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Bücherwurm

Bewertungen

Insgesamt 286 Bewertungen
Bewertung vom 27.09.2025
Enders, Giulia

Organisch


ausgezeichnet

Nach ihrem Bestseller Darm mit Charme legt Giulia Enders nun ihr zweites Werk vor – diesmal mit einem viel größeren Blickwinkel. In Organisch nimmt sie den gesamten Körper in den Fokus und widmet sich einzelnen Organsystemen wie Lunge, Gehirn, Haut, Immunsystem und Muskeln.

Besonders beeindruckend ist die Art, wie Enders medizinische Sachverhalte vermittelt: verständlich, anschaulich und mit einem guten Gespür dafür, komplexe Vorgänge plastisch und greifbar zu machen. Sie verknüpft Fachwissen mit persönlichen Geschichten, sodass die Lektüre (bzw. in meinem Fall das Hörbuch, gesprochen von der Autorin selbst) nie trocken wirkt. Im Gegenteil: Ihre lebendige Erzählweise macht das Zuhören ausgesprochen angenehm.

Auch wer sich bereits mit medizinischen Themen beschäftigt hat, wird in diesem Buch Neues entdecken. Enders gelingt es, nicht nur spannende Fakten zu liefern, sondern auch die Beziehung zwischen Körper und Mensch zu beleuchten: was wir über unseren Körper lernen können – und was wir durch ihn über uns selbst lernen.

Fazit: Organisch ist alles andere als ein trockenes Sachbuch. Es ist eine ebenso lehrreiche wie unterhaltsame Reise durch den menschlichen Körper, die sich definitiv lohnt – egal ob man medizinischer Laie ist oder schon einiges weiß.

Bewertung vom 27.09.2025
Holthaus, Lara

Hidden Lies / Marigold Manor Bd.1


ausgezeichnet

Lola ist Dressurreiterin und möchte unbedingt Einblick in das elitäre Gestüt von Marigold Manor erhalten. Denn dort lebt und arbeitet der Mensch, der für den Tod ihrer Schwester verantwortlich ist: Aiven Audley. Als sie das Angebot bekommt, mit ihm gemeinsam einen Podcast aufzunehmen, sagt sie deshalb sofort zu. Vor Ort gerät sie jedoch nach und nach immer tiefer in die Machenschaften von Marigold Manor und kann bald nicht mehr differieren, wer Freund und wer Feind ist.

Schon die ersten Seiten haben mich total mitgerissen: Der Schreibstil ist flüssig, leicht zu lesen und gleichzeitig so emotional, dass ich sofort in Lolas und Aivens Welt abgetaucht bin. Besonders durch die wechselnden Perspektiven konnte ich die Handlungen der beiden Figuren von Anfang an gut nachvollziehen – und so sind die Seiten wirklich nur dahin geflogen.

Lola fand ich von Beginn an spannend. Ich konnte gut mit ihr mitfühlen, auch wenn sie manchmal recht verbissen wirkte. Gleichzeitig mochte ich es sehr, dass sie eine starke, schlagfertige Protagonistin ist, die sich nicht blenden lässt - das ist in Romance-Romanen keine Selbstverständlichkeit. Aiven habe ich sofort ins Herz geschlossen. Er ist zerrissen, gleichzeitig sympathisch und geheimnisvoll. Besonders schön fand ich, dass die Anziehung zwischen den beiden realistisch wirkte und als Slow Burn erzählt wird. Keine kitschige Insta-Love-Story, sondern eine Entwicklung, die mich überzeugt hat. Mein heimlicher Favorit war allerdings Henry, der Bruder von Aiven: seine lockere Art, sein Humor, aber auch die dunkleren Seiten machten ihn für mich extrem interessant. Ich freue mich schon jetzt, dass er in Band 2 mehr Raum bekommen wird.

