Benutzer
Benutzername: 
Magnolia
Wohnort: 
Bayern

Bewertungen

Insgesamt 189 Bewertungen
Bewertung vom 17.10.2025
Graf, Lisa

Zwei Rivalen, ein Traum. / Lindt & Sprüngli-Saga Bd.2


ausgezeichnet

Auch Band zwei der Lindt & Sprüngli-Saga ist ein exquisiter Hochgenuss

Die Lindt & Sprüngli –Saga geht weiter. Im zweiten Band „Zwei Familien, ein Traum“ ist es Rodolphe Lindt, wie Rudolf sich nach seinem Aufenthalt im französisch sprechenden Lausanne am Genfer See nennt, dem wir hier folgen. In Zürich dann ist es die Familie Sprüngli, in deren Fabrik feinste Schokolade hergestellt wird. Der junge Rudolf Sprüngli ist von seiner Wanderschaft zurück, zuletzt war er in Paris und nun arbeitet er in der familieneigenen Schokoladenfabrik in der Werdmühle. Sein Vater weiht ihn in seine Pläne ein, er will neben dem Mühlrad, das mit Wasserkraft betrieben wird, eine Dampfmaschine anschaffen. Rudolf trifft auf Marie, die in der eleganten Confiserie Sprüngli am Paradeplatz angestellt ist. Sie verlieben sich, heiraten, die nächste Generation wächst heran.

Zunächst aber führt Lisa Graf ihre Leser ins Jahr 1863 zu dem 8jährigen Rudolf Lindt, der mit seinen Geschwistern und dem Kindermädchen unterwegs ist. Das Blumenmädchen Binia ist es, die Rudolf im letzten Augenblick zur Seite reißt, denn beinahe wäre er von einem Pferdefuhrwerk überrannt worden. Diese Begegnung ist der Beginn ihrer Freundschaft, die trotz ihrer unterschiedlichen gesellschaftlichen Zugehörigkeit anhält.

Nachdem Rodolphe in der Fabrik seines Großonkels Kohler in dessen Schokoladenfabrik gearbeitet hat, treibt es ihn wieder zurück ins heimische Bern. Dort sucht er sich geeignete Räumlichkeiten, um seinem großen Traum von einer zart schmelzenden, cremigen Schokolade, nachzuspüren. 1879 dann gelingt ihm mithilfe seiner von ihm entwickelten Conchiermaschine nach langen, zermürbenden Testreihen diese so unvergleichliche, nie da gewesene Schokolade. Noch heute wird der Prozess des Conchierens von Schokoladenherstellern auf der ganzen Welt angewandt.

Der Bogen spannt sich von 1863 bis ins Jahr 1880, wir begleiten Rodolphe Lindt nach Paris und Lausanne und weiter nach Bern, um dort seinen revolutionären Durchbruch zu feiern, durchleben mit ihm zuvor seine Plackerei in der Fabrik Kohler und spüren seinem unbedingten Willen nach, sein Ziel zu erreichen. Die Frage nach dem Patentschutz treibt ihn um, der Vertrieb seiner zartschmelzenden Schokolade ist zu regeln, es gilt, die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Lisa Graf erzählt die Entstehungsgeschichte von Lindt & Sprüngli. In Band zwei liegt der Focus eher auf Rodolphe Lindt, nachdem im ersten Buch „Zwei Familien, eine Leidenschaft“ der Werdegang der Familie Sprüngli im Vordergrund steht. Dabei lässt sie auch die damalige Zeit aufleben, berichtet von den Arbeitsbedingungen in den Fabriken, von Arm und Reich und deren gesellschaftlichem Stand. Dem Herstellungsprozess dieser unvergleichlichen, weltberühmten Lindt-Schokolade widmet sie viel Aufmerksamkeit - beim Lesen meint man, direkt dabei zu sein.

