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Bücherfreundin

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Insgesamt 337 Bewertungen
Bewertung vom 25.09.2025
Rätsel Werft

Sudoku Adventskalender 2025


ausgezeichnet

Liebevoll gestalteter Sudoku-Adventskalender
Rechtzeitig zur Weihnachtszeit ist der Sudoku-Adventskalender 2025 aus der Rätsel Werft erschienen. Auf 117 schwarz-weißen Seiten enthält er 144 Sudokus in drei verschiedenen Schwierigkeitsstufen sowie 24 illustrierte Seiten mit zauberhaften Motiven zum Ausmalen.

Jeder Tag im Dezember startet mit einem als Adventstürchen gestalteten Ausmalbild mit unterschiedlichen Motiven aus der Werkstatt des Weihnachtsmanns, auf den Folgeseiten gibt es jeweils 6 Sudokus in den Schwierigkeitsstufen Leicht, Mittel und Schwer. Der Adventskalender im DIN-A-4-Format hat ein weihnachtlich gestaltetes Cover in schönen Farben. Das weiße Papier ist schön dick, die Druckqualität einwandfrei. Die Sudoku-Regeln stehen ganz vorn im Heft, auf den letzten Seiten befinden sich die Lösungen.

Der Adventskalender ist sehr liebevoll gestaltet, die Sudokus laden zum Tüfteln ein, und die einzelnen Kästchen sind groß genug, um alle möglichen Optionen für leere Kästchen einzutragen. Die Ausmalseiten passen sehr gut zur Adventszeit, dienen der Entschleunigung und werden von kreativen Köpfen sicherlich gern angenommen. Ich selbst kann dem Ausmalen nicht viel abgewinnen und werde die Seiten daher meiner kleinen Enkelin überlassen, die gern und mit Hingabe ausmalt.

Fazit: ein zauberhafter Adventskalender, der sich auch sehr gut als Geschenk für Sudokubegeisterte eignet!

Bewertung vom 23.09.2025
Puchner, Eric

Weißes Licht


ausgezeichnet

Großartige und fesselnde Geschichte
In seinem neuen Roman "Weißes Licht" erzählt der amerikanische Autor Eric Puchner, der als Dozent für kreatives Schreiben an der Johns Hopkins University in Baltimore tätig ist, eine außergewöhnliche Geschichte über Liebe und Freundschaft.   
 
Sommer 2004: Cece Calhoun und Charlie Margolis, die bald heiraten wollen, lieben "Yellowflower", das Ferienhaus von Charlies Eltern am See von Salish in Montana. Obwohl sie im 1000 Meilen entfernten Los Angeles leben, haben sie beschlossen, sich in Salish das Jawort zu geben. Garrett Meek, Charlies bester Freund aus Collegetagen, wird sie trauen. Da Charlie, der als Kardioanästhesist arbeitet, keinen Urlaub nehmen kann, begibt sich Cece allein nach Salish, um die Hochzeit vorzubereiten. Am See begegnet sie Garrett, der in der Gepäckabfertigung am Flughafen arbeitet und sich um seinen kranken Vater kümmert. Ein tragischer Unfall, der sich vor Jahren ereignete, hat ihn traumatisiert. Cece und Garrett verbringen Zeit miteinander, und die junge Frau hinterfragt bald ihre Entscheidung, vor den Traualtar zu treten ...
 
Eric Puchner erzählt seine Geschichte in klarer, ruhiger Sprache und skizziert seine Protagonisten mit ihren Stärken und Schwächen sehr präzise: die impulsive Cece, die Garrett anfangs nicht mag und sich dennoch von ihm angezogen fühlt, den grüblerischen Garrett, der seinen späteren Beruf als Wildbiologe mit großer Leidenschaft ausübt, und den charismatischen Charlie, der sich um seinen Sohn sorgt. Es war spannend, Cece, Charlie und Garrett durch fünf Jahrzehnte zu begleiten und dabei ihre Höhen und Tiefen zu erleben. Sie heiraten, Kinder werden geboren, es kommt zu Trennungen und Todesfällen. Die interessanteste Figur war für mich der sensible Garrett, dem der Umweltschutz am Herzen liegt und der sich der Dokumentation und dem Schutz von Vielfraßen in der Wildnis widmet. 
 
