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Lena
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Köln

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Insgesamt 183 Bewertungen
Bewertung vom 23.11.2025
Kwan, Kevin

Crazy Rich Asians


sehr gut

Die promovierte Wirtschaftswissenschaftlerin chinesischer Herkunft Rachel Chu und Nick Young sind knapp zwei Jahren liiert und wohnen gemeinsam in New York, aber Nick hat Rachel bislang seiner Familie nicht vorgestellt. Das ändert sich, als sein bester Freund Colin Khoo heiratet und Nick als sein Trauzeuge eingeladen wird. Nick nimmt Rachel mit nach Singapur, wo sie überrascht feststellt, dass Nick aus einer Familie von Superreichen stammt und einer der begehrtesten Junggesellen Asiens ist. Nick hatte sich über die Beziehung bedeckt gehalten, weshalb Rachel von Freunden und Verwandten argwöhnisch betrachtet wird. Insbesondere Nicks Mutter, die Rachel nicht als passende Partie empfindet, nimmt Rachel heimlich unter die Lupe, ohne ihr eine Chance zu geben und intrigiert aus der Entfernung.

"Crazy Rich Asians" ist der erste Band einer Trilogie über einen Familienclan unvorstellbar reicher Asiaten, der bereits erfolgreich verfilmt wurde.

Der Roman ist aus verschiedenen Perspektiven geschildert, die Einblicke in die High Society in Singapur geben. Ein Stammbaum am Anfang des Buches informiert über die diversen Verzweigungen dreier Familien, überfordert auf den ersten Blick jedoch aufgrund der Vielzahl an Personen. Die Handlung beschränkt sich im Kern jedoch auf weit weniger Hauptfiguren, so dass die Verwandtschaftsgrade klar erkennbar oder im Detail zum Verständnis nicht relevant sind.

Die bodenständige Rachel, deren Mutter sich aus armen Verhältnissen empor gearbeitet hat, trifft bei der Reise nach Singapur unerwartet auf eine ihr fremde Welt, in der sie sich zurecht nicht willkommen fühlt. Neben Kapiteln aus ihrer Sicht lernt man ihren Lebensgefährten Nick kennen, der sie erschreckend unbedarft ins kalte Wasser wirft sowie viele weitere weit verzweigte Verwandte von Nick wie seine Cousine Astrid, die ihrem Ehemann eine Affäre unterstellt.

Im Fokus stehen die privilegierten Anfang 30-Jährigen sowie deren Eltern- und Großeltern-Generation. Neben einzelnen sympathischen Multimillionären und Milliardären ist die Vielzahl der Personen arrogant und überheblich und duldet keine Fremden in ihren Reihen. Tradition und Moderne treffen aufeinander und eröffnen Konflikte zwischen den Generationen.

Der Schreibstil ist satirisch und erzählt eine amüsante, vereinzelt unwirklich-absurde Geschichte, wenn auf einem mehreren Hektar großen Anwesen in einem Palast gefeiert wird, das so geheim ist, dass es auf keiner Karte verzeichnet ist oder wenn kurzerhand Millionen für Designer-Outfits ausgegeben werden und Privatjets für Wochenendausflüge gechartert werden. Glanzvolles Highlight ist die prunkvolle, dekadente Hochzeit, zu der Aristokratie und Geldadel geladen sind und von den Wiener Sängerknaben und dem Cirque du Soleil unterhalten werden.

Durch die wechselnden und bildhaft beschriebenen Orte sowie die Einblicke in verschiedene Leben, die man in der Art nur aus der Klatschpresse kennt, ist der Roman lebendig und abwechslungsreich. Die Geschichte ist frech und herrlich absurd, wirkt aber trotz aller Maßlosigkeit authentisch und erweckt das Gefühl, dass der Autor aus dem Nähkästchen plaudert und über Insiderwissen verfügt. Während man wiederholt fassungslos den Kopf über so viel Luxus, Oberflächlichkeit und Arroganz schüttelt, wird schamlos Geld ausgegeben, munter gelästert und intrigiert, was für Unterhaltung und spannungsvolle Momente sorgt. Überraschend vielschichtig wird der Roman, wenn ernste Töne anklingen, die zeigen, dass Geld allein nicht glücklich macht und dass Liebe nicht käuflich ist.

