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Lu
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Hamburg

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Insgesamt 239 Bewertungen
Bewertung vom 14.10.2025
Specht, Heike

Die Frau der Stunde


ausgezeichnet

Was für ein interessant konstruierter und zugleich unterhaltsamer politischer Roman! „Die Frau der Stunde“ spielt im Bonn der späten 1970er Jahre – in den verrauchten Fluren der Macht des Langen Eugen, in denen Gin Tonics fließen, Karrieren an langen Abenden geschmiedet (und zerstört) werden und Frauen noch immer gegen eine Altherrenriege im Bundestag ankämpfen müssen.

Im Mittelpunkt steht die fiktive Politikerin Catharina Cornelius, die völlig unerwartet zur Außenministerin und Vizekanzlerin aufsteigt. Catharina Cornelius ist dabei eine komplexe Frauenfigur. Sie ist ehrgeizig, strategisch und durchaus bereit, Kompromisse einzugehen – nicht aus Opportunismus, sondern aus klarem Machtbewusstsein. Dass sie eine enge Clique von Freundinnen um sich hat, zeigt, wie wichtig weibliche Solidarität auch in der Politik ist. Und obwohl Catharinas politischer Alltag im Mittelpunkt steht, schafft die Autorin es, Spannung aufzubauen und gut zu unterhalten. Besonders gelungen finde ich dabei die Verknüpfung von Zeitgeschichte und Fiktion: Viele Figuren und Schauplätze tragen deutliche Züge realer Umstände, von Petra Kelly über Teheran zur Zeit der Revolution bis hin zu Politiker:innen der damaligen SPD, FDP und CDU. Wer ein Faible für politische Geschichte hat, kann hier wunderbar auf Spurensuche gehen, ohne dass der Roman je belehrend wirkt. Ich liebe das ja, wenn ein Roman mich zum Googeln anregt!

Stilistisch überzeugt der Roman durch klare Sprache, pointierte Dialoge und feine Ironie. Die Autorin beobachtet scharf, aber nie zynisch. Dabei fallen immer wieder auch Beobachtungen und Beschreibungen auf, die auch aktuell noch zutreffen. Das Ende schließlich war für mich ein echtes Highlight. Wer sich für Zeitgeschichte, politische Intrigen und komplexe Frauenfiguren interessiert, wird in diesem Buch also fündig – und bestens unterhalten. Ich hoffe auf jeden Fall auf eine Fortsetzung!

Bewertung vom 13.10.2025
Drösser, Christoph

Einmal Zukunft und zurück


ausgezeichnet

Wie wird die Welt in der Zukunft aussehen? Werden Autos endlich fliegen und werden Kinder überhaupt noch in Schulen gehen? In „Einmal Zukunft und zurück“ beantwortet ZEIT-Experte Christoph Drösser diese und viele weitere typische Kinderfragen zur Zukunft. Besonders gelungen ist dabei aus meiner Sicht, dass Drösser sowohl die Fragen aufgreift, die Kinder wirklich stellen, als auch weiterführende Fragen, die unsere Zukunft maßgeblich bestimmen werden. Es geht deshalb nicht nur um technische Innovationen, sondern auch um Themen wie Klima, Umweltverschmutzung und gesellschaftliches Zusammenleben.

Die Gestaltung ist ansprechend und klar strukturiert: Illustrationen sorgen dafür, dass komplexe Themen leicht verständlich bleiben. Besonders gut gefallen hat mir die Skala, die anzeigt, wie wahrscheinlich eine bestimmte Entwicklung wirklich ist – leider gibt es sie nicht für jede Frage. Auch sprachlich ist das Buch sehr zugänglich. Drösser schafft es, wissenschaftliche Zusammenhänge präzise, aber nie belehrend zu erklären. So wird Zukunftsforschung zu einem tollen Gesprächsanlass für Zuhause und die Schule! Ich denke, man kann anknüpfend an das Kinderbuch auch tolle, weiterführende Projekte mit Kindern entwickeln.

Bewertung vom 11.10.2025
Durkin, Frances;Löwenberg, Ute

Geniale Frauen, geniale Forschung


ausgezeichnet

Was für ein großartiges Buch – informativ, inspirierend und wunderschön gestaltet! „Geniale Frauen, geniale Forschung“ zeigt, dass Frauen seit Jahrtausenden bahnbrechende Entdeckungen gemacht und technische wie wissenschaftliche Entwicklungen geprägt haben – auch wenn sie in Schulbüchern bislang oft unerwähnt bleiben.