Ein großer Teil der Handlung spielt in naher Zukunft und zeigt mit erschreckender Deutlichkeit die Folgen des Klimawandels auf: die zunehmende Hitze, das Artensterben, den Rückgang der Schneegrenze, die ausgetrockneten Seen, die verheerenden Waldbrände mit ihrem Rauch, der den Alltag und die Gesundheit der Menschen beeinträchtigt.
Der Aufbau des Buches hat mir sehr gut gefallen. Es beginnt mit der Hochzeitsplanung, es folgen 50 Jahre, in denen wir Cece, Charlie und Garrett folgen, bis sie über 70 sind. Wir begleiten auch ihre Kinder, deren Leben durch die Entscheidung ihrer Eltern beeinflusst wurde. In Rückblenden wird erzählt, wie Charlie, Garrett und Elias sich am College kennenlernten und was ein Jahr später zu der schrecklichen Tragödie führte. Das letzte Kapitel bildet mit der Rückkehr zum Tag der Hochzeit einen großartigen Abschluss.
 
"Weißes Licht" hat mir sehr viel Lesefreude bereitet, die bewegende Geschichte ist ganz großartig erzählt und hat mich von Beginn an in ihren Bann gezogen. Es geht nicht nur um Liebe und Familie, Freundschaft und Verrat, sondern auch um die Auswirkungen lebensverändernder Entscheidungen über Generationen hinweg. Weitere Themen sind Suchterkrankungen und Depressionen, Demenz und der Klimawandel mit seinen dramatischen Folgen. Die sensible Beschreibung von Ceces Krankheit und Garretts Umgang damit haben mich sehr berührt. Besonders hervorheben möchte ich auch die wortgewaltigen Beschreibungen der Natur Montanas.
 
Absolute Leseempfehlung für diesen klugen und mitreißenden Roman!

Bewertung vom 17.09.2025
Horncastle, Mona

Peggy Guggenheim


sehr gut

Ein Leben für die Kunst
In seiner Reihe "Reihenweise kluge Frauen" hat der Molden Verlag bereits neun Biografien veröffentlicht, drei davon stammen aus der Feder der deutschen Autorin Mona Horncastle. Im 10. Band geht es um die Amerikanerin Peggy Guggenheim, die sich als bedeutende Kunstmäzenin, Sammlerin und Galeristin der Kunst des 20. Jahrhunderts widmete.
Das gebundene Buch ist sehr liebevoll und hochwertig gestaltet. Es umfasst 224 Seiten und ist in sechs Kapitel gegliedert, zahlreiche Schwarz-Weiß-Fotos, die dem Leser Peggy Guggenheims Leben und Wirken nahebringen, ergänzen die Texte.

Peggy wird 1898 als zweite von drei Töchtern der Eheleute Benjamin und Florette Guggenheim geboren. Die Familie ist vermögend, die Kinder wachsen inmitten von Luxus auf und werden von Privatlehrern zuhause unterrichtet. Als der Vater 1912 beim Untergang der Titanic ums Leben kommt, erbt Peggy ein umfangreiches Aktienpaket, das es ihr ermöglicht, mit Eintritt ihrer Volljährigkeit ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Sie liebt die Literatur, wendet sich aber nach einer monatelangen Europareise mit zahlreichen Museumsbesuchen der Malerei des 20. Jahrhunderts mit den Schwerpunkten Surrealismus und abstrakter Expressionismus zu. 1937 eröffnet sie eine Galerie für moderne Kunst. Wenig später vergrößert sich mit dem Tod ihrer Mutter ihr Vermögen beträchtlich, und sie beginnt, im großen Stil Kunstobjekte zu erwerben, bevor der Zweite Weltkrieg ihre Pläne, ein Museum zu eröffnen, zunichte macht ...

Das interessante Buch ist in sachlicher und klarer Sprache geschrieben und gibt uns nicht nur Einblicke in Peggys Leben und ihr Wirken für die Kunst, sondern auch in ihre Herkunft und die ihrer Familie. Sie liebt die Kunst, sie liebt auch die Männer und hat viele Affären. Peggy pflegt zahlreiche Kontakte, sie feiert gern und oft, und sie zeigt sich äußerst großzügig gegenüber Freunden und der Familie. Zielstrebig geht sie ihren Weg, wir erleben ihre Anfänge als Kunstsammlerin und Galeristin, die auch Werke von Künstlerinnen zeigt, was für die damalige Zeit ungewöhnlich ist. Sie rettet bedeutende Kunstobjekte jüdischer Künstler und sogenannte "entartete Kunst" vor dem Zugriff der Nationalsozialisten. Später ist es ihr ein Anliegen, junge und unbekannte Künstler durch Geldzuwendungen und Ausstellungen zu unterstützen.
Die Autorin beschreibt neben Peggys schillernder Persönlichkeit auch ihr kompliziertes Privatleben mit all seinen Höhen und Tiefen. Sie heiratet zweimal und bekommt zwei Kinder, für die sie sich jedoch nur wenig Zeit nimmt.

