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Was heißt es, eine junge Frau zu sein? Sich clever, aber auch naiv zu fühlen, zugleich selbstbewusst und unsicher zu sein und vor allem immer nur an das eine zu denken? Und was macht das spezifische Lebensgefühl heutiger junger Frauen aus?
Die australische Schriftstellerin Abigail Ulman lotet auf subtile, freche und literarisch sehr versierte Weise verschiedene Stadien von ersten Beziehungen, Frausein und Sexualität aus. Es sind Geschichten über Trennungen, die länger andauern als die Beziehung selbst, über modernes Liebeswerben via Handy, über flüchtige Abenteuer und erste Male, über…mehr

Produktbeschreibung
Was heißt es, eine junge Frau zu sein? Sich clever, aber auch naiv zu fühlen, zugleich selbstbewusst und unsicher zu sein und vor allem immer nur an das eine zu denken? Und was macht das spezifische Lebensgefühl heutiger junger Frauen aus?

Die australische Schriftstellerin Abigail Ulman lotet auf subtile, freche und literarisch sehr versierte Weise verschiedene Stadien von ersten Beziehungen, Frausein und Sexualität aus. Es sind Geschichten über Trennungen, die länger andauern als die Beziehung selbst, über modernes Liebeswerben via Handy, über flüchtige Abenteuer und erste Male, über Naivität und Berechnung, Liebe und Besessenheit. Und immer vermag es diese Autorin, einen neben dem Gesagten mit dem explizit Nicht-Gesagten zu überraschen.
Autorenporträt
Ulman, Abigail
Abigail Ulman wurde in Melbourne geboren, wo sie auch aufwuchs und, nach längeren Aufenthalten in Jerusalem, Paris, New York und Kairo, lebt. Sie studierte Creative Arts an der University of Melbourne / VCA und Fiction an der Stanford University in Kalifornien. »Jetzt alles sofort« ist ihr erstes Buch, zurzeit arbeitet sie an ihrem ersten Roman.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensentin Anja Hirsch möchte oft zurückspulen zu den Stellen, an denen etwas schiefläuft im Leben der jungen, lebenshungrigen Protagonistinnen von Abigail Ulmans Geschichten. Doch die berichtete Erfahrung ist wohl zu ungeheuerlich, meint sie. Das Wort Missbrauch steht im Raum, wenn Ulman in krassen Bildern, die Hirsch an die Fotos von Cindy Sherman erinnern, von abenteuerlichem Sex erzählt, von Übergriffen und Ohnmacht. Handwerlich tadellos gemacht, bringen die Storys die Not der jungen Frauen dicht an die Leserin heran, erklärt Hirsch.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.06.2016

Auf Partys und Ponyhof
Zusammen allein: Abigail Ulman erzählt moderne Frauenschicksale

Eine der Erzählungen von Abigail Ulman heißt "Die Rauszieh-Methode" - jedenfalls in der Übersetzung aus dem australischen Englisch von Anna-Christin Kramer, die es bei diesem Debüt mit handfestem Jargon jener lebenshungrigen Frauen, die hier ihre Stimme erheben, zu tun bekam. Manche sind dreizehn, andere dreißig Jahre alt. Vieles geht schief. Und so gewährt "Die Rauszieh-Methode", wie sich unschwer denken lässt, Einblick in die ersten Gedanken einer jungen Studentin, die in der Frauenarztpraxis mit allem gerechnet hat, mit Aids, Herpes, HPV, Chlamydien; seltsamerweise aber nicht mit einem Fötus. "Und der ist es dann."

