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Verena

Bewertungen

Insgesamt 167 Bewertungen
Bewertung vom 14.09.2025
Lewis, Caryl

Wilder Honig


weniger gut

Ausbaufähig

„Wilder Honig“ von Caryl Lewis ist eine Geschichte über drei Frauen, die sich selbst alle auf unterschiedliche Weise verloren haben. In einem kleinen Dorf in Wales treffen sie aufeinander und beginnen von vorn: die beiden Schwestern Hannah und Sadie sowie Megan. Hannah hat ihr Elternhaus mit dem angrenzenden Obstgarten in Berllan Deg nie verlassen. Als ihr Ehemann John, Schriftsteller, Imker und Träger eines großen Geheimnisses, stirbt, kehrt Sadie, Hannahs jüngere Schwester, zurück, um sie zu unterstützen. Auch Sadie hat ein Geheimnis. Dann trifft noch die deutlich jüngere Megan auf dem Hof ein und hat ebenfalls mit ihrer Vergangenheit zu kämpfen. Alle drei Frauen versuchen, sich selbst zu finden, Frieden mit der Vergangenheit zu schließen und nach vorn zu blicken.

Das phänomenal schöne Cover und der vielversprechende Klappentext haben mich sofort auf den Roman aufmerksam gemacht, doch leider konnte mich die Umsetzung nicht überzeugen. Die Einschübe mit Johns Briefen an Hannah wirken unnatürlich, fast zu konstruiert. Überhaupt wirkte vieles sehr konstruiert auf mich, vielleicht weil ich keine der Figuren wirklich greifen konnte. Sie blieben für mich zu blass; alle haben eine schwere Vergangenheit zu bewältigen, was ohne ausreichende Tiefe und Entwicklung für mich persönlich zu überladen wirkte, gerade in einem eher kurzen Roman. Es hat mir auch nicht gefallen, dass die Probleme sich schließlich zu lösen scheinen, ohne dass die Figuren wirklich wachsen – es passiert einfach. Die Bienen und auch die Apfelbäume waren zwar stets präsent, aber ohne richtig Wurzeln zu schlagen, um es mit einer Naturmetapher zu sagen.

Das Buch hätte einfach mehr Raum für echte Gefühle und nachvollziehbare Veränderungen gebraucht. Leider keine Empfehlung von mir.

Bewertung vom 14.09.2025
Wood, Benjamin

Der Krabbenfischer


weniger gut

Es plätschert dahin

Benjamin Woods Roman „Der Krabbenfischer“ spielt im kleinen englischen Ort Longferry in den 1960er Jahren. Hier lebt Protagonist Thomas, ein junger Mann Anfang zwanzig, der mit seiner Mutter in sehr einfachen Verhältnissen lebt. Von seinem Großvater hat er das Handwerk des Krabbenfischens gelernt und verdient damit einen mageren Lebensunterhalt. Das Meer und die Gezeiten kennt er wie kein anderer, denn jeden Morgen bei Ebbe macht er sich mit Pferd und Kutsche auf den Weg zu den Krabben. Viel lieber würde aber nur Gitarre spielen und ein ganz anderes Leben haben, als das, was ihm Longerry bieten kann. Als der amerikanische Regisseur Edgar in die Stadt kommt und Thomas als Experten anheuert, scheint plötzlich ganz viel möglich.

Ich wünschte, der Roman wäre durchgehend so wunderbar atmosphärisch wie das Cover, das mich an die Gemälde von William Turner erinnert. Es ging vielversprechend los: atmosphärische Erzählweise und detaillierte Landschaftsbeschreibungen, die sowohl Thomas‘ Gefühlswelt als auch die Kulisse gut darstellen. Ich war zwar wegen einer gewissen Distanz zu den Figuren nie so richtig in der Geschichte, aber ab einem Punkt, ungefähr bei der Hälfte, nimmt sie sowohl inhaltlich wie sprachlich und stilistisch eine Wendung, die mich komplett verloren hat. Es war eine seltsame Kombination aus unrealistisch und uninteressant. Ab dem Moment habe ich auch nur noch quergelesen bzw. quergehört. (Es gibt auch noch eine Szene, die starke Erinnerungen an Artax‘ Schicksal im Sumpf der Traurigkeit in der Unendlichen Geschichte weckt – Kindheitstrauma deluxe). Auch der Plottwist am Ende konnte mich überhaupt nicht abholen.

