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clematis

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Insgesamt 343 Bewertungen
Bewertung vom 07.10.2025
Beerwald, Sina

Die Sylt-Schwestern - Stürmische Tage (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Das Erbe

Clara und Jella nehmen das Erbe ihrer Mutter an und führen das ehemalige Nobelrestaurant Strandperle weiter, allerdings in ihrem eigenen Stil. Nicht alle einflussreichen Personen auf Sylt geben dem Unternehmen eine Chance, wodurch die Motivation der Schwestern aber nur noch weiter angefacht wird. Gesellschaftspolitische Umbrüche in den Jahren 1932/33 und vermeintlich hinter sich gelassene Ereignisse prägen schließlich das Privatleben mehr als man zulassen möchte.

Nahtlos schließt dieser zweite Band der großen Insel-Saga an seinen Vorgänger an, lenkt das Geschehen auf emsige Umbauarbeiten in der Strandperle und auf das Erstarken nationalsozialistischer Tendenzen. Einige reale Persönlichkeiten wie Marlene Dietrich oder Marineflieger Friedrich Christiansen bereichern auf ihre Weise das Geschehen, aber auch die fiktiven Charaktere wie Gauleiter Hinrich Holzer oder der Betreiber des Restaurants Seestern, Johann Josten, sowie Bürgermeister Arnulf Zapp wirken überaus lebensnah und spiegeln den damaligen Zeitgeist wider. Mit einer Prise Humor und akribischer Recherche historischer Gegebenheiten kreiert Sina Beerwald brisante Szenen rund um die so unterschiedlichen Schwestern Clara und Jella und zeigt, dass im Ernstfall die Familienbande enger sind als sie von außen scheinen. Ein flotter Schreibstil führt den Leser durch Hoch und Tief auf Sylt, nimmt so manche Figur einmal aufs Korn und widmet sich gleichzeitig sehr ernsten Themen, die auf beachtlich lockere Weise in die Handlung eingeflochten werden. So wird es niemals langweilig auf der Insel, die Wochen und Monate füllen sich mit aufregenden Ereignissen und gipfeln in einem offenen Ende bei der Bücherverbrennung in Berlin.

Überaus nahe an verbürgter Historie (siehe auch Sina Beerwalds Nachwort) spielt die Handlung der Stürmischen Tage und beschert damit den Lesern einen Roman, der Zeitgeschichte mit blendender Unterhaltung verknüpft. Das vorläufige Ende klingt erschütternd, aber wer weiß, was Teil 3 noch bringen wird. Ich warte gespannt und empfehle inzwischen die ersten beiden Bände gerne weiter.

Bewertung vom 06.10.2025
Caine, Ada

Turbulente Zeiten


ausgezeichnet

Gefahren

Burgls Oblatengeschäft in Karlsbad floriert auch im Jahre 1896. Zudem erwartet die tüchtige Bäckerin ihr erstes Kind. Während sie auf der Suche ist nach Unterstützung in der Backstube, verschwinden junge Frauen aus Karlsbad und gibt es nächtliche Anschläge auf ihre Butike auf der Alten Wiese. Allerlei Gefahren muss getrotzt werden.

Lebhaft, wie immer, schildert Ada Caine aus dem Leben Burgls und deren Lieben. Frau Kaniß und Tante Zöpfel sowie Therese dürfen nicht fehlen und auch der brave Loisl tritt als liebevoller und vernünftiger Ehemann auf. Turbulent, wie der Titel verspricht, geht es tatsächlich zu, Burgl hat alle Hände voll zu tun mit ihrer Oblatenbäckerei und neidvollen Nachbarn, aber auch die Gerüchte um die frisch ausgebildeten Zofen und Gouvernanten, die in Karlsbad auf eine neue Anstellung warten, gehen ihr nahe. Bunte Bilder von Karlsbad im Kaiserthum Österreich holen den Leser sofort ab und bezaubern diesen mit vielen sympathischen Charakteren. Da und dort lauert natürlich ein Bösewicht, der die Idylle trübt, aber mit vereinten Kräften werden die Gefahren hoffentlich abgewendet werden können.