Bewertung vom 18.11.2025
Sveistrup, Søren

Der Kuckucksjunge


ausgezeichnet

Im Mai 1992 spielt eine Schulklasse während eines Ausflugs in der Nähe von Roskilde Verstecken, wobei einer der Schüler eine Leiche im Schilf entdeckt.
Über 30 Jahre später erhält Silje Thomson unheimliche Drohungen eines Stalkers in Form eines Kinderreims und wird später ermordet aufgefunden. Naia Thulin, die sich nach dem spektakulären Fall des "Kastanienmannes" in die Abteilung für Cybercrime hat versetzen lassen, um mehr Zeit mit ihrer Tochter zu verbringen, wird unfreiwillig zusammen mit Mark Hess mit den Ermittlungen betraut. Während ihrer Arbeit stoßen sie auf weitere Opfer von Stalking, bei denen sich die Nachrichten ähneln und auf denselben Täter schließen lassen.
Zeitgleich versucht Marie Holst, deren Tochter vor über zwei Jahren einem Verbrechen zum Opfer gefallen ist, das bisher nicht aufgeklärt werden konnte, alles, damit der Fall nicht in den Akten verschwindet.

Nicht als Buchreihe deklariert, handelt es sich bei "Der Kuckucksjunge" nicht um einen Nachfolgeband von "Der Kastanienmann", baut jedoch auf den Ereignissen auf und involviert die gleiche Mordkommission.

Nach dem Prolog aus Mai 1992, der mit einem Leichenfund endet, setzt die gegenwärtige Handlung an Valentinstag über 30 Jahre später ein. Eine Frau wird seit Wochen von einem Unbekannten verfolgt, der sie mit Fotos und Nachrichten in Angst und Schrecken versetzt. Die Frau kann nur noch tot aufgefunden werden und es folgen weitere Opfer.

Der Thriller wird aus verschiedenen Perspektiven geschildert, was für Dynamik und anhaltende Spannung sorgt. Neben den umfangreichen Einblicken in die schwierigen Ermittlungen, verleihen die bewegenden Sichtweisen der Opfer, die von ihrem Peiniger gedemütigt und auf Schritt und Tritt verfolgt werden, Gänsehaut. Ein weiterer Erzählstrang handelt von Marie, die geblendet von Wut und Trauer nach dem Mörder ihrer Tochter sucht und dabei den Weg von Thulin und Hess kreuzt.

Auch wenn ein Muster erkennbar ist, nach dem sich der Täter seine Opfer aussucht, bleibt seine Identität bedeckt. Es beginnt ein Wettlauf mit der Zeit, um weitere Opfer zu verhindern und das perfide Versteckspiel zu beenden.

Der Thriller ist skandinavisch düster und beklemmend. Der Täter ist manipulativ und scheint den Ermittlern trotz akribischer Recherchen immer einen Schritt voraus.
Die Geschichte ist nicht explizit brutal, sondern sorgt subtil für Nervenkitzel. Durch den Einfluss des Privatlebens der beiden Hauptfiguren verliert der Roman in Bezug auf die Fallaufklärung zwar an Tempo, macht die Geschichte durch die menschliche Komponente aber authentischer und die Ermittler nahbarer.

"Der Kuckucksjunge" ist ein vielschichtiger, durchweg spannender Psychothriller mit realistischen Ermittlungen, der für Nervenkitzel sorgt und mit einer schlüssigen Auflösung der Zusammenhänge und des Mordmotivs überzeugt.

Bewertung vom 18.11.2025
Hunter, Alice

Die Schwester des Serienkillers / Die Familie des Serienkillers Bd.3


gut

Anna Price hat sich trotz ihrer traumatischen Kindheit, die sie nach dem Missbrauch durch ihre Eltern in einem Kinderheim verbracht hat, ein intaktes Leben mit einem liebenden Ehemann an ihrer Seite, ihrem Traumberuf als Lehrerin und einem Haus am Meer aufgebaut.
Doch als ein Polizist vor ihrer Tür steht, wird Anna von ihrer Vergangenheit, die sie erfolgreich zurückgedrängt hatte, eingeholt. Ihr Bruder Henry, zu dem sie seit Jahren keinen Kontakt mehr hat, soll ein gesuchter Serienmörder sein. Fünf Frauen habe er bereits auf dem Gewissen und aufgrund der Todesdaten, die er innerhalb der letzten drei Jahre für seine ausschließlich weiblichen Opfer gewählt hatte, scheint der nächste Mord unmittelbar bevorzustehen. Die Polizei hofft, dass Anna helfen kann, die nächste Tat zu verhindern und kann nicht ausschließen, dass Anna sein nächstes Opfer ist. Schon wenig später erhält Anna einen Umschlag mit einem Rätsel, das sich offensichtlich auf das Spiel bezieht, das Anna und Henry in ihrer Kindheit gespielt haben und außer Kontrolle geriet. Anna muss mitspielen, um zu verhindern, dass Henry ihr Geheimnis lüftet, das ihr Leben zerstören könnte.