Was ich nicht erwartet hätte: Dieses Buch ist viel mehr als eine Romance. Es geht um Macht, Sexismus, alteingesessene Strukturen – und darum, wie Menschen in gefährliche Abhängigkeiten geraten. Einige Szenen haben mich richtig geschockt, andere wütend gemacht. Gerade die sexistischen und chauvinistischen Momente fand ich furchtbar beklemmend und gleichzeitig unglaublich wichtig, dass sie thematisiert werden. Das Nachwort hat mir noch einmal deutlich vor Augen geführt, wie realistisch diese Strukturen sind und wie schwer es für Betroffene ist, da rauszukommen. Damit habe ich beim Einstieg in die Geschichte überhaupt nicht gerechnet und genau das hat mich so gepackt.

Richtig toll fand ich den Humor, der sich durchzog, besonders in den Dialogen durch Lolas Schlagfertigkeit. Ich habe mehrmals laut gelacht und die Pop-Culture-Referenzen haben das Ganze noch authentischer gemacht.

Ein kleiner Wermutstropfen war für mich, dass die Pferde und auch der Pferdesport ein bisschen zu kurz gekommen sind. Gerade weil Dressurreiten das Setting ist, hätte ich mir innigere Szenen zwischen Mensch und Tier gewünscht. Auch das Ende kam mir etwas zu schnell – vor allem zwischen Lola und Aiven hätte ich gerne noch ein oder zwei klärende Szenen gehabt, um ihre Entscheidungen besser nachfühlen zu können.

Fazit: „Marigold Manor: Hidden Lies“ hat mich total überrascht: Statt einer leichten Romance habe ich eine spannende, tiefgründige und stellenweise richtig beklemmende Geschichte bekommen, die mich emotional komplett abgeholt hat. Ich habe gelacht, geflucht, gehofft und konnte das Buch kaum aus der Hand legen. Trotz kleiner Schwächen im Bereich Pferdesport und einem etwas schnellen Ende ist es für mich ein absoluter Pageturner mit Suchtpotenzial. Band 2 ist für mich Pflicht, allein schon wegen Henry, aber auch, weil ich unbedingt wissen will, wie es in Marigold Manor weitergeht.

Bewertung vom 19.09.2025
Kuang, R. F.

Katabasis


sehr gut

Alice ist Doktorandin der analytischen Magie in Cambridge und steht kurz vor ihrem Abschluss bei dem berühmt-berüchtigten Professor Grimes. Als dieser durch ein von ihr verursachtes Unglück zu Tode kommt, will Alice in die Hölle reisen, um ihn zurückzuholen. Problem 1: Das hat noch nie jemand geschafft. Problem 2: Ihr Rivale Peter will mitkommen.
Gemeinsam reisen sie in die Hölle und begegnen vor allem einem Abgrund: Dem in sich selbst.

Rebecca F. Kuang ist bekannt dafür, ihre Leser*innen herauszufordern, und mit „Katabasis“ ist ihr das einmal mehr gelungen. Ihr neuer Roman ist ebenso gnadenlos klug wie schonungslos in seiner Kritik – und er ist alles andere als leichte Kost.

Von Beginn an herrschte eine untergründige Spannung, die die Hölle, durch die die Figuren wandern, nicht nur zu einem physischen Ort, sondern auch zu einem psychischen Abstieg machte. Der Ton war insbesondere zu Beginn beißend sarkastisch, oft schneidend, und zugleich von einer intellektuellen Wucht, die mich an eine wissenschaftliche Abhandlung erinnerte – z.B. mit mathematischen und geometrischen Exkursen, die mich ehrlich gesagt mehrfach überfordert haben. Da musste ich manches zweimal lesen oder auch Recherchearbeit betreiben. Zwischen langen, philosophischen Passagen blitzten aber glücklicherweise immer wieder lockere Dialoge auf, die Leichtigkeit und Lesefreude zurückbrachten. Gerade dieser Kontrast machte für mich den Reiz aus, auch wenn ich mich streckenweise durch zähe Kapitel arbeiten musste. Es ist ein Roman, den man nicht verschlingt, sondern im Prinzip durcharbeiten muss.

