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marcialoup

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Insgesamt 151 Bewertungen
Bewertung vom 19.09.2025
Boyle, T. C.

No Way Home (deutschsprachige Ausgabe)


sehr gut

Abhängigkeiten

Terrence's Mutter stirbt. Er fährt in ihr Haus in Nevada, das er erbt, und wird von der Nachbarin Margaret, einer engen Freundin seiner Mutter, abgefangen, die Mutters Hund Daisy an der Leine hat und ihm diesen übergibt.
Terrence, alleinstehender Assistenzarzt Anfang 30, muss mit der neuen Situation erstmal klar kommen, wohnt er doch in einer kleinen, wenig benutzen Wohnung in der Stadt.
Er ist Arzt, immer. Er arbeitet im Krankenhaus für Obdachlose und erlebt dort oft Schlimmes. Aber auch wenn er fremde Leute sieht, egal ob auf der Straße, in Cafés usw. schaut er primär, wie es um sie steht, bildet in seinem Kopf mögliche Diagnosen.
In sich gekehrt, ruhig und sympathisch kommt Terrence beim Leser an. Aber auch ein bisschen hilflos ob der plötzlichen Dinge, die wegen des Todesfalls zu regeln sind. Mit Änderungen in seinem Lebensablauf scheint er überfordert.
Bei seinem Kurzaufenthalt im Haus seiner Mutter lernt er eines Abends eine junge Frau, Bethany, in einer Bar kennen, die sich aus ihren Umständen heraus spontan bei ihm einquartiert, damit Hund und Haus nicht allein sind, wenn Terrence wieder als Arzt in seiner Großstadt ist. Allerdings ohne Terrences' Einverständnis...

Bethany weiß ihren Charme und ihr dominantes Auftreten perfekt einzusetzen, um Terrence immer wieder um den Finger zu wickeln und in seine Schwächen zu greifen, um ihr eigenes Ziel zu erreichen.
Und Terrence verfällt ihr immer wieder...
Allerdings braucht auch Bethany Terrence!
In diese Abhängigkeitsbeziehung mischt sich Jesse ein, Bethany's eifersüchtiger Ex und komplettiert das Dreigespann einer toxischen Beziehung.
Aus dem einst so ruhigen Leben Terrences', das überwiegend aus Arbeit im Krankenhaus bestand und sonst sorglos und geordnet verlief, entwickelt sich ein Chaos aus entgleitenden und entgleisenden Ereignissen.

Die Kapitel wechseln zwischen den drei Personen und lassen dadurch intensive Einblicke zu.
Jesse ist z.B. doch anders als man zu Beginn aus Sicht der anderen denkt.
Thematisiert sind toxische Beziehungen, Obdachlosigkeit und das Krankensystem in den USA und hinterlässt teilweise einen schalen Nachgeschmack. Man muss bereit sein, den genauen Blick menschlicher Abgründe zu ertragen!
Die Qualität der Geschichte ist jedoch T.C.Boyle-einzigartig!

TC Boyle schreibt genial, mit kraftvollen Worten, gewürzt mit menschlicher Gedankentiefe, gespickt mit Absurditäten, totaler Offenheit und dem Gefühl, die Rolle des Beobachters einzunehmen. Die Symbiose zwischen Mensch und Tier ist beiläufig und zehrt von nebensächlicher Wichtigkeit für den Verlauf der Geschichte.

Das Cover zeigt nebulös Ansätze einer Großstadt, der Wüste und einer Frau, die über allem steht und trotzdem verschwommen bleibt.
"No way home" gilt für alle Protagonisten...

Bewertung vom 15.09.2025
Swidler, Nicole;Swidler, Uli T.

Herzlauschen


ausgezeichnet

Sinnesrauschen - zwischen den Zeilen

Das Lampenfieber der berühmten Sopranistin kurz vor ihrem Auftritt ist spürbar. Letzte Vorbereitungen wuseln hinter der Kulisse während auf der Bühne schon der Beginn startet...
Tessa's Gesang ist berauschend, berührend und geht in die Tiefe, deren Gefühle wiederum von dem gehörlosen Paul, der im Publikum sitzt, auf einem Skizzenblock festgehalten werden.