Die historischen Fakten sind bestens recherchiert, die Personen und ihr jeweiliger Charakter gut eingefangen. Die Geschichte der beiden Familien ist ein unterhaltsames, kurzweiliges Lesevergnügen, die 470 Seiten waren viel zu schnell gelesen. Im Anhang dann sind die Personen in Bern und Zürich mit Kurzbeschreibung nochmal nachzulesen. Einen ganz besonderen Genuss bietet die Mousse au Chocolat – das Rezept dafür ist der so verführerische Einstieg in den zweiten Teil der Lindt & Sprüngli-Saga, das nach dem ersten Aufschlagen des Buches auf seine Leser wartet. Nachdem ich hier in die Kunst des Conchierens eingeweiht wurde, werde ich mir die Wartezeit auf Band drei mit so manch Köstlichkeit aus dem Hause Lindt versüßen. Ein exquisiter Hochgenuss – sowohl die Schokolade als auch Lisa Grafs Saga um die Schweizer Chocolatiersfamilien Lindt & Sprüngli.

Bewertung vom 14.10.2025
Fröhlich, Susanne

Ungezügelt / Andrea Schnidt Bd.13


sehr gut

Unterhaltsam, komisch, zuweilen schräg

Der dreizehnte Roman um die Kult-Heldin Andrea Schnidt ist tatsächlich der erste für mich, wird aber – so Susanne Fröhlich die Reihe fortsetzt – bestimmt nicht der letze sein. Man kann also ruhig mittendrin einsteigen, was ich an Reihen sehr schätze.

Nun habe auch ich Bekanntschaft mit Andrea Schnidt mitsamt Familie und ihrem näheren Umfeld gemacht. Es waren launige Lesestunden, zuweilen habe geschmunzelt, an anderer Stelle laut gelacht und auch habe ich mich so manches Mal gewundert. Über diese/n und jene/n, über gar exotisch anmutende Vornamen, über einen 90jährigen, der dem Fitnesswahn erlegen ist. Heutzutage ist das Longevity, also ein ausgetüfteltes Programm, das Langlebigkeit verspricht. All dies und noch so einiges mehr habe ich mir genussvoll - im übertragenen Sinne - auf der Zunge zergehen lassen.

Ich kenne, wie oben schon erwähnt, die Vorgängerbände nicht, werde aber so nach und nach in ihre Familiengeschichte eingeweiht. Sie ist mit Paul verheiratet, hat mit ihrem Ex zwei erwachsene Kinder und vor allem ihre Tochter Claudia ist es, die zuweilen die Hilfe der Omas gerne mal in Anspruch nimmt. Halvar und Kolbeinn, ihr Nachwuchs, werden mit Sack und Pack angeliefert, garniert mit einer ellenlangen Verhaltensliste, dazu gehört unter anderem zwingend, alles Süße vor den Kindern fernzuhalten (der ältere ist gerade mal fünf, Kolbeinn noch im Babyalter). Nun, Andrea ist eine ganz normale Oma, wie ich finde. Nicht nur die andere Oma bescheinigt dem Baby hohe Intelligenz, was bei ihr in der Familie zu liegen scheint, auch die Eltern des hochbegabten Kindes sind dieser Meinung.

Es geht heiß her, Andrea versucht sich in einem Job, der ihr so einiges an Recherche abverlangt. Blöd nur, dass nicht alle eingeweiht sind. Ein Wochenendtrip gestaltet sich so ganz anders als erwartet, es ist herrlich schräg, zuweilen überzeichnet, manch Sequenz macht auch nachdenklich. Der witzig-spritzige Schreibstil zieht sich durchs Buch, man findet sich in so manch Situation selber wieder, Susanne Fröhlich beobachtet genau - sie spitzt zu, sie stellt den ganz normalen Alltagswahnsinn überdeutlich dar.

„Ungezügelt“ ist ein Buch, das sich wegliest wie nix. Unterhaltsam, komisch, dann auch mal ernst. Eine Rivalität der Omas, die um den Titel „Oma des Jahres“ konkurrieren, habe ich allerdings nicht festgestellt. Eher sind es zwei ganz und gar unterschiedliche Persönlichkeiten, die jede für sich ihren ganz eigenen Blick auf die Enkelkinder (und auf sich selber) haben. Wer kurzweile Unterhaltung sucht, einfach mal abschalten will, ist hier richtig.

