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Bücherwurm

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Insgesamt 292 Bewertungen
Bewertung vom 01.10.2025
Wilson, Misty

Falling Like Leaves


sehr gut

Ellis lebt in New York und steht vor ihrem letzten Jahr an der Schule. Sie möchte sich unbedingt an der Columbia University bewerben, um dort wie ihr Vater Journalismus zu studieren. Als ihre Mutter jedoch von heute auf morgen nach Connecticut in das verschlafene Städtchen Brabble Falls zieht und sie die Schule wechseln muss, bricht für Ellis eine Welt zusammen: Wie soll sie es denn so bitte auf die Columbia schaffen? Und wenn sie New York haben könnte, warum sollte ihr dann diese Mini.Stadt gefallen?

„Falling Like Leaves“ hat mich sofort mit seinem perfekten Herbstvibe eingefangen. Das Städtchen Bramble Falls ist die ideale Kulisse für Kürbisfeste, Spaziergänge im bunten Laub und gemütliche Kleinstadtmomente – es hat mich sehr an Stars Hollow aus den Gilmore Girls erinnert und genau dieses Cozy-Gefühl vermittelt.

Mit der Protagonistin Ellis musste ich zunächst warm werden. Zu Beginn wirkte sie verwöhnt, ehrgeizig und sehr auf Schule und Erfolge fixiert. Im Laufe der Geschichte machte sie jedoch eine glaubhafte Entwicklung durch: Sie lernte, nicht nur Leistung und Anerkennung, sondern auch Freude und Spaß zuzulassen. Am Ende war sie eine starke Figur, die wusste, was sie wollte, und dabei auch selbstbewusst Kontra geben konnte.

Cooper, die männliche Hauptfigur, erschien mir anfangs super sympathisch und charmant. Doch zum Ende hin kamen einige Red Flags zum Vorschein – er wirkte stellenweise übergriffig und eher toxisch-männlich als unterstützend. Hier hätte ich mir gewünscht, dass Ellis stärker dagegenhält. In diesen Szenen wirkten beide Figuren deutlich jünger als ihre 17 Jahre. Das war für mich der einzige echte Kritikpunkt.

Die Nebenfiguren waren hingegen sehr stimmig und hatten angenehme Tiefe, besonders Ellis’ Mutter und ihre Schulfreunde. Mit den Reaktionen ihrer Cousine Sloane konnte ich dagegen nicht immer viel anfangen. Typisch für das Kleinstadtsetting mischten sich natürlich alle in Ellis’ Angelegenheiten ein und gaben ungefragt Ratschläge und ehrlich gesagt wäre ich da selbst wohl ziemlich genervt gewesen.

Insgesamt ist die Geschichte klar auf ein jugendliches Publikum ausgerichtet, mit viel Teenagerdrama, aber auch einer warmen und cozy Atmosphäre, die perfekt zum Herbst passt. Besonders hervorheben möchte ich das Hörbuch: Gelesen von Katharina von Daake war es ein absolutes Highlight. Sie hat jede Figur individuell zum Leben erweckt – es fühlte sich fast an wie „Kino zum Hören“.

Fazit:
Ein stimmungsvolles Jugendbuch voller Herbstmagie, Kleinstadtcharme und Coming-of-Age-Elementen. Trotz kleiner Schwächen bei der Figurenzeichnung von Cooper hat mich „Falling Like Leaves“ wunderbar unterhalten und mir viele cozy Lesestunden beschert.

Bewertung vom 30.09.2025
Bähr, Julia

Hustle


sehr gut

Julia Bähr legt mit Hustle einen temporeichen, pointierten Roman vor, der sich rasant liest – nicht zuletzt wegen der kurzen, prägnanten Sätze, die den Ton setzen. Die Geschichte der Protagonistin Leonie beginnt zunächst mit Irritation: Überheblich, zynisch und wenig sympathisch wirkte sie auf mich in den ersten Kapiteln. Doch je mehr man über sie erfährt, desto besser lassen sich ihre Handlungen und Einstellungen nachvollziehen.

