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Unvergessliche Figuren hat Gerhard Polt im Lauf der Jahre geschaffen und diese immer wieder variiert. Nun fügt er seinem subversiven Panorama der Gegenwart neue Charaktere hinzu. Zur Sprache kommen u. a. ein "CSU-Sammler", der mit drei Originalbarthaaren aufwarten kann, ein empörter Wirtschaftskrimineller und ein Komponist, der sich von Mozart betrogen fühlt. In Polts störrischen Brandreden geht es immer um nichts weniger als sozusagen alles: um die Geschichte, die so weit zurückreicht, dass man's gar nicht fassen kann, um Weltreiche, die in sich zusammenbrechen, um Sprachverwirrung und um den…mehr

Produktbeschreibung
Unvergessliche Figuren hat Gerhard Polt im Lauf der Jahre geschaffen und diese immer wieder variiert. Nun fügt er seinem subversiven Panorama der Gegenwart neue Charaktere hinzu. Zur Sprache kommen u. a. ein "CSU-Sammler", der mit drei Originalbarthaaren aufwarten kann, ein empörter Wirtschaftskrimineller und ein Komponist, der sich von Mozart betrogen fühlt.
In Polts störrischen Brandreden geht es immer um nichts weniger als sozusagen alles: um die Geschichte, die so weit zurückreicht, dass man's gar nicht fassen kann, um Weltreiche, die in sich zusammenbrechen, um Sprachverwirrung und um den kleinen Mann, der da immer mittendrin steht und angesichts des heillosen Durcheinanders der Welt nach Worten ringt.
Die treffenden Illustrationen stammen von Reiner Zimnik.
Autorenporträt
Gerhard Polt, geboren 1942 in München, brilliert seit 1975 als Sänger, Schauspieler, Poet und Philosoph auf deutschen und internationalen Bühnen. Polt erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Bayerischen Staatspreis für Literatur (Jean Paul Preis) und den Heimito von Doderer Literaturpreis. 2006 erhält er den Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor. 2010 wird ihm der Ernst-Toller-Preis für "besondere Leistungen im Grenzbereich von Literatur und Politik" verliehen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.07.2008

Polterabend

Mit dem Untertitel fängt es an: "Anwürfe, Unterstellungen, aber auch Ehrabschneidungen". Dann gibt es kein Halten mehr, das ist ein polternder Gerhard Polt, wie man ihn liebt. Urlaubte er auch zwischenzeitlich auf dem Komposthaufen Comedy - man denke an den Film "Germanicus" -, hier steht der bierernste Satiriker, der vierzehn Brandreden gegen die stumpfsinnig "schweigende Mehrheit" ("Laut sind nur so Minoritäten") hält. Es beginnt mit der Vergangenheitsbeschau eines Bayern: "Sachen haben wir gemacht, da tät man heute sagen, ui ui ui." Und was zum Beispiel? Einen gefundenen Geldbeutel abgegeben, was sogar die Mutter für Rindviehlertum hielt. Natürlich sinniert bald jemand über Hitler, den er, wäre er damals älter gewesen, wohl zur Torte eingeladen hätte: "Weil der Hitler war ja als solches kein Zechpreller." Aber er war nicht älter, sondern ein brüllender Säugling. Hitler, am Nebentisch, wollte indes hören, "was der Ludendorff seinen Offizieren über den Dolchstoß erzählt", weshalb er sich über den Erzähler beugte und "duzi, duzi, duzi" sagte. Da verstummte das Baby ("Heute erkläre ich mir mein Schweigen natürlich so, dass dieser Mann eben eine enorme Suggestionskraft besessen hat"), und Hitler konnte "in seiner typischen Art hinüberrufen: ,Dada da tok da Dadum, da tata da dü da Judentum!'" Ludendorff gefiel das. Er holte den jungen Mann an den Tisch: "Diese - sagen wir es ruhig - historische Begebenheit habe ich durch mein Stillsein ermöglicht." Hitler aber vergaß vor Aufregung, seine Torte zu zahlen, und erhielt Hausverbot im Münchener Café Annast. (Gerhard Polt: "Drecksbagage". Anwürfe, Unterstellungen, aber auch Ehrabschneidungen. Mit Illustrationen von Reiner Zimnik. Kein & Aber Verlag, Zürich 2008. 128 S., geb., 12,90 [Euro].) oju