Von Tapputi Belatekallim, der ersten bekannten Chemikerin, bis zur Ingenieurin Nzambi Matee, die in Kenia nachhaltiges Baumaterial entwickelt: Jede der 20 porträtierten Frauen steht stellvertretend für Neugier, Mut und Kreativität. Besonders gelungen finde ich, wie klar und anschaulich die teils komplexen Themen erklärt werden – und das nicht nur für Kinder, sondern auch für Erwachsene, die beim Lesen auch noch einiges lernen können. Die Illustrationen von Nur Ventura sind farbenfroh, modern und tragen wunderbar dazu bei, die Geschichten lebendig zu machen. Auch der Fokus auf Diversität hat mir sehr gut gefallen: Hier begegnet man Frauen aus unterschiedlichen Ländern, Epochen und Disziplinen – eine aus meiner Sicht wichtige Erweiterung des klassischen Wissenschaftsbildes.

Ein besonderes Highlight sind die Mitmachexperimente am Ende des Buchs: Sie zeigen, dass Forschen nichts Elitäres ist, sondern Spaß machen kann und mit einfachen, günstigen Mitteln möglich ist. Für mich ist das Buch damit nicht nur ein tolles Geschenk für neugierige Kinder und Erwachsene, sondern sollte auch in Schulen zum Standardwerk werden. Es zeigt, wie selbstverständlich weibliche Forschungsgeschichte Teil der allgemeinen Bildung sein sollte. Ich hoffe sehr, dass es noch weitere Bände geben wird!

Bewertung vom 08.10.2025
Lucas, Rachael

Weihnachten in Applemore


gut

Die Zutaten für diesen Roman sind klassisch: ein kleines Hotel in den schottischen Highlands, eine Renovierung, verschneite Landschaften, eine Liebesgeschichte - und das alles noch an Weihnachten! Harry Robertson will sein traditionsreiches Hotel modernisieren und über den Winter schließen, doch als die bekannte Influencerin Ivy eine Hochzeit an Weihnachten plant, steht plötzlich das ganze Dorf Kopf. Unterstützung bekommt Harry von Polly, seiner besten Freundin.

Ich mochte das winterlich-weihnachtliche Setting in den Highlands. Auch die Idee, das ganze Dorf in die Hochzeitsvorbereitungen einzubinden, fand ich charmant. Leider konnten mich die Figuren selbst nicht so richtig überzeugen. Harry, Polly und Ivy blieben mir zu glatt und vorhersehbar. Die Handlung plätscherte oft dahin und war sehr berechenbar – ein klassischer Wohlfühlroman, aber ohne große emotionale Tiefe oder neue Ideen.
Trotzdem: Wer in der Adventszeit einfach ein bisschen winterliche Romantik und Highland-Charme sucht, wird hier sicher auf seine Kosten kommen. Für mich war es insgesamt solide Unterhaltung, aber ohne bleibenden Eindruck.

Bewertung vom 05.10.2025
Engelmann, Julia

Himmel ohne Ende


gut

Charlie ist fünfzehn und hat sich in ihrem Leben eingerichtet, als alles anders wird: Die beste Freundin sucht sich eine andere, auch die Mutter hat einen neuen Partner, der Vater ist weg und plötzlich steht Charlie allein da – bis Kornelius, genannt Pommes, auftaucht und etwas Bewegung in Charlies Blick auf das Leben bringt.

Ich mag Coming-of-Age-Geschichten sehr, und auch Himmel ohne Ende habe ich grundsätzlich gerne gelesen. Julia Engelmann fängt das Gefühlschaos und die Unsicherheiten dieser Lebensphase oft treffend ein. Besonders die stillen Momente, in denen Charlies Traurigkeit und Sehnsucht spürbar werden, fand ich gelungen.

Allerdings konnte mich der Roman sprachlich nicht durchgehend überzeugen. Zwischen wirklich schönen, poetischen Bildern stehen immer wieder Sätze, die nach Kalenderweisheiten klingen, und das häufig wiederkehrende Wort „bescheuert“ (39-mal!) hat mich irgendwann eher gestört als authentisch gewirkt. Es fällt schwer, die Figuren wirklich als heutige Jugendliche zu sehen – oft klangen sie eher wie junge Erwachsene aus einer anderen Zeit.