Großartig wie das Autorenehepaar Nicole und Uli Swidler die Lesenden intensiv in dieses Konzert hineinholt, sodass man wie aus einer Live-Show danach wieder auftaucht als hätte man es gerade selbst erlebt!
Ausgelöst durch die beiden Blickwinkel, die Tessa und Paul aus unterschiedlichen Perspektiven und Empfindungen verströmen, kommen wir Lesenden beiden Protagonisten sehr nahe, da die Kapitel von Tessa zu Paul hin und her wechseln.
Dadurch entblättern sich nach und nach ihre jeweiligen Lebenssituationen, die aus der Vergangenheit heraus in eine Zukunft geraten, die Wunsch und Sehnsucht vereinnahmt.
Beide Charaktere sind stark gezeichnet, verkörpern Lebendigkeit und Wärme, die überspringen.

Tessa, 45, Sopranistin, gefangen in ihren Gefühlen und in ihrer Berühmtheit, die sie zwingt, im Privatleben unterzutauchen... den goldenen Käfig zu wahren.
Paul, 50, Bildhauer, gehörlos, und ebenfalls gefangen auf andere Art und Weise.
Beide haben bewegte Lebensgeschichten um die herum Netzwerke bestehen, die sie daran hindern, abzustürzen.

Gefühlsintensität, Schicksal, Einsamkeit und Angstgefühle vor den großen Bühnen der Lebensmomente lassen eine bittersüße Liebesgeschichte entstehen, die eine neue Welt kreiert.
Doch was zu Beginn einfach erscheint, verkompliziert sich durch ihre verschiedenen Welten. Paul und Tessa fallen mit aufgerissenen Herzen und es bleibt spannend zu verfolgen, was daraus wird.

Das dunkle Cover fällt auf den ersten Blick nicht so sehr auf, doch lässt die Schrift in Rottönen hinsehen auf die Dame, die mit dem Rücken zu uns gekehrt, fast ein bisschen verloren, fragend, ins Publikum schaut und damit das Cover ins Bühnenlicht rückt, aber auch die Größe, für die sie steht.
Beim Lesen des Romans versteht man dann die Genialität des Covers und spürt die Sinnesberauschung, die beschriebenen Momente und die Einsamkeit einer Berühmtheit ebensosehr wie die feinen Nuancen, die von Paul ausgehen, der durch seine Gehörlosigkeit eine andere Wahrnehmung eröffnet.
Herzlauschende Feinsinne!
Musik und Gehörlosigkeit scheinen im ersten Atemzug unvereinbar, aber das genaue Hinspüren beweist das Gegenteil.

Ich bin fasziniert und lege diesen außergewöhnlichen Liebesroman an jedes Herz zum Lauschen!

Bewertung vom 01.09.2025
Sauer, Anne

Im Leben nebenan


sehr gut

Antonia und Toni, eine Person, zwei Leben...

Was wäre wenn ...
Interessante Darbietung eines Lebens in zwei Akten: wie es verlaufen ist und wie es verlaufen hätte sein können.
Toni lebt mit Jacob in einer Beziehung, unverheiratet, kinderlos, mit Trauer, Enttäuschung und Hoffnungen, und mit Kinderwunsch, der sich auf verschiedene Arten nicht erfüllt.
Bis Toni eines Tages als Antonia aufwacht, neben sich ihr frisch geborenes Kind Hannah. Erstaunt findet sie sich in einem modernen, üppig eingerichteten Haus wieder, verheiratet an der Seite ihrer Jugendliebe Adam...
Wo ist Jacob?
Nach Schock kommt Realität, kommt Engegefühl, kommt Angst, kommt Fluchtgedanke. Antonia versucht, aus dieser Situation wieder rauszukommen, aber wie?

Die beiden Leben laufen parallel und wir beobachten, wie Antonia und Toni sich ändern, wie sie durch die Situationen verändert werden, was sie verlieren, was sie gewinnen, was wirklich wichtig ist.

Kurzweilig und mit lockerer Sprache, mit humorvollen aber auch ernsten Abschnitten unterhält uns die Autorin in diesem Roman, der allerdings intensiv um das Thema Kinder kriegen oder nicht kreist. Sehr gut dargestellt ist der Alltag mit Baby und vielleicht spricht es eher die Lesenden an, die vor diesen Entscheidungen stehen.

Das Cover gefällt mir übrigens sehr gut! Die Unterwasser-Aufnahme hat etwas Klares, Frisches, doch die Sicht schaut über Wasser.

