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2 Kundenbewertungen

Der Taxifahrer Kalasch, kurz für Kalaschnikow, scheint all das zu sein, was der junge Harvard-Student nicht ist. Und doch freunden sie sich an - denn sie beide sind auf der Suche, befinden sich in einem Schwebezustand, fühlen sich heimatlos. Doch während sie ihre Kaffees trinken, französischer Musik lauschen, mit dem Taxi die Stadt durchkreuzen und reihenweise Frauen verführen, vergessen sie fast, dass sich bedrohlich der Herbst nähert: Der Student wird sein Studium wieder aufnehmen, und Kalaschs Visum wird auslaufen. Welchen Weg wählen die beiden? Und was bedeutet das für ihre Freundschaft?

Produktbeschreibung
Der Taxifahrer Kalasch, kurz für Kalaschnikow, scheint all das zu sein, was der junge Harvard-Student nicht ist. Und doch freunden sie sich an - denn sie beide sind auf der Suche, befinden sich in einem Schwebezustand, fühlen sich heimatlos. Doch während sie ihre Kaffees trinken, französischer Musik lauschen, mit dem Taxi die Stadt durchkreuzen und reihenweise Frauen verführen, vergessen sie fast, dass sich bedrohlich der Herbst nähert: Der Student wird sein Studium wieder aufnehmen, und Kalaschs Visum wird auslaufen. Welchen Weg wählen die beiden? Und was bedeutet das für ihre Freundschaft?
Autorenporträt
Aciman, André
André Aciman wurde 1951 in Alexandria, Ägypten, geboren. 1969 ließ er sich in New York nieder, wo er heute mit seiner Frau und seinen Kindern lebt. Aciman ist Romanautor, Essayist und Dozent für Vergleichende Literaturwissenschaft. Er gehört zu den führenden Proust-Spezialisten. Auf Deutsch liegen seine autobiografischen Bücher »Damals in Alexandria« und »Hauptstädte der Erinnerung« vor sowie seine Romane »Ruf mich bei deinem Namen« (2008) und »Acht helle Nächte« (2010) und »Mein Sommer mit Kalaschnikow« (2014), die bei Kein & Aber erschienen sind.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Oliver Jungen scheint eine Menge gelernt zu haben mit diesem Roman von André Aciman. Etwa dass Karriere nicht alles ist, oder auch, dass sich der Autor die Rahmenhandlung hätte sparen können. Was nicht bedeutet, das Buch sei schlecht, im Gegenteil, Jungen ist hellauf begeistert von Acimans spritziger, kurzweiliger Erkundung der Identitätsproblematik in der Migration. Psychologisch scheint ihm der Autor auf der Höhe der Kunst zu sein, ebenso, was die Atmosphärik des Texts und Lebendigkeit des Erzählens betrifft. An Proust und Rohmer gemessen, den Leitsternen des Autors, kann die treffende Schilderung der Parallelwelt von Harvard, wo der Held des College-, Migration- und Bohemeromans im heißen Sommer 1977 das Leben und die Liebe studiert, durchaus mithalten, findet der Rezensent.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.06.2014

Das Leben packen
Proust und Rohmer: André Acimans erschütternd ehrlicher Erinnerungsroman über Freundschaft und Fremdheit

Wie viel Verrat, wie viel Selbstbetrug steckt in der Assimilation? Das ist die Kernfrage dieses atmosphärischen College-, Boheme- und Migrations-Romans des New Yorker Romanciers und Literaturprofessors André Aciman. Dass das Buch bei aller psychologischen Reflexionstiefe so kurzweilig, ja geradezu jugendlich attraktiv wirkt, liegt daran, dass Aciman, ein Meister des intellektuellen Sehnsuchtsromans, so lebensnah zu erzählen versteht, dass man seine Geschichten in der Erinnerung mit den Erzählungen von Freunden verwechseln kann: Kein Um- und Nebenweg wird ausgespart, nie eine Hypothek auf die künstlerische Freiheit aufgenommen.