Trotzdem hat mich die Geschichte am Ende berührt. Sie zeigt, wie schwer es sein kann, seinen Platz zu finden, und wie befreiend es ist, wenn plötzlich jemand da ist, der einen einfach sieht. Ein melancholisches, allerdings auch stellenweise bedrückendes Buch für Fans des Genres.

Bewertung vom 05.10.2025
Maiwald, Stefan

Alle weg


sehr gut

Wie schön, ein neues Buch von Stefan Maiwald in den Händen zu halten! Draußen stürmt und regnet es, und da kommt „Alle weg. Mein Winter an der Adria“ wie gerufen. Schon der schöne Leineneinband und der Klappentext passen perfekt zur Jahreszeit – ein Buch, das man sich am liebsten mit einer heißen Tasse Tee auf dem Sofa gönnt, ein Buch wie ein Winterfreund!

Maiwald zeigt seine Wahlheimat Grado diesmal von einer Seite, die sonst verborgen bleibt: wenn die Touristen verschwinden und die Einheimischen unter sich sind. Mit seinem gewohnt charmanten, plaudernden Ton erzählt er von dieser besonderen Jahreszeit, in der das Leben an der Adria leiser, aber keineswegs langweilig wird. Ich mag seine Beobachtungen über die Menschen, Pinos Bar und das kleine Glück des Alltags sehr – und es war schön, einige bekannte Gesichter aus früheren Büchern wiederzutreffen.

Maiwalds Anekdoten sind lebendig und unterhaltsam. Besonders gut gefallen haben mir die Abschnitte über italienische Kaffeekultur und die weihnachtlichen Bräuche der Gradeser. „Alle weg“ liest sich insgesamt leicht und flüssig, außerdem mochte ich die winterliche, ruhige Stimmung. Sicher ist das Buch auch ein schönes Geschenk im Winter für Italienfans.

Bewertung vom 04.10.2025
Schoeters, Gaea

Das Geschenk


ausgezeichnet

Ein Elefant in Berlin wäre schon ungewöhnlich genug – Gaea Schoeters lässt gleich 20 000 von ihnen durch die Hauptstadt marschieren. Mit dieser Ausgangsidee erzählt sie eine bissige und zugleich sehr unterhaltsame Satire über globale Abhängigkeiten, Verantwortung und Machtgefälle. Das „Geschenk“, das aus Botswana als Reaktion auf ein neues Einfuhrverbot von Elfenbein geschickt wird, konfrontiert die deutsche Regierung direkt mit den Folgen ihrer Entscheidungen: Wer anderen vorschreibt, wie sie zu leben haben, muss sich vielleicht selbst einmal diesen Bedingungen stellen.

Mir hat das schmale Büchlein ausgezeichnet gefallen. Ich habe beim Lesen nicht nur viel über Elefanten, ihre Lebensräume und die komplexen sozialen wie ökologischen Fragen rund um Reservate gelernt, sondern war auch überrascht, wie scharf und pointiert Schoeters den Berliner Politikbetrieb kommentiert. Sie zeigt, wie sehr Politainment, Inszenierung und Populismus heute den Diskurs prägen – und das auf leicht zu lesende, amüsante Weise.„Das Geschenk“ ist damit eine kluge, witzige und aktuell relevante Lektüre, die ich gerne weiterempfehle!

Bewertung vom 03.10.2025
Fischer-Hunold, Alexandra

Nächster Halt: Mord. Ein Weihnachtskrimi. Cosy Crime trifft auf Krimi-Klassiker: Mord im weihnachtlichen Luxuszug mit Flair der Zwanziger Jahre. Raffinierter All-Age-Krimi voller Weihnachtsstimmung


ausgezeichnet

Schon das Cover und die liebevolle Buchgestaltung machen Lust auf diese winterliche Krimifahrt – und tatsächlich hält der Roman, was er verspricht: Ein klassischer Detektivkrimi zum Miträtseln, eingebettet in ein nostalgisches Zug-Setting auf dem Weg von London nach Edinburgh voller weihnachtlich-winterlicher Atmosphäre.