Bewertung vom 10.10.2025
Lewis, Caryl

Wilder Honig


ausgezeichnet

Bittersüß, emotional, tiefgründig

Hannah und John haben ihr gemeinsames Leben in Hannahs Elternhaus in Berllan Dag verbracht. Solange ihre Eltern gelebt haben, waren sie eher geduldet. Später dann war es ihr Nest, ihr Zuhause. Und nun ist John tot. Sein Vermächtnis sind elf Briefe, schon im ersten sagt er ihr, dass ihm zunehmend die Sprache abhanden kommt, ihm die Worte und deren Bedeutung entgleiten. Er fühlt sich zittrig, weiß um seine letzten Wochen. „Verzeih mir, Hannah, dass ich dich enttäuscht habe. Glaub mir, ich hätte dich nicht mehr lieben können.“ So endet sein erster Brief – eine Liebeserklärung, die auf Ungesagtes hindeutet. Hannahs jüngere Schwester Sadie reist zur Beerdigung an, sie will eine oder zwei Wochen bleiben, wenn es denn Hannah recht ist.

Die walisische Autorin Caryl Lewis hat mich mit ihrem Roman tief beeindruckt und mich nachdenklich zurückgelassen. Obwohl John nicht mehr da ist, ist es er, der Schriftsteller und Imker, der sein großes Geheimnis preisgibt und damit Hannah, Sadie und Megan, die trotz heftigem Schneefall nun auch im Hof angekommen ist, konfrontiert.

John hat gelernt, seine Welt durch die Sprache der Bienen zu verstehen. Und auch Hannah, die den Obstgarten von ihrem Vater übernommen hat und fachkundig weiterführt, lebt im Einklang mit der Natur. Beide setzen sie auf Nachhaltigkeit und Schonung der Ressourcen, der Erfolg gibt ihnen recht.

Von den Bienenvölkern und deren Verhalten können wir viel lernen, John erzählt davon. Das Leben verlangt zuweilen Veränderungen, auch den drei Frauen stehen diese bevor. Sie durchleben ein Wechselbad der Gefühle, der Roman spiegelt das ganz normale Leben wider. Johns Briefe sind voller Metapher, man spürt direkt, wie er durch die Bienen spricht.

Es ist ein leiser Roman, der so viel erzählt. Es sind die zwischenmenschlichen Aspekte, um die es geht. Und um innere Zerrissenheit und um das Verzeihen, um Sprache und Sprachlosigkeit, um den Zusammenhalt und um Heilung all dieser verletzten Gefühle und um die Zeit, die man sich nehmen sollte, um wieder zu genesen. WILDER HONIG - eine so intensive Geschichte, ein so lesenswertes Buch, das mich noch lange beschäftigen wird und das ich sehr gerne weiterempfehle.

Bewertung vom 07.10.2025
Haller, Elias

Todesstimme


sehr gut

Ein Podcast, der ins Verderben führt

Nachdem ich „Signalrot“, den ersten Tara-Kronberg-Thriller, für sehr gut befunden habe so wie zuvor schon die Grimm-Thriller und noch so einiges mehr aus Elias Hallers Feder, war für mich klar, dass ich mir Buch zwei um Tara Kronberg, die „Todesstimme“, nicht entgehen lassen darf.

Um es gleich vorweg zu sagen – diesen Nachfolgeband habe ich an zwei Abenden verschlungen, er hat mich über weite Strecken hinweg gefesselt, wenngleich nicht durchgängig. An Buch eins dieser Reihe kommt die Todesstimme nicht ganz ran, es gab zwischendurch Längen und auch das Ende, die Aufklärung mitsamt der Begründung, ist etwas weit hergeholt. Aber nun kurz zum Buch:

Rätselhafte Selbstmorde stellen Tara Kronberg und ihren Kollegen Gabriel Schneider vom Dezernat 47 (Sonderdezernat Signalrot) für extreme Gewaltverbrechen vor eine schier unlösbare Aufgabe. In einer verlassenen Fabrik wird die Leiche einer 16jährigen gefunden. Alles deutet auf Suizid hin, auch eine kryptische Botschaft könnte ein Hinweis darauf sein. Bald jedoch führt Spur zu einem Podcast, dessen Betreiber sich selbst Kadaver nennt. So wie es aussieht, treibt dieser Podcaster jene, die sich ihm anvertrauen, gezielt in den Tod.