"Die Schwester des Serienkillers" ist der dritte Band der Serienkiller-Reihe, der unabhängig von den zuvor erschienenen Büchern gelesen werden kann, da es sich um abgeschlossene Geschichten mit eigenen Charakteren handelt.

Der Roman handelt in der Gegenwart an nur vier Tagen im Mai, die den Countdown bis zum mutmaßlich letzten Mord des Serienkillers bilden. Daneben gibt es Rückblenden in die Vergangenheit, als Anna zusammen mit ihrem Bruder im Kinderheim Finley Hall untergebracht war und Henry immer unberechenbarer wurde. Ergänzend erhält man Einblicke in die Denkweise des Killers und die Durchführung seiner Taten, mit denen er auf makabre Weise die Nähe zu seiner Schwester herstellen möchte.

Obschon der Vergangenheitsstrang knapp gehalten ist, erhält man einen Eindruck davon, wie die Kinder von ihren eigenen Eltern vernachlässigt wurden und auch keine glücklichen Erfahrungen im Kinderheim gesammelt haben. Verunsicherung, Angst und Wut sind nachvollziehbar und geben eine Erklärung für Henrys krankes Spiel, mit dem er sich an seine Schwester klammert und sie gleichzeitig zurückweist.

Die Gegenwart ist abwechslungsreich geschildert, auch wenn gar nicht viel passieren muss, um Annas Leben in ihren Grundfesten zu erschüttern. Beruflich und privat steht sie schon bald vor einem Scherbenhaufen, wobei fraglich ist, wie viel Einfluss ihr Bruder ausübt und was er letztlich bezwecken möchte. Das Geheimnis, das er und seine Schwester teilen, kann hingegen frühzeitig erahnt werden.
In Bezug auf die Mordserie und die Ermittlungen von DI Walker bleiben viele Fragen offen und lassen die Geschichte konstruiert erscheinen. Auch gibt es nur in den letzten Kapiteln wirklich spannende Momente, wobei die lange Vorgeschichte für den Showdown nur bedingt nötig gewesen wäre. Der Clou im Epilog kommt wahrlich überraschend, lässt aber auch die gesamte Logik der Geschichte in Frage stellen.

Bewertung vom 17.11.2025
Georg, Miriam

Im Nordwind / Nordwind-Saga Bd.1


ausgezeichnet

Alice Bloom wohnt im Hamburger Arbeiterviertel Uhlenhorst und ist in einer Ehe mit einem gewalttätigen Ehemann gefangen. Als die Sorge um ihre Tochter Rosa zunimmt, gibt es für sie nur einen Ausweg: die Trennung von Henk. Doch eine Scheidung ist für eine Frau im Jahr 1913 fast unmöglich. Hilfe sucht sich Alice bei dem Anwalt John Reeven, der eine Sozialsprechstunde anbietet.
John entstammt einer angesehenen Hamburger Familie, die Inhaber einer Privatbank und der Holsten Brauerei ist. Als sein Vater erkrankt, muss er sich nicht nur um seine Kanzlei, sondern auch noch um die Brauerei kümmern, die sein Bruder Julius am liebsten verkaufen möchte. Zeit für seine Verlobte Evelyn bleibt dabei kaum. Pro bono übernimmt er das Mandat für Alice und kann dabei schon bald keine professionelle Distanz zu der mutigen Frau wahren, die ihm jedoch nicht die ganze Wahrheit über sich zu offenbaren scheint.

Nach den beiden Dilogien "Die hanseatische Familiensaga" und "Die Hamburger Auswandererstadt" ist "Die Nordwind-Saga" die dritte historische Hamburg-Buchreihe von Miriam Georg.
Ähnlich wie in den Romanen zuvor handelt auch diese Dilogie von der Lebenssituation von Frauen, sozialer Ungleichheit, dem Kampf um Gerechtigkeit und Freiheit und einer verbotenen Liebe Anfang des 20. Jahrhunderts.

"Im Nordwind" wird auf zwei Zeitebenen erzählt. Im Jahr 1913 geht es um Alice, die Mutter der fünfjährigen Rosa ist und sich aus den Fängen einer gewalttätigen Ehe befreien möchte, um ihre Tochter zu schützen. Ihre Wege kreuzen sich mit dem Anwalt John Reeven aus einer gut bürgerlichen Unternehmerfamilie.
Alice kämpft für ihre Freiheit und läuft dabei Gefahr, ihr eigenes Leben zu gefährden und das Sorgerecht für ihre Tochter zu verlieren. John, der einem Jurist entsprechend
sachlich und akkurat agiert, lässt sich unkontrolliert von seinen Gefühlen leiten.
Rückblenden in die Jahre ab 1896 zeigen das Schicksal von Christina, einem Mädchen aus einer Schaustellerfamilie, das an ein Pastorenpaar verkauft wird.