Insgesamt blieb „Der Krabbenfischer“ stark hinter meinen Erwartungen zurück.

Bewertung vom 25.08.2025
Graw, Theresia

In uns der Ozean


ausgezeichnet

Literarische Hommage an eine beeindruckende Frau

„In uns der Ozean“ ist ein Roman über die Zoologin/Biologin Rachel Carson. Mit fiktiven Elementen wird ihr überaus beeindruckendes Leben dargestellt: Die Geschichte einer Frau, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts versucht, in der von Männern dominierten akademischen Welt Fuß zu fassen. Geboren 1907 in einfache, bildungsferne Familienverhältnisse, hatte sie mit sehr vielen Hürden zu kämpfen, statt einfach das tun zu können, was sie eigentlich wollte: am Meer leben und forschen.

Die Entdeckung einer auffälligen Vogelleiche beim Spaziergang löst eine Kettenreaktion aus: Rachel beginnt, die Auswirkungen des chemischen „Wundermittels“ DDT zu hinterfragen. In Wäldern, Wiesen, sogar in Kinderzimmern, wird es massenhaft versprüht. Carson erkennt Zusammenhänge und beginnt penibel zu recherchieren, denn die Folgen für die Umwelt sind verheerend. Zu diesem Zeitpunkt ist Rachel als Autorin poetischer Bücher bekannt, die den Menschen die Natur nahebringen. Die Ergebnisse ihrer Recherche veröffentlicht sie im Buch „Der Stumme Frühling“ und schockt damit die amerikanische Bevölkerung, zieht den Zorn der Chemieindustrie auf sich. Es folgen Schikanen und die Diffamierung ihrer Person.

Fehlende Gleichberechtigung, das Versagen von Politik, Konzernen, aber auch der Gesellschaft im Umweltschutz – die Parallelen zur Gegenwart sind deutlich sichtbar. Damals wussten die Menschen es meist noch nicht besser; heute schon – was die Tragik noch verstärkt und zumindest mich beim Lesen doppelt und dreifach wütend machte.

Rachel Carson gilt heute als Pionierin des Umweltaktivismus; ihr Einsatz trug maßgeblich zum Verbot von DDT bei, das jahrzehntelang bedenkenlos eingesetzt wurde. Ihre Biografie ist beeindruckend, auch wenn sie von der Autorin des Romans mit einigen fiktionalen Elementen ausgeschmückt wurde. Diese Ergänzungen sind meist nachvollziehbar, aber ich kann nicht mit allen zu 100% mitgehen, weshalb ich einen halben Stern bei der Bewertung abziehe. Was ich allerdings dennoch zu 100% tun kann, ist „In uns der Ozean“, vor allem auch in der tollen Hörbuchvariante, die sehr lebendig und eindringlich gelesen wird, zu empfehlen.

Bewertung vom 14.08.2025
Dröscher, Daniela

Junge Frau mit Katze


sehr gut

Körper, Krankheit, Katze - ein Roman, der nachhallt

„Wer, fragte ich mich, wäre ich gewesen, ohne diese ständige Angst?“

Ich war late to the game bei Daniela Dröschers "Lügen über meine Mutter", fand den Roman großartig, freue mich auf die Verfilmung. „Junge Frau mit Katze“ lässt sich in gewisser Weise als dessen Fortsetzung verstehen (beide autofiktional). Wieder erzählt Ela, dieses Mal nicht rückblickend aus kindlicher Perspektive über die Mutter bzw. deren Körper – dieses Mal steht sie selbst als junge Frau im Mittelpunkt. Es geht erneut um den Körper, um Selbstermächtigung, um Klassizismus, Habitus und die Kämpfe mit der eigenen Gesundheit.