Leonie ist promovierte Pflanzenforscherin und Einzelkämpferin. Nach einem Eklat in ihrem alten Job in Berlin – ihr Chef hat ihre Forschung geklaut, sie hat sein Büro verwüstet – wird sie nach München „verbannt“, wo sie fortan in der zoologischen Staatssammlung Käfer bestimmen muss. Ein Job, von dem sie keine Ahnung hat und der weit unter ihren Fähigkeiten liegt. Ihre finanzielle Situation ist prekär, ihre Wohnung heruntergekommen, soziale Kontakte fehlen. In dieser Perspektivlosigkeit trifft sie auf Genevieve, die ihr einen zweifelhaften, aber lukrativen Nebenjob anbietet.

Trotz meiner kritischen Haltung gegenüber Leonie als Figur ist die Geschichte überzeugend erzählt. Der Roman entfaltet eine packende Dynamik und wirft ganz nebenbei relevante gesellschaftliche Fragen auf – etwa zur Wohnungsnot in Großstädten, prekärer Beschäftigung und den moralischen Grauzonen, in die Menschen geraten, wenn sie einfach nur überleben wollen.

Hustle ist nicht nur spannend, sondern auch klug und gesellschaftskritisch. Ein Roman, der mit einem Augenzwinkern zeigt, wie schnell man in Schieflagen geraten kann – und wie viel Zynismus man entwickeln muss, um darin zu bestehen.

Bewertung vom 27.09.2025
Enders, Giulia

Organisch


ausgezeichnet

Nach ihrem Bestseller Darm mit Charme legt Giulia Enders nun ihr zweites Werk vor – diesmal mit einem viel größeren Blickwinkel. In Organisch nimmt sie den gesamten Körper in den Fokus und widmet sich einzelnen Organsystemen wie Lunge, Gehirn, Haut, Immunsystem und Muskeln.

Besonders beeindruckend ist die Art, wie Enders medizinische Sachverhalte vermittelt: verständlich, anschaulich und mit einem guten Gespür dafür, komplexe Vorgänge plastisch und greifbar zu machen. Sie verknüpft Fachwissen mit persönlichen Geschichten, sodass die Lektüre (bzw. in meinem Fall das Hörbuch, gesprochen von der Autorin selbst) nie trocken wirkt. Im Gegenteil: Ihre lebendige Erzählweise macht das Zuhören ausgesprochen angenehm.

Auch wer sich bereits mit medizinischen Themen beschäftigt hat, wird in diesem Buch Neues entdecken. Enders gelingt es, nicht nur spannende Fakten zu liefern, sondern auch die Beziehung zwischen Körper und Mensch zu beleuchten: was wir über unseren Körper lernen können – und was wir durch ihn über uns selbst lernen.

Fazit: Organisch ist alles andere als ein trockenes Sachbuch. Es ist eine ebenso lehrreiche wie unterhaltsame Reise durch den menschlichen Körper, die sich definitiv lohnt – egal ob man medizinischer Laie ist oder schon einiges weiß.

Bewertung vom 27.09.2025
Schröder, Dennis;Tielmann, Christian

Wir Jungs vom Prinzenpark


ausgezeichnet

Ich habe das Buch von Dennis Schröder als Hörbuch gehört und war wirklich sehr angetan. Die Geschichten sind geeignet für die Kinder-Zielgruppe, aber auch wunderbar zu Lesen/Hören für Erwachsene. Mit viel Humor, dass ich aus dem Schmunzeln kaum heraus kam, aber auch Anstößen zum Nachdenken, begleitet der/die Hörer/in den Basketballstar in Abschnitten durch seine Kindheit. Ich hätte gerne noch viel mehr Geschichten gelesen und hoffe sehr auf eine Fortsetzung! Für mich ein Highlight aus dem Jahr 2025!

Bewertung vom 27.09.2025
Sauer, Anne

Im Leben nebenan


gut

Anne Sauer erzählt in Im Leben nebenan eine Geschichte, die auf den ersten Blick spannend und leicht fantastisch wirkt, im Kern aber sehr stark um die Themen Kinderwunsch, Mutterschaft und gesellschaftliche Erwartungen an Frauen kreist.