Egal, ob Burgl – oder Eva aus einer früheren Reihe – im Mittelpunkt steht, Karlsbad an der Wende zum 20. Jahrhundert ist stets einen Besuch wert, speziell dann, wenn Ada Caine ihre Feder führt und die damalige Zeit wieder zum Leben erweckt. Flüssig lassen sich die Zeilen lesen, charmant stellen sich die Geschichten rund um die bekannte Kurstadt dar, ich komme sehr gerne immer wieder. Leseempfehlung!

Bewertung vom 06.10.2025
Hokin, Catherine

The Train That Took You Away


sehr gut

Sascha

Für Galeristin Esther Spielmann und ihre jüdische Familie ist es zu spät, um die nötigen Papiere für eine Ausreise aus Deutschland zu bekommen. Als ihr Mann und ihr Vater in der Kristallnacht nicht mehr heimkommen, sieht sie in einem Kindertransport nach England die letzte Chance, zumindest ihrem Sohn Sascha das Überleben zu ermöglichen. Ein gerahmtes Bild, das sie und ihren Sohn zeigt, wird von SS-Leuten beschlagnahmt, bevor die gesamte Villa versiegelt und Ester deportiert wird.

In vier großen Abschnitten erzählt Catherine Hokin von der erfolgreichen Galeriebesitzerin Esther und der Restauratorin Amalie, widmet der Kunst und den aufstrebenden antisemitischen Tendenzen Teil Nummer eins. Darauf folgen der Abschied von Sascha und Esthers eigenes Schicksal in den Kriegsgräueln, bevor Abschnitt vier die Lage nach dem Krieg und die Wiedererlangung der Kunstschätze in den Mittelpunkt rückt. Vielerlei historisch belegte Einzelheiten fließen in diese opulente Geschichte mit ein, wertvolle Gemälde und namhafte Künstler werden so ausführlich beschrieben, dass man sich selbst als Gast in einer der Ausstellungen wähnt. So langsam, dass es die Betroffenen selbst kaum wahrnehmen, erstarkt die Naziszene und schon steht Esther vor den Trümmern ihres Lebens. Ihr einziger Anker, um durchzuhalten, ist Sascha, der hoffentlich gut aufgehoben ist bei seiner neuen Londoner Familie, aber die Chance, im Arbeitslager nicht zugrunde zu gehen, ist gering.

Eine dramatische Geschichte, die in eine Rahmenhandlung rund um Kunst und Kunstraub eingebettet ist und viele interessante Details bereithält. Dem Titel nach hätte ich allerdings etwas mehr Persönliches über Esther und Sascha erwartet, die Einzelheiten aus den Galerien waren im Vergleich dazu etwas zu ausladend. Nichtsdestotrotz bietet dieser Roman viele authentische Szenen und lehnt sich an Schicksale an, welche es in ähnlicher Form wohl zahlreich gegeben hat.

Unfassbares Leid, Kinder, die alleine in ein fremdsprachiges Land geschickt werden und eine verbindende Kunstszene, die den Bogen vom Anfang bis zum Ende spannt, liefern eine solide Grundlage für diesen lesenswerten Roman.

Bewertung vom 29.09.2025
Klementovic, Roman

Dunkelnah (eBook, ePUB)


sehr gut

Waldhotel

Simon Winter staunt nicht schlecht, als er das abgeschieden im Wald gelegene Kurhotel erblickt, in welchem er als Handwerker und Hausmeister an der baldigen Neueröffnung mitwirken soll. Denn was er sieht, gleicht eher einem verfallenden Koloss als einem prunkvollen Ort der Erholung. Zweifel ergreifen ihn, da außer den Besitzern, Eleonora und Alfred Reiter, deren Tochter Sienna und einem Rottweiler niemand sonst anwesend zu sein scheint. Dann erfährt er noch vom Verschwinden einer jungen Frau, woraufhin alles in ihm nach Flucht schreit, dennoch entschließt er sich zu bleiben und die Polizei zu unterstützen.