Marcel Proust und Éric Rohmer sind die künstlerischen Leitsterne des Autors und in diesem Falle ganz explizit auch des namenlosen jüdischen Ich-Erzählers, der wie Aciman aus Alexandria stammt und in Amerika sein Glück sucht. Und doch fühlt sich der Held als Migrant immer wieder auf die Frage seiner Identität zurückgeworfen. Ganz dezidiert hat er sich damit auseinanderzusetzen, als er 1977 im Café Algiers einen tunesischstämmigen, das Leben bei den Hörnern und die Frauen bei den Hüften packenden Taxifahrer kennenlernt, der maschinengewehrartig auf alles Amerikanische schimpft - daher der Spitzname Kalaschnikow respektive Kalasch - und einen Sommer lang zum besten Freund unseres Harvard-Doktoranden wird.

Die Idee mit dem Maschinengewehrgeschimpfe ist die schlechteste des Buches, denn sie beschert dem Leser nicht nur entschieden zu oft eine kaum variierte Motzrede (alles sei in Amerika "Ersatz", poltert der authentizitätsversessene Kalasch unablässig), sondern ebenso oft die stets die Tirade abkürzende Textzeile "Rat-tat-tat-tat-tat". Freilich dämmert dem Helden irgendwann, dass aus Kalasch, dem als Einwanderer nach einer geplatzten Ehe die Abschiebung droht, nur die Enttäuschung des verzweifelt Einlasssuchenden spricht: "Er flirtete mit einer Supermacht." Der zweitschlechteste Einfall ist die nach Creative-Writing-Lehrbuch angestückte, blass und überflüssig bleibende Rahmenhandlung. Der Protagonist nämlich besucht Harvard in der Gegenwart mit seinem Sohn, wobei ihn der proustsche Erinnerungsblitz trifft: Seine Madeleine ist das Logo des Café Algiers.

Das Versenken in die Parallelwelt einer Eliteuniversität aber gelingt famos. Mit wenigen kunstvoll lapidaren Zeilen beschwört Aciman die ganz spezielle Atmosphäre dieses akademischen Interims herauf: Die Zugehörigkeit zu der gewaltigen Institution Harvard bedeutet Exklusivität, aber nicht echte Geborgenheit oder gar Sicherheit. Es ist eine Zugehörigkeit auf Zeit, auch und gerade im lasziven Sommer 1977. Bei aller Wahrscheinlichkeit, dass man hernach nicht vor dem Nichts steht, scheint doch alles immer noch offen: Der Protagonist hat seine Abschlussprüfungen das erste Mal versemmelt. Sollte auch der zweite Versuch misslingen, werden ihm alle Sympathien nicht helfen, die einige seiner Protektoren für ihn hegen. Die Selbstzweifel tun ihr Nagewerk. Und doch ist das alles, verglichen mit Kalaschs Situation, ein Luxusproblem.

Die den Protagonisten und dem hedonistischen Amerika gemeinsame Währung lautet "Frauen", wie Kalasch dem anfangs sehnsüchtig, aber erfolglos seinen Kommilitoninnen nachstarrenden Freund erklärt: "Typen wie du verstehen nicht, dass es immer um Sex geht. Ausnahmslos immer." Der so angeleitete Held versteht es dann aber doch sehr schnell und kann bald auf eine stattliche Reihe von Namen zurückblicken, durch deren Betten er (mit dem Leser) gereist ist. Die Auslegung einer Liedzeile weist uns darauf hin, dass es hier um mehr geht als um einen sexuellen Entwicklungsroman: "Es könnte doch auch sein, dass der Mann fernab seiner Heimat weilt und ihr den Namen einer Frau gibt, wenn er sehnsüchtig an sie zurückdenkt. Die Frau ist also nur eine Metapher für Heimat."

Das Ankommen gelingt den Helden allerdings nicht ganz unfallfrei in Bezug auf ihre Freundschaft. Nach jedem Sommer folgt die kalte Jahreszeit, wo es nur auf das eigene Überleben ankommt, so jedenfalls sieht es der immer unsympathischer, egoistischer, ja: amerikanischer werdende Erzähler, der dafür den Preis eines Ersatz-Lebens zu zahlen hat. "Mein Sommer mit Kalaschnikow" ist einer jener wertvollen Romane, die man mit dem - freilich nicht lange vorhaltenden - Vorsatz zuklappt, niemals wieder das Wichtigste den Aufstiegsambitionen zu opfern.

OLIVER JUNGEN

André Aciman: "Mein Sommer mit Kalaschnikow". Roman.

Kein & Aber Verlag, Zürich 2014. 334 S., geb., 22,90 [Euro].

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