Im Zentrum stehen zwei Versionen von Antonia (Toni), die beide auf ihre Weise verzweifelt sind: die eine, weil sie seit Jahren versucht, mit ihrem gegenwärtigen Lebenspartner ein Kind zu bekommen, die andere, weil sie eines Tages aufwacht und plötzlich ein Neugeborenes vor sich hat, dessen Vater ihr "Ex"partner ist und mit dem sie als Familie wieder in ihrem Heimatdorf lebt.

Diese Gegenüberstellung war faszinierend, weil sie die Ambivalenz rund um das Thema Kinderwunsch und Mutterschaft schonungslos offenlegte. Anne Sauer nimmt die Leser*innen sehr nah mit in die Gefühlswelt beider Tonis und insbesondere durch Nebenfiguren wurde deutlich, wie einsam Toni eigentlich ist.

Stark fand ich auch den erzählerischen Kniff, dass Antonia in die Rolle der Mutter „hineingeworfen“ wurde, ohne sich bewusst dafür entschieden zu haben. Dadurch wird die Überforderung viel plastischer spürbar. Auch in anderen Szenen zeigte das Buch klar auf, wie Frauen zwischen Familie, Beruf und Erwartungen zerrieben werden: etwa wenn klar wird, dass Kolleginnen entlassen werden, während der männliche Kollege bleiben darf. Hier steckte viel Kritik am gesellschaftlichen Umgang mit Frauen und Müttern drin.

Ein Satz, der mir besonders nachhallt, ist: „Frausein ist immer zu viel von allem.“ Das fasst für mich das zentrale Spannungsfeld des Romans perfekt zusammen.

Was mir weniger gefallen hat, war das Ende. Zudem hätte ich mir gewünscht, dass die Fokussierung auf das Thema Kinderwunsch im Klappentext deutlich gemacht wird. So empfand ich die Lektüre als thematisch etwas eindimensional. Nichtsdestotrotz war es gut gemacht und spannend. Ob kinderlos oder nicht - hier kann sich jede Frau wieder finden.

Bewertung vom 27.09.2025
Holthaus, Lara

Hidden Lies / Marigold Manor Bd.1


ausgezeichnet

Lola ist Dressurreiterin und möchte unbedingt Einblick in das elitäre Gestüt von Marigold Manor erhalten. Denn dort lebt und arbeitet der Mensch, der für den Tod ihrer Schwester verantwortlich ist: Aiven Audley. Als sie das Angebot bekommt, mit ihm gemeinsam einen Podcast aufzunehmen, sagt sie deshalb sofort zu. Vor Ort gerät sie jedoch nach und nach immer tiefer in die Machenschaften von Marigold Manor und kann bald nicht mehr differieren, wer Freund und wer Feind ist.

Schon die ersten Seiten haben mich total mitgerissen: Der Schreibstil ist flüssig, leicht zu lesen und gleichzeitig so emotional, dass ich sofort in Lolas und Aivens Welt abgetaucht bin. Besonders durch die wechselnden Perspektiven konnte ich die Handlungen der beiden Figuren von Anfang an gut nachvollziehen – und so sind die Seiten wirklich nur dahin geflogen.

Lola fand ich von Beginn an spannend. Ich konnte gut mit ihr mitfühlen, auch wenn sie manchmal recht verbissen wirkte. Gleichzeitig mochte ich es sehr, dass sie eine starke, schlagfertige Protagonistin ist, die sich nicht blenden lässt - das ist in Romance-Romanen keine Selbstverständlichkeit. Aiven habe ich sofort ins Herz geschlossen. Er ist zerrissen, gleichzeitig sympathisch und geheimnisvoll. Besonders schön fand ich, dass die Anziehung zwischen den beiden realistisch wirkte und als Slow Burn erzählt wird. Keine kitschige Insta-Love-Story, sondern eine Entwicklung, die mich überzeugt hat. Mein heimlicher Favorit war allerdings Henry, der Bruder von Aiven: seine lockere Art, sein Humor, aber auch die dunkleren Seiten machten ihn für mich extrem interessant. Ich freue mich schon jetzt, dass er in Band 2 mehr Raum bekommen wird.

