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Lu
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Hamburg

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Insgesamt 233 Bewertungen
Bewertung vom 04.10.2025
Schoeters, Gaea

Das Geschenk


ausgezeichnet

Ein Elefant in Berlin wäre schon ungewöhnlich genug – Gaea Schoeters lässt gleich 20 000 von ihnen durch die Hauptstadt marschieren. Mit dieser Ausgangsidee erzählt sie eine bissige und zugleich sehr unterhaltsame Satire über globale Abhängigkeiten, Verantwortung und Machtgefälle. Das „Geschenk“, das aus Botswana als Reaktion auf ein neues Einfuhrverbot von Elfenbein geschickt wird, konfrontiert die deutsche Regierung direkt mit den Folgen ihrer Entscheidungen: Wer anderen vorschreibt, wie sie zu leben haben, muss sich vielleicht selbst einmal diesen Bedingungen stellen.

Mir hat das schmale Büchlein ausgezeichnet gefallen. Ich habe beim Lesen nicht nur viel über Elefanten, ihre Lebensräume und die komplexen sozialen wie ökologischen Fragen rund um Reservate gelernt, sondern war auch überrascht, wie scharf und pointiert Schoeters den Berliner Politikbetrieb kommentiert. Sie zeigt, wie sehr Politainment, Inszenierung und Populismus heute den Diskurs prägen – und das auf leicht zu lesende, amüsante Weise.„Das Geschenk“ ist damit eine kluge, witzige und aktuell relevante Lektüre, die ich gerne weiterempfehle!

Bewertung vom 03.10.2025
Fischer-Hunold, Alexandra

Nächster Halt: Mord. Ein Weihnachtskrimi. Cosy Crime trifft auf Krimi-Klassiker: Mord im weihnachtlichen Luxuszug mit Flair der Zwanziger Jahre. Raffinierter All-Age-Krimi voller Weihnachtsstimmung


ausgezeichnet

Schon das Cover und die liebevolle Buchgestaltung machen Lust auf diese winterliche Krimifahrt – und tatsächlich hält der Roman, was er verspricht: Ein klassischer Detektivkrimi zum Miträtseln, eingebettet in ein nostalgisches Zug-Setting auf dem Weg von London nach Edinburgh voller weihnachtlich-winterlicher Atmosphäre.

Millie war für mich eine herrlich sympathische Protagonistin: offen, neugierig, und wie ich mit einer Vorliebe fürs Bahnfahren, Stricken und Lesen. Allein ihre Gedanken rund um das Reisen auf Schienen haben für mich den Einstieg besonders charmant gemacht. Gemeinsam mit ihrer Schwester Rachel begleitet sie die Jungfernfahrt des luxuriösen „Golden Highlander“ – ein Zug wie der Orientexpress, mit dem ich selbst gerne mal durch die Winterlandschaft Schottlands fahren würde. Schnell zeigt sich aber, dass in diesem Zug zwischen festlicher Stimmung, prominenten Mitreisenden und kulinarischen Genüssen nicht alles so friedlich ist, wie es scheint.

Die Mischung aus weihnachtlicher Gemütlichkeit und spannender Krimihandlung ist Fischer-Hunold sehr gut gelungen. Trotz Mord und Intrigen bleibt die Geschichte angenehm unblutig, dafür aber voller Rätsel, kleiner falscher Fährten und überraschender Wendungen. Besonders das Ende hat mir gefallen, weil es bis zuletzt neue Enthüllungen gab und ich mich nie zu früh in Sicherheit wiegen konnte.

Für mich ist „Nächster Halt: Mord“ ein echter Wohlfühlkrimi: spannend, atmosphärisch, mitreißend – und perfekt für eine Tasse Tee, Kerzenschein und schlechtes Wetter. Definitiv nicht mein letztes Buch der Autorin!

Bewertung vom 03.10.2025
Büsing, Annika

Wir kommen zurecht


gut

Annika Büsing erzählt in „Wir kommen zurecht“ die Geschichte des fast 18-jährigen Philipp, der inmitten einer zerrütteten Familie seinen Weg sucht. Zwischen einem überforderten Vater, der in Arbeit und neuer Beziehung aufgeht, einer psychisch erkrankten Mutter, die immer wieder verschwindet, und einer unsicheren ersten Liebe, versucht Philipp nebenbei sein Abi zu machen. Glücklicherweise hat er noch seinen besten Freund Lorenz, mit dem er alles teilt – oder fast alles.

