markiert ist, den zeitlichen Rahmen bilden, werden die Genregrenzen des Historienromans gesprengt. Und Sillig geht noch weiter: Wenn Tiécelin, für den Hardouin eine wenn auch gebrochene und durch seine sexuelle Orientierung fragile väterliche Stellvertreterfunktion übernommen hat, im Lauf des Romans selbst zum Vater und seinen Sohn Fouquaut nennen wird, scheint die Homonymie des Kindernamens mit dem Michel Foucaults nicht zufällig. Der Roman liest sich streckenweise wie eine produktive, freie Auseinandersetzung mit zentralen Thesen des Historikers, Philosophen und Soziologen. Zugleich versteht Sillig sich zu gut auf das Fabulieren, auf eine lebendige Charakterisierung seiner Figuren, auf pointierte Dialoge, als dass "Schule der Gaukler" zur bloßen Fiktionalisierung wissenschaftlicher Thesen und Erkenntnisse geriete.

Zuvorderst wird hier ein Loblied auf die Magie von Worten, Träumen und Erinnerungen gesungen, auf das Erzählen und auf die Würde eines jeden Lebens mit seinen je eigenen Möglichkeiten, wobei Sillig die Begrenzungen besonders interessieren - seien sie nun situativ, subjektiv oder kollektiv bedingt: "Es gibt Situationen, die wie manche Äpfel sind, sie verfaulen noch am Baum, in der Frucht steckt der Wurm, weder der Apfel noch der Baum können etwas dafür." Alle Figuren werden solche Situationen erinnern oder erleben, sich oder einander daraus befreien wollen. Nicht alle werden Besseres als den Tod finden. Wie Groteskes und Schreckliches, Unentrinnbares und Erschütterndes mit Buntem und Leichtem untrennbar verwoben sind, macht eine Stärke dieses faszinierend-feinfühligen, märchenhaft-mitreißenden, prallen Romans aus.

BEATE TRÖGER

Olivier Sillig: "Schule der Gaukler". Roman. Aus dem Französischen von Claudia Steinitz und Barbara Heber-Schärer. Bilger Verlag, Zürich 2010. 440 S., geb., 26,50 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Die "Schule der Gaukler" erzählt die alte Geschichte der Mavericks, die sich gegen eine feindselige Gesellschaft zusammenschließen und in schöner Solidarität durch die Welt ziehen. Beate Tröger hat dieser Roman sehr gefallen, und sie lobt auch die elegante Übersetzung Claudia Steinitz' und Barbara Heber-Schärers. Der Roman habe pikareske Züge und eine raffinierte Erzähltechnik, die manche Erzählungen seiner Protagonisten in reizvoller Schwebe halte. Der Leser werde direkt angesprochen und muss selbst entscheiden, inwieweit er den Erzählungen Vertrauen schenken will. Unterhalten fühlen wird er sich allemal! Eine Figur des Romans heißt Fouquaut und bringt die Rezensentin auf die Idee, dass der Roman möglicherweise Thesen Foucaults bebildere. Welche Thesen und wie genau dies geschieht, erläutert sie leider nicht.

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