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.08.2008

Mit eindeutigem Ja zum Nein
Gerhard Polt poltert über Gott und die Welt
„Wenn der Kormoran sich an keine Vereinbarung hält, dann sage ich heute: Ab 5 Uhr 45 wird zurückgeschossen.” Starker Tobak. Aber Satire darf alles, und wenn sie besonders scharfsichtig ist, schlägt sie verbal schon auf das ein, was sich erst zusammenbraut. Dass Gerhard Polt dafür ein ganz besonderes Gespür hat, zeigt er erneut in dem neuen, schmalen Büchlein mit dem krassen Titel „Drecksbagage”. Darin hat er 14 Texte versammelt, eben auch den, der mit „Der Kormoran” überschrieben ist. Da liefert er auf seine unnachahmliche Art einen Kommentar zu dem wieder ganz frisch aufgebrochenen Streit um den Kormoran, den bayerische Vogelschützer und Fischereivereine gegeneinander führen.
Alle „Anwürfe, Unterstellungen, aber auch Ehrabschneidungen”, so der Untertitel des Bandes, sind Monologe in Polts bewährter Manier: Der Leser wird ohne viel Federlesen tief in den gesellschaftlichen Sumpf gestoßen. Die Mannsbilder, die auf den knapp 120 Seiten über Gott oder die Welt schwadronieren, sind von der Richtigkeit ihrer Lebenseinstellung und der sie stützenden Argumente beseelt: Polt spielt sie auf der Bühne in sarkastisch kräftiger Überzeichnung, als Männer, die sich im Drang zum Bier am eigenen Redeschwall ergötzen – als bajuwarisierte Dix- und Deix-Nummern!
Im Büchlein sind die Monologe unschwer pfiffigen Vertretern Bayerns zu zuordnen, denn zwischen die 14 Szenen sind Zeichnungen Reiner Zimniks gestreut, die einen im Trachtenjanker äußerlich als harmlos charakterisierten Zeitgenossen zeigen – mit einem gläsernen Maßkrug in der Hand: Ein Mensch, „fast wia im richtigen Leben” – so hieß vor Jahren eine Satiren-Reihe mit Gerhard Polt im Bayerischen Fernsehen. Im Buch heute wie in den Spielszenen damals werden Gratwanderung unternommen zwischen peinigender Alltäglichkeit und sich dahinter verbergenden menschlichen Abgründen. Man lacht über die Banalität des Bösen, darüber, dass das ewig Gestrige, das Grantige so ungeniert auf die allgemeine Zustimmung baut. In Polts Satiren entlarvt sich der Mensch immer dann, wenn er meint, schlau den allgemeinen Konsens zu suchen.
Der markigen Einsicht etwa, dass eine positive Einstellung doch größere Lebensqualität bedeute, folgt umgehend die Anwendung: Man möge doch, bitte, „eindeutig Ja zum Nein zu Europa” sagen. Und dann stürzt sich der Poltsche Mann in eine wundersam vertrackte Aufarbeitung der europäischen (Schlachten-) Geschichte. Da es nun fast schon ein einiges Europa gäbe, wären doch alle, die sich früher bekriegten, immerzu an gemeinsamen Sieggedenkfeiern beteiligt. Dieser Logik folgend schließt der Mann: „Europäisch betrachtet, haben wir Deutschen in dieser Normandie doch gemeinsam mit den Alliierten die Nazis besiegt, oder?”
Das Kriegsgeschrei übrigens geht diesen Mannen leicht über die Lippen. Im Fall des Vogelschutzes am Beispiel des Kormoran argumentiert der Vertreter der Fischereivereine, dass mit den Bildern vom Irakkrieg im Fernsehen nur ablenkt werden soll von dem „Gemetzel”, das die Kormorane am Chiemsee anrichten. Polt schärft heftig an, was unter seinem eigentlich ja wohlwollend gestimmten Blick in die gemeine (bayerische) Volksseele auffällig wird. So erinnert er wie nebenbei in einer Nummer über einen schrulligen „CSU-Sammler” (der stolzer Besitzer des „Knochens von der Lieblingsschweinshaxen vom Franz Josef Strauß” ist) an einige der größten Skandale in dieser als staatstragend einzustufenden Partei. So hat er, obwohl da eigentlich nichts zum Lachen ist, dennoch wieder die Lacher auf seiner Seite.
Gerhard Polts System der indirekten Attacke funktioniert prächtig. Am schönsten in der Beschreibung der Karriere Bertis, dem es von Kindesbeinen an vor nix gegraust hat, der sich so ganz nach oben arbeitete und, 2,4 Promille im Blut, mit seinem Luxusauto im Straßengraben endete: Anlass, seine „Genie”-Taten zu rekapitulieren. Damit ist alles gesagt. Auf dem letzten der 14 Zimnik-Bilder steht der leere Bierkrug auf einem Wirtshausstuhl – der philosophierende Trinker ist weg. Der Rest ist Schweigen. THOMAS THIERINGER
GERHARD POLT: Drecksbagage. Mit Illustrationen von Reiner Zimnik. Verlag Kein & Aber, Zürich 2008. 120 Seiten, 12,90 Euro.
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Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Keine Frage, Thomas Thieringer ist ein eingefleischter Gerhard-Polt-Fan. Und so amüsiert er sich auch bestens bei der Lektüre von seinem neuen Buch, auch wenn ihm hin und wieder das Lachen im Hals stecken bleiben könnte. Drastisch geht es zu bei Polt, räumt der Rezensent ein, der auch wirklich "starken Tobak" aufgetischt sah. Aber scharfsinnige Satire darf das, findet Thieringer, denn Polt enthülle den schmalen Grat zwischen Alltag und Abgrund. Wie in den Fernseh-Satiren fühlt sich der Rezensent durch die 14 Monologe "tief in den gesellschaftlichen Sumpf gestoßen", wenn der Kabarettist seine Spitzen bayrisch-bierseeligen Mannsbildern in den Mund lege.

© Perlentaucher Medien GmbH