Ich habe die Biografie, deren Schwerpunkt auf Peggys leidenschaftlichem Wirken für die Kunst liegt, sehr gern und mit großem Interesse gelesen und dabei viel über die Kunstszene des 20. Jahrhunderts erfahren. Es fiel mir allerdings nicht gerade leicht, mir die unzähligen im Buch vorkommenden Namen bzw. deren Bezug zu Peggy einzuprägen.  

Leseempfehlung für alle, die sich für Kunst und ein leidenschaftliches Leben für die Kunst interessieren!

Bewertung vom 15.09.2025
Boyle, T. C.

No Way Home (deutschsprachige Ausgabe)


ausgezeichnet

Brillant erzählt und mitreißend
Im Mittelpunkt von "No Way Home", dem neuen Roman von T.C. Boyle, steht Dr. Terrence Tully, genannt Terry. Der 31-Jährige arbeitet in einem Krankenhaus in Los Angeles. Als Assistenzarzt im dritten Jahr, der sich eine Zulassung als Internist wünscht, arbeitet er an 6 Tagen in der Woche, 14 Stunden täglich. Er lebt allein und hat kaum Sozialkontakte. Während einer Visite erreicht ihn die traurige Nachricht, dass seine Mutter Katie ganz plötzlich verstorben ist.

Terry begibt sich auf die lange Reise nach Boulder City in der Wüste Nevadas, wo seine Mutter lebte, um die notwendigen Formalitäten abzuwickeln und sein Erbe, das Haus und den Hund der Mutter, zu übernehmen. Am Abend lernt er in einer Bar die 24-jährige Bethany Begany kennen, die beiden verbringen eine gemeinsame Nacht. Bethany hat sich von ihrem Freund Jesse getrennt und möchte übergangsweise im Haus von Terrys Mutter wohnen. Obwohl Terry ablehnt, zieht sie nach seiner Abreise in das Haus. Terry, der verschuldet ist und das Objekt eigentlich verkaufen möchte, verliebt sich in die junge Frau, doch es gibt da noch ihren Ex-Freund, der alles daran setzt, Bethany zurückzugewinnen ...

Der Roman ist, wie man es von T.C. Boyle kennt, in intelligenter Sprache geschrieben, mitreißend und äußerst unterhaltsam. Seine Protagonisten, die er sehr präzise skizziert, sind keine einfachen, keine liebenswerten Charaktere: auf der einen Seite der eher unauffällige und kontaktarme Terry, der sich in seiner Verliebtheit von Bethany ausnutzen und einwickeln lässt, und auf der anderen Seite die lebenslustige und dreiste Bethany, die sich von ihrem Ex-Freund nicht zu lösen vermag, sich aber gleichzeitig mit Terry einen Mann mit Vermögen und Ansehen angeln möchte, und schließlich der gutaussehende und rücksichtslose Jesse, der auch vor Gewalttaten nicht zurückschreckt. Ich konnte verstehen, dass die attraktive Bethany eine gewisse Faszination auf Terry ausübte, habe aber einige seiner Handlungsweisen überhaupt nicht nachvollziehen können und hätte ihn am liebsten geschüttelt. 

Die Geschichte ist aus den Perspektiven der drei Hauptcharaktere erzählt, sie liest sich sehr flüssig und hat mich von Beginn an gefesselt. Ich habe das Buch sehr gern gelesen, neben der Ménage à trois enthält es, wie so oft in T.C. Boyles Romanen, eine Menge Gesellschaftskritik. Es geht neben Liebe, Leidenschaft und Eifersucht auch um Gewalt, Manipulation, Abhängigkeit und Drogen. Häufiger Alkoholkonsum nimmt im Buch meinem Empfinden nach zu viel Raum ein. 
  
Die Beschreibung von Terrys anstrengendem Klinikalltag fand ich sehr interessant, das Ende der Geschichte lässt mich allerdings etwas unzufrieden zurück.

Absolute Leseempfehlung für diesen brillant erzählten Roman über menschliche Abgründe!

Bewertung vom 04.09.2025
Schlee, Ann

Die Rheinreise


ausgezeichnet

Wunderbare und ruhig erzählte Geschichte
Der Dumont Verlag hat den bereits im Jahr 1981 erschienenen Roman "Die Rheinreise" der in den USA geborenen Schriftstellerin Ann Schlee, die 2023 im Alter von 89 Jahren verstorben ist, in deutscher Übersetzung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ihren Debütroman, der für den renommierten Booker Prize nominiert wurde. Das Cover ist wunderschön und sehr hochwertig gestaltet.