Der lebensverändernde Moment bringt die Geschichte ins Rollen, und wir folgen der ungewollt Schwangeren ins Gedankenlabyrinth. Sie vergleicht das Einschlagen der Nachricht ins Bewusstsein mit der Botschaft, dass ein Mensch gestorben sei: "Das Gehirn teilt den Riesenschock in viele kleine Schocks auf und gibt alle fünf Minuten eine Ration aus. Ich gehe zu Fuß zur Bahnhaltestelle. Ich bin schwanger. Ich ziehe ein Ticket. Ich bin schwanger. Ich fahre mit dem Zug bis zur 24th Street und steige aus. Ich bin schwanger." Als der Satz endlich ausgesprochen werden will, verwässert er jedoch ungehört ins Nirgendwo. Die Mutter stellt das Telefon gerade zum Mithören für alle auf laut, weil die Familie zusammensitzt. Und der Kurzzeit-Freund, der in einem Café kellnert und so gut nach Kaffeebohnen riecht, hat auch nie richtig Zeit.

Alle diese Sprecherinnen, denen Ungeheuerliches passiert, sind unendlich allein in diesen Geschichten. Oder eher: zusammen allein. Ausgesetzt ihrer Anziehungskraft, die sie halb verwundert ob der Wirkung oder auch kalt berechnend einsetzen. Mal stöckeln sie wie Großstadt-Lolitas daher. Dann wieder kauern sie obdachlos beim einzigen Mann, der ihre Bedürftigkeit nicht ausnutzt. Immer wieder stecken sie lose in Beziehungen mit viel abenteuerlichem Sex, den Abigail Ulman in krasser Optik in Szene setzt. Und so findet sich zwar immer irgendwer; aber selten der "Richtige". Wie auf Fotografien der Künstlerin Cindy Sherman mit ihren hingegossenen Frauen aus früheren Tagen, die mit verlaufender Schminke in öden Wohnungen vegetieren und ihr Innerstes offenbaren, müssen auch Ulmans neue Mädchen und Frauen einiges über sich ergehen lassen, während sie heranwachsen. Der Missbrauch steht dabei oft im Raum.

Doch Abigail Ulman verdreht die Perspektiven so geschickt, dass man verunsichert ist, was denn nun stimmt. So in der Geschichte "Alles wie immer", einer der besten der insgesamt neun Erzählungen. Wegen Albträumen wird die junge Ramona von der Mutter in Therapie geschickt. Als dort zur Sprache kommt, dass der Stiefvater übergriffig war und Ramona das anziehend klingende Wort "Missbrauch" versuchsweise mal im Freundinnenkreis erwähnt, macht es gleich die Runde in der Schulklasse. Ramona bekommt Aufmerksamkeit und steigt in der Hierarchie auf. Kurz bevor das Jugendamt davon erfährt, wird die losgetretene Lawine allerdings schnell wieder erstickt.

Wie Ulman in diesem exemplarischen Fall die Leser manipuliert, ist lehrreich. Ihre Geschichte pulsiert aus der Schnellschuss-Kommunikation aktueller Digitalvernetzung heraus und entgleitet dann in reale Séancen, wo die Freundinnen im geschlossenen Raum während der Pyjamaparty einander Übergriffe beichten. Gegenüber hilflos überforderten Erwachsenen können sie sich durchaus wie Monster gebärden. Aber das Gleiche gilt eben auch umgekehrt.

Abigail Ulman, aufgewachsen in Melbourne, hat dort und in Kalifornien studiert, unter anderem auch Schreiben. Das Handwerk beherrscht sie gut. Die Figuren sind in prägnanten Sätzen als ohnmächtig Handelnde greifbar, ihre Not ist jederzeit erkennbar. Noch nicht erwachsen, nicht mehr Kind, bewegen sie sich übermütig durch grelle Durchgangszimmer, um dann erfahrungssatt wochenlang abzuhängen oder regressiv auf dem Ponyhof aufzutanken. Oft möchte man zurückspulen an Stellen in deren Leben, an denen etwas falsch lief - um dann doch innezuhalten zu müssen und der Erfahrung freies Feld zu lassen.

ANJA HIRSCH

Abigail Ulman: "Jetzt Alles Sofort". Erzählungen.

Aus dem Englischen von Anna-Christin Kramer.

Kein & Aber Verlag, Zürich 2016. 362 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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