Büsing gelingt es, das Innenleben ihrer Figuren feinfühlig und unaufgeregt einzufangen. Die klare Sprache, die ohne unnötige Ausschmückungen auskommt und Sprachbilder sehr gezielt einsetzt, hat mir richtig gut gefallen. Auch die Atmosphäre im Schulalltag kurz vor dem Abi ist überzeugend beschrieben.

Allerdings bleibt die Handlung insgesamt eher spannungsarm. Viele Konflikte zeichnen sich früh ab, insbesondere die Rolle der psychischen Erkrankung der Mutter, und entwickeln sich kaum weiter. So liest sich das Buch eher wie ein stilles Beobachten als wie eine mitreißende Geschichte. Für mich war der Roman damit – ganz im Sinne seines Titels – solide, aber kein Highlight, wie Büsings ersten beiden Romane es für mich waren.

Bewertung vom 01.10.2025
Dische, Irene

Prinzessin Alice


gut

Der Einstieg in Irene Disches neuen Roman hat mich sofort gepackt: frech, provokant und mit einem Thema, das man in einer Biografie über eine hochadlige Prinzessin nicht erwartet. Dieser Ton zieht sich zunächst unterhaltsam weiter, wenn Dische im gewohnt plaudernden Stil Klatsch und Anekdoten über die Battenbergs ausbreitet – leichtfüßig zu lesen, unterhaltsam und kritisch zugleich.

Die Figur der Prinzessin Alice, die im Zentrum des Romans steht, hat, wie ich auch noch einmal nachgelesen habe, ein wechselreiches Leben gehabt. Unter anderem wurde sie zwangsweise in eine Nervenklinik eingewiesen, aus der sie schließlich fliehen konnte. Trotz dieser eigentlich spannenden Geschichte hat mich der Roman leider im Laufe der Handlung immer weniger überzeugt und er hatte trotz seiner Kürze auch Längen. Alice erscheint über weite Strecken faszinierend – eine gehörlose Frau, die in fünf Sprachen von den Lippen liest, die religiöse Ekstasen erlebt, die zur Bedrohung für ein traditionelles Frauenbild wird. Und doch blieb sie für mich als Figur im Roman unnahbar. Vieles wirkte nebulös, manches bewusst verschwommen.

„Prinzessin Alice“ ist eine Lektüre über eine außergewöhnliche Frau, die in den königlichen Kreisen ihrer Zeit aneckte. Stellenweise war das spannend zu lesen, zwischendurch hat mich der Roman leider verloren.

Bewertung vom 26.09.2025
Mullen, Kelly

Die Einladung - Mord nur für geladene Gäste


sehr gut

Was für ein rasanter Auftakt: Kelly Mullens „Die Einladung“, übersetzt von Katharina Naumann, beginnt atmosphärisch dicht und mit einem richtig motivierenden Start ins Rätselraten. Schon nach den ersten Seiten wollte ich selbst mit Stift und Zetteln loslegen, um die Verdächtigen und ihre Geheimnisse zu sortieren. Besonders hilfreich fand ich dabei die Übersicht über die Figuren im Einband – auch wenn die Figuren in meinem Kopf deutlich weniger glatt und perfekt aussehen als dort gezeichnet.

Schnell ins Herz geschlossen habe ich Mimi und Addie, die beiden eigenwilligen Ermittlerinnen im Zentrum des Romans, die Zeuginnen eines Mordfalls in einem eingeschneiten Herrenhaus werden. Ihre Dynamik hat für mich den größten Reiz des Romans ausgemacht: Mimi, die mit 76 Jahren eigenwillig und sehr direkt ist, und ihre Enkelin Addie, die gerade verunsichert aus einer schweren beruflichen und privaten Trennung kommt. Auch wenn die Charaktere insgesamt nicht in besonders großer Tiefe entwickelt werden, haben sie mir gut gefallen und Charakterstudien erwarte ich bei dem Genre auch nicht.

Nett fand ich außerdem die herbstlich-winterliche Atmosphäre und das alte Herrenhaus-Setting, das genau die richtige Mischung aus Gemütlichkeit und Beklemmung vermittelt. Manches hätte für mich allerdings weniger konstruiert sein dürfen – auch wenn ich am Ende Freude an den Auflösungen hatte, wirkten manche Zufälle und Wendungen auf mich zu abstrus. Trotz kleiner Schwächen bleibt „Die Einladung“ für mich ein kurzweiliger Wohlfühl-Krimi, wie ich ihn mir erwartet hatte.