Wir schreiben das Jahr 1851, drei Jahre nach den Unruhen der Europäischen Revolution von 1848, als Reverend Charles Morrison mit seiner Frau Marion und der 17-jährigen Tochter Ellie eine Reise mit dem Schaufelraddampfer von Baden-Baden bis Köln antritt. Mit dabei ist Charles' jüngere, etwa 40-jährige unverheiratete Schwester Charlotte, die ihre Schwägerin unterstützt und sich um ihre Nichte kümmert. Charlotte war jahrelang die Haushälterin ihres Bruders, ehe sie dem betagten Reverend Ransome bis zu dessen Tod den Haushalt führte und von ihm mit einer Erbschaft bedacht wurde. Als sie unter den Reisenden einen Mann sieht, der ihrer ersten Liebe ähnelt, werden Erinnerungen in ihr wach. Sie war gerade 18 Jahre alt, als sie sich in den Mühlenbesitzer Desmond Fermer verliebte, der bei Charles um ihre Hand anhielt. Doch für diesen war Desmond nicht standesgemäß, er war gegen die Verbindung, und Charlotte blieb es verwehrt, eine eigene Familie zu gründen.

Die Geschichte ist in sehr schöner Sprache erzählt und liest sich sehr flüssig. Ich fühlte mich gleich in das Viktorianische Zeitalter versetzt, als die Rolle der Frau noch eine ganz andere war als heute. Die Autorin lässt uns eintauchen in Charlottes Lebensgeschichte, die geprägt ist von Gehorsam und Unterwürfigkeit gegenüber ihrem Bruder. Als Alleinstehende ist es ihr nicht möglich, ihr Leben eigenständig zu gestalten. Ihr Bruder trifft für sie alle wichtigen Entscheidungen, und sie ordnet sich ihm unter. Die Begegnung mit Edward Newton verändert sie und weckt alte Erinnerungen, mit denen sie sich endlich auseinandersetzt.

Ich habe den Roman sehr gern gelesen, er hat mich beeindruckt und sehr berührt. Der Zeitgeist ist ganz großartig eingefangen, und ich mochte Ann Schlees ruhige und empathische Erzählweise. Sie skizziert ihre Protagonisten ganz wunderbar und authentisch, besonders die feinfühlige Charlotte, die auf der Rheinreise ihre Vergangenheit reflektiert, in Tagträumen versinkt und schließlich vor die Frage gestellt wird, ob sie fortan im Haushalt des Bruders leben möchte. Die Autorin schildert nicht nur mit großer Intensität Charlottes innere Zerrissenheit, ihre Sehnsüchte und Wünsche, sondern auch ihre Entwicklung, die dazu führt, dass sie eine zukunftsweisende Lebensentscheidung treffen kann.
Der dominante Charles, der seine Schwester wie eine Bedienstete behandelt, machte es mir schwer, ihn auch nur ansatzweise zu mögen. Auch für seine Frau, die schwierige Marion, konnte ich keine Sympathie empfinden.

Sehr gut gefallen hat mir die Beschreibung der Rheinreise mit ihren zahlreichen Sehenswürdigkeiten, da ich im Rheinland lebe und mir viele der erwähnten Orte ein Begriff sind.

Absolute Leseempfehlung für diesen wunderbaren historischen Roman mit Tiefgang, der mich gefesselt und bestens unterhalten hat!

Bewertung vom 01.09.2025
Huth, Peter

Aufsteiger


ausgezeichnet

Großartiger und packender Gesellschaftsroman
In seinem neuen Roman "Aufsteiger" erzählt Peter Huth die Geschichte des 48-jährigen Felix Licht. Dieser ist seit 20 Jahren mit seiner Frau Sarah verheiratet, die beiden haben eine gemeinsame Tochter, die 10-jährige Emilia. Felix ist seit über 10 Jahren als Journalist für ein Wochenmagazin tätig und wartet ungeduldig auf einen Termin bei Christian Berg, dem Eigentümer des Magazins. Endlich ist es soweit, er hofft, zum Chefredakteur berufen zu werden und malt sich seine Zukunft in den schönsten Farben aus. Er wird seinen Freund und derzeitigen Chefredakteur Richard Leck ablösen, einen "Mann von gestern", dessen Zeit vorbei ist. Felix' Enttäuschung ist riesig, als nicht er berufen wird, sondern ausgerechnet die attraktive Zoe Rauch, deren Mentor, Freund und Vertrauter er vor 12 Jahren war ...

