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Eine Wiederentdeckung der bedeutenden Erzählerin Eudora Welty. Geschichten über eine magische Welt von Außenseitern, deren Größe in der Kleinräumigkeit ihrer Schicksale liegt. Mit den Augen der Meisterfotografin hält Eudora Welty in ihren Erzählungen die Welt gestochen scharf fest: Mal gelingen ihr herausragende Schnappschüsse - Ausschnitte vorbeieilender Leben, an die sie sich ungeheuer nah heranzoomt -, mal beschreibt sie, wie zu einem Porträt gerahmt, die ganze Tragik eines Menschen, seine uneingelösten Sehnsüchte und seine verzweifelte Verlorenheit. Immer wieder sind es die kleinen Leute…mehr

Produktbeschreibung
Eine Wiederentdeckung der bedeutenden Erzählerin Eudora Welty. Geschichten über eine magische Welt von Außenseitern, deren Größe in der Kleinräumigkeit ihrer Schicksale liegt.
Mit den Augen der Meisterfotografin hält Eudora Welty in ihren Erzählungen die Welt gestochen scharf fest: Mal gelingen ihr herausragende Schnappschüsse - Ausschnitte vorbeieilender Leben, an die sie sich ungeheuer nah heranzoomt -, mal beschreibt sie, wie zu einem Porträt gerahmt, die ganze Tragik eines Menschen, seine uneingelösten Sehnsüchte und seine verzweifelte Verlorenheit. Immer wieder sind es die kleinen Leute der Südstaaten, für die sie sich interessiert: der Negerjunge, der als »Keela, das ausgestoßene Indianermädchen« auf dem Jahrmarkt dem sensationshungrigen Publikum vorgeführt wird; das taubstumme Paar, das seit Jahrzehnten wartet und vergessen hat, worauf; ein Frisörsalon in Mississippi, in dem Neuigkeiten ausgetauscht werden, von denen selbst die, denen sie zustoßen, noch kaum wissen. Jede Geschichte hat ihren eigenen Ton: scheinbar mühelos hingetupft, doch genaustens beobachtet mit dichten Bildern, aber dennoch voller Witz.
Autorenporträt
Eudora Welty, 1909-2001, Jackson, Mississippi, gehört zu den wichtigsten und einflussreichsten Erzählerinnen der USA. Sie veröffentlichte zahlreiche Erzählbände und Romane und erhielt 1973 für den Roman The Optimists Daughter den Pulitzer-Preis. Auch als Fotografin erlangte sie Weltruhm. Höchste Zeit, anlässlich ihres 10. Todestages die Essays über ihre Anfänge als Schriftstellerin in neuer deutscher Übersetzung wieder zugänglich zu machen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.11.2009

Brennt das Mobiliar, glüht die Ehe

Erzählungen aus dem Geist der Mündlichkeit: Eudora Welty bewirtschaftet ungerührt ihr fruchtbares Feld im Schatten des Berges William Faulkner.

Von Verena Lueken

Wenn ich lese", sagt Eudora Welty in dem langen Interview, das sie 1972 dem "Paris Review" in dessen legendärer Serie "Writers at Work" gab, "wenn ich lese, dann höre ich, was auf der Seite steht. Ich weiß nicht, wessen Stimme es ist, die mir da vorliest; und wenn ich meine eigenen Geschichten schreibe, höre ich sie auch."

Die besten Schriftsteller sind die besten Leser, und auch Eudora Welty kam zum Schreiben, weil sie las. Und so wie sie las, so lesen auch wir ihre Geschichten - mit dem Gefühl, als läse uns jemand mit einer eigenwilligen Stimme vor, umgangssprachlich, dialektgetönt, mit Auslassungen, Pausen, in einem Ton, in dem andere Geschichten etwas von ihrem Klang hinterlassen haben, in dem die Geschichte mit ihren noch ungeschriebenen Erzählungen zu Hause ist, und in der wir spüren und hören, wie die Orte aussehen, von denen uns berichtet wird, und wie sie die Menschen geformt haben, von denen wir erfahren. Die Stimme, in der Eudora Welty erzählt, ist in der Lage, ihrerseits die Färbungen anderer Stimmen anzunehmen, so dass wir deutlich die Stimmen von Männern oder Frauen, Verrückten oder Kindern, Mördern, Trauernden, Huren, von Sterbenden, von Verzweifelten, von sehr alten Frauen, von schwarzen Krüppeln, von Einsamen zu unterscheiden lernen. Sogar die innere Stimmen zweier Taubstummer klingen uns im Ohr, während wir Eurdora Welty lesen.

Das heißt, sie ist eine brillante Dialogschreiberin. Aber das ist nicht alles. Sie weiß ihrer Erzählerstimme auch eine nahezu physische Zwangsläufigkeit zu geben, um uns spüren zu lassen, wie ein Wolkenbruch, der in der Luft lag, einen Totschlag zu verhindern vermag, weil er die Stimmung bricht, in der ein erhobener Arm mit einer Axt auf den Kopf eines Jungen hinunterrasen wollte und nun innehält wie in der Titelgeschichte des Bandes "Ein Vorhang aus Grün". In einer anderen Geschichte ("Die Sirene") ist es so kalt, dass eine Ehe offenbar vor langer Zeit im Elend eingefroren ist, bis der Mann das gesamte Mobiliar verfeuert, was für das Paar vermutlich zum Kältetod am nächsten Tag führen wird, aber für einen Augenblick die Liebe wieder aufscheinen lässt. Dann erlischt das Feuer, und die Geschichte ist zu Ende.