Bewertung vom 17.08.2025
Graw, Theresia

In uns der Ozean


ausgezeichnet

Pestizide! Rachel Carsons Geschichte

Das Leben der Rachel Carson, quasi die Mutter der ökologischen Bewegung, wird von der Autorin Theresia Graw erzählt. Rachel ist Biologin und interessiert sich sehr für Natur, Tiere und Umwelt, ihre Liebe gehört dem Meer.
Ihr Traum scheint Wirklichkeit zu werden als sie an einem Forschungsinstitut am Meer eine Doktorandenstelle angeboten bekommt. Dort lernt sie Mary kennen, die bei der damals schüchternen Rachel ihr Potenzial öffnet.
Ein Mitbewerber schaltet Rachels Chance aus, indem er sich mit Rachels Entdeckung schmückt und ihr die Stelle vor der Nase wegschnappt. Rachel kehrt nach Hause zurück, kümmert sich um ihre Familie, als Vater und Schwester sterben, nimmt verschiedene Jobs an, macht aber selten das, was sie wirklich gern möchte. Viele tragische Momente zeichnen ihr Leben und es scheint, als sei Rachel nur für andere da, bis jemand an sie herantritt und sie bittet ein Buch zu schreiben.
Rachels poetische Naturerzählungen bringen ihr den Durchbruch in der Literatur sowie Beliebtheit und Ansehen, was für eine alleinstehende Frau in den 1950er Jahren eher selten war.

Ein großes Thema dieser Zeit ist der massive Einsatz des Pestizids DDT, das völlig verharmlost dargestellt und großflächig eingesetzt wird.
Als Rachel anfängt, DDT zu hinterfragen, wird es spannend, aber auch erschreckend, erschütternd, unglaublich und grausam.
Mit voller Lebenskraft kämpft Rachel gegen DDT, dessen Verbot sie angestoßen hat, das jedoch noch Jahrzehnte benötigte bis es endlich fast überall durchgesetzt wurde.

Ganz traurig ist nur, dass, wenn ein Pestizid verboten wird, sowieso ein anderes entwickelt wird, dessen Langzeit-Auswirkungen genauso wenig erforscht sind...
Unfassbar die Vorstellung, dass heute noch in manchen Ländern Pestizide mittels Flugzeug versprüht werden und Mensch, Tier und Natur keine Lobby gegen die Chemieindustrie hat.

-In uns der Ozean- ist unterteilt in zwei Erzählstränge, die zwischen Rachels Leben von Kind an und in den 60er Jahren kurz vor ihrem Tod wechseln, bis diese beiden Erzählstränge zusammenlaufen.

Die Schreibweise ist angenehm und leicht zu lesen, anfangs bleibt die Geschichte fast ein bisschen oberflächlich. Durchhalten lohnt aber, denn als Rachel die unschöne Seite der Pestizid-Einsätze aufdeckt und publik macht, kommt Spannung in die Geschichte.
Danke Rachel, dass du Bewegung in dieses Thema gebracht und so bitterlich und mutig gekämpft hast!

Außerdem freue ich mich nun auf Rachel Carsons Buch "Der stumme Frühling", das ich sowieso schon seit längerem lesen wollte! Es hätte dafür keinen passenderen Titel geben können!
Wie traurig wäre Rachel wohl, wüsste sie, dass heute viele andere, ebenfalls gefährliche Pestizide in großem Stil zum Einsatz kommen und auch DDT noch viele Jahre und in mehreren Ländern der Welt auf unterschiedliche Weise weiter eingesetzt wurde...

Das Cover gefällt mir übrigens sehr gut. Es fällt, zusammen mit dem Titel, ins Auge und strahlt eine verschwommene Leichtigkeit und Hoffnung aus.

Ich hoffe, das Buch rüttelt auf, sich mit dem Thema Pestizide, intensiver auseinanderzusetzen!
Es ist schließlich unsere Gesundheit und ohne Natur kein Leben...

Wir sollten für Rachel und für uns selbst weiter kämpfen, denn es betrifft uns alle!