Während der Körper der Mutter – zumindest laut dem Vater – für das Unglück der gesamten Familie verantwortlich war, ist es jetzt Elas eigener erwachsener, kranker Körper, der ihr Probleme bereitet: kurz vor dem Abschluss ihrer Promotion bricht sie zusammen, ihr Körper scheint zu rebellieren, immer neue Symptome belasten ihren Alltag; Elas Angst wird größer und größer.

Ich habe SO unglaublich viel markiert. Viele Beschreibungen von Elas Versuchen, ihren gesundheitlichen Problemen auf den Grund zu gehen, sind grandios beschrieben. Das Chaos, das Ela durchlebt, wirkt authentisch. Sie ist nicht immer rational, was verständlich ist – eine Odyssee durch Fachpraxen, in der Ärzt:innen sie oft nicht ernst nehmen, vor allem als (junge) Frau. Diffuse Symptome werden auf die Psyche geschoben; selbst wenn das der Auslöser wäre, die körperlichen Beschwerden sind real, belastend, einschränkend. Das hat bei mir einen Nerv getroffen, denn ich kenne diesen Kampf. Für mich wurde "Junge Frau mit Katze" zu einer sehr persönlichen Lektüre, die mich anders berührte als "Lügen über meine Mutter". Dennoch wirkt der Roman manchmal sprunghaft, der Stil ist teils chaotisch, manchmal fehlt der Bezug. Inhaltlich macht das durchaus Sinn, stilistisch nicht immer. Auch wenn der Roman nicht an die Genialität des Vorgängers herankommt, so bleibt es trotzdem ein großartiger Roman, der mich vor allem durch seine Authentizität beeindruckt hat. Elas Kampf um Selbstbestimmung und Gesundheit sind eindringlich. Es ist eine Geschichte, die nachhallt – full disclosure: am liebsten würde ich den Roman in der Therapie besprechen.

Bewertung vom 13.08.2025
Engler, Leon

Botanik des Wahnsinns


gut

Kein richtiger Zugang zum Wahnsinn

Kein richtiger Zugang zum Wahnsinn

Ich habe keinen klaren Zugang zu "Die Botanik des Wahnsinns" von Leon Engler finden können. Und das, obwohl auf dem Papier alles dafür spricht: Es verbindet interessante historische Fakten zu Psychologie, Therapie und psychischer Gesundheit mit einer Familiengeschichte, die geprägt ist durch einen Stammbaum voller psychischer Erkrankungen; die Angst des Erzählers, selbst in der Psychiatrie zu landen, ist verständlich und logisch; der Twist, warum er sich letztendlich tatsächlich in einer Psychiatrie wiederfindet, ist ziemlich clever; der Einstieg mit den verlorenen Erinnerungen catcht eigentlich sofort. Auch der Schreibstil ist angenehm zu lesen und der Schauspieler Johannes Nussbaum hat das Hörbuch sehr passend eingesprochen.

Warum ich mich trotz all dieser positiven Punkte nicht auf das Buch einlassen konnte? Vielleicht lag es an meiner Stimmung oder an der Erzählweise, ich weiß es nicht genau. Deshalb fällt es mir auch echt schwer, eine Sternebewertung abzugeben. Es ist kein schlechtes Buch, aber für mich war es eben auch kein Highlight. Ich bin mir sicher, einigen Leser:innen wird’s wir mir gehen, aber genauso bin ich mir sicher, dass „Die Botanik des Wahnsinns“ vielen gefallen wird. Denn das Philosophieren ganz grundsätzlich über psychische Erkrankungen und was einen „normalen Menschen“ ausmacht (sofern es überhaupt „normale Menschen“ gibt) – ist eigentlich richtig aktuell. Vielleicht probiere ich es zu einem anderen Zeitpunkt nochmal.