Die meisten der Erzählungen in dem vorliegenden Band stammen aus Eudora Weltys erstem Erzählband, der im Jahr 1941 erschien ("A Curtain of Green"), einige aus ihrem 1943 veröffentlichten zweiten Buch mit Kurzgeschichten ("The Wide Net"), und die beiden einzigen, die bisher nicht auf Deutsch vorlagen, aus dem Band "The Bride of the Innisfalen, and Other Stories" von 1955. Aber was heißt das schon: Die alten Ausgaben, die Klett Cotta in den achtziger Jahren herausbrachte, muss man zum großen Teil antiquarisch beziehen. Denn Eudora Welty, 1909 in Jackson in Mississippi geboren und ebendort im Jahr 2001 gestorben, hat bei uns niemals die Grad an Bekanntheit erreicht, der ihr zusteht. Heute kennt sie in Deutschland kaum einer mehr. Aber dasselbe lässt sich ja auch von ihrem ungleich berühmteren Kollegen William Faulkner sagen, als dessen weibliches Pendant sie oft bezeichnet wurde. Möglicherweise läutet nun "Ein Vorhang aus Grün" ihre Wiederentdeckung ein.

Faulkner war für Welty eine Präsenz wie ein Berg in der Landschaft, immer da, ehrfurchteinflößend, aber niemand, mit dem sie sich messen würde. Den beiden gemeinsam ist der Ort, von dem aus sie schrieben, der Süden der Vereinigten Staaten. Eudora Welty hatte nichts dagegen, als Regionalschriftstellerin bezeichnet zu werden, weil sie dieses Etikett nicht als eines nahm, das ein anderes, nämlich "Weltliteratur", verdrängt. Regional hieß für sie nur, dass man ja keine Geschichten schreiben kann, die nirgendwo stattfinden. Ihre (wie Faulkners) finden mit wenigen Ausnahmen da statt, wo sie ihr Leben verbrachte, im Staat Mississippi. Sie kannte diese Landschaft wie nichts anderes, und die Tradition des Geschichtenerzählens unter den Menschen dort faszinierte sie unendlich. Sie hörte zu. Weil die Menschen im Süden, anders als die Menschen in den großen Städten im Osten und Westen, oft ihr gesamtes Leben da verbringen, wo sie geboren werden, können Nachbarn das ganze Leben ihrer Nachbarn erzählen, Kinder die Geschichten ihrer Familie, Großväter die Geschichten, die ihre Väter aus dem Bürgerkrieg mitgebracht hatten. Und weil alle am Ort diese Geschichten längst kennen, lassen sie sich in Andeutungen erzählen, in Liedstrophen singen, in unvollendeten Sätzen weitergeben.

Aus dieser Tradition schöpft Eudora Welty. In ihren ersten Geschichten dreht sie sie manchmal weiter ins Groteske, bringt uns auch zum Lachen, etwa wenn sie davon erzählt, "Warum ich auf dem Postamt wohne", wegen einer bösartigen Schwester nämlich. Familien sind Familien, keine Horte von Wärme, oft Nester von Neid und Streitsucht. Aber nichts, was sich abschütteln ließe. Und so steht am Ende ihrer Geschichten selten die Lösung eines Problems in dem Sinn, dass danach eine neue Geschichte anfangen könnte, weil die letzte Handlung, die letzte Entscheidung etwas verändern würden. Ihre Geschichten hören einfach auf. Die Lösung, die Eudora Welty für das Leben ihrer Figuren bereit stellt, ist die literarische Form.

Eudora Welty: "Ein Vorhang aus Grün". Erzählungen. Aus dem Englischen von Katrine von Hutten und Almuth Carstens. Kein & Aber Verlag, Zürich 2009. 367 S., geb., 19,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Als vollendete Leserin und Zuhörerin und damit naturgemäß großartige Erzählerin legt uns Rezensentin Verena Lueken die 1909 in Mississippi geborene und dort 2001 gestorbene Schriftstellerin Eudora Welty ans Herz. Der vorliegende Band "Ein Vorhang aus Grün" versammelt Kurzgeschichten aus ihrem ersten und zweiten Erzählungsband von 1941 und 1943, deren deutsche Ausgaben längst vergriffen sind, und enthält außerdem zwei nun erstmals auf Deutsch erscheinende Geschichten aus einem Shortstory-Band von 1955, erklärt die Rezensentin. Eine willkommene Gelegenheit, die hierzulande so gut wie unbekannte Autorin wieder zu entdecken, findet Lueken. Die Erzählungen, die eng an die mündliche Erzähltradition des amerikanischen Südens angelehnt sind, erinnern nicht zuletzt an die Erzählkunst William Faulkners, den Welty sehr bewunderte, lässt uns die Rezensentin noch wissen. Besonders fasziniert hat sie die Präsenz von Weltys Erzählerstimme, und sie bewundert die geradezu "physische Zwangsläufigkeit", die die Wendepunkte ihrer Geschichten motivieren.

© Perlentaucher Medien GmbH