Bewertung vom 04.08.2025
Lewis, Caryl

Wilder Honig


sehr gut

Der Trost der Bienen

Eine leise, zarte Geschichte erzählt die Autorin Caryl Lewis über Hannah, die ihr Leben aus Schicksalen knüpft.
Nach dem Tod ihres Mannes John, der leidenschaftlicher Imker war, erfährt Hannah bei der Testamentseröffnung Unfassbares und ihr komplettes Leben wird in Frage gestellt.
Zerknischt und zutiefst verletzt trauert sie mit verschiedensten Emotionen durch den großen Obstgarten am elterlichen Haus, der einst Geborgenheit schenkte, während ihre Schwester Sadie sie dazu antreibt, die Briefe von John, die er Hannah hinterlassen hat, unbedingt zu lesen…

Mit jedem gelesenen Brief erfährt Hannah Wahrheiten und schöpft durch die Bienenstöcke ihres Mannes und die Geschichte der Bienen neues Vertrauen, das zerbrechlich nach Festigkeit sucht.
Und dann ist da noch Megan…
Die drei Frauen einen gemeinsame Verbindungen und doch kämpft jede für und gegen ihren eigenen Widerspruch im Leben.

Verwoben mit detailreichen Landschaftsbeschreibungen atmen wir apfelsüße Luft oder klaren frischen Morgentau, hören das leise Summen der Bienen und gehen mit Hannah durch stille Naturidylle, getränkt von Schmerz, Enttäuschungen und auch Liebe.
Die behutsam gefeilte Sprache der Autorin gleitet harmonisch durch die Seiten, bringt achtsame Momente, Entschleunigung und naturgetragene Entspannung beim Lesen.
Auch punktet der Roman mit gut eingestreuten, überraschenden Momenten und nur wenigen Längen.
Auf weniger als 300 Seiten ist eine bemerkenswerte Geschichte entstanden, die Trost spendet und ganz viel hinterlässt.

Bewertung vom 31.07.2025
Evans, Virginia

Die Briefeschreiberin


ausgezeichnet

Sie haben Post!

Ein außergewöhnlicher Roman in reiner Briefform lädt uns durch sein gemütlich wirkendes, in warmen Farben gestaltetes Cover dazu ein, Sybil kennenzulernen.

Sybil ist eine charmante 73jährige ehemalige Juristin und schreibt für ihr Leben gern Briefe, echte handgeschriebene Briefe!
Jeden Tag schreibt und bekommt sie Briefe, an und von Freunden, Verwandtschaft, Kollegen, selbst vom Nachbarn Herrn Lübeck. Den Briefaustausch mit ihm finde ich sehr entzückend! Und während des Verlaufs gehen die beiden vom Sie zum Anreden mit Vornamen über.
Aber sie schreibt auch Briefe an Ärzte, Firmen, Journalisten und Autoren und nimmt dabei kein Blatt vor den Mund. Auch brieflich kann man sich hervorragend streiten! Ihre Meinung und ihre Gefühle gibt Sybil immer offen preis.

Den Austausch mit ihrer Schwägerin, gleichzeitig Freundin, Rosalie mochte ich am meisten, u.a. auch, weil sie beide sich am Ende ihrer Briefe immer erzählen, welches Buch sie gerade lesen. Total süß!
Zwischendrin ist regelmäßig ein Part ohne Adresse und ohne Gruß am Ende, mit dem Hinweis, dass die vorherigen Seiten nicht abgeschickt sind. Wem schreibt Sybil wohl?
Sie reflektiert darin viel... Am Ende des Buches werden wir es erfahren.

Man lernt durch die Briefe nach und nach Sybil und ihr Leben sehr gut kennen. Dabei gibt es Briefe, die sie Kraft und Mut kosten und Geheimnisse aus ihrem eigenen Leben lüften.

Anfangs musste ich mich erst einmal einlesen, wem denn nun gerade geschrieben wird, dafür ist auf den letzten Seiten ein hilfreiches, nett beschriebenes Personenverzeichnis angelegt und der Empfänger steht jeweils am Anfang der Kapitel.
Jedes Kapitel ist ein Brief.
Zwischendurch gibt es auch E-Mails.

Oft lege ich Romane zurück, wenn darin viele Briefe vorkommen... Dieser Roman jedoch besteht ja nur aus Briefen und hat dadurch eine große Besonderheit die Protagonisten und Nebenfiguren einmal auf andere Weise zu entdecken. Man hat das Gefühl in permanentem Austausch zu sein, quasi wie Dauergespräche.
Die Autorin zeichnet eindrucksvolle Charaktere und jeder Brief hat seine eigene Stimme mit eigenem Klang. Man bekommt während des Lesens Ideen, wie die Menschen aussehen könnten und es entsteht fast ein Gefühl des Sich-Kennens.

