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LichtundSchatten

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Insgesamt 333 Bewertungen
Bewertung vom 28.10.2025
Wendt, Rainer;Henkel, Frank

Deutschland in der Warteschleife


ausgezeichnet

Schon zu Beginn fesselt mich in diesem Buch dieser Satz: „Ein Wirtschaftsminister als lernender Praktikant, als wäre er stets auf der Suche nach Schwiegermüttern, die sich immer schon so einen Mann für ihre Tochter gewünscht haben und denen er auf Kaffeefahrten locker alle Heizdecken dieser Welt verkaufen könnte.“ In der Tat waren einige Politiker fleißig darin, Bürger an Staatsanwaltschaften zu verpetzen, wenn sich der Bürger humoristisch wehren wollte. Es stimmt, aus der Ampelzeit werden nur Talkshows mit gefallsüchtigen FDP-Vorsitzenden und einer Dame in Erinnerung bleiben. „Die Ampel wird als unwürdiges Spektakel deutscher Politik in die Geschichte eingehen.“ Der Beginn von Bürger-Verfolgungen unterhalb der Strafbarkeitsgrenze hat aktuell die Haudurchsuchung von Prof. Bolz zu einem Höhepunkt geführt. Die Autoren warnen genau vor dieser Entwicklung, angestoßen durch Parteien, die vor allem Angst vor dem Verlust von Ämtern haben.

Meinem Gefühl nach beschreiben die beiden Autoren in diesem Buch die politische Lage Deutschlands als eine müde Warteschleife, die ich bildhaft mit dem „Kaninchen vor der Schlange“ vergleiche – eine prägnante Metapher für die lähmende Unsicherheit und Abwartung, die unser Land derzeit prägt. Die Autoren des Buches sind Rainer Wendt, der langjährige Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, und Frank Henkel, ehemaliger Berliner Innensenator. Beide bringen umfassende Erfahrung aus der Sicherheits- und Verwaltungspolitik mit und verwenden dieses Wissen, um eine pointierte Diagnose des politischen Stillstands in Deutschland zu stellen. Den Elefanten im Raum möchte niemand sehen, und immer wieder muss ich an dieses Zitat von Norbert Bolz denken: „Die Stärke der radikalen Linken ist ihre unerschütterliche Dummheit.“

Wendt und Henkel schreiben mit dem Können und auch der beißenden, herben Kritik von Praktikern über die die aktuelle Merz Regierung und ihre Minister. Für sie ist Deutschland ein Land, das sich festgefahren hat: zwischen Regelungswut, Angst vor Verantwortung und dem Verlust an politischem Mut. Was in diesem Buch hervorsticht, ist die klare Sprache. Es gibt keine diplomatischen Umschreibungen, sondern handfeste Kritik an einer Politik, die dringliche Probleme lieber vertagt, als sie zu lösen.

Vom Zustand der inneren Sicherheit über Energie- und Migrationspolitik bis hin zu Wirtschaftsfragen zieht sich ein roter Faden: das Gefühl, dass Deutschland seine Tatkraft verloren hat und von Verwaltung statt von Visionen geführt wird.

Dabei ist der Ton nicht nur anklagend, sondern vor allem konstruktiv. Wendt und Henkel plädieren für eine Rückkehr zu Verantwortlichkeit, gesundem Menschenverstand und einer politischen Kultur, die wieder Entscheidungen wagt. Ihr Buch ist ein Appell an Realismus statt Ideologie – an das, was beide Autoren unter staatsbürgerlicher Vernunft verstehen. Es liest sich wie ein Lagebericht aus der Mitte des Apparats und zugleich wie eine Einladung, Politik wieder ernst zu nehmen und für den Bürger zu arbeiten. Dabei liest man die Sätze dieses Buches wie Comedy oft, festgemacht an z.B. der Politik der ehemaligen Außenministerin, sie darf uns jetzt in New York blamieren.

Zum Merzen und Sondieren muss ich schmunzeln: „Sondierungen zwischen politischen Parteien sind in etwa so wie eine Paartherapie zwischen verkrachten Eheleuten, die schon länger zusammen sind.“ Man reizt sich bis aufs Blut und wird durch Notwendigkeiten zusammen gehalten, hier: „Hohe Staatsämter locken, dicke Dienstwagen, in die man nur hinten einsteigt, sowie Insignien der Macht…“

Das Buch unterhält einen, beim Schmunzeln aber wird man schnell gallig und erkennt, es ist etwas faul im Staate Dänemark. Ja, dorthin sollten die Koalitionäre schauen, denn die SPD hat im Norden Europas Unglaubliches vollbracht, die Ortsbilder werden wieder erträglich, fast heimatlich. Die Sätze umkreisen markante Wahrheiten, die mir immer auf der Zunge lagen: „Bei den Sondierungen wird vereinbart, was man später vereinbaren will.“ Arbeitskreise, Herbst der Reformen, Vertagen, Warten, nichts machen.

Deutschland in der Warteschleife“ ist ein unbequemes, klarsichtiges Buch über die Müdigkeit eines Landes, das einst für Effizienz und Entschlossenheit stand – und nun vergeblich nach dem Freizeichen sucht. Die Autoren schließen das Buch mit wenig Hoffnung und sogar diese lassen mehr und mehr Menschen fahren, auch deshalb: „Die Verengung des Meinungskorridors ist tagtäglich spürbar.“ Mein Gefühl ist, dass im Märzen der Merz am Ende ist, weil die SPD die Forderung der Autoren nicht erfüllen wird: „…SPD, die endlich den Traum vom Sozialismus begraben und sich wieder den Problemen der Bevölkerung zuwenden muss.“ Der Verfasser des Vorwortes, Wolfgang Kubicki, sollte seine Partei schon mal auf einen neuen Wahlkampf und die Rückkehr in den Bundestag vorbereiten.