Raffiniert als eine Art innerer Monolog beginnt dieses düstere Schauspiel, Roman Klementovic versteht es aufs Prächtigste, seine Leser durch geheimnisvolle Schauplätze und Stimmungen für seine Geschichten einzunehmen. Simons Sicht der Dinge überwiegt für lange Zeit, sowohl er als auch der Leser rätseln ob der vermissten Person und haben Schwierigkeiten, sich mit dem dubios wirkenden Ehepaar Reiter anzufreunden, denn Eleonora trinkt nur allzu gern ein Schnapserl – oder auch mehr – und Alfred trifft man nie ohne Gewehr und seinen scharfen Rottweiler an. Durch die geringe Zahl an Figuren meint man, schnell alle zu kennen, aber gemach, so manche Erkenntnis stellt sich alsbald als Irrtum heraus. Wer führt wen an der Nase herum, wer hütet ein furchtbares Geheimnis? Nichts ist, wie es scheint und doch kommt am Ende nochmals alles anders.

Roman Klementovic ist ein Meister der Täuschung, auf ruhige und dennoch stets packende Weise stellt er das Geschehen dar, wobei nicht nur der Leser kaum zu unterscheiden vermag, ob es sich um Realität oder Illusion handelt. Allerdings vermisse ich diesmal ein paar wirklich gruselige Momente, welche direkt unter die Haut gehen, die Rahmenhandlung mit dem schlussendlich offenbarten Motiv bewegt sich nur knapp an der Grenze der Glaubwürdigkeit entlang.

Nichtsdestotrotz punktet auch dieser Psychothriller wieder durch den gekonnten Schreibstil, der oft genug Beklemmung auslöst und durch die großartige Atmosphäre im Hotel Waldhof, welche bestens eingefangen und zu Papier gebracht worden ist. Der letzte Satz trifft meine Erwartungen wieder voll und ganz. Leseempfehlung!

Bewertung vom 28.09.2025
Frankland, Maria

Last Christmas


sehr gut

Letztes Weihnachtsfest

Der Vater ist schwer krank, und so versammelt sich die ganze Familie zu einem letzten gemeinsamen Weihnachtsfest, das allen in Erinnerung bleiben wird - allerdings völlig anders als geplant, denn Neil, Ehemann der mittleren von drei Töchtern, überlebt die Feiertage nicht.

Den ersten Teil dieses spannenden Buches bestreitet Neil mit seiner Sicht der Dinge, einem fast widerwilligen Blick auf seine unglückliche Ehe mit Sascha und das bevorstehende Familienidyll, von dem er von Anfang an weiß, dass es alles andere als das werden wird. Heitere Weihnachtsmusik begleitet Neil und Sascha im Auto auf dem Weg zum Elternhaus, bevor sie auf die beiden Schwestern Christy und Rebecca, deren Ehemänner Adam und Greg und natürlich auf die Eltern, Wendy und Stuart selbst, treffen. Eine Menge Alkohol und gezielte Sticheleien später schickt Wendy Neil und seinen Widersacher Adam an die Frischluft, um ihren Streit außerhalb der Familie zu klären. Von diesem Ausflug bei Minusgraden kehrt allerdings nur einer zurück, Neil wird wenig später als vermisst gemeldet. Was an den steilen Klippen passiert sein könnte, das fragt sich Sascha, welche den folgenden Abschnitt schildert. Bange Stunden vergehen, die schwelenden Geheimnisse und Zwistigkeiten werden immer spürbarer, das Netz aus Lügen und Intrigen zieht sich zusammen, bis schließlich Christy den Platz der Wortführerin übernimmt, denn Schreckliches ist geschehen. Durch die eindringliche Sprachmelodie Maria Franklands nimmt der Sog der Geschichte stetig zu, blättert der Leser immer rascher durch die einzelnen Seiten. Das Ende ist raffiniert und schockierend, kaum zu glauben, wozu ein Mensch fähig ist.