Was ich nicht erwartet hätte: Dieses Buch ist viel mehr als eine Romance. Es geht um Macht, Sexismus, alteingesessene Strukturen – und darum, wie Menschen in gefährliche Abhängigkeiten geraten. Einige Szenen haben mich richtig geschockt, andere wütend gemacht. Gerade die sexistischen und chauvinistischen Momente fand ich furchtbar beklemmend und gleichzeitig unglaublich wichtig, dass sie thematisiert werden. Das Nachwort hat mir noch einmal deutlich vor Augen geführt, wie realistisch diese Strukturen sind und wie schwer es für Betroffene ist, da rauszukommen. Damit habe ich beim Einstieg in die Geschichte überhaupt nicht gerechnet und genau das hat mich so gepackt.

Richtig toll fand ich den Humor, der sich durchzog, besonders in den Dialogen durch Lolas Schlagfertigkeit. Ich habe mehrmals laut gelacht und die Pop-Culture-Referenzen haben das Ganze noch authentischer gemacht.

Ein kleiner Wermutstropfen war für mich, dass die Pferde und auch der Pferdesport ein bisschen zu kurz gekommen sind. Gerade weil Dressurreiten das Setting ist, hätte ich mir innigere Szenen zwischen Mensch und Tier gewünscht. Auch das Ende kam mir etwas zu schnell – vor allem zwischen Lola und Aiven hätte ich gerne noch ein oder zwei klärende Szenen gehabt, um ihre Entscheidungen besser nachfühlen zu können.

Fazit: „Marigold Manor: Hidden Lies“ hat mich total überrascht: Statt einer leichten Romance habe ich eine spannende, tiefgründige und stellenweise richtig beklemmende Geschichte bekommen, die mich emotional komplett abgeholt hat. Ich habe gelacht, geflucht, gehofft und konnte das Buch kaum aus der Hand legen. Trotz kleiner Schwächen im Bereich Pferdesport und einem etwas schnellen Ende ist es für mich ein absoluter Pageturner mit Suchtpotenzial. Band 2 ist für mich Pflicht, allein schon wegen Henry, aber auch, weil ich unbedingt wissen will, wie es in Marigold Manor weitergeht.

Bewertung vom 25.09.2025
Nixon, Pippa

Honeybridge. All Mine


gut

Isabella will nach ihrer Scheidung ein neues Kapitel beginnen. Ihr größter Traum: endlich ihr eigenes Restaurant zu eröffnen. Um Ablenkungen zu vermeiden, auferlegt sie sich eine besondere Regel: ein Jahr lang kein Sex und keine Männergeschichten. Dumm nur, dass direkt gegenüber der attraktive Restaurantbesitzer Étienne auftaucht, der mit seiner charmanten Art genau diese Regel auf die Probe stellt.

Der Roman "Honeybridge All Mine" ist als Smalltown-Romance angelegt und punktet mit einem niedlichen Setting: Honeybridge ist ein Ort, an dem alle zusammenhalten und man sich gerne aufhält. Es gibt viele charmante, teilweise auch witzige Momente und Figuren, die auf mich sympathisch wirkten. Für entspanntes Weglesen oder als Einschlaflektüre ist das Buch durchaus geeignet – locker, leicht und schnell konsumiert.
Trotzdem hatte ich das Gefühl, durch den Schreibstil in der dritten Person auf Distanz zu den Figuren zu bleiben. Die wechselnden Kapitel aus der Sicht von Isabella und Étienne halfen dabei nur bedingt, da die Figuren insgesamt eher vage beschrieben werden und mir Tiefe fehlte, um wirklich mitzufühlen. Besonders bei Étienne bleibt das Stereotyp des Frauenhelden, der plötzlich von der Einen bekehrt wird, sehr klischeehaft.