Bewertung vom 27.10.2025
Precht, Richard David

Angststillstand


weniger gut

Precht argumentiert auf zwei Säulen: Das egalste auf der Welt seien Hautfarben, denn seine Geschwister kämen aus Vietnam. Und der Kapitalismus durchdringe unser Leben auf das negativste in allen Verästelungen, jeder sei heute ein hypersensibles Marketingprodukt seiner selbst. Deswegen würde man heute nichts mehr ertragen und Streit aus dem Weg gehen. Er selbst habe Roger Willemsen auf das heftigste bekämpft, weil dieser damals besser war als er selbst. Erst auf Augenhöhe habe er ihn akzeptiert.

Nun, was Precht hier beschreibt ist Wettbewerb und Kapitalismus pur. Er ist Teil dessen, aber immer noch mit einer unstillbaren Sehnsucht nach seiner eigenen, linken Sozialisation, die alle Unterschiede der Kulturen einebnen und für null und nichtig erklären wollte. Aus diesem Grund blendet Precht auch etwas aus, das ihm als negativ erklärt wurde: Religionen. Heute den Unterschied zwischen Judentum/Christentum und der dritten monotheistischen Religion nicht zu kennen, ist höchst gefährlich. Und aus diesem großen Elefanten speisen sich heute zu 90% alle Probleme. Man kann es lösen wie die SPD in Dänemark oder wie die deutsche Linke: durch völlige Negation.

Der Kapitalismus ist kein System, das dem Menschen äußerlich übergestülpt wurde, sondern die natürlichste Form menschlichen Zusammenlebens, sobald Freiheit und Verantwortung möglich sind. Er wurzelt in demselben Impuls, der die westliche Kultur antreibt: im Drang, zu schaffen, zu gestalten, zu verbessern. Wer arbeitet, tut das nicht nur, um zu überleben, sondern um sich selbst und die Welt zu formen. In dieser schöpferischen Bewegung liegt Freude – und diese Freude ist keine ideologische Täuschung, sondern eine der elementarsten menschlichen Erfahrungen.

Die alte Industriekritik sah im Kapitalismus eine Maschine der Entfremdung. In Wahrheit hat gerade die Marktwirtschaft die Arbeit aus der Erstarrung des Zwangs befreit. Sie erlaubt, was alle politischen Systeme vor ihr behinderten: dass der Einzelne selbst entscheidet, was er mit seinem Leben anfangen will. Ob jemand Autos zusammenschraubt oder sie entwirft, ob er Programme schreibt, Bücher verlegt oder Brot bäckt – immer gilt: In der freien Wirtschaft kann jeder, der will, sich einbringen, gestalten, sich selbst beweisen. Das ist keine Ideologie, sondern Anthropologie.

Hier berührt sich Ökonomie mit Psychologie. Maslow hat gezeigt, dass der Mensch nach Selbstverwirklichung strebt, sobald seine Grundbedürfnisse erfüllt sind. Diese Selbstverwirklichung ist kein Luxus, sondern Ausdruck des Lebenswillens. Wer etwas leistet, erfährt Sinn. Kapitalismus ist also nicht die ökonomische Pervertierung des Menschlichen, sondern seine Fortsetzung mit anderen Mitteln. Er schafft den Rahmen, in dem Leistung, Kreativität und Verantwortung sich entfalten können. Er ersetzt Zwang durch Möglichkeit.

Der von Reckwitz und Precht beklagte „kulturelle Kapitalismus“ ist in Wahrheit ein Missverständnis. Wenn Menschen sich heute selbst verwirklichen wollen, dann tun sie das nicht, weil sie vom Markt getrieben werden, sondern weil sie leben wollen. Der Kapitalismus instrumentalisiert nicht das Menschliche – er bietet ihm Raum. Was seine Kritiker als Selbstverwertung deuten, ist in Wirklichkeit Selbstgestaltung. Nicht jeder, der seine Talente einsetzt, „vermarktet“ sich. Viele schaffen, weil sie sich im Tun erkennen. Freude an Arbeit ist keine Anpassung, sondern ein Zeichen von Lebendigkeit. Wer unternehmerisch denkt, denkt nicht nur an Profit, sondern an Verbesserung. Er will etwas, das vorher nicht da war. So wird Wirtschaft zu einem fortgesetzten schöpferischen Prozess, zu einer alltäglichen Kunstform.

Der Kapitalismus in seiner besten Ausprägung ist also nichts anderes als die ökonomische Entsprechung der Aufklärung. Er setzt auf Vernunft, Eigeninitiative, Verantwortung und Vertrauen in die Fähigkeit des Menschen, selbst zu entscheiden. Er zwingt niemanden zu Gleichheit im Ergebnis, sondern eröffnet Freiheit im Versuch. Darin liegt seine Moral: nicht im Verteilen, sondern im Ermöglichen. Seine Würde liegt in der Anerkennung des Individuums als Quelle aller Wertschöpfung.

Natürlich braucht dieser Kapitalismus Maß, Recht, Kultur und Ethik. Aber er braucht keine Scham. Wer Produkte erfindet, Dienstleistungen anbietet, Risiken trägt oder Märkte schafft, ist kein Profiteur, sondern Träger des Fortschritts. Der Kapitalismus ist kein Fremdkörper im Menschlichen, sondern seine produktive Energie in organisierter Form. Er hat mehr Menschen aus Armut befreit, mehr Wissen erzeugt und mehr Kreativität freigesetzt als jedes andere System zuvor.