Kadaver führt in das Gespräch mit einem düsteren Intro ein. „…Eine junge Seele, gefangen im Strudel aus Panik und Hoffnungslosigkeit, kämpft verzweifelt gegen die Ausweglosigkeit an. Doch die Gedanken sind gnadenlos, und der Ruf des Todes lockt mit verführerischer Stimme…“ Er schwafelt von „Totgeburt“ und heißt seinen heutigen Gast namentlich willkommen. Er umschmeichelt sie, verführt sie gekonnt mit Worten, führt sie da hin, wo er sie haben will.

Podcasts sind in unserer heutigen Medienwelt nicht mehr wegzudenken, es gibt sie zu allen Themen, zu allen Lebensbereichen und dass sich auch jene, die Böses im Sinne haben, dieser Technik bedienen, ist naheliegend. Dieser zweite Fall für das Sonderdezernat umkreist Depressionen und die damit einhergehenden Suizidgedanken bis hin zum Tode. Es wäre aber zu einfach, dies als einzig wahre Begründung vorzuschieben, es geht sehr viel mehr ins Detail.

Neben diesen Tötungsdelikten scheinen so einige im Dezernat ihr eigenes Süppchen zu kochen, Tara entdeckt geheimnisvolle Akten, ihre Fragen diesbezüglich bleiben unbeantwortet. Es gibt noch so einiges, das eher im Privaten angesiedelt ist, das kurz Erwähnung findet, der Focus liegt jedoch auf diesen nicht durchschaubaren Todesfällen, die ihnen alles abverlangen.

Tara Kronberg war mir mit ihrer zupackenden, unerschrockenen und dennoch kollegialen Art sofort sympathisch, was ich nicht von jedem der hier Agierenden behaupten möchte. Und doch sind sie alle Typen, nicht jeder ist gleich zu durchschauen, allesamt sind sie glaubhaft dargeboten. Unterschwellig hatte ich gefühlt jeden im Visier, um diese kurz aufblitzenden Gedanken dann doch wieder zu verwerfen. Zwischendurch führt jemand Tagebuch – könnte dies der Anfang der grausamen Todesfälle sein, deren Ursprung diese unheimlichen Podcasts sind? Die unheilbringende Stimme, die sich dahinter verbirgt, hat mich lange im Dunkeln gelassen und mich zum Schluss dann doch verblüfft. Wenngleich mir die Begründung nicht so ganz gefällt, so ist auch dieser zweite Fall für Tara fast durchgängig spannend und lesenswert.

Bewertung vom 06.10.2025
Ohlandt, Nina;Wielpütz, Jan F.

Mörderische Brise - Der Tote am Sandstrand


sehr gut

Gelungener Auftaktband

„Der Tote am Sandstrand“ ist der Auftaktband der neuen Reihe „Mörderische Brise“ nach einer Idee von Nina Ohlandt, deren Konzept sowie das Figurenensemble Jan F. Wielpütz aus ihrem Nachlass aufgegriffen und so den Ostsee-Krimi um die Hauptfigur Hannah Bülow mit Leben gefüllt hat. In vier Teilen gibt er den Ermittlungen rund um den Toten Raum, dabei ploppt das Geschehen im Sommer 1993 immer wieder auf, das bei diesem Kriminalfall von Bedeutung sein könnte.

Die Kommissarin Hannah Bülow kehrt nach einem privaten Schicksalsschlag in ihre alte Heimat Ostersande zurück. Dort wohnt sie bei ihrem Vater, was für beide nicht gerade einfach ist. Bevor sie in der Polizeiwache ankommt, wird sie erst mal von den beiden Polizisten Hansen und Diekfoß wegen der überfälligen TÜV-Plakette zurechtgewiesen, unterwegs trifft sie noch auf ihren alten Freund Philip Langmar, der in der nahen psychiatrischen Klinik als Psychiater und Psychotherapeut arbeitet und ihre gute Freundin Constanze, die von nun an ihre unmittelbar Vorgesetzte ist, hat sie mit offenen Armen empfangen – soweit ist alles bestens. Bis die erste Leiche am Sandstrand gefunden wird…

…denn dieser Leichenfund gibt mehr als genug Rätsel auf. Bei dem Toten wird ein Zettel mit einer obskuren Notiz gefunden, die ein schlechtes Licht auf ihn wirft. Bei dem einen Toten bleibt es nicht, es folgen mehrere Todesfälle, bei denen man nicht weiß, ob es sich um einen Unglücksfall oder doch um Mord handelt.