Bewertung vom 26.09.2025
Mustard, Jenny

Beste Zeiten


sehr gut

„Beste Zeiten“ erzählt von Sickan, die es aus der Provinz in Südschweden nach Stockholm schafft und dort ihr Studium und vor allem ihr eigenes Leben beginnen möchte. Durch die Übersetzung von Lisa Kögeböhn kann man außerdem so richtig in den schwedischen Alltag und die schwedische Sprache eintauchen.

Was anfangs nach einem unbeschwerten Neustart für Sickan klingt, ist allerdings gleichzeitig geprägt von den Narben ihrer Vergangenheit: massives Mobbing, wenig einfühlsame Eltern und verlorenes Vertrauen belasten sie noch immer. Jenny Mustard beschreibt einfühlsam, wie Sickan Schritt für Schritt lernt, sich selbst zu spüren, Grenzen zu setzen und ihre eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen – ohne dabei die Unsicherheiten und Widersprüche einer jungen Erwachsenen zu verschweigen.

Mir gefiel, wie realistisch das Uni-Setting und das WG-Leben dargestellt sind, wie intensiv Freundschaften und erste Beziehungen erlebt werden und wie Sickan trotz Schmerz und Fehlern immer wieder kleine Wachstumschancen ergreift. Die Nebenfiguren sind interessant und vielfältig, das Campus-Setting bildete für mich einen vertrauten, lebendigen Rahmen - auch wenn der Roman für mich definitiv kein Pageturner war.

Obwohl der Roman an manchen Stellen ein wenig vor sich hinplätschert, überwiegt für mich der positive Eindruck: Die Mischung aus Schmerz, Liebe und Selbstfindung macht „Beste Zeiten“ zu einem nachdenklichen und zugleich leicht zugänglichen Coming-of-Age-Roman. Dass die langfristigen Folgen von Mobbing thematisiert werden, habe ich so auch noch nicht in einem Roman gelesen.

Bewertung vom 09.09.2025
Louis, Édouard

Der Absturz


ausgezeichnet

Auch wenn es eigentlich der Abschluss von Louis’ Familienzyklus ist, habe ich Der Absturz als erstes Buch des Autors gelesen – und es hat wunderbar für sich allein funktioniert. Im Zentrum steht der frühe Tod seines Bruders: ein tragischer Träumer, der sich nach einem größeren Leben sehnt, nach Erfolg, Liebe, Anerkennung – und der in der Realität von Armut, Alkoholismus und Gewalt gefangen bleibt. Schließlich stirbt er daran und Louis muss sich mit seinen Gefühlen dazu auseinandersetzen.

Der Autor zeichnet ein schonungsloses und zugleich erstaunlich einfühlsames Porträt. Besonders beeindruckt hat mich sein reflektierender Stil: Jeder Satz sitzt, nüchtern und präzise, gleichzeitig berührend. Auch die Übersetzerin Sonja Finck hat hier sehr gute Arbeit geleistet. Spannend fand ich auch die Art, wie Louis seinen Umgang mit dem Tod des Bruders und dessen Leben beschreibt – abgeklärt, fast kühl, aber immer mit einem Blick auf die eigenen Gefühle und Reaktionen.

Trotz der schweren Themen liest sich das Buch deshalb überraschend flüssig. Die reflektierte Auseinandersetzung mit Armut, Gewalt, Alkoholismus und Tod war für mich sehr bereichernd und insgesamt ein starkes Leseerlebnis – das war sicher nicht mein letztes Buch von Édouard Louis.

Bewertung vom 07.09.2025
Herzog, Katharina

Eine Prise Liebe / A Taste of Cornwall Bd.1


sehr gut

In Band 1 der neuen Cornwall-Reihe von Katharina Herzog gerät Sophie Wilde, gefeierte Restaurantkritikerin Londons, nach einem privaten Tiefpunkt in eine Krise – und landet ausgerechnet in Cornwall, wo sie das heruntergekommene Smugglers’ Inn in ein Gourmet-Restaurant verwandeln soll. Klingt nach ein bisschen Drama, Herzklopfen und Meeresrauschen – und genau das bekommt man hier auch.