Auch inhaltlich gab es Punkte, die mich irritiert haben: Isabellas „Kein-Sex-für-ein-Jahr“-Regel erschien mir nicht konsequent umgesetzt. Wenn es eigentlich um persönliche Entwicklung und berufliche Konzentration gehen sollte, passte es für mich nicht, dass Intimität mit Étienne trotzdem so früh und so stark im Fokus stand. Generell lag mir zu viel Gewicht auf dem Körperlichen, während die emotionale Entwicklung ihrer Beziehung oberflächlich blieb. Besonders das Ende wirkte in dieser Hinsicht überhastet und unglaubwürdig auf mich.

Ein weiteres Manko war der fehlende Herbstvibe – obwohl die Handlung eigentlich in dieser Jahreszeit spielt, kam davon beim Lesen keine Stimmung bei mir an. Ich hätte mir ein Gilmore-Girls-Setting und -Feeling gewünscht.

Fazit: "Honeybridge: All Mine" ist eine nette, leichte Lektüre mit Smalltown-Setting. Allerdings fehlte mir die Tiefe bei den Figuren, die Glaubwürdigkeit der Liebesgeschichte und der emotionale Funke. Für Zwischendurch ist es okay, aber nicht cozy genug und bleibt leider ohne lange Nachwirkung.

Bewertung vom 25.09.2025
O'Roark, Elizabeth

The Summer I Saved You


sehr gut

Um sich von ihrem Mann scheiden zu lassen, zieht Lucie mit ihren Kindern in das Ferienhaus ihrer Familie. Unerwarteterweise wohnt nebenan nicht nur ihr Teenie-Crush Caleb - er ist auch noch ihr neuer Boss! Hin- und hergerissen zwischen Scheidungsdrama eines toxisch-kontrollierenden Ex, Erziehung ihrer zwei Zwillinge und dem neuen Job arbeiten sich nach und nach die alten Gefühle zu Caleb an die Oberfläche - doof nur, dass er keine Verpflichtungen haben will...

Elizabeth O’Roark hat auch mit "The Summer I Saved You" wieder bewiesen, wie sehr sie es versteht, Emotionen greifbar zu machen. Ihr Schreibstil ist packend, gefühlvoll und schafft es, mich von Anfang bis Ende mit den Figuren mitfühlen zu lassen. Lucie und Caleb wirkten lebendig und vielschichtig, auch wenn ich nicht jede ihrer Entscheidungen ganz nachvollziehen konnte – genau das machte sie mir aber realistisch und interessant.

Im Vergleich zu Teil eins der Summer-Reihe konnte mich dieser Band allerdings nicht ganz so stark begeistern. Vor allem das Ende wirkte für mich etwas überhastet. Mir fehlte eine klarere Auflösung rund um Lucies Ex, und auch die Auseinandersetzung zwischen Caleb und seiner Ex-Frau hätte mehr Raum vertragen können.

Trotzdem ist die Geschichte insgesamt hoch emotional und fesselnd. Die Mischung aus Drama, Romantik und einigen sehr gelungenen Spice-Szenen hat mich durchgehend gut unterhalten. Auch wenn es für mich kleine Abzüge beim Finale gibt, bleibt "The Summer I Saved You" eine mitreißende Fortsetzung, die Fans der Reihe auf jeden Fall lesen sollten.

Bewertung vom 19.09.2025
Kuang, R. F.

Katabasis


sehr gut

Alice ist Doktorandin der analytischen Magie in Cambridge und steht kurz vor ihrem Abschluss bei dem berühmt-berüchtigten Professor Grimes. Als dieser durch ein von ihr verursachtes Unglück zu Tode kommt, will Alice in die Hölle reisen, um ihn zurückzuholen. Problem 1: Das hat noch nie jemand geschafft. Problem 2: Ihr Rivale Peter will mitkommen.
Gemeinsam reisen sie in die Hölle und begegnen vor allem einem Abgrund: Dem in sich selbst.

Rebecca F. Kuang ist bekannt dafür, ihre Leser*innen herauszufordern, und mit „Katabasis“ ist ihr das einmal mehr gelungen. Ihr neuer Roman ist ebenso gnadenlos klug wie schonungslos in seiner Kritik – und er ist alles andere als leichte Kost.