Im Kern ist „Katabasis“ eine sezierende Auseinandersetzung mit der akademischen Welt: dem Leistungsdruck, dem Opfergedanken, dem toxischen Abhängigkeitsverhältnis zu Doktorvätern und der permanenten Selbstlüge, die nötig ist, um in diesem System bestehen zu können. Darüber hinaus verhandelt der Roman politische Fragen wie Migration und Armut, aber auch zutiefst persönliche wie Selbstwert, Schuld und Feminismus. Die Hölle erscheint dabei als Spiegel dieser Themen: wandelbar, individuell, unerbittlich. Mich hat dieses Potpourri an Themen sehr begeistern können, in vielen Punkten fühlte ich mich persönlich angesprochen. Einige sehr philosophisch-theoretische Passagen zogen sich jedoch zäh dahin und hätten für mich eingedampft werden können. Die Handlung blieb mir hier mehrfach zu sehr hinter den philosophischen Exkursen zurück.

Alice und Peter sind keine Figuren, die man sofort ins Herz schließt. Im Gegenteil: Sie sind widersprüchlich, unsympathisch, gebrochen. Alice ist ehrgeizig bis zur Selbstaufgabe, gefangen in der Hörigkeit gegenüber ihrem Professor, und voller Widersprüche und hat mich damit oft frustriert. Peter wirkte auf mich anfangs optimistischer, doch auch er blieb zwiespältig. Gerade diese Ambivalenz machte die Figuren für mich faszinierend: Sie müssen erst wachsen, Fehler machen, sich mit ihren Abgründen auseinandersetzen. Kuang verzichtet wie schon bei „Yellowface“ auf einfache Identifikationsfiguren und zwingt ihre Leser*innen, sich an Reibungspunkten abzuarbeiten. Das ist spannend, aber anstrengend, und warm wurde ich mit Alice trotz versöhnlichem Ende bis zuletzt nicht.

Fazit: „Katabasis“ ist ein gewaltiges, widersprüchliches Werk: philosophisch überbordend, stellenweise zäh, aber eben auch gnadenlos klug. Es hat mich Zeit, Konzentration und Geduld gekostet, und manchmal war es schlicht zu viel Philosophie auf einmal. Aber es war auch faszinierend, überraschend, und so anders als alles, was ich sonst gelesen habe. Es hat mich zum Nachdenken gebracht über Macht, über Wissenschaft, über Selbstlügen und über das, was wirklich zählt. Ich habe es nicht weg mit dem Gefühl weggelegt, eine spannende Höllengeschichte gelesen zu haben, sondern mit dem Eindruck, dass dieses Buch noch in mir weiterarbeiten wird.

Bewertung vom 18.09.2025
Grünig, Michaela

Zeitensturm / Blankenese - Zwei Familien Bd.3


ausgezeichnet

Mit "Blankenese – Zwei Familien – Zeitensturm" legt Michaela Grünig den dritten und letzten Band ihrer Trilogie vor und es zog mich von der ersten Seite wieder in den Bann. Schon der Einstieg gelang nahezu mühelos, nicht zuletzt dank der hilfreichen Übersicht über die Familienverhältnisse, die zur Erinnerung nach den ersten beiden Bänden wichtig war, da ich diese jeweils zum Erscheinungstermin gelesen hatte.

Die Autorin beweist einmal mehr ihr Talent, geschichtliche Ereignisse und politische Entwicklungen mit persönlichen Schicksalen zu verweben. Ob Studentenbewegung, Vietnamkrieg, Aufarbeitung des Nationalsozialismus, DDR, RAF oder Paragraf 218 – all diese Themen flossen in die Handlung ein, ohne belehrend zu wirken. Vielmehr erlebte ich erneut die Zeitgeschichte durch die Augen plastisch gezeichneter Figuren, mit denen ich mitfühlen, mitleiden und mitfiebern konnte.