Der Roman liest sich leicht und unterhaltsam, allerdings war die Story für mich insgesamt etwas zu vorhersehbar. Gerade die Liebesgeschichte bedient viele Genre-Klischees, die man schon aus anderen Wohlfühlromanen kennt, auch die Wahl der Sprache fand ich hier etwas zu schablonenartig eingesetzt. Beides ist für diese Art von Unterhaltungsroman aber eigentlich auch erwartbar. Wer sich daran also nicht stört, wird sich aber sicher gut unterhalten fühlen.

Ein echtes Highlight waren für mich insgesamt nicht die Hauptfiguren, sondern die eigenwilligen, wunderbar gezeichneten Nebenfiguren aus Port Haven, die mit ihrem Charme und Eigensinn die Geschichte lebendig machen. Sie haben für mich den Roman über weite Strecken getragen.

Ein typischer Wohlfühlroman für alle, die Liebesgeschichten dieses Genres und Cornwall lieben – süß, aber wenig überraschend.

Bewertung vom 01.09.2025
Myers, Benjamin

Strandgut


sehr gut

Benjamin Myers erzählt in Strandgut die Geschichte von Earlon »Bucky« Bronco, einem siebzigjährigen Witwer aus Chicago, der sich durchs Leben schleppt, bis ihn eine unerwartete Einladung nach England führt – zu einem Soul-Festival, das ihn mit seiner fast vergessenen Vergangenheit als Musiker konfrontiert. Dort begegnet er nicht nur Fans seiner alten Songs, sondern auch Dinah, einer Frau, die selbst in ihrem Alltag feststeckt und sich nach mehr sehnt.
Mich haben die Themen des Romans sehr berührt: der Umgang mit Schicksalsschlägen, Trauer und Sucht, aber auch die Kraft von Musik, Neuanfängen und menschlicher Nähe. Sowohl Bucky als auch Dinah sind keine glatten Figuren, sondern glaubwürdig komplex und verletzlich gezeichnet. Myers schafft es, ihre Begegnung so zu schildern, dass man als Leserin mit beiden mitfühlt und ihnen die Daumen für den Schritt zu einem Neuanfang drückt.
Trotzdem: Im Mittelteil hatte die Geschichte für mich leichte Längen, besonders dort, wo Buckys Suchtproblematik sehr ausführlich behandelt wird. Außerdem sollte man eine gewisse Toleranz für Kitsch mitbringen, denn der Roman trägt in einigen Sätzen bewusst dick auf. Leider bin ich auch ein paar Mal über die Übersetzung gestolpert, weshalb der Roman sich im Original wahrscheinlich flüssiger lesen lässt.
Am Ende bleibt jedoch das Gefühl, einen echten Wohlfühlroman gelesen zu haben – eine Geschichte, die Mut macht, dass Neuanfänge in jedem Alter und in jeder Situation möglich sind.

Bewertung vom 24.08.2025
Hughes, Siân

Perlen


sehr gut

In Perlen erzählt Siân Hughes eine leise, melancholische Geschichte über Verlust, Erinnerungen und die Schatten, die ein Trauma über Generationen werfen kann. Die Protagonistin verliert früh ihre Mutter unter ungeklärten Umständen, was ihr restliches Leben prägt. Als sie selbst Mutter wird, beginnt sie, sich mit diesem Schmerz auseinanderzusetzen und der eigenen Familiengeschichte nachzuspüren.
Der Roman ist ruhig erzählt, beinahe zart, und genau darin liegt seine Stärke – wobei ich das erst im Laufe des Romans erkannt habe. Gerade zu Beginn habe ich mich schwergetan, weil doch eher langsam erzählt wird und die Themen direkt sehr schwer sind: Verlust, psychische Erkrankungen, Magersucht, Selbstverletzung – all das wird ohne Dramatik, aber eindringlich behandelt.
Mich hat das Buch auf Abstand gehalten: Die Atmosphäre ist von Grund auf melancholisch, und als Leserin fühlte ich mich oft eher wie eine stille Beobachterin, die von außen auf das Leben der Protagonistin schaut. Dieses Gefühl der Distanz ist Teil der Wirkung, auch wenn es mir stellenweise den Zugang erschwert hat. Besonders schön fand ich schließlich das Ende. Perlen ist kein lautes Buch, sondern eines, das viele Reflektionen der Erzählerin enthält und diese auch bei den Leser:innen hervorrufen möchte. Dafür muss man sicher in der richtigen Stimmung sein, um es zu lesen.