Aus vielen verschiedenen Perspektiven erzählt, erhält man einen umfassenden Einblick in die Lebenswirklichkeit von Frauen und Männern, Arm und Reich, Ende des 19./ Anfang des 20. Jahrhunderts und ein lebendiges Abbild der damaligen Zeit. Die Orte, ob einfache Wohnungen im schmutzigen Arbeiterviertel, die prunkvolle Villa am Feenteich oder die gesundheitsgefährdenden Fabriken in Hamburg, werden leicht vorstellbar und sorgen für eine zum Zeitgeist passende Atmosphäre. Der Kontrast aus Arm und Reich und den unterschiedlichen Erwartungen ans Leben sind eindrücklich dargestellt.

Die Geschichte ist dramatisch und spannend. Die Schicksale sind berührend, der ungewisse Verlauf ihrer Lebenswege, die sich gerade an einem Scheideweg befinden, sorgen für einen anhaltenden Lesesog.
Dabei werden die fiktiven persönlichen Geschichten gelungen mit den vorherrschenden tatsächlichen gesellschaftlichen Problemen verbunden. Es geht um Lügen und Geheimnisse innerhalb der Familien, um Arbeitskampf und Frauenrechte sowie den Kampf um Freiheit und ein selbstbestimmtes Leben.

Inhaltlich vielschichtig und mit viel Empathie für die handelnden Personen steht dieser Auftaktband den vorigen Bestseller-Reihen in nichts nach - und endet wiederum gemein offen. Um zu erfahren, wie es mit Alice und John, Rosa, Theodor, Blanche und allen anderen (lieb gewonnen) Figuren weitergeht, lässt am liebsten gleich zu Band 2 "Im Nordlicht" greifen, der bereits erschienen ist.

Bewertung vom 15.11.2025
Sandberg, Ellen

Rauhnächte


sehr gut

Ausgerechnet an Weihnachten erfährt Pia, dass sie nicht die Tochter ihrer Eltern ist. Schon immer hat ihr Warmherzigkeit und Liebe in der Beziehung zu ihnen gefehlt und nun hat sie den Beweis dafür, warum sie sich stets fremd und nicht zugehörig gefühlt hat. Da ihre Adoptiveltern das Schweigen über die Vergangenheit nicht brechen wollen, wird Pia immer neugieriger darauf, was es zu verbergen gibt. Auf der Suche nach der Wahrheit fährt sie in das Dorf Galsterried bei Wasserburg am Inn, wo sie als Kleinkind gelebt hat. Bis auf den Studenten Ansgar reagieren die Bewohner des Ortes feindselig auf die junge Rothaarige. Doch Pia bleibt hartnäckig. Sie möchte nicht nur wissen, wer ihr Vater ist, sondern auch was es mit dem Unfall auf sich hat, bei dem ihre Mutter vor 18 Jahren ums Leben gekommen ist. Ihre Träume und Erinnerungen passen nicht zu dem, was ihr erzählt wird. Pia weiß nicht, wem sie trauen kann und fühlt sich einer unheimlichen Bedrohung ausgesetzt.

Die Geschichte ist bereits vor über zehn Jahren als Jugendbuch mit dem Titel "Die Flammen flüstern dein Lied" unter dem Klarnamen der Autorin Inge Löhnig erschienen und wurde nun als Roman für Erwachsene neu erzählt und verlegt.

Der Roman handelt auf zwei Zeitebenen mit Bezug zu den Rauhnächten. In der Gegenwart liegt der Fokus auf der knapp 22-jährigen Pia, die nach Weihnachten beginnt, das Rätsel ihrer Herkunft zu erschließen und dabei in ein Wespennest sticht, das sie in tödliche Gefahr bringt. Die Vergangenheit handelt 18 Jahre zuvor im Januar 2002 und offenbart, was Pia all die Jahre verschwiegen wurde.

Die Mystik der Rauhnächte, Aberglaube und Hexenverfolgung verbreiten eine düstere, beängstigende Atmosphäre, die zu der frostigen Jahreszeit passt. Geht man zunächst davon aus, dass zum Schutz von Pia ein Familiengeheimnis aufrecht erhalten werden soll, zeigt sich bald, dass noch viel mehr vertuscht werden soll, für das jemand bereit ist, zu töten.
Je mehr Pia über die Vergangenheit und ihre leibliche Mutter in Erfahrung bringen kann, desto wahrscheinlicher scheint, dass diese nicht in der Folge eines Unfalls gestorben ist. Zudem gibt es gleich mehrere Verdächtige, die ein Interesse an ihrem Tod gehabt haben könnten. Dass nun auch Pia auf der Suche nach der Wahrheit in größter Gefahr schwebt, steigert die Spannung.