Besonders Ulrike hat mich dabei stark beeindruckt. Sie ringt mit sich, mit den Erwartungen ihrer Eltern und ihrer eigenen Beziehung und ihre Entwicklung habe ich deshalb gespannt verfolgt. Ihre Ambivalenz, ihre Stärke und ihr Ringen um Selbstbestimmung haben sie für mich zur vielleicht spannendsten Figur gemacht. Gleichzeitig hat mich ihr Verhältnis zu einer Figur, die nach und nach in die RAF abdriftet, fassungslos und frustriert zurückgelassen und ich habe mitgefiebert, ob Ulrike die Kurve kriegen würde.

Ihre Schwester Sabine wiederum ist ein stiller, aber nicht weniger interessanter Gegenpol. Ihre Zartheit, ihre Einsamkeit, aber auch ihre Anfänge von Rebellion haben mich bewegt. Besonders ihre Auseinandersetzungen mit Mutter Sonja haben mich oft fassungslos gemacht. Nach und nach zeigte sich, wohin eine zerrüttete Eltern-Kind-Beziehung führen kann.

Mein persönlicher Liebling der Trilogie blieb aber die dritte Figur im Fokus - Kurt: ein Mann, der gegen Widerstände und Schweigen ankämpft und in der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit und auch später der Strafverfolgung der RAF nicht locker lässt. Sein Idealismus, aber auch die Steine, die ihm in den Weg gelegt werden, machen seinen Strang zu einem wichtigen Teil der Handlung, der zeigt, wie schwierig der juristische Weg der Aufarbeitung ist und wie schmal der Grat zwischen demokratischem Verhalten und Machtausnutzung. Wer jedoch kein Fan juristischer Sachverhalte ist, wird hier möglicherweise nicht ganz so begeistert sein.

Insgesamt gelang es Michaela Grünig wieder, die Balance zwischen historischer Genauigkeit, politischem Zeitgeist und emotionaler Tiefe zu halten. Es gibt Figuren, die man sofort ins Herz schließt, und andere, die man leidenschaftlich verabscheut. Genau das hielt bei mir die Spannung bis zum Schluss hoch.

Das Ende hat mich vollkommen überrascht und tief getroffen. Ohne zu viel zu verraten: Es ist dramatisch, erschütternd und alles andere als „Friede, Freude, Eierkuchen“. Gerade dadurch wirkte es lange nach und macht die Trilogie für mich zu einem eindringlichen literarischen Erlebnis, das mir im Gedächtnis bleiben wird.

Fazit: Diese Reihe hat mich, die eigentlich nie ein Fan von historischen Romanen war, restlos überzeugt. Sie zeigt Menschen, die in bewegten Zeiten ihren Platz suchen, Fehler machen, kämpfen und hoffen. Die Blankenese-Trilogie hat mich nicht nur bestens unterhalten, sondern auch zum Nachdenken gebracht und mein Interesse an der Geschichte dieser Epoche vertieft.

Auch, wenn mich das Ende schockierte, was es für mich ein packendes, authentisches und sehr bewegendes Finale einer außergewöhnlichen Reihe. Absolute Leseempfehlung!

Bewertung vom 13.09.2025
Johnson, Maureen

Death at Morning House


sehr gut

Maureen Johnson gelingt mit Death at Morning House ein spannender Young-Adult-Thriller, der Humor und Nervenkitzel auf gekonnte Weise verbindet. Bereits zu Beginn wird man durch eine liebevoll gestaltete Karte der Insel in die Welt der Geschichte eingeführt – ein schönes Detail, das sofort Lust aufs Weiterlesen macht.

Die Hauptfigur Marlowe ist mir besonders ans Herz gewachsen. Ihr herrlich sarkastischer Unterton und ihr humorvoller Blick auf die Ereignisse machten sie mir unglaublich sympathisch. Nachdem ein Missgeschick das Haus, das sie nebenbei betreut, zerstört, nimmt Marlowe einen Sommerjob auf Ralston Island in Kanada an, um als Tour Guide zu arbeiten und sich in die Geschichte der Insel einzuarbeiten.

