und größere Abenteuer erlebten, unten im Süden, wo die Ampeln andersherum gehen, oben ist grün, unten ist rot, was der farbenblinde Behrendt aber nicht merkte; wie sie, irgendwo in Louisiana, in ein Gefängnis gelassen wurden, wo sie einen inhaftierten Bluesmusiker treffen wollten; und wie ihnen erst, als sie wieder herauskamen, bewußt wurde, daß sie mit Hunderten Häftlingen allein gewesen waren; wie sie, in Chicago, von Jack Teagarden auf sein berühmtes Chili eingeladen wurden, und als sie beim Essen waren, kam die Polizei und wies sie darauf hin, daß der betrunkene Teagarden sich in der Tür geirrt hätte und sie alle in der falschen Wohnung säßen.
Claxton sprach auch darüber, wie er zum Fotografen wurde, zum Experten für den Jazz und fürs Kino, zum Hausfotografen von Steve McQueen zum Beispiel, der Claxton erst mal nicht leiden konnte; und dann, die Schwierigste von allen, das muß Ella Fitzgerald gewesen sein, die sich selber häßlich fand und deshalb die Fotografen haßte. Es war ein nettes, angenehmes Gespräch, und Claxton, ein äußerst cooler Kalifornier, erzählte, daß er noch immer ein Jazzfan ist, einer, der Sinatra mag und Cool Jazz und von den Sängerinnen am liebsten Dinah Washington, und als dann, ein paar Wochen später, die Kassette im Abspielgerät lief, war Claxton zwar zu hören, wie er flüsterte, aber von dem, was er da sagte, verstand man, weil es so leise war, kaum ein Wort.
Und womöglich ist das ja gar nicht so schrecklich, weil seine Fotos für sich selber sprechen - William Claxton, der ein Hipster war und mit einem Model verheiratet, wußte ganz genau, daß der Jazz auch eine visuelle Kunst ist: Wenn jemand einen Stil hat, dann kann man den auch sehen. Claxton hatte ja, lange bevor er Behrendt traf, Plattencover für Jazzmusiker fotografiert, für das Label Pazific, es waren auch seine Fotos von Chet Baker, im T-Shirt, mit trotzig-romantischem Blick und fest verschlossenen Lippen, damit man die Zahnlücke nicht sah, es waren auch Claxtons Fotos, die diese Karriere des Trompeters in Schwung brachten (und dreißig Jahre später Bruce Weber inspirierten), und es gab Musiker, die fühlten sich so gut getroffen von William Claxton, daß sie ihm ihre Kompositionen widmeten.
Es war in Detroit, wo Claxton und Behrendt jene vier Musiker trafen, an welche, wenn es nicht dieses Foto gäbe, sich jenseits von Detroit kaum einer mehr erinnern würde, und gerade weil man bei ihrem Anblick keine bestimmte Musik ihm Ohr hat, sieht man auf diesem Bild ganz genau, worum es meistens ging im Jazz: um eine Energie, die so groß ist, daß es zu ihrer Beherrschung extrem strenge Formen braucht; um eine Haltung, die mit dem Wörtchen "cool" schon präzise beschrieben ist, weil es eines Panzers aus Eis bedarf, die Schönheit der Musik vor dem Einbruch der häßlichen Welt zu bewahren.
Es sind, immerhin, Mel Lewis, Wynton Kelly und Sonny Stitt, die auf dem Partyfoto spielen, es ist Al Porcino, der tanzt, und wenn man zurückblättert in dem wunderbaren Buch "Jazzlife", dann sieht man, daß sie zuvor am Pool gesessen haben, an einem heißen Tag, an dem die Musik gar nicht anders klingen durfte als cool, und Anita O'Day, die darunter als sophisticated lady posiert, war die schwärzeste unter den weißen Sängerinnen und die coolste erst recht, wie jeder weiß, der ihre Fassung von "My Heart Belongs to Daddy" kennt.
Musik, das beweist William Claxton, ist manchmal rechteckig, und Fotos haben einen Sound, und insofern war es allerhöchste Zeit, dieses Buch wieder herauszubringen.
CLAUDIUS SEIDL.
William Claxton, Joachim Ernst Behrendt: "Jazzlife". Taschen-Verlag. 696 Seiten, 150 Euro.
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