Rauhnächte ist ein spannendes Familiendrama um Eifersucht, Verrat und Intrigen, indem sich Verletzungen bis zu blindem Hass steigern. Der Bezug zu Mystik und Schauermärchen vermittelt eine ganz eigene winterliche und gruselige Stimmung, während die Hauptfigur durch die fühlbare Verbindung zu ihren Ahninnen mehr Selbstvertrauen und innere Stärke erlangt. Die Konflikte innerhalb der Familie bleiben jedoch oberflächlich, woran man dem Roman trotz Überarbeitung das Jugendbuch anmerkt. Die Liebesgeschichte ist hintergründig, hätte es aber in einem Erwachsenenroman nicht benötigt.

Bewertung vom 12.11.2025
Tevis, Walter

Das Damengambit


ausgezeichnet

Beth Harmon wächst nach dem Tod ihrer Eltern in den 1950er-Jahren in einem Waisenhaus in Kentucky auf. Sie ist ein intelligentes, in sich gekehrtes Mädchen, das sich zu sehr an die Beruhigungspillen gewöhnt, die ihr mit acht Jahren verabreicht werden. Bevor sie mit zwölf Jahren von einem kinderlosen Paar adoptiert wird, wird sie durch den Hausmeister im Keller auf Schach aufmerksam und entwickelt eine Faszination für das Spiel, das sie sich in schlaflosen Nächten aneignet.
Mit der Unterstützung ihrer Adoptivmutter gewinnt sie in Amerika Schachturniere, wird finanziell unabhängig und ist bald auch international erfolgreich. Als Mädchen in einem männerdominierten Sport ist Beth trotz einiger Förderer einsam und droht sich in einem gefährlichen Mix aus Pillen und Alkohol zu verlieren und damit auch ihr Talent und ihre aussichtsreiche Karriere aufs Spiel zu setzen.

Nachdem ich die gleichnamige Netflix-Serie mit Begeisterung angesehen habe, bin ich neugierig auf die Romanvorlage geworden, die bereits 1983 in den USA erschienen ist und erst sehr viel später ins Deutsche übersetzt wurde. Die Serie bleibt sehr nah am Buch und auch wenn ich die Entwicklung von Beth schon kannte, fesselt der Roman mit einem noch tieferen Verständnis für die Gemütslage der Hauptfigur.

Der Roman handelt von Schach, was ich selbst noch nie gespielt habe, aber es ist auch nicht nötig, die exakten Regeln zu kennen und Spielzüge nachvollziehen zu können. Die Schilderungen der Spiele, der Turniere und der Vorbereitungen darauf nehmen viel Raum ein. Daneben geht es jedoch um ganz universelle, zeitlose Themen wie Einsamkeit, Suchtverhalten, Rassismus und patriarchale Strukturen.

Beth entwickelt sich von einem Wunderkind zum gefeierten Star der Schachszene. Sie ist intelligent und ehrgeizig, fleißig und zielgerichtet und kann sich deshalb schon in jungen Jahren gegen Großmeister durchsetzen. Lebendig und eindrücklich ist geschildert, wie viel Arbeit und Durchhaltevermögen es erfordert, in so einer Disziplin bestehen zu können.
Beth muss nicht nur lernen mit Niederlagen, sondern auch mit Verlusten umzugehen. Von früher Kindheit an geprägt, greift Beth routiniert zu Beruhigungspillen, um sich zu entspannen und greift wenig später unkontrolliert zum Alkohol. Der Drogenmix lässt sie die Einsamkeit vergessen.
Mit ihrem Hang zur Selbstzerstörung droht Beth ihren Erfolg zu sabotieren, hat jedoch in den schwersten Stunden Menschen an ihrer Seite, die sie wieder auffangen.

"Das Damengambit" ist mehr als nur ein Buch über Schachspielen. Es ist ein vielschichtiger Roman über ein großes Talent, das mit seinen eigenen Dämonen zu kämpfen hat und sich mit Alkohol und Medikamenten betäubt und antreibt. Angesiedelt in den 1950er- und 1960er-Jahren kommt neben dem Ost-West-Konflikt und Kaltem Krieg auch das Leben und der Wunsch nach Selbstbestimmung in patriarchalen Strukturen zum Tragen. Selbst wenn man kein großes Interesse für Schach haben sollte, bewegt das persönliche Schicksal der besonderen Hauptfigur, wobei man mit Spannung verfolgt, ob sie ihr großes Ziel, den amtierenden Schachweltmeister zu schlagen, mit nur 18 Jahren erreichen kann, ohne an ihren eigenen Ambitionen zugrunde zu gehen.