Die Erzählstruktur wechselt geschickt zwischen Marlowes Gegenwart und den Familienmitgliedern der Ralstons in den 1930er Jahren. Diese parallelen Handlungsstränge verleihen der Geschichte Tiefe, kleine Cliffhanger und Atmosphäre.

Besonders gelungen fand ich, dass die Spannung bis zum Schluss aufrechterhalten wird – erst ganz am Ende wurde mir klar, wer der Täter gewesen sein muss.

Einziger kleiner Kritikpunkt: Es dauerte vergleichsweise lange, bis in der Gegenwarts-Handlung der erste Mord geschieht. Dennoch überzeugte das Buch durch seine dichte, bildhafte Schreibweise und die atmosphärische Darstellung der Insel.

Insgesamt ist Death at Morning House ein unterhaltsamer, clever erzählter Thriller, der Humor, Spannung und eine sympathische Protagonistin vereint – wenn auch nicht ganz das Niveau von AGGGM von Holly Jackson, so dennoch perfekt für Fans von Young-Adult-Krimis.

Bewertung vom 13.09.2025
June, Joana

Bestie


gut

Joana Junes Debütroman "Bestie" wirft einen schonungslosen Blick auf das Leben junger Frauen in ihren Mittzwanzigern – eine Generation, die scheinbar alles perfekt inszeniert, dabei aber innerlich leer bleibt. Die Geschichte spielt in Hamburg und wechselt zwischen den Perspektiven von Anouk und Lilly, zwei Frauen, die verzweifelt nach Bestätigung, Liebe und Aufmerksamkeit suchen, dabei aber kaum echte Gefühle oder Vertrauen zulassen. Als Lilly, die eigentlich Delia heißt, bei Influencerin Anouk einzieht, um sich ein neues Leben aufzubauen, beginnt zwischen den beiden eine Beziehung, die zunächst weder echte Freundschaft, noch mangelndes Desinteresse beinhaltet.

Die Autorin zeichnet ein Bild von Selbstoptimierung und Oberflächlichkeit: Schönheitsoperationen, Filler, Botox und die ständige Inszenierung in sozialen Medien prägen den Alltag der Figuren. Doch hinter dem makellosen Äußeren steckt Leere; echte Probleme werden kaum geteilt, und der ständige Drang nach Bestätigung machte mir die Figuren extrem unsympathisch.

Der Stil von Joana June ist dabei durchaus bemerkenswert: verspielt, pointiert und sprachlich kreativ. Gerade diese Leichtigkeit im Erzählstil hielt mich bei der Stange, obwohl ich mit den Figuren selbst kaum mitfühlen konnte, ihre überspielten Unsicherheiten und ständige Selbstinszenierung wirkten von Beginn an abstossend auf mich. Die Handlung blieb für meinen Geschmack stellenweise dünn, und die Interludes erschlossen sich mir nicht vollständig. Gegen Ende wurde die Geschichte sehr wild, fast so, als wollte die Autorin unbedingt „höhere“ Literatur fabrizieren. Hier hätte weniger mehr sein können.

Der Titel "Bestie" ist doppeldeutig gewählt und passt gut zur Thematik von Schein und Sein. Trotz einiger Schwächen ist das Buch als Debüt solide und der Stil der Autorin lässt Potenzial für die Zukunft erkennen. Allerdings wird mir die Story vermutlich nicht lange im Gedächtnis bleiben.

Insgesamt hinterlässt Bestie einen zwiespältigen Eindruck: Sprachlich stark, inhaltlich oberflächlich. Für Leserinnen und Leser, die sprachliche Experimente schätzen und einen Blick auf die Oberflächenwelt sozialer Medien werfen möchten, lohnt sich die Lektüre – emotionale Nähe zu den Figuren sollte man jedoch nicht erwarten.