Der Mensch ist kein Opfer der Märkte. Er ist ihr Ursprung. Der Kapitalismus, richtig verstanden, ist nicht die Ökonomisierung des Lebens, sondern seine Entfesselung. Er verwandelt Bedürfnis in Handlung, Idee in Tat, Möglichkeit in Wirklichkeit. Darum ist er, bei aller Unvollkommenheit, die menschlichste aller Lebensformen: weil er den Menschen in seiner schöpferischen Freiheit ernst nimmt.

Bewertung vom 20.10.2025
Sittig, Franziska;Petri, Noam

Die intellektuelle Selbstzerstörung


ausgezeichnet

"Manche Ideen sind so dumm, dass nur Intellektuelle an sie glauben." Das sagte George Orwell und dieser Gedanke trifft vor allem auf die aktuelle westliche Sichtweise einer selbstzerstörerishen Sichtweise auf die eigene Kultur zu. Dieses Buch vermittelt vor allem die Perspektive von Universitäten, die sogar in Amerika zunehmend in der monetären Hand ihrer eigenen Feinde sind.

„Während Israel von Feinden umgeben ist, die es mit Raketen und Terror überziehen, marschieren die Feinde des Westens stolz durch westliche Straßen. Diese Allianz ist im Westen so erfolgreich, weil der islamistische Wille zur Eroberung auf eine westliche Gesellschaft trifft, die sich im Endstadium ihres kulturellen Selbsthasses befindet.“ Dieser Selbsthass wird vor allem an Universitäten und sonstigen Bildungsinstituten gelehrt, der Wokeismus ist ein Ergebnis der Dekonstruktivisten, die einer gewaltigen Zerstörung der westlichen Kultur das Wort reden. Worte sind Ideen und ihre Umsetzungen sind das Werk von Intellektuellen, die damit den Lauf der Welt bestimmen. Die Konzeption der Welt lag bislang in der Hand linksdrehender Intellektueller, die nahezu unangefochten die Richtung der öffentlichen Meinung bestimmt haben.

„Man darf nicht vergessen, dass es für eine Nation womöglich gefährlicher ist, sich geistig erobern zu lassen als militärisch“, sagte der französische Dichter Guillaume Apollinaire 1917 voraus. „In diesem Sinne sind Universitäten nicht nur Orte der Forschung, sondern das intellektuelle Rückgrat jeder freiheitlichen Gesellschaft. Wer sie kampflos einer Ideologie überlässt, überlässt dieser die Deutungshoheit über Wirklichkeit und Zukunft.“

Stefan Zweig formulierte es so: »Wer seine Wurzeln nicht kennt, kennt keinen Halt.« Es kommt heute darauf an, dass wir uns wieder daran erinnern, was uns zu den westlichen Leistungen gebracht hat, die Grundlegung der Aufklärung, basierend auf dem Christentum und dem Judentum, auf Hinterfragen, skeptisch bleiben, offen denken, keinem abgeschlossenen Konzept angehören. Gott in diesem Sinne war und ist einer, der uns fordert, hinter seine Geheimnisse zu kommen, sie zu erforschen und erfinderisch zu sein.

Judentum und Christentum schufen eine theologisch flexible und vernunftorientierte Leitkultur. Sie entwickelten eine zukunftsorientierte Theologie , die sich anpassungsfähig an verändernde Lebensumstände zeigte. Dadurch entstand eine Balance von Vernunft und Logik, die das rationale Wirtschaften und den kapitalistischen Fortschritt ermöglichte. Alles wird heute bombardiert und in einer fatalen Allianz aus Links und Islamisten in eine Richtung gedrängt, die einen zweifeln lässt, ob alle noch bei Verstand sind.

„Wie konnten sich Antisemitismus, Israelhass und Hass auf den gesamten Westen unmittelbar nach dem 7. Oktober nur so stark an den Universitäten ausbreiten?“ Die Autoren gehen dieser Frage nach und vermitteln dass amerikanische Unis knapp 29 Milliarden Dollar aus dem Ausland erhalten haben, vor allem aus Katar und China. Man liest mit atemloser Spannung und kann über die Vorschläge zur Änderung dieser fatalen Situation nur doppelt unterstrichen zustimmen.

Im Grunde wollte ich wegen eines Vorwortes von Bassam Tibi gar nicht in dieses Buch einsteigen. Dass ihm sein gescheiterter Euroislam immer noch eine Stimme verleiht, begreife ich nicht ganz. Dass er den Islam seiner Mutter praktiziert, gestehe ich ihm zu. Aber er soll mir mal erklären, welchen Islam er lebt. Jenen, der Frauen als Äcker sieht oder Juden als … ansieht?

Alles steht im Koran und den Hadith, alles ist festgefügt, unveränderbar, einer Aufklärung nicht zugänglich. „Die Glocken sind Instrumente des Teufels“, sagte der Prophet in einem der Hadith. Überhaupt: Vorworte. Es braucht für dieses Buch keine, es spricht für sich. Und das ist inhaltlich so tiefgehend, wie ich selten in einem Buch an- und unterstrichen habe.

Die Autoren wollen nicht den Islam mit Islamismus gleichsetzen. Kann man so ausdrücken. Richtig ist trotzdem, dass sich beide Begriffe in einem Kontinuum befinden, die besonders Gläubigen auf der einen und die weniger streng praktizierenden Religionsanhänger auf der anderen Seite, beide gehören zusammen.