Bewertung vom 07.08.2025
Sauer, Anne

Im Leben nebenan


gut

Großartige Idee, etwas schwächere Umsetzung

Die Grundidee von „Im Leben nebenan“ von Anne Sauer ist super interessant, die Umsetzung leider etwas schwächer. Die Handlung dreht sich um Toni, die in einer begehrten Altbauwohnung in einer Großstadt lebt und mit ihrem Partner Jakob an der Familienplanung arbeitet. Als es immer wieder nicht klappt, setzt es beiden nach und nach immer mehr zu. Eines Morgens erwacht Antonia im Dorf ihrer Kindheit, mit einem anderen Job, anderem Partner – ihrem Jugendfreund – und einem Baby. Das bürgerliche Leben Antonias, inklusive Schwiegermutter vor Ort, ist ein krasser Kontrast zu Tonis Großstadtleben.

Der Roman zeigt anschaulich, wie unterschiedlich das Leben einer Person verlaufen könnte, abhängig von den getroffenen Entscheidungen. Dass Antonia sich aber an ihr Leben als Toni erinnert und davon überfordert ist, gibt dem Ganzen eine leichte Note des magischen Realismus. Tatsächlich habe ich lange überlegt, wie ich das finde, dass Toni eben in beiden Figuren steckt und sich „erinnert“ – sind es dadurch wirklich zwei unterschiedliche Lebensentwürfe, die dargestellt werden oder wird der Antonia-Strang zu sehr davon geprägt, das Toni verzweifelt, weil sie nicht weiß, was los ist?

In beiden Erzählsträngen dominiert der Alltag: Toni und Jakob kämpfen mit unerfülltem Kinderwunsch zwischen Beruf und Freizeit, während Antonia den Alltag als frischgebackene Mama bewältigt. Anfangs ist das alles noch interessant und gut geschrieben, doch ab der Hälfte verliert sich die Geschichte. Es fehlt an Entwicklung; alles plätschert vor sich hin. Besonders schade ist, dass sowohl Antonia als auch Toni fast ausschließlich über ihre Rolle als Mutter bzw. Nicht-Mutter definiert werden. Ich könnte auf die Schnelle nicht viel mehr anderes über die Figuren sagen.

Das Hörbuch ist gut gelesen und kurzweilig. Die vielen detaillierten Alltagsszenen wirken zwar authentisch und der Schreibstil ist auch gut, aber mir fehlte mehr Tiefe, vor allem bei Toni/Antonia.

Bewertung vom 18.07.2025
Sußebach, Henning

Anna oder: Was von einem Leben bleibt


gut

Vermutungen

Was bleibt von einem Leben? Dieser Frage geht Autor Henning Sußebach nach, indem er über das Leben seiner Urgroßmutter Anna recherchiert – eine, so scheint es, interessante Persönlichkeit, die in einer Zeit voller Umbrüche lebte.

Die Grundidee hat mich wirklich überzeugt. Vor allem am Anfang des Textes, als der Autor seine Beweggründe, seine Reflektionen erörterte, wurde auch ich stark zum Nachdenken angeregt. Was weiß ich über meine Urgroßeltern (kaum etwas), was wird von meiner Generation bleiben – wir, die wir alle so viel besitzen und selbst unser Frühstück an einem ganz normalen Dienstag dokumentieren, während von Anna außer einem Poesiealbum, ein paar Postkarten, einem Ring und einem Kaffeeservice kaum etwas geblieben ist. Die Thematik bietet viel Raum, zu philosophieren: Wird das Leben eines Menschen weniger bedeutend, weil es Alltag war? Oder ist gerade das Alltägliche, das vermeintlich „langweilige“, wertvoller, weil es die Basis für ein echtes Leben bildet? (Und wer bestimmt überhaupt, was interessant und was langweilig ist?)

Allerdings fällt die Umsetzung der Idee etwas schwächer aus. Zu sehr verliert sich der Autor an manchen Stellen in Vermutungen oder zieht Parallelen zur Gegenwart. An anderen Stellen, wo es meines Erachtens nötig gewesen wäre, fehlt hingegen jegliche Einordung oder Informationen aus Annas Leben werden einfach so hingenommen, ohne diese ausreichend zu hinterfragen. Ein sehr krasses Beispiel hierfür ist der Auszug aus Schulbüchern. Grundsätzlich nicht unrelevant, immerhin war Anna Lehrerin. Aber muss dafür eine Stelle gewählt werden, die abscheulichste Rassentheorie wiedergibt, in der mehrfach rassistische Bezeichnungen reproduziert werden? Klar - das hat historisch so stattgefunden, aber es wird einfach so stehen gelassen, ausgerechnet dafür gibt es keine richtige Kontextualisierung; nur ein Halbsatz sehr viel später im Buch. Unüberlegt und schade.