Bewertung vom 13.09.2025
Kurisu, Hiyoko

Der Laden in der Mondlichtgasse


sehr gut

Hiyoko Kurisu entführt die Lesenden mit Der Laden in der Mondlichtgasse in eine Confiserie zwischen Menschen- und Geisterwelt, in der das geheimnisvolle Fuchswesen Kogetsu Süßigkeiten verkauft. Die Geschichte besteht aus 6 Kurzgeschichten und jede kleine Episode erzählt von Menschen, die mit Sorgen, Selbstzweifeln oder Zurückhaltung kämpfen – und durch die magischen Leckereien sanft ermutigt werden, sich ihren Problemen zu stellen.

Besonders spannend fand ich die Figur Kogetsu selbst. Er wirkte von Anfang an angenehm mystisch, und es war schön, schließlich zu erfahren, warum er das tut, was er tut.

Die einzelnen Geschichten sind leicht verständlich und enthalten klare Botschaften: das kleine Glück im Alltag wahrzunehmen, offen miteinander zu sprechen oder den eigenen Wert nicht zu unterschätzen. Am meisten bewegt hat mich die Episode um den jungen Mann Koguma, dessen Selbstzweifel wohl vielen vertraut vorkommen dürften, und die Freundschaftsgeschichte von drei Mädchen, die zeigt, wie schwer es manchmal fällt, ehrlich auszusprechen, was man denkt. In fast jeder Geschichte konnte ich etwas finden, das mich zum Nachfühlen brachte – und ganz nebenbei erfährt man auch viel über japanische Kultur und Süßigkeitentraditionen.

Trotzdem blieb bei mir ein Gefühl von Oberflächlichkeit zurück. Manche Figuren wirkten etwas naiv, die Botschaften oft sehr plakativ und insgesamt hatte ich mir mehr Tiefgang erhofft. So ist das Buch zwar ein netter und kurzweiliger Lesegenuss mit hübschen Illustrationen und sympathischen Momenten, doch kein Werk, das lange nachhallt. Für Zwischendurch aber eine süße kleine Lektüre.

Bewertung vom 13.09.2025
Espach, Alison

Wedding People


ausgezeichnet

Schön, weil es traurig ist oder traurig, weil es schön ist? Alison Espachs Wedding People bewegt sich genau in diesem Zwischenraum und entfaltet eine Geschichte, die ebenso tiefgründig wie berührend ist.

Im Zentrum steht Phoebe, eine Professorin und Expertin für die Literatur des 19. Jahrhunderts, deren Leben nach der Scheidung in Scherben liegt. Verzweifelt und in tiefer Depression reist sie in ein Hotel, das sie eigentlich mit ihrem Mann besuchen wollte mit der Absicht, dort ihr Leben zu beenden.

Doch der Ort ist alles andere als still: Gerade wird eine Hochzeit gefeiert, und Phoebe begegnet der Braut Lila. Ausgerechnet in ihrer Hochzeitswoche hat diese mit allem gerechnet - nur nicht mit einer Frau, die überlegt, sich an ihrer Hochzeitslocation das Leben zu nehmen. Aus dieser ungleichen Begegnung entwickelt sich eine Freundschaft, die beide verändert.

Der Autorin gelingt es, aus dieser Konstellation eine Geschichte zu formen, die niemals klischeehaft wirkt, sondern überraschend, unvorhersehbar und oft von trockenem Humor durchzogen ist. Phoebe ist eine Hauptfigur, die man sofort ins Herz schließt: verletzlich, scharf beobachtend und mit einer feinen ironischen Distanz zum Leben. Besonders stark empfand ich die Figurenentwicklung, die die Leser:innen auf eine Reise zwischen Abgrund und Hoffnung mitnimmt.

Mit spitzer Feder zeichnet die Autorin auch die Dynamik familiärer Zusammenkünfte, die oft mehr Leere als Nähe offenbaren. Doch gerade in dieser präzisen Beobachtung liegt ihr Können: Sie zeigt die Brüchigkeit menschlicher Beziehungen, ohne dabei in Zynismus zu verfallen.