Die Geschichte ist in intelligenter und klarer Sprache erzählt und liest sich sehr flüssig. Dem Autor ist es hervorragend gelungen, die Charaktere bildhaft und authentisch zu skizzieren. Wir lernen den ehrgeizigen Felix Licht kennen, erleben seine Enttäuschung und Resignation, die er im Alkohol zu ertränken versucht, blicken tief in seine Gefühls- und Gedankenwelt. Seine Ehe droht zu scheitern, ein ehemaliger Anwalt, der vom Leben enttäuscht und nun als Hassblogger tätig ist, bietet ihm juristischen Beistand an. 

Ich habe das Buch sehr gern gelesen, es hat mich von Beginn an gefesselt und berührt. Ich fand es spannend, hinter die Kulissen eines Verlags und dessen Machenschaften zu schauen. Auch die juristischen Aspekte des Falls sind interessant, Verfahrensabläufe werden beschrieben, der Unterschied zwischen Recht und Gerechtigkeit deutlich gemacht. Ich mochte Felix, der für seine Karriere beim Magazin auf so vieles verzichtet hatte, seine Familie und Freundschaften vernachlässigte, und dessen Welt von einem Tag auf den anderen zusammenbricht, weil er nun selbst der "Mann von gestern" ist. Ich mochte auch die junge Zoe, die es trotz ihres selbstbewussten Auftretens nicht leicht hat, in ihrem neuen beruflichen Umfeld andere Wege zu gehen und dabei auch Persönliches mit Beruflichem zu verknüpfen versucht.

Es hat mir gut gefallen, dass das Buch viele wichtige Themen beinhaltet. Es geht nicht nur um gescheiterte Zukunftspläne und die Macht eines Chefredakteurs, sondern auch um Klimakleber, um einen Kriegstanz, der einen neuen Namen erhält, und es geht um Feminismus, Manipulation durch die sozialen Medien, Diskriminierung und queere Themen. Es gibt verschiedene Wendungen - wobei allerdings eine Wendung infolge des Prologs etwas zu früh zu erahnen ist -, ehe die Handlung auf ihr dramatisches Finale zusteuert. 

Absolute Leseempfehlung für diesen großartig geschriebenen gesellschaftskritischen Roman mit Tiefgang, der mich bestens unterhalten hat!

Bewertung vom 25.08.2025
Flitner, Bettina

Meine Mutter


ausgezeichnet

Bewegende und fesselnde Familiengeschichte
In ihrem vielbeachteten, im Jahr 2022 erschienenen Buch "Meine Schwester", widmet sich Bettina Flitner dem Leben ihrer Schwester, die 2017 freiwillig aus dem Leben geschieden ist. Nun hat der Verlag Kiepenheuer & Witsch "Meine Mutter", das neue Werk der Autorin, veröffentlicht, in dem diese nicht nur den Selbstmord ihrer Mutter thematisiert, sondern auch - basierend auf zahlreichen Gesprächen und schriftlichen Erinnerungen ihres Vaters, des Großvaters, der Urgroßmutter und einer Großtante sowie Briefen und Zeitdokumenten - die Geschichte ihrer Familie erzählt. 

Die Ich-Erzählerin Bettina befindet sich anlässlich einer Lesereise in Celle, dem Ort, in dem sie aufgewachsen ist, und sucht spontan den Friedhof auf, auf dem vor 40 Jahren ihre Mutter Gisela, als Kind "Gila" genannt, beigesetzt wurde. Ein Sparbuch und ihr bisher unbekannte Fotos, die kurz vor dem Suizid ihrer Mutter entstanden sind, veranlassen sie dazu, über sie nachzudenken. Wer war ihre Mutter, und warum hat sie sie vergessen? Sie beschließt, sich auf Spurensuche zu begeben und nach Wölfelsgrund im damaligen Niederschlesien zu fahren, wo Gisela 1936 geboren wurde und bis 1946 lebte ...

Bettina Flitners Roman führt uns zurück bis ins Jahr 1884, als ihr Ururgroßvater Heinrich im Luftkurort Wölfelsgrund, am Fuß des Riesengebirges, ein Sanatorium für Nervenkranke errichtete. Im benachbarten Doktorhaus lebte Urgroßvater Richard mit seiner Frau Elfriede und den fünf Kindern, später Bettinas Großvater Api und die Großmutter Ami mit ihren sechs Kindern. Eines der Kinder war Gisela, die Mutter der Autorin. Als Folge des Zweiten Weltkriegs musste die Familie 1946 ihre Heimat verlassen und baute sich in Westdeutschland ein neues Leben auf.