Außerdem bekommt man Lust, selbst wieder Briefe zu schreiben, und gern zu empfangen, in einer Zeit, in der nur noch Werbung und Rechnungen im Briefkasten liegen.
Vor über 30 Jahren hatte ich sehr viele Brieffreundschaften in aller Welt. Leider verläuft sich manches mit der Zeit.
Letztes Jahr hatte ich einen Postkartenkalender und habe jede Woche eine Postkarte an eine liebe Person geschickt. Jeden Montag, wenn ich das Kalenderblatt abriss, ging die Postkarte raus. War tatsächlich eine so schöne Beschäftigung!
Und so ähnlich geht es wohl Sybil, wenn sie sich an ihren Platz ans Fenster setzt und Briefe schreibt.
Sehr zu empfehlen!
Also... schreibt doch mal einen Brief!

Bewertung vom 13.07.2025
Kitamura, Katie

Die Probe


gut

Ein rotes Tuch

Das Cover, ein rotes Tuch... Ein Teil eines Vorhangs der Bühne? Wehend, umspielend... subtil verbergend... Undurchsichtig! So beginnt auch DIE PROBE. Ein bisschen undurchsichtig, wohin es führen wird.
Ein rotes Tuch, dass Tomas, der Mann der Schauspielerin, also seine Frau, mit einem Jüngeren, Xavier, in einem Restaurant sitzen sieht, in das er ging, in dem Bewusstsein, seine Frau dort sicher nicht anzutreffen... Tomas tat als hätte er sie nicht gesehen, doch sie hatte ihn gesehen und am späteren Abend Zuhause schwebten sie gegenseitig um sich herum wie im Schleichgang, um die Szene im Restaurant zu verstehen ohne dabei über Grenzen des anderen zu treten, oder sich selbst bloßzustellen und Antworten zu forcieren.
Haben wirklich beide etwas zu verbergen?

Dann erzählt Xavier, der Schauspielschüler, bei einem weiteren Zusammentreffen mit der Schauspielerin, dass sie seine Mutter ist.
Wer, wenn nicht die Mutter, weiß ganz genau, ob sie jemals überhaupt ein Kind geboren hat?
Xavier hat es von seinen Zieh- Eltern erfahren.
Die Schauspielerin sagt, sie habe nie ein Kind geboren, wird aber durch diese Konfrontation an damals erinnert, als sie eine Fehlgeburt hatte.
Dadurch sieht sie auch Tomas mit anderen Augen und Veränderungen lassen sich nicht mehr verhindern.

Mit klarer Schreibart bleibt Katie Kitamura hinter Verborgenem und lässt dem Leser Raum.
Leise zieht sie Kreise um die Ehe, um die namenlose Schauspielerin, um Tomas und Xavier und weiteren Figuren, die Rollen spielen. Es geht um Wahrheiten und Spiele im Sinne von Schauspielerei und deren Entwicklungen und Verknüpfungen auf der Bühne und im echten Leben.
Ein Roman den man mögen muss, kein Nebenbeiwerk!
Mit Muße und nicht so flüssig zu lesen...
Mir hat er nicht gefallen!

Bewertung vom 06.07.2025
Knecht, Doris

Ja, nein, vielleicht


ausgezeichnet

Eindeutig Ja zum Buch!

Die sehr sympathische Ich-Protagonistin nimmt uns mit in ihr alterndes Leben, das langsam einige Gebrechen und Wehwehchen aufweist, die sie auf amüsante, gelassene Weise preisgibt. Die Kinder sind aus dem Haus, den Ehemann gibt's nicht mehr und sie freut sich auf ein ruhiges Leben, das eben durch kleine Einschnitte, wie ein parodontisierender Zahn, oder ihre plötzlich auftauchende Schwester, oder Friedrich, der Mann aus Jugendzeiten, ins Wanken gerät.
Die Ja-Nein-Vielleicht-Stimmung für Entscheidungsfindungen in Alltagsgeschehen merkt man durch die vielen Abwägungen und das In-Frage-Stellen der Protagonistin. Sie verfällt oft in viele Gedanken um Friedrich, aber auch Suzy Quatro oder der Hochzeit ihrer Freundin.

Die Ich-Protagonistin bleibt namenlos, sodass man die Geschichte leicht auf sich selbst oder natürlich auf die Autorin projizieren kann.
Man verfällt dem humorvollen, fast tröstenden, sprachlich gut ausgearbeiteten Erzählton sofort, findet Lebensgleichheiten, die man gern zitiert und ist insgesamt mit dieser wortreichen Geschichte in hoher Sprachqualität sehr glücklich. Mit wenigen Seiten ist der Autorin ein vollmundiger Roman mit klugem Witz und offener Ehrlichkeit gelungen, der nicht nur für die ältere Leserschaft geeignet ist. Es geht um Miteinander, Vergangenheiten und positives Alleinsein, um das Wir und das Ich.