Spannende Unterhaltung mit einer schrägen Familie, aber wer weiß, ob es ähnliche Konflikte nicht sogar wirklich gibt. Leseempfehlung!

Bewertung vom 27.09.2025
Brandstäter, Lisa Sarah

Mord in eiskalter Nacht / Leena Victor ermittelt Bd.1


ausgezeichnet

Leena Victor

Leena Victor, Kriminalkommissarin in Helsinki, befindet sich eigentlich im Urlaub. Als aber die bekannte Fernsehmoderatorin Kira Westerlund nach der jährlichen Vorweihnachtsparty in ihrem schicken Haus ermordet vorgefunden wird, ersuchen die Kollegen Leena um Hilfe, obwohl sie selbst auf der Feier dabei war und daher als befangen gilt, sie hat allerdings einfach die beste Aufklärungsquote bei Gewaltdelikten gegen Frauen.

Ein großartiger Schauplatz und interessante, weil sehr realistisch dargestellte Charaktere stehen im Mittelpunkt dieses rasanten Krimis. Die klirrende Kälte im finnischen Winter, der Duft von Glögi und süßem Weihnachtsgebäck, eine Schwester, die gerne im Rampenlicht steht, die andere, die sich gar nicht so weit zurückziehen kann, wie sie möchte, eine Promi-Party mit Alkohol und Drogen neben dem tiefen dunklen Wald – es sind die Gegensätze, welche die Autorin einsetzt, um eine knisternde anhaltende Spannung zu erzeugen. Viele kurze Kapitel ziehen das Tempo an, die einzelnen Szenen bringen eine hohe Anzahl an unterschiedlichen Figuren ins Spiel, die Richtung, wohin das alles führen wird, ist noch längst nicht klar. Zwischendurch lässt uns die Autorin immer wieder in die Vergangenheit blicken, sodass nach und nach Licht ins Dunkel kommt. Die zahlreichen Handlungsstränge führt Lisa Sarah Brandstäter schlussendlich gekonnt zusammen, klärt das Gewaltverbrechen geschickt auf und lässt nur wenige Fragen offen. Genau der passende Ausklang für den ersten Band einer virtuos begonnenen Krimireihe.

Temporeich und schlüssig, empathisch und konsequent, die Reihe an positiven Adjektiven für die Handlung und jede einzelne Figur in diesem Krimi ließe sich noch lange fortsetzen. Leider ist Band eins zu Ende, aber die Gewissheit, dass wir Leena Victor bald wieder begegnen werden, ist ein Grund zur Freude. Ich hatte packende Lesestunden beim nordisch kalten Jahreswechsel und den aufregenden Ermittlungen. Uneingeschränkte Leseempfehlung für alle, die Dynamik lieben und eine Kriminalkommissarin verstehen, die entschlossen, wenn auch nicht immer besonnen handelt.

Bewertung vom 25.09.2025
Kitching, Jess

Opfer Nummer 11


ausgezeichnet

Überlebende

Nach zehn Jahren in der Selbsthilfegruppe Vertrauensschwestern ist Hannah der Meinung, dass sie die Gewalt, welche ihr als Vierzehnjährige angetan worden ist, nun endgültig so weit hinter sich lassen kann, um ein selbstbestimmtes Leben ohne ständige Angst führen zu können. Kaum will sie ihren letzten Abend unter Gleichgesinnten feiern, erreichen sie unheilvolle Botschaften, der Täter prophezeit ihren Tod. Aber wie kann er Kontakt zu ihr aufnehmen, wo er doch im Gefängnis sitzt? Gibt es vielleicht jemanden, der die Taten von damals nachahmt und auch jetzt wieder junge Frauen verschwinden lässt?