Zwischendurch geht der Blick zurück ins Jahr 1993. In diesem Sommer geschah ein Bootsunglück, in das die damalige Clique um Hannah und Constanze verwickelt war, das zwar damals geklärt wurde, das aber dennoch seinen langen Schatten bis zum Heute wirft.

Der durchaus launige Einstieg mit Hannah und den beiden übereifrigen Polizisten ist gelungen, bald jedoch folgt für sie und ihre Kollegen die Ernüchterung, denn trotz akribischer Kleinarbeit und Zeugenbefragung wird es immer verworrener. Hannah arbeitet mit der Kripo Wismar zusammen, es geht um eine geheimnisvolle Patientenakte, um Rivalitäten und so mancher verstrickt sich in Widersprüche. Es passiert noch so einiges mehr, es ist und bleibt bis zum Schluss spannend. Wobei so einige Ungereimtheiten diesen ersten Fall der Mörderischen Brise begleiten und die Auflösung dann ist für meine Begriffe nicht ganz rund. Den Charakteren, allen voran Hannah, nehme ich ihre Persönlichkeit durchaus ab, sie haben alle ihre Eigenarten, sind nett oder auch nicht – so wie es im Leben eben ist.

Der Auftaktband der Mörderischen Brise, die an der Ostsee weht, ist bis auf einige schon erwähnte Unzulänglichkeiten gelungen und nun bin ich auf den nächsten Fall gespannt, den Hannah Bülow mithilfe ihrer Kollegen zu lösen hat.

Bewertung vom 06.10.2025
Rupflin, Alexander

Protokoll eines Verschwindens (MP3-Download)


ausgezeichnet

Ein unglaubliches Verbrechen

True Crime habe ich zur Genüge gehört und gelesen, irgendwann dann doch aufgehört, diesen wahren Verbrechen nachzuspüren. Bis jetzt. Bis ich auf dieses PROTOKOLL EINES VERSCHWINDENS aufmerksam wurde.

Für den Brasilianer Gabriel läuft es in Hamburg gut. Er ist seiner Schwester Isabella hierher gefolgt, er findet Arbeit als Informatiker, hat eine Freundin, er gilt als zuverlässig. Bis er eines Tages verschwindet. Spurlos. Isabella wendet sich an die Polizei, diese jedoch erklärt ihr, dass eine erwachsene Person durchaus das Recht hat, alle Brücken hinter sich abzubrechen. Isabella jedoch weiß, dass ihr Bruder so nie handeln würde. Sie und auch ihre Familie hören nie auf, nach ihm zu suchen.

Der Autor selbst hat das Hörbuch eingesprochen, ihm habe ich gebannt und tief erschüttert über 8 Stunden und 11 Minuten zugehört. Zunächst schien es mir, als ob dieser eher monotone Vortrag zu distanziert, zu unnahbar wäre. Doch je mehr ich höre, je weiter ich mich auf diesen Fall einlasse, desto mehr weiß ich, das es genau diese Art des Berichtens ist, die diese entsetzliche Tat einigermaßen erträglich macht.

Was muss in einem Menschen vorgehen, der einen anderen in seine Wohnung lockt, ihn betäubt, sich an ihm vergeht und dann, als dieser wieder zu sich kommt, ihn mit Gewalt zum Schweigen bringt? Und nicht nur das, der Täter führt sein Leben weiter wie bisher - bis auf die Tatsache, dass in seiner Wohnung, in einem Zimmer, das er sorgfältig verschließt, über vier Monate ein Leichnam liegt.

Alexander Rupflin ist ganz nah dran am Täter. Er sieht genau hin, begleitet Fabio, der als Pfleger arbeitet, der sein Verbrechen verdrängt und dies vor sich selbst beschönigt, ja leugnet. Den Verwesungsgeruch, auf den er zuweilen angesprochen wird, erklärt er als Schimmel und kommt damit durch.