Die Geschichte ist in beeindruckend schöner Sprache auf mehreren, sich abwechselnden Zeitebenen erzählt und liest sich sehr flüssig. Nach und nach blättert sich die Vergangenheit einer Familie auf, in der es über mehrere Generationen Höhen und Tiefen gab - und mehrere Selbsttötungen. Wir lernen die kleine Gila kennen, die bereits früh mit den Familientragödien konfrontiert wird, und wir erleben die erwachsene Gisela, die mit 21 Jahren den Juristen Hugbert heiratet. Das Paar bekommt zwei Töchter, doch die Ehe ist nicht glücklich. Hugbert hat das Gefühl, nicht mit Gisela reden zu können, es ist keine Beziehung auf Augenhöhe. Es gibt Affären und Streitigkeiten, und Gisela leidet zunehmend unter schweren Depressionen. Glücklich ist sie immer dann, wenn sie allein nach Sylt fahren kann. 

Ich habe das Buch sehr gern gelesen, es hat mich fasziniert, berührt und betroffen gemacht. Sehr gut gefallen hat mir, dass Bettina Flitner eine eher sachliche Erzählweise gewählt hat. Sie stellt Fragen, aber sie erhebt keine Vorwürfe, keine Schuldzuweisungen. Manches ist fast nüchtern erzählt, und doch sind ihre Ausführungen sehr bewegend. 

Die Thematik der Vertreibung durch die Russen und das polnische Militär war mir bisher nur oberflächlich bekannt. Die Familie der Autorin musste innerhalb von 24 Stunden ihre Heimat verlassen und die beschwerliche 18-tägige Reise antreten, die sie durch zerbombte Städte und zerstörte Landschaften nach Celle führte. Diese Folgen des Zweiten Weltkriegs bekamen damals sehr viele Menschen zu spüren, allein aus Schlesien sind nach Kriegsende mehr als drei Millionen Menschen geflohen bzw. wurden vertrieben.

Absolute Leseempfehlung für das mit großer Offenheit verfasste sehr persönliche Buch, in dem die Autorin ihre Familiengeschichte verarbeitet und einen Weg gefunden hat, sich nachträglich mit ihrer Mutter auszusöhnen.

Bewertung vom 20.08.2025
Allende, Isabel

Mein Name ist Emilia del Valle


sehr gut

Roman über eine mutige und selbstbewusste Frau
Wie all ihre Werke hat der Suhrkamp Verlag auch "Mein Name ist Emilia del Valle" veröffentlicht, den aktuellen Roman der chilenisch-US-amerikanischen Schriftstellerin Isabel Allende.

Am 14.4.1873, dem siebten Geburtstag der kleinen Emilia, geht ihre Mutter Molly mit ihr zum Fotografen. Am nächsten Tag begeben sie sich zum Haus des in einem feinen Wohnviertel von San Francisco lebenden Gonzalo Andrés del Valle. Die junge Frau möchte dem chilenischen Aristokraten das Foto und einen Brief übergeben, in dem sie ihm seine Tochter vorstellt.
Molly, die in einem Waisenhaus aufwuchs, wollte Nonne werden, ehe sie Gonzalo kennenlernte und von ihm schwanger wurde. Sie musste das Kloster verlassen und heiratete den Schulleiter Francisco Claro. Dieser verwöhnt Emilia wie eine Prinzessin, er fördert und unterstützt sie, stärkt ihr Selbstvertrauen. Emilia, die schon als Kind leidenschaftlich gern liest und deren Schreibtalent sich früh zeigt, veröffentlicht mit 17 Jahren ihren ersten Groschenroman unter einem männlichen Pseudonym. Der Roman verkauft sich gut, weitere Romane und Abenteuergeschichten folgen. Fünf Jahre später beginnt Emilia bei der Zeitung Daily Examiner als Journalistin und wird 1891 gemeinsam mit ihrem Kollegen Eric Whelan nach Chile geschickt, um über den bevorstehenden Bürgerkrieg zu berichten. Ihre Mutter nimmt ihr vor der Reise das Versprechen ab, Gonzalo aufzusuchen und ihm einen Brief zu übergeben ...

Isabel Allende beherrscht die Kunst des Erzählens meisterhaft, das beweist sie auch in ihrem neuen Roman. Während es im ersten Drittel des Buches um Mollys Vergangenheit sowie Emilias Kindheit und Jugend geht, steht im restlichen Teil überwiegend Emilias und Erics Aufenthalt in Chile im Fokus. Die Autorin beschreibt detailliert die Gräuel und Schrecken des Krieges und schildert Emilias Suche nach ihrem leiblichen Vater. Die Darstellung des grausamen Kriegsgeschehens ist schwer zu ertragen und ging mir stellenweise so unter die Haut, dass ich das Buch aus der Hand legen musste. Interessant und berührend fand ich Emilias Suche nach ihren Wurzeln und die Begegnungen mit ihrem chilenischen Vater. 