Bewertung vom 27.09.2025

Forever Book Journal


ausgezeichnet

Ein wertvoll anmutendes Hardcover Buch in Schwarz mit Goldener Schrift, mit Seiten, die gleichbleibend Einträge wie Autor/Genre/Seitenzahl/Verlag ermöglichen. Es ist primär auf Romane gerichtet und stellt einen vor Herausforderungen, z.B. „Das Buch in einem Satz“ oder „Das Buch in drei Worten“.

Neben all den Online-Möglichkeiten führe ich immer noch Buch über meine Lesefortschritte. Dabei sind bei mir Romane eher sekundär bzw. weniger vorhanden. Man erkennt an den Vorgaben tatsächlich, welche immer wiederkehrenden Dinge die Würze eines Romanes ergeben, also Spice (erotische Darstellungen), Romance und Tränen. Wie bewerte ich das Cover, den Schreibstil, die Handlung, die Charaktere, überraschende Wendungen (Plot twist) und vor allem das Ende. Darüber sollte man sich immer Gedanken machen.

Weil der Schreibstil oft genannt wird, hier meine eigene Definition, abseits von literaturwissenschaftlichen Einteilungen:

1. Verständlichkeit
Klar & einfach → Alltagssprache, kurze Sätze, direktes Verstehen
Beispiel: „Ich ging hinaus und atmete die kalte Luft.“
Komplex & verschachtelt → Mehrfachnebensätze, voraussetzungsreich
Beispiel: „Als ich, von unzähligen Zweifeln heimgesucht, endlich hinaustrat, schien die Luft kälter als mein Denken.“


2. Natürlichkeit
Natürlich & mündlich → klingt wie gesprochen, nah am Leser
Beispiel: „Komm, wir gehen, es wird gleich dunkel.“
Gestelzt & gekünstelt → bewusst formal, teilweise „literarische Pose“
Beispiel: „Es ziemt sich, die Örtlichkeit zu verlassen, ehe die Dunkelheit Besitz ergreift.“

3. Emotionalität
Emotional & nahbar → Gefühle direkt benannt, man spürt die Stimme
Beispiel: „Mein Herz raste, als ich sie sah.“
Distanziert & kühl → emotionsarm, analytisch
Beispiel: „Ihr Eintreten beschleunigte meine Herzfrequenz um 20 Schläge.“

4. Subjektivität
Persönlich & erlebend → Ich-Perspektive, innere Gedankenwelt
Beispiel: „Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte.“
Objektiv & beschreibend → Der Autor bleibt neutral, emotionslos
Beispiel: „Sie lachte, dann weinte sie.“


5. Rhythmus & Satzlänge
Knapp & pointiert → kurze, harte Sätze, hohe Lesegeschwindigkeit
Beispiel: „Er kam. Er sah. Er ging.“
Lang & mäandernd → epische Satzgefüge, verlangsamtes Lesen
Beispiel: „Er kam, und als er sie sah, wandelte sich sein Blick in einen Ausdruck, der alle vergangenen Jahre der Sehnsucht spiegelte.“


6. Bildhaftigkeit
Konkrete Sprache → beschreibt, was man sehen und fühlen kann
Beispiel: „Der Regen klatschte gegen die nassen Pflastersteine.“
Abstrakte Sprache → spricht von Ideen, Konzepten, Metaphern
Beispiel: „Der Regen war ein endloses Echo seiner Einsamkeit.“


7. Informationsdichte
Reduziert & minimalistisch → nur das Nötigste, kein Beiwerk
Beispiel: „Die Lampe war an.“
Überbordend & detailreich → ausladende Beschreibungen, viele Details
Beispiel: „Die alte Petroleumlampe, deren gelbliches Licht wie ein zitternder Atem an den Tapeten hing, schien den Raum kaum zu durchdringen.“


8. Nähe zum Leser
Direkt & einladend → der Text „spricht mit dir“
Beispiel: „Du wirst jetzt verstehen, warum ich gegangen bin.“
Distanzierend & hermetisch → Autor spricht nicht mit, sondern über
Beispiel: „Die narrative Instanz bleibt auf der Metaebene, fern des Lesers.“

Klare, einfache Sprache, gerne aus dem Kopf des Hauptprotagonisten am Anfang eines Romanes geschrieben. Es ist mir am liebsten. Und bloß nicht 20 Personen schon auf den ersten 20 Seiten! Also ein gezielter Start, der mir die Situation zu Beginn klar macht, solche Romane lese ich gerne. Alle anderen, verhüllenden, Rätsel aufgebenden Romane lege ich weg.

Bewertung vom 27.09.2025
Achleitner, Paul M.

Erfahrung beschleunigen!


sehr gut

Paul M. Achleitner, erfahrener Manager und Investor, bündelt in diesem Buch über 60 prägnante Management-Grundsätze aus seiner internationalen Karriere. Das Buch richtet sich an Führungskräfte in Konzernen und Start-ups, die in einer Welt voller geopolitischer Umbrüche und wachsender Unsicherheiten trotzdem handeln müssen.

Es ist aber darüber hinaus für jeden Interessierten, der sich zunehmend verunsichert fühlt, gut nachvollziehbar und motivierend zu lesen. Führung ist für Achleitner kein autoritäres Relikt, sondern eine aktive, optimistische Haltung, um eine beschleunigende Zukunft zu gestalten. Nicht schneller entscheiden, sondern klüger, darum geht es. Nicht um Wissen, sondern um echte Bildung.