Das Ende schließlich ist herzergreifend und hallte lange bei mir nach. Wedding People ist ein Roman, der zeigt, wie eng Schmerz und Schönheit, Verzweiflung und Hoffnung miteinander verbunden sind – und dass es sich lohnt, das Leben trotz aller Brüche weiterzuleben.

Fazit: Ein berührender, unvorhersehbarer und tiefgründiger Roman, der mit Humor und Feingefühl große Themen wie Verlust, Freundschaft und Neuanfang behandelt. Man sollte sich ein Beispiel an Phoebe nehmen und das Leben einfach leben.

Bewertung vom 13.09.2025
Lane, Melanie

Awake / These Ancient Flames Bd.1


gut

Seit Jahrzehnten sind die Drachen aus dem Land Valtherra verschwunden und seither versiegen nach und nach die magischen Kraftlinien, die die Auguren benötigen, um Magie zu wirken. Augurin Mei ist als Leibwächterin des 1. Kantons zum Schutz des Fürstensohns Tat berufen und sie würde alles tun, um ihren Clan zu beschützen. Als der Fürstensohn des 3. Kantons Raven sie vor einem Angriff warnt und einen Vorschlag hat, um einen drohenden Krieg zu verhindern, steht Mei vor einem Dilemma: kann sie dem abtrünnigen Fürstensohn wirklich trauen?

Bevor ich überhaupt mit dem Lesen begonnen habe, hat mich schon die Gestaltung begeistert – der versteckte Farbschnitt war für mich eine kleine Sensation und ist mir so noch nicht begegnet.

Der Einstieg ins Buch war intensiv: viele politische Strukturen, die Kantone, das Verhältnis zwischen Auguren und normalen Menschen – all das musste ich mir erst einmal sortieren. Ich war heilfroh über die Karte im Einband, die mir wirklich Orientierung geschenkt hat. Dass die Magie über eine Art Leylinien fließt und mystisch wirkt, fand ich sehr faszinierend. Gleichzeitig habe ich gemerkt, dass es Zeit braucht, um in diese Welt hineinzufinden.

Mit Mei als Protagonistin habe ich mich direkt wohlgefühlt: sie ist hitzköpfig, stark, aber auch nahbar, und ihre Szenen mit Tao und später auch Raven haben mich oft zum Schmunzeln gebracht. Raven hingegen ist ein Charakter, der mich von Anfang an zwiespältig zurückgelassen hat: manipulativ, grausam, überheblich und trotzdem nicht ohne Faszination. Die Dynamik zwischen ihm und Mei entwickelte sich langsam, glaubwürdig und manchmal bittersüß.

Besonders stark fand ich die actionreichen Szenen, die Spannung in den Roman brachten. Auch die Idee, Mythologie mit technischem Fortschritt zu verweben, hebt das Buch für mich von anderen Fantasygeschichten ab. Manche Twists haben mich wirklich überrascht und an die Seiten gefesselt.

Gleichzeitig gab es aber auch Längen, die meinen Lesefluss gebremst haben. Manche Abschnitte der Reise wirkten auf mich eher wie ein unnötiger Umweg, manche Szenen überflüssig z.B. Kleidung einkaufen und insgesamt hätte die Geschichte für mich gut 150 Seiten kürzer und konzentrierter sein dürfen. Stellenweise war es zu viel Politik, zu viel Reisebeschreibung – während mir an anderer Stelle kleine, magische Details gefehlt haben. Auch hätte ich mir mehr Einblicke in Ravens direkte Erinnerungen gewünscht, statt immer nur von seinen Vorerfahrungen zu hören. So blieb er für mich manchmal zu distanziert.