Die fesselnde Geschichte ist in der Ich-Form aus Emilias Perspektive erzählt und liest sich sehr flüssig. Die Charaktere sind authentisch skizziert, das Rollenbild der Frau, das so vollkommen anders war als heute, ist gut dargestellt. Ich mochte Emilia, die schon früh weiß, was sie will und selbstbewusst ihren Weg geht. Mutig bewegt sie sich mitten im Kriegsgeschehen und hilft, wo sie kann. Sie sieht das sinnlose Töten und gerät dabei selbst in große Gefahr, wird verletzt und gefoltert. 

Leider konnte mich das Buch nicht so begeistern wie "Violeta" und "Der Wind kennt meinen Namen", die beiden letzten Werke der Autorin. Im aktuellen Roman stellt der von Isabel Allende ergreifend beschriebene Bürgerkrieg einen deutlichen Schwerpunkt dar. Das war mir zu viel, ich hätte gern weniger über das Kriegsgeschehen gelesen und mehr über Emilias späteres Leben erfahren. Gut gefallen haben mir die eingeschobenen Zeitungsartikel, die sie während des Kriegs für ihren Arbeitgeber verfasst, sie enthalten interessante Zusatzinformationen.

Wie schon in ihren anderen Romanen, so vermittelt Isabel Allende auch in "Mein Name ist Emilia del Valle" auf eindrucksvolle Weise Kultur, Geschichte und Leid ihrer Heimat. Ich kann mir vorstellen, dass der Roman in vielen Lesern das Interesse weckt, sich intensiver mit der Geschichte Chiles zu beschäftigen und empfehle das Buch gern weiter!

Bewertung vom 15.08.2025
Shaw, Ruth

Der Buchladen am Ende der Welt


ausgezeichnet

Fesselnde und bewegende Lebensgeshichte
Die Neuseeländerin Ruth Shaw ist 70 Jahre alt, als sie beschließt, gemeinsam mit ihrem Mann Lance in Manapōuri im Süden des Landes zwei kleine, bunt bemalte Buchläden zu eröffnen. Diese sind immer von Ende September bis Mitte April geöffnet, der kleinere der beiden Läden enthält nur Kinderbücher. Ruth führt sie mit viel Liebe und Herzlichkeit, sorgt dafür, dass ihre Kunden sich wohl fühlen und hat den Ehrgeiz, für jeden das richtige Buch zu finden.

In "Der Buchladen am Ende der Welt" erzählt die Autorin, deren Schreibtalent sich schon früh zeigte, die fesselnde und bewegende Geschichte ihres Lebens. Die 1946 Geborene verbringt gemeinsam mit ihrer zwei Jahre älteren Schwester Jill eine unbeschwerte Kindheit. Mit 16 Jahren schließt sie die Schule ab und wird stellvertretende Küchenchefin in einem Krankenhaus. Sie erleidet mehrere Schicksalsschläge, erlebt Gewalt, leidet zeitweise unter Depressionen und wird zunehmend rastloser. Immer wieder sieht sie sich nach neuen Beschäftigungen um und wird nirgends sesshaft. Zunächst geht sie als medizinische Assistentin zur Marine und arbeitet danach in den verschiedensten Berufen: als Köchin für einen Bischof, als Nachtschwester in einem Krankenhaus für Senioren. Später eröffnet sie ein Café, ist als Küchenhilfe, Krankenpflegerin, Bauzeichnerin, Haushüterin und Sozialarbeiterin tätig und geht auf abenteuerliche Segeltörns. Drei Ehen scheitern, ehe sie nach 20 Jahren ihre Jugendliebe Lance wiedersieht.

Die 28 Kapitel umfassende Geschichte ist abwechselnd in zwei Handlungssträngen erzählt. Während sich rückblickend Ruths Lebensgeschichte aufblättert, erzählt sie im zweiten Handlungsstrang unterhaltsame Episoden aus den Buchläden über interessante Begegnungen und Erlebnisse mit ihren Kunden.

Das Buch ist in klarer Sprache geschrieben und liest sich sehr flüssig. Ich habe es sehr gern gelesen, es hat mich gefesselt und zutiefst berührt. Mit großer Offenheit und ohne Selbstmitleid beschreibt Ruth Shaw die Höhen und Tiefen ihres Lebens, wir erleben ihren Schmerz und ihre Trauer. Immer wieder flieht sie vor ihren eigenen Emotionen und stürzt sich schnell in das nächste Abenteuer. Trotz aller Widrigkeiten geht sie entschlossen ihren Weg und schafft es, an der Seite ihrer großen Liebe ihren inneren Frieden wiederzufinden.