Die fluide Realität in diesen Tagen lässt sich so umschreiben: geopolitische Spannungen, technologische Umbrüche und Klimawandel führen zu sozialen Konflikten. Die neue Realität für Unternehmen ist fluid, wetterwendisch und unberechenbar. Schwarze Schwäne sind erschreckend Realität.

Unterteilt in diese 3 Kategorien:

a) Legitimität
b) Leistung
c) Führung

werden kurze Essays/Überlegungen zum jeweiligen Thema gegeben, verständlich geschrieben, ohne Management/Technokratie Sprache, motivierend, klar und als Gespräch mit dem Leser gedacht. Am Ende stehen jeweils weiterführende Gedanken: als Fragestellungen und Aufgaben an den Leser.

Bewertung vom 27.09.2025
Schindler, Frederik

Höcke


gut

Björn Höcke war ein hervorragender Lehrer, schon mit 32 Oberstudienrat, er engagierte sich für den Unterricht und alle Kinder weit über das normale Maß hinaus und war höchst beliebt. In Sportstunden war er besonders aktiv, jede Übung machte er selbst vor. Er kannte sich in Geschichte bestens aus und forderte Schüler dazu auf, Standpunkte immer wieder zu hinterfragen, Geschichte sei kein abgeschlossener Prozess, sondern unterliege immer weiteren, klärenden Revisionen.

Wenn das Vorwort von R. Alexander stimmen soll, also Ablehnung von Multikulti rechtsextrem gelesen wird, wäre Merkel im Nachhinein rechtsextrem, ebenso Präsident Trump, der eine generelle, kritiklose Vielfalt der Kulturen ablehnt, wie er soeben in seiner UN-Rede verdeutlichte. Dazu würde auch Helmut Schmidt gehören, der die Gefahren des Islam deutlich beschrieb.

Höcke sei gegen den Westen, gegen Adenauer, gegen alles, was die Bundesrepublik ausmacht, er sei ein hoffnungsloser Rechtsextremer, so Robin Alexander im Vorwort. Er sei kein Opportunist, sondern ein rechter Überzeugungstäter wie es so weit rechts nicht mehr rechter ginge.

Alexander redet von krudem Geschichtsrevisionismus, den Höcke pflege. Schon der Vater von ihm sei mit Rechtsextremismus am Rande des Vertriebenen-Milieus aufgefallen. Ein hoffnungsloser Fall, so wird gleich zu Beginn suggeriert.

Nach Robin Alexander also ist folgendes festzustellen: „Germanentümelei, missverstandenes Preußentum, Versatzstücke der Konservativen Revolutionäre in Weimar und immer wieder verschwiemelter Natinlsozialismus.“ Besonders das mir unbekannte Wort „verschwiemelt“ sticht ins Auge. Für Höcke werden neue Worte erfunden, er soll also zur rechten Karikatur „geschwiemelt“ werden.

Das Wort „Geschichtsrevisionismus“ taucht regelmäßig in Verfassungsschutzberichten auf. Doch ohne die Möglichkeit zur Revision ist Geschichte Propaganda und keine Wissenschaft. Ich habe mich ausführlich mit den Vorläufern des 1. Weltkrieges befasst und kann sagen, dass in Frankreich und England damals die Ansicht überwog, dass man Deutschland wirtschaftlich nicht besiegen könne. Otto Wels in seiner berühmten Rede gegen das Ermächtigungsgesetz bezieht sich ausdrücklich auf die Schande des Versailler Vertrages.

Wenn ein Autor bis zur Beerdigung des Vaters von Björn Höcke geht, ohne genau sagen zu können, was der Sohn dort formulierte, ist das merkwürdig. Ansonsten ist das Buch gebaut um die zunehmende Sprachverwirrung und die Angst aller Deutschen, überhaupt noch etwas ausdrücken zu können. Im Grunde protokolliert der Autor die gesamte biografische Entwicklung von Höcke sowie seiner Umgebung, wobei die volksorientierte und soziale Hinwendung zentral sind. Der Politiker wird als ein intellektuell geschärfter, flexibler, spannender Gesprächspartner skizziert, dem es immer wieder gelänge, rechtsextreme Ausdrücke/Nähen sagbar zu machen.

Bedenkenswert an Höcke ist für mich die Einstellung zu Israel und die fehlende Bindung an den Westen bzw. Amerika. Seine Sicht auf die Marktwirtschaft ist nicht libertär, sondern enthält deutliche Kritik am ausufernden Finanzkapitalismus. Aspekte der Vielfalt und kultureller Nichtintegrationsmöglichkeit stehen auf einem anderen Blatt. Genau hier wollen traditionelle Parteien den Elefanten im Raum nicht sehen, es ist der schlichte Grund für das weitere Wachstum der AfD.