Bewertung vom 10.11.2025
Knight, Eliza

Bernadette Swifts Gespür für Bücher


gut

Bernadette Swift arbeitet 1963 als Lektorin bei dem Verlag Lenox & Park in New York, wo sie als Frau schon immer mehr leisten musste, als ihre männlichen Kollegen, um sich zu beweisen. Trotz Probleme mit ihrem direkten Vorgesetzten bewirbt sie sich für eine Beförderung und bekomm daraufhin noch mehr Gegenwind zu spüren. Unterstützung erhält sie von ihren Freundinnen aus dem Buchclub und ihrem Kollegen Graham, die hinter ihr stehen und Halt geben. Während sich die Beziehung zu Graham intensiviert und er bald schon mehr als nur ein verlässlicher Kollege ist, muss sich Bernadette entschieden gegen Ungerechtigkeiten und Anfeindungen am Arbeitsplatz zur Wehr setzen und scheut auch nicht davor zurück, ihren Kampf für mehr Gleichberechtigung für Frauen öffentlich zu machen.

Der Titel "Bernadettes Gespür für Bücher" ist ein wenig irreführend, denn tatsächlich geht es inhaltlich nicht um den Beruf der Hauptfigur als Lektorin oder das gemeinsame Lesen von Büchern in einem Buchclub, sondern um die misogynen Verhältnisse in ihrem Büro.
Bernadette bekommt von der Abwertung ihrer Arbeit bis hin zu sexuellen Übergriffen alles zu spüren, was frau sich an negativen Einflüssen im Beruf vorstellen kann. Doch die junge Frau setzt sich zur Wehr und organisiert sogar einen öffentlichen Protest, um auf die Ungleichbehandlung von Frauen am Arbeitsplatz hinzuweisen. Auch in ihrem Buchclub sind die alltäglichen Probleme der Frauen im Zusammenhang mit dem anderen Geschlecht, ein wichtiges Thema.
Neben den Problemen im Büro sorgt sie sich um ihren Bruder, der als Soldat in Vietnam ist und versucht sich nach früheren negativen Erfahrungen für eine Beziehung zu Graham zu öffnen, der ihr stets mit Rand und Tat zur Seite steht und ein offensichtliches Interesse an ihr zeigt.
Festen Halt gibt ihr auch ihre Riesendogge Frank, die in der Geschichte sogar eine eigene Perspektive erhält - für Hundefreude nett, aber ohne Mehrwert für die Handlung.

Die Geschichte prangert mit Mobbing am Arbeitsplatz, sexueller Belästigung, Diskriminierung von Frauen und Sabotierung ihrer Karrieren wichtige und ernsthafte Themen an, die schon im Jahr 1963 virulent waren, aber in Teilen (leider) nichts an ihrer Aktualität verloren haben.
Der Roman bleibt dabei jedoch oberflächlich und entwickelt sich nach der dramatischen Schilderung der verschiedenen Hürden, mit denen sich Bernadette konfrontiert sieht, am Ende rasend schnell. Nach einem kleinen Anstoß lösen sich alle Probleme wie ganz von allein und Bernadettes steiler Karriere steht plötzlich nichts mehr im Wege.

Die Geschichte ist zum Schluss unheimlich seicht und süßlich und stellt damit die Ernsthaftigkeit der vorangegangenen Probleme in Frage. Auch fehlt bis auf den Equal Pay Act ein konkreter Bezug zur damaligen Zeit und die Einflüsse einer etwaigen Frauenbewegung. Dass der Bruder der Hauptfigur in Vietnam stationiert ist, darüber hinaus der Vietnam-Krieg und die Proteste dagegen aber keinerlei Erwähnung finden, hinterlässt zusätzlich einen faden Beigeschmack und lässt die Geschichte etwas unwirklich und mangelhaft recherchiert wirken.