Dieses Protokoll eines Verschwindens ist bittere Realität. Der wahre Fall, dem der Autor hier nachspürt, ereignete sich 2019. Anfang 2020 wurde der stark verweste Leichnam des Brasilianers gefunden und was davor geschah, wie der Täter getickt hat, wie er seine Tat so lange vertuschen konnte, das hat der Autor in diesem Protokoll eines Verschwindens aufgrund der Fakten detailliert rekonstruiert. Er zeigt menschliche Abgründe auf, rekonstruiert die Ignoranz und das verschobene Selbstbild eines Täters, der sich seine vermeintliche Unschuld einredet und im Umkehrschluss dem Opfer Schuld zuweist. Und auch der Suche der Familie des Opfers widmet er Zeit. So entsteht ein umfassendes Gesamtbild über dieses unglaubliche Verbrechen, das Alexander Rupflin ungeschönt, ohne reißerisch zu sein, verarbeitet hat. Ein absolut lesens- bzw. hörenswertes Buch, nicht nur für True-Crime-Fans.

Bewertung vom 03.10.2025
Carsta, Ellin

Zeit des Neubeginns


ausgezeichnet

Ein spannender Neubeginn mit Höhen und Tiefen

„Zeit des Neubeginns“ ist das nunmehr siebte Buch der Kinder-der-Hansens-Reihe und noch immer ist es spannend, die neue Generation dabei zu beobachten, wie sie sich behaupten, wie sie sich Neues aufbauen.

Wir sind in Hamburg des Jahres 1928, es ist Weihnachten und alles kommt ganz anders als geplant. Denn Georg und Therese wollten heiraten, genau an diesem Weihnachtsfest. Das Schicksal hat es anders gewollt, Georg ist tot. Er hat das in neuem Glanz erstrahlte Hansens noch gesehen, aber dann war sein Lebenslicht erloschen. Im März des darauffolgenden Jahres ist auch Robert, Amalas Bruder, zur Testamentseröffnung von den Staaten herübergeeilt, denn noch braucht Amala als Frau einen Vormund, den Hamza, ihrer beider Vater, an Robert übertragen hat.

Zunächst ist Robert erstaunt, wie normal er von der Gesellschaft hier in Hamburg aufgenommen wird, ganz anders als in Chicago, wo er als dunkelhäutiger Mann in vielen Belangen des Lebens Diskriminierung und Ausgrenzung erfährt. Schon allein die Tatsache, dass ihm zur Begrüßung ganz selbstverständlich die Hand gereicht wird, nimmt er verblüfft zur Kenntnis. Er kann sich hier in Hamburg frei bewegen bis zu einem gewissen Punkt, als er auch hier die allzu hässlichen Seiten schmerzlich zu spüren bekommt.

Eduard, Amala und Auguste haben gemeinsam das Hansens aufgebaut und wollen es auch gemeinsam führen, jeder hat seine Stärken, jeder seine Aufgabe. Und doch kommen sie alle an ihre Grenzen, sei es familiär oder auch durch halbseidene Geschäfte, die Eduard aus seiner Berliner Zeit einzuholen drohen.

Neben Hamburg werfen wir auch einen Blick nach Wien, wo ein Teil von Thereses Familie lebt. Hier treffen wir auf Josephine Baker und ihre lasziven, für Empörung sorgende Auftritte. In Philadelphia ist es Elsa Harris, die tief erschüttert vom Tod ihres Schwiegervaters ist. Die weit verzweigte Familie Hansen ist in Kontakt, bisweilen zwar nur brieflich, aber aus den Augen lassen sie sich nicht.

Ellin Carsta hat auch hier, in ihrem siebten Buch um die Hansens, historische Fakten in ihre fiktive Geschichte eingebracht. So erwähnt sie auch Freiherr von Hünefeld, dem mit zwei Mitstreitern mit der Junkers W33 Bremen de erste Transatlantik-Nonstop-Flug gelang. Im Nachwort erzählt die Autorin noch mehr davon, auch andere, sehr interessante Fakten sind hier nachzulesen.

Überhaupt versteht Ellin Carsta es, geschickt das Historische mit den Leben der Hansens zu verknüpfen. Sie bietet beste Unterhaltung, wirft dabei so ab und an einen Blick zurück, so dass das Vergangene um diese Familie schnell wieder präsent ist. Und sollte es sein, dass man sich entschließt, die ersten Bücher nicht nachzulesen, so kommt man doch gut zurecht. Wobei es gerade in einer Familiensaga von Vorteil ist, den Charakteren in ihrer Entwicklung zuzuschauen – Lesegenuss von Anfang an sozusagen. Gerne war ich wieder unter ihnen und nun bin ich gespannt, wie sich das Hansens mitsamt seinen Betreibern weiterentwickeln wird, auch wenn es noch ein Weilchen dauern mag, bis es so weit ist.