Das Buch zeigt einiges auf, manches nicht, vieles bleibt im Vagen, in der Andeutung und doch lohnt es sich, die Gedanken von Schindler zu lesen. Spannend ist doch, dass trotz massiver Angriffe gegen einenPartei diese weiter wächst und wohl vor der Mit-Regierungs-Übernahme steht. Ich hätte mir eine Analyse des Parteiprogramms gewünscht. Und vor allem eine Definition des Begriffes „rechtsextrem.“

Stattdessen wird gewarnt, dass die AfD noch erfolgreicher würde, wenn man ihre Themen ernst nimmt, sie auf. normal stellt: „Ich. bin davon überzeugt, dass es die AfD viel mehr stärkt, wenn sie normalisiert wird.“ (S 264) Die Schlussfolgerungen des Buches stehen auf knappen 7 Seiten, und dieser Satz stimmt: „Wenn die Parteien Wähler von der AfD zurückholen wollen, müssen sie gute Politik machen.“

In diesem Unverbindlichen verbleibt nahezu alles in diesem Buch, die AfD sei menschenfeindlich und rassistisch ist ein pauschales Urteil. Immerhin folgt ganz am Ende der Hinweis auf den Islamismus als zentraler Gefahr. Gespannt wäre ich auf ein ähnlich tief recherchiertes Buch, wenn es um islamische Netzwerke in Deutschland ginge, auf die der Autor hinweist. Er könnte bis dorthin das Buch eines türkischen Verfassungsrechtlers lesen, es ist von Ilhan Arsel: "Frauen sind Eure Äcker."

Bewertung vom 10.09.2025
Strasser, Stefan

Jungjäger-Ratgeber - Revierarbeit


ausgezeichnet

Von einem Praktiker für Praktiker und die ganz konkrete Arbeit vor Ort, im Revier. Dieses Buch vermittelt alle Aspekte der Revierarbeit und zeigt die Schritte gleich zu Beginn im übersichtlichen Jahresablauf. Dort findet man auch ein umfassendes Stichwortverzeichnis.

Das Buch vermittelt im Hauptteil übersichtlich und mit ausgeklügelten Tipps Revierverbesserungen, notwendige Maßnahmen für die Fütterungseinrichtungen und die Jagdhütte. Das Buch regt zur Eigeninitiative an und möchte Anleitungen geben, wie man vor Ort fast jedes Problem lösen kann, mit kreativen Hilfestellungen, die aus Jägern noch bessere Revierpfleger machen.

Bewertung vom 09.09.2025
Kassaei, Amir

Vom Unsinn des Lebens


ausgezeichnet

Ein Junge von 13 Jahren zieht vor der aufkommenden Khomeini-Islam-Wende und dem Irak-Krieg aus Teheran hinaus in die weite Welt, er kommt mit der Planung seiner Eltern nach Wien und lernt durch Zielstrebigkeit, Konsequenz und Ausdauer bzw. auch viel Zufall, wie man sich durchboxt und richtig gute Werbung macht. Seine Eltern gehören der ältesten Religion in Persien an, den Zoroastriern. Interessiert hätte mich, wie er seinen Kulturkreis/Religion als Grundlage seiner Motivation empfunden hat und wie er die Chancen von Islamanhängern im Westen einschätzt. Man kann dies indirekt aus seinem Verhalten ablesen, das ich mit dankbarer Hinwendung zu einer anderen Kultur, Vergeben und Verzeihen umkreisen würde. Aus Zitronen macht er immer Zitronenlimonade. In der Schule lässt man ihn merken, dass er ein Fremder ist, Kinder können wirklich sehr ausgrenzend sein. Trotzdem gibt er nicht auf, ist nicht nachtragend.

Man kann das Buch aus unterschiedlichen Perspektiven lesen. Für mich war es vor allem die Beschreibung seiner grundlegenden Werte und wie er quasi aus dem Nichts in einer 1-Zimmer-Wohnung in Wien nach oben wollte, sich immer weiter pushte und nie aufgab. Aufgeben war nie eine Option und neue Herausforderungen waren für ihn Glück und Vorwärtsgehen. Seine Dankbarkeit seinem ersten Helfer gegenüber in Wien ist zu Herzen gehend beschrieben, Amir Kassaei verurteilt andere nicht, sondern urteilt nur über sich selbst und findet immer neue Wege, das Ungewöhnliche zu erreichen.

Sein Wissen um gute Werbung holt er sich aus alten Werbe-Jahrbüchern und entwickelt Ideen einfach so für sich, nachts, während er Buchhalter in einer Werbeagentur ist. Später, bei den großen und erfolgreichen Werbeagenturen dieser Welt lässt er sich nie ein X für ein U vormachen, er lernt, noch härter gegen sich selbst zu sein, um noch bessere Ideen zu entwickeln. Entmutigen zählt nicht, er fährt sogar auf eigene Kosten zu einem Kunden, um dort, nach 12 Stunden Warten, eine Kampagne zu verkaufen.

Die Erfolge in Agenturen wie Springer Jacoby oder DDB zeigen die unverwüstliche Willenskraft von Amir Kassaei und erst ganz am Ende erfahren wir, warum und wie er aus dem Iran geflohen ist. Er durchschaute den KoranSingSang und das Elend der Kindersoldaten, die vom islamischen Führer geopfert wurden, alle ans Tor zum Paradies geführt, mit unglaublichen Versprechungen. Wer einer solchen Hölle entkommen konnte, fürchtet im Grunde nichts mehr.

Ein Buch, das mich sehr berührt hat, spannend und motivierend auf jeder Seite.

Bewertung vom 01.09.2025
Felsch , Philipp

Der Philosoph


ausgezeichnet

In Habermas’ Heim am Starnberger See atmet alles gepflegte Normalität. Philipp Felsch beschreibt seine Besuche im Haus von Habermas. Er kauft ihm Blumen am Bahnhof und die Suche nach der Vase gestaltet sich zur gemeinsamen Auftaktbesprechung ebenso wie der Hinweis von Habermas, dass der Marmorkuchen zu dick aufgeschnitten sei. Kurzum: die beiläufige Könnerschaft des Erzählers hin zum Naheliegenden hat mich in das Buch mit- und eingenommen. Im Wohnzimmer von Habermas herrscht die helle Sachlichkeit der Nachkriegsmoderne. Ich selber habe mir als Schüler Geld mit Rasenmäher verdient und hier höre ich das gedämpfte Brummen eines Rasenmähers, das Philipp Felsch beschreibt. In ein kompliziertes Thema so einfach einsteigen, es hat mich gefesselt und das Buch ganz lesen lassen. Auch weil ich bisher nahezu nichts von Habermas gewusst habe. Es war mir immer zu gedrechselt und kompliziert, ein Formulierer für die Elite des theoretischen Denkens.