Bewertung vom 09.11.2025
Graf, Lisa

Zwei Rivalen, ein Traum. / Lindt & Sprüngli-Saga Bd.2


sehr gut

Nach einem schweren Schicksalsschlag wird Rudolf Lindt als Jugendlicher von seinen Eltern nach Lausanne geschickt, wo er bei seinem Großonkel Charles Amédée Kohler, Inhaber einer Schokoladenfabrik und Erfinder der Noisette, körperlich harte Arbeit lernt. Zurück in Bern beschließt er, in die Fußstapfen der Kohler-Chocolatiers zu treten und 1879 als Rodolphe Lindt fils seine eigene Schokoladenfabrik zu eröffnen. Von vielen belächelt, möchte Rodolphe die Schokoladenproduktion revolutionieren und die Schokolade noch feiner machen.
Währenddessen haben sich die Sprünglis auf dem Markt der Chocolatiers etabliert und führen ihren Betrieb in Zürich schon in der zweiten Generation.
"Lindt & Sprüngli - Zwei Rivalen, ein Traum" ist der zweite Band der "Lindt & Sprüngli"-Trilogie und setzt die Geschichte chronologisch dort fort, wo Band 1 endete, im Jahr 1863.
Band 1 handelte ausschließlich von der Entwicklung der Familie Sprüngli, Band 2 verliert diese nicht aus den Augen, legt den Fokus der Erzählung aber auf Rodolphe Lindt und seine Innovation des Conchierens.
Die Geschichte ist wieder aus vielen kurzen Kapiteln aufgebaut, die manchmal nicht mehr als drei bis vier Seiten umfassen. Gerade zu Beginn ist die Erzählweise damit sehr sprunghaft. Drei Familien (Sprüngli, Lindt, Kohler) an drei Orten (Zürich, Bern, Lausanne) sowie an die zehn verschiedene Perspektiven der handelnden Personen verhindern ein flüssiges Lesen und gestalten die Geschichte zunächst oberflächlich. Dazu kommt eine leichte Verwirrung aufgrund der Dopplung von Vornamen, da über Generationen hinweg in den Familien gleiche männliche Vornamen vererbt wurden.
Es wird zwar das ein oder andere Rippchen Schokolade genascht, die eigentlich interessante Handlung über Rodolphes Ehrgeiz, die Herstellung von Schokolade zu optimieren, um den Geschmack zu verfeinern, setzt aber erst nach 200 Seiten ein. Die Geschichte wird in der Folge nicht nur fokussierter, sondern auch fesselnder und schokoladiger.

Der Roman zeugt von einer aufwändigen Recherche und bringt der Leserin/ dem Leser durch eine geschickte Mischung aus Fakten und Fiktion das Conchieren und damit den Anfang des Siegeszugs der Lindt-Schokolade nahe. Die Autorin schafft es, ein Gefühl für die damalige Zeit zu vermitteln und beschreibt anschaulich die damals vorherrschenden patriarchalen Strukturen, die unterschiedlichen Rollen von Mann und Frau, die Arbeitsverhältnisse und die Ungleichheit zwischen Unter- und Oberschicht.
Wie schon Band 1 ist auch Band 2 eine Geschichte über große Träume, über den Glauben an sich selbst und seine Ideen sowie den Mut zur Selbstbestimmung, für Kreativität und Erfindungsreichtum. Die Rivalität zwischen Lindt und Sprüngli, die der Titel ankündigt, bleibt jedoch sehr verhalten und ist eher ein Teaser für den abschließenden dritten Band "Lindt & Sprüngli - Zwei Dynastien, ein Vermächtnis", der voraussichtlich im Herbst 2026 erscheinen wird.

Bewertung vom 05.11.2025
Rum, Etaf

Evil Eye


sehr gut

Yara stammt aus einer palästinensischen Familie und ist in New York aufgewachsen. Als sie 19 Jahre alt ist, arrangiert Ihr Vater eine Hochzeit mit dem Sohn eines guten Freundes, der in den Südstaaten lebt. Yara ist froh, ihrem Elternhaus mit einem dominanten Vater und einer unglücklichen Mutter entfliehen zu können.
Knapp zehn Jahre später unterrichtet Yara Kunst an der örtlichen Hochschule, kümmert sich um den Haushalt und die beiden Töchter und stellt ihrem Ehemann pünktlich das Abendessen auf den Tisch.
Offensichtlich geht es ihr so viel besser als ihrer Mutter, die sich um sechs Kinder kümmern musste und nie einen Beruf ergriffen hat und trotzdem ist Yara unzufrieden. Von ihrem Mann erntet sie nur Unverständnis und an ihrem Arbeitsplatz wird sie nach einer impulsiven Reaktion auf eine rassistische Beleidigung zu psychotherapeutischen Sitzungen verpflichtet. Nach anfänglicher Skepsis beginnt sich Yara zu öffnen und in sich hineinzuhören. Mit Hilfe eines Tagebuchs lässt sie die Erinnerungen an ihre Kindheit zu und setzt sich mit der Vergangenheit auseinander, um nicht in das gleiche Fahrwasser wie ihre Eltern zu geraten.