Überaus aktuell fand ich die Jahrhundert-Überschwemmung, die ihr Haus in Gefahr brachte, da damit sicher das katastrophale Hochwasser in Österreich gemeint ist, das ich im September letzten Jahres während eines Wien-Urlaubs selbst miterlebt habe.

Das blumig bunte Cover macht beim Anschauen immer wieder Freude, es hat Struktur im Chaos, und auch der Marder ziert eine Blumenvase. Es passt zu dem unentschlossenen, aber doch entschieden bewussten Ja, Nein, Vielleicht!

Bewertung vom 02.07.2025
Gerstberger, Beatrix

Die Hummerfrauen


sehr gut

Mr. Darcy

Wechselnde Zeitebenen zwischen 2000 und 1982 bringen uns die Hummerfrauen näher.
In der Zeit um 2000 treffen Mina, Julie und Ann, drei unterschiedliche Frauen aus drei Generationen, aus zufälligen Gründen zusammen.
1982 gibt Rückblicke in Mina’s Kindheit. Ich fühle mich in beiden Zeiten wohl, die kindliche Geborgenheit ebenso wie erwachsene Verantwortungen und Lebensprobleme ausstrahlen.
Zudem überwiegt durch die Hummerfischerei viel Meeresatmosphäre in diesem Roman und man kann stellenweise die salzige Meerluft riechen und erfrischende Gischttropfen spüren.
Ein Buch, dass den Sommer auf dem Land in einen Urlaub am Meer verwandelt.
Mr. Darcy, der blaue Hummer, den Ann eines Tages fing und dann als Haustier umfunktionierte, lockert auf besondere Weise auf.
Auch sollte man unter den Schutzumschlag des Buches schauen, dessen Umschlag-Cover einen roten Hummer abbildet, unter dessen Oberfläche aber ein blauer Hummer zu finden ist. Und so ist auch das Buch, es geht tiefer…
Insgesamt eine netter sommerlicher Wohlfühl-Roman mit Liebe, Gefühlen, Schmerz, Verlusten und ganz viel Gemeinschaft.

Bewertung vom 26.06.2025
Maury , Avril

Noch fünfzig Sommer mehr


gut

Die Powerblume Ranunkel und ganz viel Bretagne mit Crepes Caramel

Wie ein kleiner Urlaub in der Vorstellungskraft erlebt man diesen Roman durch idyllische Landschaftsbeschreibungen der Bretagne, dem wildwüchsig-verwunschenen Garten und zarte Kindheitserinnerungen von Eleni.
Tragische Momente erlebt Eleni aber schon bald zu Beginn des Romans...
Zuckersüß ist es, wie Eleni und Theo sich kennenlernen. Doch ihre liebreizenden Zeiten enden viel zu bald katastrophal und Eleni's Leben wird in eine Angststörung katapultiert. Kaninchen Anemone, das Theo ihr geschenkt hatte, spendet ihr in diesen schweren Zeiten Trost.
Bis eines Tages ein Blumen-Topf vor ihrer Tür steht, dabei nur ein maschinengeschriebener Zettel ohne Absender. Die Pflanze benötigt Fürsorge und so traut sich Eleni wieder raus in ihren Garten. Dabei schwelgt sie in Erinnerungen an ihre Kindheit.
Der Blumenbote hört nicht auf und immer wieder findet Eleni eine Pflanze, um die sich gekümmert werden muss. Wer ist der heimliche Bote und was bezweckt er damit?

Das Buch würde ich schon allein wegen des herrlich sommerlich- frischen Covers kaufen. Die Geschichte selbst ist eine sehr leichte Sommerlektüre, am besten verschwindet man am Strand mit Crepes und Kuchen für ein paar Stunden in der Sommersonne.
Das war's aber auch schon. Lange nachhallen wird der Roman nicht und stellenweise war er mir zu seicht. Anfangs haben mich die Zeitenwechsel verwirrt und ich brauchte einige Zeilen um zu wissen, ob wir uns im Hier und Jetzt, in Eleni's Kindheit oder in ihrer Zeit mit Theo befinden.
Das Ende ist überraschend, auch wenn man mit einigem davon gerechnet hatte.