Trotz der Schwächen in der Umsetzung bleibt die Grundidee stark und bietet viele Denkanstöße, über die eigenen Vorfahren, aber auch ganz konkret über die Bedeutung eines Lebens nachzudenken.

Das Hörbuch ist hochwertig produziert und gut gelesen von der Schauspielerin Nina Petri.

3,5 Sterne

Bewertung vom 17.07.2025
Kelly, Julia R.

Das Geschenk des Meeres


gut

Blasse Erzählung

In „Das Geschenk des Meeres“ geht’s nach Schottland, ins kleine Dorf Skerry ganz hoch oben im Norden. Hier wird im Winter 1900 in einem Sturm ein leblos wirkender Junge am Strand angespült. Das Kind erinnert auf unheimliche Weise an den Sohn der Lehrerin Dorothy. Er verschwand viele Jahre zuvor im Meer. Dorothy nimmt den unbekannten Jungen bei sich auf. Nicht nur das Rätsel um ihn gilt es zu lösen, auch um ihr eigenes Kind und ihre Vergangenheit gibt’s einige Geheimnisse.
Das Hörbuch wird von Astrid Kohrs einfühlsam gelesen. Gute Produktion und eine angenehme Erzählstimme sorgen für eine solide Hörqualität.
Allerdings leidet die Geschichte unter großen inhaltlichen Schwächen; auch der Stil unterstützt die Erzählung nicht wirklich. Die Figuren bleiben blass, die Emotionen kommen kaum rüber. Die Vielzahl an Zeitsprüngen und Perspektivwechseln (zwischen zu vielen unterschiedlichen Figuren) sorgen zwar für ein rasantes Tempo, verhindern aber jegliche Identifikation mit den Charakteren.
Beeindruckend ist jedoch das Setting. Skerry, so weit im Norden Schottlands gelegen, dass man fast Norwegen erahnen könnte, ist eine faszinierende Kulisse würde eigentlich geradezu danach verlangen, Elemente des Schauerromans und Nature Writings zu verwenden. Dieses kleine Fischerdorf wäre ideal gewesen, um die komplexen Hintergründe der Figur der Dorothy genauer zu beleuchten: als Lehrerin – also berufstätige Frau – kommt sie als Außenseiterin ins Dorf; die Erwartungen und Vorurteile der Dorfgemeinschaft, ihre eigenen Hoffnungen und Wünsche, die Unsicherheiten durch die lieblose Erziehung durch ihre Mutter – all das zur Zeit des Fin de Siècle wäre schon genug Stoff für eine packende Erzählung. Dafür hätte es aber eine wirklich tiefgründige Charakterentwicklung gebraucht. Stattdessen gibt es viele Intrigen und Kommunikationsprobleme.
Die Geschichte hätte also wirklich viel Potenzial gehabt, um spannend und berührend zu sein. Insgesamt eher 2,5 bis 3 Sterne von mir. Das Cover ist allerdings ein echtes Highlight und verdient die volle Punktzahl.

Bewertung vom 21.05.2025
Henry, Emily

Great Big Beautiful Life


weniger gut

Schöne große Enttäuschung

Leider war auch dieser neue Emily Henry Roman nichts für mich. Ich liebe ihre ersten drei Bücher, doch seit sie super berühmt ist, haben mich ihre Werke nicht überzeugen können: „Funny Story“ war ziemlich langweilig – ich erinnere mich kaum daran. „Happy Place“ mochte ich aus vielen Gründen nicht, vor allem weil für mich die Verwendung von Depressionen als Plot-Twist ein absolutes No-Go ist. Und „Great Big Beautiful Life“ entpuppte sich als „great big beautiful disappointment“ – eine große Enttäuschung. Es hat auf vielen Ebenen einfach nicht funktioniert.