Auf geschickte Art und Weise lässt Autorin Jess Kitching ihre Protagonistin Hannah in der Ich-Form erzählen und schafft damit größtmögliche Authentizität. Die Stimmung unter den Figuren sowie Hannahs Gefühle werden sehr realistisch dargestellt, die Frage, ob die Frauen die Übergriffe hätten verhindern können, ja, ob sie sie vielleicht gar selbst provoziert haben, wird aufgegriffen. Man spürt beim Lesen, welch persönliches Engagement hinter jeder Zeile steckt, am Ende erfährt der Leser auch, warum. Eine gut durchdachte Handlung mit gleichbleibendem Spannungsbogen kennzeichnet diesen Thriller, beklemmend ist die Tatsache, dass Hannah, kaum, dass sie wieder nach vorne blicken kann, erneut in den Sog des Verbrechens gerät. Nicht nur einmal stellt sie sich die Frage: „Ist Überleben wirklich Glück?“ Die eindringliche Sprache der Autorin fesselt den Leser von der ersten bis zur letzten Seite und hält einen ob der drohenden Gefahr stets in Atem.

Ein großartiges Plädoyer, den Opfern Aufmerksamkeit zu schenken und nicht den Tätern. Lesenswert!

Bewertung vom 25.09.2025
Jaeggi, Christine

Die Kastanienschwestern


ausgezeichnet

Geheimnisvolles Weingut

Das Weingut Tenuta Casoli in Morcote im malerischen Tessin feiert sein hundertjähriges Jubiläum. Aus diesem Anlass wird Hobbyautorin Cara gebeten, ein Buch zu verfassen. Einerseits kann sie das Geld dafür gut gebrauchen, andererseits verbindet sie mit diesem Ort schmerzliche Erinnerungen, denn zwanzig Jahre zuvor ist ihre Schwester Neve dort tödlich verunfallt. Und was mindestens genauso schwer wiegt: Casimiro Casoli, der Erbe des Gutes, ist der Vater ihrer Tochter Lily - mit ihm will sie nicht mehr als nötig zu tun haben. Aber die Vernunft siegt, Cara nimmt den Auftrag an und stößt bei ihren Recherchen auf ein himmelblaues Rezeptbuch, das ihren Forscherinstinkt weckt.

Christine Jaeggi legt diesen großartigen Roman in zwei Zeitebenen an und erzählt anfangs Caras Geschichte, welche bald mit Szenen aus den Jahren des Zweiten Weltkrieges verknüpft wird. Die Autorin entführt uns in idyllische Bergdörfer im Piemont, zeigt uns allerdings keine unbeschwerten Kinder, sondern die beiden Schwestern Valentina und Mella, welche sich im Jahre 1942 ganz allein versorgen müssen und dafür sogar mitten im Wald nach Kastanien suchen, die sie dann verkaufen oder zu schmackhaften Mahlzeiten verarbeiten. Rund um Mussolinis Sturz und rasch zusammengestellte Partisanengruppen entspinnt sich eine aufregende Handlung, die einen schnell in seinen Bann zieht. Die Unterbrechungen durch den Zeitstrang in der Gegenwart fachen die Spannung immer weiter an. Jaeggis akribische Recherche wird in jeder einzelnen Szene spürbar, ihre Liebe zum Tessin, wo die Geschichte ihren Lauf nimmt, wird durch die lebendigen Beschreibungen der Natur offenbar. Nicht minder detailliert zeichnet die Autorin ihre Figuren, geprägt vom Krieg auf der einen Seite, neugierig, worauf das himmelblaue Rezeptbuch hinweisen will, auf der anderen Seite. Besonders gut gelungen ist die Zusammenführung der beiden Handlungsstränge, wobei die Auflösung aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet wird und somit keine Frage offen lässt.

Ein hervorragender Roman, der höchst realistische Episoden aus Italien während der Zeit der Partisanenkämpfe und dramatische Geschehnisse auf einem Schweizer Weingut zu einem bewegenden Leseerlebnis vereint. Fünf Sterne und eine Leseempfehlung!

Bewertung vom 24.09.2025
Connally, H.M.