Yara ist arabische Amerikanerin und fühlt sich nirgendwo zugehörig. Das Land ihrer Eltern existiert nicht und in Amerika gilt sie auf ewig als Einwanderin. Selbst in der arabischen Gemeinde fühlt sie sich nicht wohl. Yara ist einsam und statt Dankbarkeit gegenüber ihrem Mann zu zeigen, der für die Familie sorgt und sie dennoch arbeiten lässt, kocht in Yara eine Wut, die ihr Leben immer mehr bestimmt und ihr intaktes Familienleben bedroht.

Yara erwartet mehr vom Leben. Sie hat Träume und wünscht sich, frei zu sein. Ihre Gefühle sind eindringlich geschildert. Es fällt leicht, sich in ihre Situation hineinzuversetzen und ihre Hoffnungen und Wünsche, aber auch ihre Hilflosigkeit und Wut nachzuvollziehen.
Erschütternd sind die Tagebucheinträge, die nicht nur Einblicke in die toxische Ehe ihrer Eltern liefern, sondern auch zeigen, welchem Druck Yara als kleines Mädchen ausgesetzt war und wie ein Geheimnis ihrer Mutter sie überforderte.

Der Roman handelt von Alltagsrassismus, patriarchalen Strukturen, kulturellem Druck und Traumata, die über Generationen weitergegeben werden. Es ist eine Geschichte über Selbstfindung, Vergangenheitsbewältigung und die Notwendigkeit, sich von den Erwartungen anderer zu befreien, um ein freies, selbstbestimmtes Leben zu führen.
Es ist kein ereignisreiches Buch, aber ein Buch, das sich intensiv mit der Psyche und der Gefühlswelt einer innerlich zerrissenen Frau auseinandersetzt. Vieles was Yara erleidet, kann einer Frau jeder Ethnie passieren. Hier kommt allerdings verschärfend hinzu, dass Yara und ihr Umfeld von einer Kultur geprägt ist, in der Männer die alleinige Macht und Kontrolle ausüben. Das Ende gleicht einem Befreiungsschlag, zieht sich über das letzte Drittel allerdings sehr in die Länge.

Bewertung vom 03.11.2025
Edenberg, Sophie

Das Schweigen der Geliebten


sehr gut

In der Ehe von Karolin und Rolf hat es schon länger gekriselt und nach einem Fehltritt hat sich Rolf von seiner Frau getrennt. Karolin bereut, was sie getan hat und möchte ihren Mann am liebsten zurück. Auch ihre gemeinsame Tochter Elly leidet unter der Trennung, während sich der jüngere Sohn Matteo bereits mit der neuen Freundin seines Vaters arrangiert hat. In den Osterferien möchte Rolf mit Mischa und seinen beiden Kindern eine Auszeit im einem Ferienhaus im Wald in der Steiermark verbringen. Er selbst kommt verspätet an und Karolin, die zeitgleich einen Wellnessurlaub mit ihrer besten Freundin Nina verbringen wollte, muss aufgrund einer Panne selbst in dem Waldhaus übernachten. Die Stimmung zwischen den Frauen ist angespannt, die Teenager machen Ärger und Geheimnisse belasten die noch junge Beziehung von Karolin und Rolf.

Der Roman wird aus wechselnden Perspektiven von Karolin, Mischa und Elly geschildert. Daneben gibt es Szenen aus einem, in dem eine junge Frau von einem Mann festgehalten wird. Wie diese Entführung mit den Ferien im Wald zusammenhängt, erklärt sich erst später. So lange kann auch spekuliert werden, was Mischa zu verbergen und warum Rolf gelogen hat. Daneben geben auch die Dinge, die Elly und Matteo ihren Eltern verschweigen, der Handlung neue Impulse.

Geschildert wird ein Familiendrama um eine unglückliche Trennung, das durch die erzwungene Nähe von Ehefrau und Geliebten noch verschärft wird. Thrillerelemente gibt es durch den weiteren Handlungsstrang, der allerdings hintergründig bleibt. Ab der zweiten Hälfte erreicht jedoch auch der Aufenthalt in dem Waldhaus eine neue Dynamik und so dann erschließen sich auch die Zusammenhänge mit der Entführung.

"Das Schweigen der Geliebten" ist ein unblutiger Spannungsroman, der durch die Geheimnisse der Hauptfiguren fesselt. Es ist kein Thriller, der Nervenkitzel verursacht, denn sehr lange steht das Familiendrama und die unguten Beziehungen untereinander im Vordergrund. Die recht gewöhnliche Trennungsgeschichte macht das Buch authentisch und auch die Hintergründe des Verbrechens sind nachvollziehbar dargestellt. Auch wenn sich die Geschichte am Ende mit der Wiederaufnahme des Ehedramas in die Länge zieht, überrascht sie mit einer perfiden Wende, die dem Roman noch etwas Würze verleiht.