Sehr gut gefallen haben mir auch die Abschnitte mit den Geschichten aus dem Buchladen, in denen Ruth von schönen und besonderen Begegnungen mit ihren Kunden erzählt. Die Tätigkeit in ihren Buchläden bedeutet ihr sehr viel, sie hat ein großes Herz für ihre großen und kleinen Kunden und verschenkt fast genauso viele Bücher, wie sie verkauft.
Schön fand ich auch die Fotos in der Mitte des Buches, die einige Lebensstationen von Ruth dokumentieren.

Absolute Leseempfehlung für alle, die Bücher lieben und sich für faszinierende Lebensgeschichten interessieren!Fesselnde und bewegende Lebensgeschichte

Bewertung vom 13.08.2025
Foenkinos, David

Das glückliche Leben


ausgezeichnet

Wunderbare Geschichte mit Tiefgang
Ich habe ein Faible für Romane französischer Autoren und von David Foenkinos bereits einige Bücher gelesen. Seine Geschichten sind berührend, ohne kitschig zu sein, sein Erzählstil und seine Sprache faszinieren mich immer wieder neu.
 
Im Mittelpunkt von "Das glückliche Leben" steht der 40-jährige Éric Kherson, der seit fast 20 Jahren bei einem Sportartikelhersteller arbeitet und sich vom Verkäufer zum kaufmännischen Geschäftsführer hochgearbeitet hat. Seit seiner Scheidung von Isabelle sieht er den gemeinsamen Sohn Hugo, der 11 Jahre alt ist, nur noch selten. Er leidet darunter, doch er unternimmt nichts, um daran etwas zu ändern. Das Verhältnis zu seiner Mutter Dominique ist kompliziert, und er hat das Gefühl, dass sie ihm die Schuld am Tod seines Vaters gibt.

Éric ist überrascht, als seine alte Schulfreundin Amélie Mortiers über Facebook Kontakt zu ihm aufnimmt und ihm einen Job anbietet. Sie ist neue Staatssekretärin im Ministerium für Außenhandel und muss ein neues Team bilden. Nach kurzer Bedenkzeit nimmt Éric ihr Angebot an und arbeitet fortan eng mit Amélie zusammen. Die neue Tätigkeit erfordert häufige Dienstreisen, und auf einer Reise nach Seoul erleidet Éric einen Kreislaufkollaps. Am nächsten Tag entdeckt er auf einem Spaziergang  "Happy Life", ein Institut, das eigene Fake-Beerdigungen anbietet. Durch die Konfrontation mit dem eigenen Tod könne die Lebensfreude wieder erweckt werden. Neugierig geworden, unterzieht sich Éric dem einstündigen Ritual, das sein Leben verändern wird. Er erkennt, was wirklich wichtig ist im Leben und geht, nachdem er wieder zurück in Paris ist, vollkommen neue Wege ....

Das Buch hat mich fasziniert und begeistert. David Foenkinos hat die Fähigkeit, Gefühle und Beziehungen mit Leichtigkeit und feinem Humor, dabei aber durchaus mit Tiefgang, zu beschreiben. Seine Protagonisten zeichnet er mit sehr viel Empathie: den zur Melancholie neigenden Éric, der vieles negativ sieht, und die perfektionistische Amélie, die ihre beruflichen Ziele mit großem Ehrgeiz verfolgt. Meine Lieblingsfigur war ganz eindeutig Éric, dem es gelingt, sein Leben neu zu gestalten, nachdem er am Ende seiner Kräfte angekommen ist. Die egoistische Amélie tat mir fast leid, sie ist geradezu besessen von ihrem beruflichen Erfolg und merkt dabei gar nicht, dass sie diesem ihre Beziehung opfert.

Fake-Beerdigungen, wie sie in Seoul tatsächlich angeboten werden, waren mir bislang unbekannt. Der Alltag der Menschen in Südkorea ist hart, sie arbeiten täglich bis zu 12 Stunden und haben nur einen freien Tag pro Woche. Es gibt zahlreiche depressive Erkrankungen, Burnouts und eine hohe Selbstmordrate. Simulierte Beerdigungen stellen eine sehr spezielle Therapie dar und können den Menschen dabei helfen, wieder mehr Freude am Leben zu haben.

"Das glückliche Leben" hat mir trotz des etwas märchenhaften Endes sehr viel Lesefreude bereitet. Das Buch hat einige Wendungen, es hat mich gefesselt und tief berührt. Ich kann mir vorstellen, dass die Geschichte eine gute Vorlage für einen Kinofilm wäre. 
Absolute Leseempfehlung für diesen wunderbaren und kurzweiligen Roman, der zum Nachdenken anregt!