Hängen bleibe ich gleich zu Beginn an einer Jugend-Sünde des Jürgen Habermas’. Er sagte über Adenauer in den 50ern: dieser betreibe eine „Politik der Normalisierung eines alten Mannes mit beschränktem Wortschatz.“ Diese intellektuelle Selbstgefälligkeit eines Konstrukteurs elaborierter Sprachspiele trifft seinen eigenen Kern bzw. die dort präsente, negative Überheblichkeit. Adenauer verstand, was vielen Theoretikern fremd blieb: dass Geschichte nicht in Seminaren geschrieben wird, sondern durch Handeln, Bündnisfähigkeit und Mut zur Entscheidung. Und auch durch eine pointierte, reduzierte, klare Kommunikation, das Gegenteil von Sprachkünstlern wie Habermas. Adenauers knappe Sprache war kein Mangel, sondern Ausdruck von Souveränität und langer Erfahrung, u.a. als OB von Köln, der Hitler die Flaggen verweigerte. Ein Politiker, der in wenigen Worten mehr Realität schuf als ganze Bibliotheken.

Wären wir damals Habermas gefolgt, wären wir heute eine demilitarisierte, neutrale Zone. Er verfasste seine Essays in der FAZ u.a. als junger Mann in den 50ern unüberhörbar im selbstgerechten Heidegger Sprech. Er formulierte so: „Der Mensch muss sich in eine vernehmende Haltung zu den Dingen bringen und lernen, sie sein zu lassen, statt sie zu beherrschen.“ Eine Kritik an Heidegger kontert dieser später mit der Tatsache, dass er seit 1953 keine Tageszeitung mehr gelesen habe. Habermas konfrontierte Heidegger mit dessen ideologischer Verstrickung in den Nationalsozialismus, kritisierte die mythische Verklärung dieser Zeit und forderte eine ernsthafte, kritische Auseinandersetzung mit der Vorgeschichte des Faschismus. „Es sei an der Zeit, lautete seine dialektisch raffinierte Schlussfolgerung, mit Heidegger gegen Heidegger zu denken.“

Immerhin, Habermas kommt nach Frankfurt, zu Adorno und steigt auf. Sein Ziel der Integration jüdischer Denker bzw. ihnen Gehör zu verschaffen verfolgt er konsequent ein Leben lang, zwei seiner Töchter tragen alt-testamentarische Namen. Das Buch von Philipp Felsch ist gut und spannend lesbar, obwohl es der Theorielastigkeit des Denkers Habermas nicht ausweichen kann. Alles in den 60er und 70ern war irgendwie so ähnlich.

Mein Lieblingsdenker Karl Popper würde Habermas vorwerfen, mit seiner Diskursethik zu sehr an eine ideale Konsensgesellschaft zu glauben und damit die Offenheit pluraler Meinungen zu unterschätzen. Aus Poppers Sicht überschätzt Habermas die Macht der Vernunft und der idealen Kommunikation, während Popper betont, dass Wissen immer vorläufig, fehlbar und durch „trial and error“ entsteht. Popper könnte kritisieren, dass Habermas’ normative Theorien eine Tendenz zum Dogmatismus haben, weil sie implizit vorschreiben, wie „vernünftig“ diskutiert werden müsse. Habermas’ Nähe zu einer großen Gesellschaftstheorie würde Popper skeptisch sehen, da er jede Form von Historizismus und teleologischen „Masterplänen“ für die Gesellschaft ablehnt. Insgesamt würde Popper fordern, dass Habermas stärker auf falsifizierbare Hypothesen und empirische Überprüfbarkeit setzt, statt auf idealisierte Modelle kommunikativer Vernunft.

Sloterdijk wirft Habermas vor, ein „moralisches Monopol“ zu beanspruchen, indem er politische und gesellschaftliche Debatten auf die Perspektive einer universalen Vernunft und Gerechtigkeit reduziert. Er kritisiert Habermas’ Diskursethik als „zu steril“ und „realitätsfern“, weil sie die leibliche, emotionale und machtpolitische Dimension menschlicher Kommunikation ausblendet. Besonders in der berühmten „Menschenpark“-Debatte (1999) attackiert Sloterdijk Habermas dafür, biotechnologische Entwicklungen vorschnell moralisch zu verurteilen, anstatt sie offen philosophisch zu reflektieren. Sloterdijk sieht Habermas’ Denken als „zu sehr vom Staatspaternalismus geprägt“, während er selbst stärker auf individuelle Selbstgestaltung und kulturelle Evolution setzt. Insgesamt wirft er Habermas eine „pädagogische Belehrungshaltung“ vor und fordert mehr Mut zur Pluralität, Provokation und ästhetischer Selbstüberschreitung im Denken.

Bewertung vom 31.08.2025
Otte, Max

Auf der Suche nach dem verlorenen Deutschland


ausgezeichnet

Max Otte ist durch seine zutreffenden Analysen und kritischen Kommentare zu gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen bekannt. Er hat sich in Deutschland als „Krisenökonom“ profiliert, vor allem durch sein Buch „Der Crash kommt“ 2006, mit dem er früh vor wirtschaftlichen Turbulenzen warnte.In diesem Buch setzt sich Max Otte mit dem Zustand Deutschlands auseinander – ökonomisch, gesellschaftlich und politisch.