Von Beginn an herrschte eine untergründige Spannung, die die Hölle, durch die die Figuren wandern, nicht nur zu einem physischen Ort, sondern auch zu einem psychischen Abstieg machte. Der Ton war insbesondere zu Beginn beißend sarkastisch, oft schneidend, und zugleich von einer intellektuellen Wucht, die mich an eine wissenschaftliche Abhandlung erinnerte – z.B. mit mathematischen und geometrischen Exkursen, die mich ehrlich gesagt mehrfach überfordert haben. Da musste ich manches zweimal lesen oder auch Recherchearbeit betreiben. Zwischen langen, philosophischen Passagen blitzten aber glücklicherweise immer wieder lockere Dialoge auf, die Leichtigkeit und Lesefreude zurückbrachten. Gerade dieser Kontrast machte für mich den Reiz aus, auch wenn ich mich streckenweise durch zähe Kapitel arbeiten musste. Es ist ein Roman, den man nicht verschlingt, sondern im Prinzip durcharbeiten muss.

Im Kern ist „Katabasis“ eine sezierende Auseinandersetzung mit der akademischen Welt: dem Leistungsdruck, dem Opfergedanken, dem toxischen Abhängigkeitsverhältnis zu Doktorvätern und der permanenten Selbstlüge, die nötig ist, um in diesem System bestehen zu können. Darüber hinaus verhandelt der Roman politische Fragen wie Migration und Armut, aber auch zutiefst persönliche wie Selbstwert, Schuld und Feminismus. Die Hölle erscheint dabei als Spiegel dieser Themen: wandelbar, individuell, unerbittlich. Mich hat dieses Potpourri an Themen sehr begeistern können, in vielen Punkten fühlte ich mich persönlich angesprochen. Einige sehr philosophisch-theoretische Passagen zogen sich jedoch zäh dahin und hätten für mich eingedampft werden können. Die Handlung blieb mir hier mehrfach zu sehr hinter den philosophischen Exkursen zurück.

Alice und Peter sind keine Figuren, die man sofort ins Herz schließt. Im Gegenteil: Sie sind widersprüchlich, unsympathisch, gebrochen. Alice ist ehrgeizig bis zur Selbstaufgabe, gefangen in der Hörigkeit gegenüber ihrem Professor, und voller Widersprüche und hat mich damit oft frustriert. Peter wirkte auf mich anfangs optimistischer, doch auch er blieb zwiespältig. Gerade diese Ambivalenz machte die Figuren für mich faszinierend: Sie müssen erst wachsen, Fehler machen, sich mit ihren Abgründen auseinandersetzen. Kuang verzichtet wie schon bei „Yellowface“ auf einfache Identifikationsfiguren und zwingt ihre Leser*innen, sich an Reibungspunkten abzuarbeiten. Das ist spannend, aber anstrengend, und warm wurde ich mit Alice trotz versöhnlichem Ende bis zuletzt nicht.

Fazit: „Katabasis“ ist ein gewaltiges, widersprüchliches Werk: philosophisch überbordend, stellenweise zäh, aber eben auch gnadenlos klug. Es hat mich Zeit, Konzentration und Geduld gekostet, und manchmal war es schlicht zu viel Philosophie auf einmal. Aber es war auch faszinierend, überraschend, und so anders als alles, was ich sonst gelesen habe. Es hat mich zum Nachdenken gebracht über Macht, über Wissenschaft, über Selbstlügen und über das, was wirklich zählt. Ich habe es nicht weg mit dem Gefühl weggelegt, eine spannende Höllengeschichte gelesen zu haben, sondern mit dem Eindruck, dass dieses Buch noch in mir weiterarbeiten wird.