Bewertung vom 01.10.2025
Dominik, Chris

Narbenkünstler #Thriller (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Eiskalt, barbarisch, zerstörerisch

Der dritte Fall für Marc Davids und Zoé Martin ist „ein eiskalter Thriller über Schuld, Macht und die zerstörerische Last der Wahrheit.“

Genau wie die beiden Vorgängerbücher ist auch der dritte Davis-und-Martin-Thriller nichts für Zartbesaitete. Der NARBENKÜNSTLER scheint kein Erbarmen zu kennen, er lässt seine Opfer langsam, ganz langsam, erfrieren. Dabei schaut er ihnen immer mal wieder in die Augen, er redet auch mit ihnen. Nur sind sie – sollten sie zwischendurch bei Bewusstsein sein – nicht in der Lage, mit ihm zu kommunizieren. So viel mal vorweg, denn es kommt noch schlimmer: „So musste die Hölle aussehen…“

NARBENWALD und NARBENSOMMER, Band eins und zwei, habe ich atemlos verschlungen, bei diesem dritten Buch war es ähnlich. Wenngleich ich zwischendurch entsetzt durchatmen musste, um diesen barbarischen Taten folgen zu können. Eine Spur führt auf einen Campus und diese führt weit zurück in längst verdrängte Zeiten. Ein Künstler, dessen Performance nicht alltäglich ist, der ganz besondere Materialien verwendet, gerät in den Focus, auch Zoé hat ihre Déjà-vu-Momente.

Das mehrperspektivische Erzählen macht die Story noch intensiver, die vielschichtigen Charaktere, angefangen von den beiden Kommissaren, sind gut dargeboten und die Verdächtigen, von denen es einige gibt, sind nicht zu durchschauen. Gelegentlich habe ich mich aufs Glatteis führen lassen, die Story ist bis zum verblüffenden Schluss verwirrend. So mag ich es, ich freu mich schon auf den nächsten Narben-Thriller.

Bewertung vom 28.09.2025
Meyrick, Denzil

Der Tote im Kamin


ausgezeichnet

Very british – ein wendungsreicher, undurchsichtiger Kriminalroman vom Feinsten


In Admere House wollte er einen diebischen Dienstboten schnappen, dabei lässt er im Eifer des Gefechts die Stalltür auf und siehe da – zwanzig Pferde, Englands wertvollste Vollblüter, sind weg. Noch immer sind sieben davon verschwunden, es reicht! Inspector Frank Grasby wird zu seinem Vorgesetzten zitiert. Der ist außer sich, denn dies ist beileibe nicht sein einziges Missgeschick, Grasbys Versetzung ins beschauliche Elderby in den North York Moors ist beschlossene Sache. Kaum angekommen, wird ihm bewusst, dass sein Ruf ihm auch hierher vorausgeeilt ist.

Schon die ersten Seiten machen Laune, wenngleich diese Heiterkeit sich eher bei mir als Leser denn bei Grasby einstellt, denn sein Dienstwagen gibt kurz vor Elderby keinen Mucks mehr von sich. Es schneit ununterbrochen, aber was hilft es – das letzte Stück muss er wohl oder übel zu Fuß bewältigen. Kaum hat er sich Sergeant Bleakly in seiner neuen Dienststelle vorgestellt, fällt dieser wegen seiner Narkolepsie in einen tiefen Schlaf. Bald danach trifft er auf die junge, ausgesprochen hübsche Praktikantin Miss Daisy Dean, Deedee genannt. Es sind noch so einige Charaktere mehr, die so nach und nach seine Wege kreuzen. Jeder hat seine ganz eigene Persönlichkeit, allen vor Grasby, der immer ein wenig ungeschickt agiert, der aber trotz allem der liebenswerte, gesetzestreue Inspector bleibt. Er ist es, der von diesen Ereignissen direkt erzählt.