Vor allem aber interessant waren für mich die privaten Erlebnisse als die Quelle seines Könnens und seiner Entwicklung. Wir lernen ihn als Schüler, Abiturienten, Studenten und Ökonomen kennen, der zwischen Deutschland und den USA pendelt.

Sein ruhiger, ausgleichender Ton schwingt auch in diesem Buch mit, das ich sehr gerne gelesen habe. Sein Weg vom Schüler zum Studenten einer Eliteuni bis hin zum Kandidaten für das Bundespräsidenten-Amt sind ein Stück gelebtes, aufrichtiges Deutschland. Er ist heute ein erfolgreicher Unternehmer und Bürger Deutschlands, aber auch der USA.

Besonders gefallen habe mir die Beschreibungen seines Heimatdorfes, die Straße, der Weg, Geschichte und Geschichten, hier schwingt liebevolle Anteilnahme, ja rührende Erinnerung und wohltuendes Gefühl der Verbundenheit mit, die ich so. noch nie gelesen habe. Sein Weg zum Kindergarten war ein 1,5 km langer Hol- und Bringdienst der Mütter in der unmittelbaren Umgebung. Aber er wollte am ersten Tag, wie so viele von uns, dort in keinem Fall bleiben. Man überzeugte ihn zum ersten Tag, mit der Antwort von ihm: „Dann bleibe ich eben. Aber eins sage ich Dir: morgen komme ich nicht wieder. „Nach dem dritten Tag blieb er, sein Bruder hatte einen monatelangen Trennungsschmerz von zuhause.

Dieser Satz berührte mich: „Bei meinen Erkundungs- und Botengängen als Kind sah ich eigentlich immer jemanden auf der Straße, oft von der Generation der Großeltern. Ich grüßte auch immer und meistens wurde freundlich zurückgegrüßt. Manchmal entwickelte sich eine kleine Unterhaltung.“ Warum? Werde ich heute von irgendjemand auf der Straße gegrüßt? Es ist eher selten bis nicht mehr präsent!

Max Otte beschreibt den Zustand seines Jugend-Dorfes in seinen einzelnen Bestandteilen nachvollziehbar bis hin zu den Bäckereien, den Friseuren, den Lebensmittelladen, dem Metzger den Restaurants, den Kneipen, Schreibwaren und Lottogeschäft und ein Wollwarengeschäft. Es steht irgendwie vor einem und gleichzeitig das Gefühl, nein, das alles ist längst verschwunden. Man spürt seine Hingabe zur Herkunft und die Fähigkeit zur präzisen Beobachtung der Dinge, vor allem auch der zwischenmenschlichen Kommunikation.

Wer also kein BlaBla, sondern echte Hinwendung zur Heimat erwartet, der liegt hier genau richtig. Die einzelnen Ortsinhalte erkennt jeder, kann sie auf seine eigene Herkunft übertragen, und das Ganze mit dem heute vergleichen. „Während der Grundschulzeit und auch in den ersten Jahren danach war ich ein Wald-Kind. Und ein Buch-Kind. Im Rückblick eine glückliche Kombination.“ Max Otte gelingt ein spannender Anschauungsunterricht aus seiner Jugendzeit, „Handys gab es keine, und bis zum Abendessen kümmerte sich niemand darum, was wir machten.“

Die erste allgemeine Schulpflicht in einem deutschen Gebiet wurde bereits 1556 im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken eingeführt – sie gilt als eine der weltweit ersten gesetzlichen Schulpflichten für Jungen und Mädchen. England hatte vor dem ersten Weltkrieg noch keine allgemein verbindliche Schulpflicht.

Max Otte beschreibt so in der Folge ein Land, das Werte, Identität und wirtschaftliche Prosperität verliert, und macht deutlich, dass hier tiefgreifende Veränderungen und Fehlentwicklungen vorliegen, die nicht nur einzelne Bereiche, sondern das gesamte Gefüge der Gesellschaft betreffen. Otte analysiert sowohl Ursachen als auch Konsequenzen dieses „Verlusts“ und sucht nach Wegen, wie Deutschland eine neue Stabilität und einen Kurs zurück zu Stärke und Selbstbewusstsein finden kann.

Ein zentrales Thema ist die ökonomische Entwicklung, die Otte als problematisch darstellt. Mit seinem Hintergrund als Volkswirt und Value-Investor bietet er nicht nur eine Einordnung der makroökonomischen Sachverhalte, sondern auch praktische Perspektiven für Anleger und wirtschaftlich Interessierte. Seine Kritik an der Eurozone, die er schon vor Jahren thematisierte, findet hier eine Erweiterung im Kontext der aktuellen Herausforderungen Deutschlands.

Darüber hinaus widmet sich das Buch gesellschaftlichen Fragen: Identitätsverlust, politische Orientierungslosigkeit und die Spaltung der Gesellschaft werden aus Ottes patriotisch-konservativer Perspektive betrachtet. Dabei verbindet er persönliche Erfahrungen mit einer breiten Analyse der politischen Prozesse und kulturellen Dynamiken, die Deutschland prägen. Ottes Stil ist direkt, oft provokant, aber stets nah an den Leserinnen und Lesern, was sein Buch sowohl für ein akademisch interessiertes Publikum als auch für den interessierten Laien zugänglich macht.

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