Ich denke, die Geschichte wäre vielleicht besser gewesen, wenn sie mehr wie ein Krimi oder Thriller geschrieben worden wäre, anstatt zu versuchen, ein Rätsel innerhalb eines Liebesromans zu sein. Das größte, größte, größte Problem waren jedoch die beiden Protagonist:innen. Sie waren die am wenigsten entwickelten Figuren, die ich je in einem Emily-Henry-Buch gelesen habe. Sie wirkten stereotyp, oberflächlich und ohne echte Tiefe – einfach nur langweilig. Ich habe ihre Namen ständig vergessen, so wenig Eindruck haben sie hinterlassen.

Auch die Liebesgeschichte funktionierte nicht. Es gab null Chemie, keinen spark – nur zwei große, attraktive Menschen in einem Emily-Henry-Roman, also müssen sie wohl zwangsläufig aufeinander stehen, oder? Es wirkte erzwungen und oberflächlich.

Leider wirkte auch der Schreibstil nicht wie Henrys übliche Sprachgewandheit Manchmal schien es, als würde das Buch zu sehr versuchen, „filmisch“ zu sein, um möglichst bald von einem großen Streaming-Dienst adaptiert werden. Es gab zu viel tell statt show, was die Charaktere nur noch oberflächlicher erscheinen lies.

Na ja. Vielleicht sollte ich ihre früheren Bücher nochmal lesen – die waren beinahe perfekt. Leider scheint diese Magie nach „Book Lovers“ verloren gegangen zu sein.

Bewertung vom 07.05.2025
Peters, Amanda

Beeren pflücken


sehr gut

Eindringlich

„Beeren pflücken“ von Amanda Peters ist für mich ein erstes kleines Jahreshighlight, auch wenn es knapp nicht für fünf Sterne gereicht hat.

Im Sommer 1962 ist eine Mi’kmaq-Familie aus Nova Scotia in Maine als Blaubeerenpflücker tätig, als plötzlich die vierjährige Ruthie spurlos verschwindet. Zuletzt wurde sie von ihrem zwei Jahre älteren Bruder Joe gesehen, auf ihrem Lieblingsstein am Rand eines Beerenfeldes. Das Verschwinden bleibt ungeklärt und verfolgt die Familie über Jahrzehnte. Währenddessen wächst Ruthie in den USA bei einem wohlhabenden, emotional distanzierten Paar als Norma auf. Ihre Eltern verbergen etwas, was Norma erst im Lauf der Jahre zu erahnen beginnt.

Ich lese regelmäßig indigene Literatur und bin immer wieder schockiert über die strukturelle Diskriminierung, die Indigene erfahren haben und zum Teil immer noch erfahren. In diesem Roman ist es – neben der systemischen Benachteiligung – vor allem Normas „Familie“, deren skrupelloses, respektloses Verhalten gegenüber der First Nation-Familie heraussticht.

Erzählerisch besonders gelungen finde ich, dass Amanda Peters, selbst Mi’kmaq und europäischer Abstammung, die Perspektiven der beiden jüngsten Kinder gewählt hat. Über die Jahre hinweg begleiten wir sie durch unterschiedliche Lebensabschnitte. Ruthies Entführung und die damit verbundenen Geheimnisse haben das Leben beider Geschwister geprägt – Joe fühlt sich schuldig, obwohl er selbst noch ein Kind war, und Norma spürt, dass mit ihrer Herkunft und ihrer Familie etwas nicht stimmt. Das Geschehene lässt beide nie los. Das sorgt für eine spannende, emotionale Erzählung.

Einzig das Ende wirkte etwas zu glatt und zu harmonisch. Es löst sich zu schnell auf, um wirklich realistisch zu erscheinen. Dennoch bleibt der Roman stark, dank der emotionalen Ebene und den glaubwürdigen Figuren.

„Beeren pflücken“ ist eine sehr empfehlenswerte Lektüre, die zum Nachdenken anregt. Ein schönes, wenn auch nicht perfektes, Jahreshighlight.