Therapie einer Mörderin: Psychothriller Je tiefer du in ihre Seele blickst, desto mehr verlierst du deine eigene


sehr gut

Menschliche Abgründe

Als jüngste forensische Psychiaterin leitet Dr. Ava Murphy eine neue Station am Dubliner Central Mental Hospital. Mit Leib und Seele kümmert sie sich um ihre Patientinnen, die als schwere Verbrecherinnen weggesperrt werden. Oft haben sie allerdings nur deshalb gehandelt, weil ihnen selbst Unvorstellbares angetan worden ist. Ist Rache ein entschuldbares Mordmotiv? Wo verschwimmen die Grenzen zwischen Recht und Gerechtigkeit?

In einer erschütternden Abhandlung, die kaum zu ertragen ist, stellt uns Autorin H. M. Connally die brillante Ärztin Ava Murphy vor. Wie keine andere versteht sie es, Nähe und Empathie zu ihren Patientinnen aufzubauen, vielleicht ist sie die Letzte, die Hilfe anbieten kann. Im Laufe dieses Thrillers erfährt man auch, warum sie diese Fähigkeit besitzt und woher ihre Stärke stammt. Connally nimmt kein Blatt vor den Mund, verschont ihre Leser nicht, tiefe menschliche Abgründe, rohe Gewalt und bestialische Details muss man mitansehen, dabei geht es keineswegs um billigen Aktionismus, sondern im Gegenteil, um das Sichtbarmachen von Verbrechen, welche leider oftmals genug grausame Realität sind. Barbarische Vergehen, auch an Kindern, werden thematisiert, sodass die Lektüre wahrlich schwere Kost ist und genau abgewogen werden sollte, ob man sich dem aussetzt. Es ist bestimmt keine Schande, wenn man sich so mancher Szene nicht stellen kann. Speziell durch die Kapitel aus unterschiedlichen Blickwinkeln ergibt sich eine größtmögliche Authentizität.

Was als flotter Psychothriller beginnt, entpuppt sich zu einem schockierenden Leseerlebnis, das mit Vor- und Nachwort entsprechend abgerundet wird. Connally präsentiert damit leider keine Hirngespinste, sondern zwingt den Leser, realen Gewaltverbrechen an Frauen entgegenzublicken. Kompromissloses Grauen, das jeden Horror in den Schatten stellt.

Bewertung vom 24.09.2025
Maiwald, Stefan

Alle weg (eBook, ePUB)


sehr gut

Touristenzone ohne Touristen

Was passiert in Grado, wenn der letzte Rollladen nach einer heißen Sommersaison herunterfährt? Auf spritzig-heitere Weise fasst Stefan Maiwald in „Alle weg“ zusammen, wie eine Touristenzone ohne Touristen über den Winter kommt.

Ein wesentlicher Punkt ist anfangs überhaupt einmal die Definition, wann die Nebensaison beginnt und wann schließlich der letzte Tourist den Ort verlassen hat. Dann geht es in kurzen Sequenzen durch Herbst und Winter, zuweilen in Pinos Bar, wo man Neuigkeiten austauscht oder einfach nur still nebeneinander sitzt und seinen Gedanken nachhängt. Wir lernen die Bräuche unserer italienischen Nachbarn kennen und erfahren, wie anders man Weihnachten feiern kann, wie wichtig die Familie ist und welchen Stellenwert Essen und Trinken haben. Allerlei Episoden, sehr lebendig und authentisch, erzählt Maiwald aufgrund seiner eigenen Erfahrung als Deutscher in Italien und lässt uns damit den kalten Winter in nördlicheren Gefilden wärmer erscheinen. Am größten ist aber dennoch die Sehnsucht nach Sonne und Meer, sodass wir die Spargelzeit und den nächsten Saisonbeginn schon herbeisehnen, wenn der Stau in den Süden wieder länger ist als jener Richtung Norden.

Ein hübsch gestaltetes und mit interessanten Anekdoten gefülltes Büchlein, welches sich auch bestens als Geschenk für jene eignet, die sich das Warten auf den nächsten Meerurlaub verkürzen möchten.