Angereichert durch Polizeiberichte gibt er Einblicke in sein abenteuerliches Leben.
Grasby weilt auf Holly House. Wegen eines Einbruchsversuches wurde er hierher gerufen und nun sitzen sie im Salon, als seine Lordschaft wegen des dichten Qualms von einem Hustenanfall geplagt wird. Pflichtschuldigst untersucht Grasby den Kamin, sieht etwas darin stecken und rumms - landet ein lebloser Mann in den Überresten des Feuers. Dem ersten Toten werden andere folgen, Grasby hat zu tun.

Ich werde in den Dezember 1952 zurückversetzt, auch die Erzählweise ist diesen Jahren angepasst, es ist aber keineswegs altbacken, eher blitzt der feine britische Humor durch und nicht nur das, der Kriminalroman steckt voller Überraschungen und Wendungen und wenn man meint, nun den Durchblick zu haben, so wird man bald eines Besseren belehrt. Denzil Meyrick sorgt für spannende, kurzweilige Unterhaltung, er präsentiert die gar nicht so vornehme Art des versnobten Adels und man weiß nie, wem man vertrauten kann, das Blatt wendet sich des Öfteren.

„Eine Komödie zum Wohlfühlen“ hat die Times geurteilt. Ich schließe mich dieser Bewertung voll und ganz an, es ist ein Roman voll schwarzem Humor, der bis in Politikkreise führt. Ein rundum gelungener, sehr lesenswerter Kriminalroman, der bis zum rasanten Schluss fesselt.

Bewertung vom 25.09.2025
Osman, Richard

Der Donnerstagsmordclub und der unlösbare Code / Die Mordclub-Serie Bd.5 (eBook, ePUB)


gut

Very british-cosy-crime

Der Donnerstagsmordclub ermittelt zum nunmehr fünften Mal, hier geht es um einen unlösbaren Code. Was sich zunächst als ziemlich diffizil anhört, ist es auch. Denn wie soll man einen mehrfach gesicherten Code knacken? Noch dazu, wenn es mehr als einer Person bedarf, diesen nicht nur zu entschlüsseln, sondern auch die hierfür vorgesehene Eingangstür zu öffnen. Hört sich kompliziert an? Ja, es ist auch. Eine ganz schön anspruchsvolle Aufgabe steht dem Mordclub bevor, allen voran Elizabeth – natürlich.

Nachdem ich bisher einmal die Ehre hatte, dem Ermittlerquartett nahe zu sein, so war ich doch neugierig, wie sich Elizabeth, Joyce, Ron und Ibrahim so machen. Gleich mal bin ich Hochzeitsgast, Joyce Tochter Joanna, die ihren Paul übers Internet kennengelernt hat, will eine kleine Hochzeit, ihre Mutter dagegen findet dies geradezu jammerschade.

Nun, Nick Silver, der Trauzeuge, verschwindet spurlos, nachdem klar ist, dass jemand ihn ermorden will. Aus verschiedenen Gründen wollte er nicht zur Polizei gehen und nun ist es an Elizabeth, Licht ins Dunkle zu bringen. Licht heißt in dem Fall, den Code zu finden, ihn zu entschlüsseln, denn es hängt ne Menge Kohle dran. Und nicht nur auf ihn hat es jemand abgesehen…

Der sehr spezielle Humor ist es, der mich bis jetzt davon abgehalten hat, nach diesen Büchern zu greifen. Man soll aber niemals so ganz nie sagen – wer weiß, was einen entgeht.

Gleich mal hab ich mich über Elizabeths Art geärgert, sie macht Donna, die Polizistin, ganz schön nieder. Auch wenn es Cozy Crime ist, so sollte es doch einigermaßen im Rahmen sein. Eine unterwürfige Polizistin, die sich einer selbsternannten Detektivin nicht zu wehren weiß – wo gibt es denn sowas! Gut, dass sich dieses devote Verhalten nicht durchs Buch zieht, denn abgesehen davon ist es ganz unterhaltsam. Wenn etwa Joanna ihrem frisch Angetrauten unbedingt gefallen will und er augenzwinkernd mitspielt, das hat schon was. Ich hab geschmunzelt, hab gelacht und mich amüsiert. Und ja – auch hab ich um Nick gebangt. Und nicht nur um ihn. Die Story flaut zwischendurch ab, erholt sich dann aber wieder – ich vergebe 3 Sterne.