Bewertung vom 18.09.2025
Grünig, Michaela

Zeitensturm / Blankenese - Zwei Familien Bd.3


ausgezeichnet

Mit "Blankenese – Zwei Familien – Zeitensturm" legt Michaela Grünig den dritten und letzten Band ihrer Trilogie vor und es zog mich von der ersten Seite wieder in den Bann. Schon der Einstieg gelang nahezu mühelos, nicht zuletzt dank der hilfreichen Übersicht über die Familienverhältnisse, die zur Erinnerung nach den ersten beiden Bänden wichtig war, da ich diese jeweils zum Erscheinungstermin gelesen hatte.

Die Autorin beweist einmal mehr ihr Talent, geschichtliche Ereignisse und politische Entwicklungen mit persönlichen Schicksalen zu verweben. Ob Studentenbewegung, Vietnamkrieg, Aufarbeitung des Nationalsozialismus, DDR, RAF oder Paragraf 218 – all diese Themen flossen in die Handlung ein, ohne belehrend zu wirken. Vielmehr erlebte ich erneut die Zeitgeschichte durch die Augen plastisch gezeichneter Figuren, mit denen ich mitfühlen, mitleiden und mitfiebern konnte.

Besonders Ulrike hat mich dabei stark beeindruckt. Sie ringt mit sich, mit den Erwartungen ihrer Eltern und ihrer eigenen Beziehung und ihre Entwicklung habe ich deshalb gespannt verfolgt. Ihre Ambivalenz, ihre Stärke und ihr Ringen um Selbstbestimmung haben sie für mich zur vielleicht spannendsten Figur gemacht. Gleichzeitig hat mich ihr Verhältnis zu einer Figur, die nach und nach in die RAF abdriftet, fassungslos und frustriert zurückgelassen und ich habe mitgefiebert, ob Ulrike die Kurve kriegen würde.

Ihre Schwester Sabine wiederum ist ein stiller, aber nicht weniger interessanter Gegenpol. Ihre Zartheit, ihre Einsamkeit, aber auch ihre Anfänge von Rebellion haben mich bewegt. Besonders ihre Auseinandersetzungen mit Mutter Sonja haben mich oft fassungslos gemacht. Nach und nach zeigte sich, wohin eine zerrüttete Eltern-Kind-Beziehung führen kann.

Mein persönlicher Liebling der Trilogie blieb aber die dritte Figur im Fokus - Kurt: ein Mann, der gegen Widerstände und Schweigen ankämpft und in der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit und auch später der Strafverfolgung der RAF nicht locker lässt. Sein Idealismus, aber auch die Steine, die ihm in den Weg gelegt werden, machen seinen Strang zu einem wichtigen Teil der Handlung, der zeigt, wie schwierig der juristische Weg der Aufarbeitung ist und wie schmal der Grat zwischen demokratischem Verhalten und Machtausnutzung. Wer jedoch kein Fan juristischer Sachverhalte ist, wird hier möglicherweise nicht ganz so begeistert sein.

Insgesamt gelang es Michaela Grünig wieder, die Balance zwischen historischer Genauigkeit, politischem Zeitgeist und emotionaler Tiefe zu halten. Es gibt Figuren, die man sofort ins Herz schließt, und andere, die man leidenschaftlich verabscheut. Genau das hielt bei mir die Spannung bis zum Schluss hoch.

Das Ende hat mich vollkommen überrascht und tief getroffen. Ohne zu viel zu verraten: Es ist dramatisch, erschütternd und alles andere als „Friede, Freude, Eierkuchen“. Gerade dadurch wirkte es lange nach und macht die Trilogie für mich zu einem eindringlichen literarischen Erlebnis, das mir im Gedächtnis bleiben wird.

Fazit: Diese Reihe hat mich, die eigentlich nie ein Fan von historischen Romanen war, restlos überzeugt. Sie zeigt Menschen, die in bewegten Zeiten ihren Platz suchen, Fehler machen, kämpfen und hoffen. Die Blankenese-Trilogie hat mich nicht nur bestens unterhalten, sondern auch zum Nachdenken gebracht und mein Interesse an der Geschichte dieser Epoche vertieft.

Auch, wenn mich das Ende schockierte, was es für mich ein packendes, authentisches und sehr bewegendes Finale einer außergewöhnlichen Reihe. Absolute Leseempfehlung!