Millie war für mich eine herrlich sympathische Protagonistin: offen, neugierig, und wie ich mit einer Vorliebe fürs Bahnfahren, Stricken und Lesen. Allein ihre Gedanken rund um das Reisen auf Schienen haben für mich den Einstieg besonders charmant gemacht. Gemeinsam mit ihrer Schwester Rachel begleitet sie die Jungfernfahrt des luxuriösen „Golden Highlander“ – ein Zug wie der Orientexpress, mit dem ich selbst gerne mal durch die Winterlandschaft Schottlands fahren würde. Schnell zeigt sich aber, dass in diesem Zug zwischen festlicher Stimmung, prominenten Mitreisenden und kulinarischen Genüssen nicht alles so friedlich ist, wie es scheint.

Die Mischung aus weihnachtlicher Gemütlichkeit und spannender Krimihandlung ist Fischer-Hunold sehr gut gelungen. Trotz Mord und Intrigen bleibt die Geschichte angenehm unblutig, dafür aber voller Rätsel, kleiner falscher Fährten und überraschender Wendungen. Besonders das Ende hat mir gefallen, weil es bis zuletzt neue Enthüllungen gab und ich mich nie zu früh in Sicherheit wiegen konnte.

Für mich ist „Nächster Halt: Mord“ ein echter Wohlfühlkrimi: spannend, atmosphärisch, mitreißend – und perfekt für eine Tasse Tee, Kerzenschein und schlechtes Wetter. Definitiv nicht mein letztes Buch der Autorin!

Bewertung vom 03.10.2025
Büsing, Annika

Wir kommen zurecht


gut

Annika Büsing erzählt in „Wir kommen zurecht“ die Geschichte des fast 18-jährigen Philipp, der inmitten einer zerrütteten Familie seinen Weg sucht. Zwischen einem überforderten Vater, der in Arbeit und neuer Beziehung aufgeht, einer psychisch erkrankten Mutter, die immer wieder verschwindet, und einer unsicheren ersten Liebe, versucht Philipp nebenbei sein Abi zu machen. Glücklicherweise hat er noch seinen besten Freund Lorenz, mit dem er alles teilt – oder fast alles.

Büsing gelingt es, das Innenleben ihrer Figuren feinfühlig und unaufgeregt einzufangen. Die klare Sprache, die ohne unnötige Ausschmückungen auskommt und Sprachbilder sehr gezielt einsetzt, hat mir richtig gut gefallen. Auch die Atmosphäre im Schulalltag kurz vor dem Abi ist überzeugend beschrieben.

Allerdings bleibt die Handlung insgesamt eher spannungsarm. Viele Konflikte zeichnen sich früh ab, insbesondere die Rolle der psychischen Erkrankung der Mutter, und entwickeln sich kaum weiter. So liest sich das Buch eher wie ein stilles Beobachten als wie eine mitreißende Geschichte. Für mich war der Roman damit – ganz im Sinne seines Titels – solide, aber kein Highlight, wie Büsings ersten beiden Romane es für mich waren.

Bewertung vom 01.10.2025
Dische, Irene

Prinzessin Alice


gut

Der Einstieg in Irene Disches neuen Roman hat mich sofort gepackt: frech, provokant und mit einem Thema, das man in einer Biografie über eine hochadlige Prinzessin nicht erwartet. Dieser Ton zieht sich zunächst unterhaltsam weiter, wenn Dische im gewohnt plaudernden Stil Klatsch und Anekdoten über die Battenbergs ausbreitet – leichtfüßig zu lesen, unterhaltsam und kritisch zugleich.

Die Figur der Prinzessin Alice, die im Zentrum des Romans steht, hat, wie ich auch noch einmal nachgelesen habe, ein wechselreiches Leben gehabt. Unter anderem wurde sie zwangsweise in eine Nervenklinik eingewiesen, aus der sie schließlich fliehen konnte. Trotz dieser eigentlich spannenden Geschichte hat mich der Roman leider im Laufe der Handlung immer weniger überzeugt und er hatte trotz seiner Kürze auch Längen. Alice erscheint über weite Strecken faszinierend – eine gehörlose Frau, die in fünf Sprachen von den Lippen liest, die religiöse Ekstasen erlebt, die zur Bedrohung für ein traditionelles Frauenbild wird. Und doch blieb sie für mich als Figur im Roman unnahbar. Vieles wirkte nebulös, manches bewusst verschwommen.

„Prinzessin Alice“ ist eine Lektüre über eine außergewöhnliche Frau, die in den königlichen Kreisen ihrer Zeit aneckte. Stellenweise war das spannend zu lesen, zwischendurch hat mich der Roman leider verloren.