Das Ende dagegen hatte es in sich: dramatisch, emotional, voller Wendungen und mit der richtigen Portion Schmerz und Hoffnung, die Lust auf Band 2 macht. Ob ich allerdings auf jeden Fall weiterlesen werde, weiß ich noch nicht, gerade weil mich die zähen Passagen zwischendurch doch sehr ausgebremst haben.

Fazit: "These Ancient Flames" ist für mich eine interessante Fantasygeschichte mit einer starken Heldin, einem komplexen, zwielichtigen Love-Interest und unerwarteten Twists. Es gibt Szenen, die ich absolut geliebt habe und andere, bei denen ich mir mehr Tempo gewünscht hätte. Ein Buch, das mich angesprochen, gefordert, manchmal aber auch frustriert hat.

Bewertung vom 06.09.2025
Lühmann, Hannah

Heimat


weniger gut

In ihrem Roman Heimat erzählt Hannah Lühmann die Geschichte von Jana, die mit ihrem Mann Noah in einem Dorf lebt, in dem die AfD stärkste Kraft ist. Jana wirkte dabei auf mich von Beginn an naiv und orientierungslos: Sie übernimmt nahezu unreflektiert tradwife-Ideale und verfängt sich zunehmend in einem Milieu, in dem rechte Ideologien, verschwörungsgeladener Medienkonsum und eine vermeintliche Sehnsucht nach Geborgenheit miteinander verschwimmen.

Jana kündigt ihren Job, ohne ihren Mann einzubeziehen, erwartet dennoch Verständnis – ein Beispiel für die Kommunikationslosigkeit, die ihre Ehe prägt. Mit Noah verbindet sie immer weniger, während sie gleichzeitig fasziniert auf Karolin, eine zentrale Figur in der Tradwife-Szene, blickt. Diese Faszination entwickelt sich erstaunlich schnell, ohne dass Jana innere Widerstände zeigt. Ihre Entfremdung von Noah verläuft folgerichtig, wirkte auf mich aber literarisch oberflächlich und wenig nachvollziehbar. Insgesamt blieben die Figuren leider flach und schwer greifbar – ein Mitfühlen war mir nicht möglich.

Lühmann berührt viele gesellschaftspolitische Themen – von rechter Ideologie über tradwives bis hin zu Medienverhalten. Doch keines dieser Themen wird in die Tiefe verfolgt. Vieles bleibt bei Andeutungen, vagen Beschreibungen oder halben Thesen stehen. Gerade die Auseinandersetzung mit der AfD oder der Tradwife-Bewegung, die das Potenzial für eine literarische wie politische Reflexion böte, blieb leider aus. Dadurch wirkte der Roman auf mich politisch unbefriedigend: Kritik fehlte weitgehend, eine klare Haltung ebenso.

Eine Stärke des Buches ist, dass es die Vielschichtigkeit rechter Lebenswelten sichtbar macht – wie Alltag, Familienmodelle und Verschwörungserzählungen ineinandergreifen. Auch der Zusammenhalt innerhalb der Szene, die gegenseitige Unterstützung, wurde glaubhaft dargestellt. Doch gerade, weil es keine Figur gibt, die diesen Tendenzen aktiv widerspricht, blieb bei mir ein schaler Nachgeschmack: Wer bereits mit der Szene sympathisiert, könnte sich eher bestätigt als abgeschreckt fühlen.

Fazit: Heimat ist in der Anlage ein spannender Versuch, das Tradwife-Phänomen und seine Verankerung in einer rechtskonservativen Lebenswelt literarisch zu erkunden. Die Umsetzung jedoch hat mich enttäuscht: Oberflächliche Figuren, fehlende innere Logik im Handeln der Protagonistin und die mangelnde kritische Auseinandersetzung mit zentralen Themen ließen den Roman ins Leere laufen. Für Leser:innen, die einen tieferen Einblick in die emotionalen Mechanismen der Tradwife-Bewegung suchen, kann das Buch dennoch interessant sein. Wer aber eine literarisch dichte oder politisch kluge Auseinandersetzung erwartet, wird enttäuscht.