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Benutzername: 
Dreamworx
Wohnort: 
Berlin

Bewertungen

Insgesamt 1377 Bewertungen
Bewertung vom 05.05.2025
Das Licht in den Wellen
Mommsen, Janne

Das Licht in den Wellen


ausgezeichnet

Von einer, die auszog, die Welt für sich zu erobern
Inge Martensen steht kurz vor ihrem hundertjährigen Geburtstag, den die Familie und Freunde groß auf Föhr feiern wollen. Aber Inge hat da ganz anderes im Sinn. Zu gern möchte sie noch einmal nach New York, wo sie als junge Frau nach dem Krieg gearbeitet hat. Gemeinsam mit ihrer 20-jährigen Urenkelin Swantje geht sie heimlich an Bord eines Kreuzfahrtschiffes auf die Reise, wo Swantje so einiges über die Vergangenheit ihrer Urgroßmutter erfährt, die insgeheim hofft, damit ihrer Urenkelin deren Lebensmöglichkeiten aufzuzeigen. Aber auch für Inge soll diese Reise ein Abschluss zu alten Kapiteln sein...
Janne Mommsen hat mit „Das Licht in den Wellen“ einen sehr unterhaltsamen Roman vorgelegt, der den Leser regelrecht in die Seiten hineinsaugt und mit den liebenswerten Protagonisten auf eine wunderschöne Zeitreise schickt. Der flüssige, farbenfrohe und warmherzige Erzählstil lässt den Leser schnell an Inges Seite gleiten, um ihr bei ihrer abenteuerlichen Reise über die Schulter zu sehen, während deren Gedanken- und Gefühlswelt offen vor ihm liegt. Inges mutiger Schritt, als junge Frau ohne Englischkenntnisse ganz allein die Überfahrt nach New York zu wagen und sich von ihrer Familie und ihrem gewohnten Umfeld auf Föhr von jetzt auf gleich zu verabschieden, ringt dem Leser jede Menge Respekt ab. New York selbst wird für Inge zu einem Überraschungsei, denn dort arbeitet sie in einem Deli, dass von Föhrern geführt wird. Die fremde Sprache sowie das hektische Leben in der Riesenstadt jagen ihr einige Angst ein, doch Inge kämpft sich durch und erarbeitet sich mit kulinarischen Eigenkreationen schon bald einen Namen sowie den Respekt aller um sie herum. Ein eigenes Lokal sowie einige Prominenz säumen ihren New Yorker Weg. Der Autor lässt den Leser sehr plastisch an Inges Leben teilhaben, während er gleichzeitig die damalige Zeit und das gesellschaftliche Leben sehr gut in Szene setzt. 30 Jahre bleibt Inge ihrer Heimatinsel Föhr fern, doch dann zieht es sie doch dorthin zurück, um hier ein glückliches Leben mit ihrer Familie zu führen. Nun hofft sie, dass Swantje ebenfalls ihren Weg findet als Modedesignerin und greift ihr deshalb etwas unter die Arme. Mommsen verbindet Vergangenheit und Gegenwart geschickt miteinander, dabei zeigt sich auch seine akribische Recherchearbeit in den vielen bisher wenig bekannten Informationen über die Föhrer Auswanderer, die die Handlung so greifbar, realistisch und lebensnah machen. Die Geschichte lässt den Leser ein wahres Gefühlsbarometer durchlaufen, während die Seiten nur so durch seine Finger rinnen und das Kopfkino nicht stillstehen lassen.
Die Charaktere sind liebevoll ausgestaltet und wirken mit ihren menschlichen Ecken und Kanten wie alte Freunde, denen der Leser nicht von der Seite weichen möchte. Inge ist im Alter eine tatkräftige, mutige Frau mit eigenem Kopf. Sie ist warmherzig, liebenswert und wirkt geradezu furchtlos, während ihr jüngeres Ich Angst vor der eigenen Courage hat, jedoch eine Zähigkeit besitzt, das Beste aus den Gegebenheiten zu machen und sich durchzukämpfen. Swantje ist wie ein Abbild ihrer Urgroßmutter in jungen Jahren. Sie zweifelt an sich selbst, ist unsicher und traut sich nicht viel zu. Dabei besitzt sie viel Kreativität und hat ein Händchen für Mode.
„Das Licht in den Wellen“ hat alles für ein zauberhaftes Lesevergnügen: starke Protagonistinnen, generationenübergreifende Familiengeschichte nebst Geheimnis sowie tolle Beschreibungen von Föhr und New York. Eine spannende Handlung, die Vergangenheit und Gegenwart miteinander verbindet und den Leser auf eine wunderbare Zeitreise schickt. Absolute Leseempfehlung!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 22.04.2025
Licht und Schatten / Montmartre Bd.1
Lacrosse, Marie

Licht und Schatten / Montmartre Bd.1


ausgezeichnet

Wer zu träumen wagt, dem öffnet das Leben neue Türen.
1866 Paris. Marianne muss als Hebamme an einem Sommertag gleich zweimal einem neuen Leben auf die Welt helfen. Erst steht sie der in ärmlichen Verhältnissen lebenden Jeanne Lambert bei, die sich ihren Lebensunterhalt als Wäscherin in Montmartre verdient, als deren Tochter Elise das Licht der Welt erblickt. Danach wird Marianne zur wohlhabenden Familie des Kunsthändlers Alphonse Dumas gerufen, um dessen Frau Amélie bei der Geburt ihrer Tochter Valérie zu unterstützen. Während Elise neben ihrem Schulbesuch mit harter Arbeit in einer Wäscherei zum Lebensunterhalt ihrer Familie beitragen muss, träumt sie vom Tanzen und hofft, eines Tages der Armut entfliehen zu können und als Tänzerin berühmt zu werden. Valérie dagegen wächst in Wohlstand auf und hat in ihrem Vater ihren größten Förderer, wenn es um ihr malerisches Talent geht. Er verhilft ihr zum Besuch der Kunstakademie, wo sie als einzige Frau ihr Studium beginnt. Doch sowohl Elise als auch Valérie müssen auf dem Weg zur Erfüllung ihrer Träume so manchen Stolperstein aus dem Weg räumen und sich einigen Herausforderungen stellen...
Marie Lacrosse alias Marita Spang hat mit „Licht und Schatten“ den ersten Band ihrer Montmartre-Reihe vor historischer Pariser Kulisse vorgelegt, der neben starken Frauencharakteren auch die damalige Zeit hervorragend widerspiegelt und dem Leser bei der Lektüre eine Reise in die vergangene Zeit des 19. Jahrhunderts spendiert, wobei er bestens unterhalten wird. Der flüssige, farbenfrohe und empathische Erzählstil sowie wechselnde Schauplätze lassen den Leser eintauchen ins alte Paris, wo er mal an der Seite von Elise, mal an der von Valérie deren jeweilige Lebensumstände hautnah miterleben darf, während ihre Gedanken- und Gefühlswelt wie ein offenes Buch vor ihm liegt. Elise lebt mit ihrer Familie unter den Ärmsten der Armen in der Butte, einem Teil von Montmartre, derweil Valérie im wohlhabenderen Teil in begüterten Verhältnissen aufwächst. Durch ihre Freundin Louise, die im Moulin Rouge als Tänzerin schnell Karriere macht, wird bei Elise der Traum vom Tanzen geweckt, den sie bald ernsthaft verfolgt. Doch bis sie am Ziel ist, muss sie viele Hindernisse überwinden. Valérie dagegen muss sich nicht groß anstrengen, um als Frau einen Platz an der Kunstakademie zu erhalten, denn ihr Vater ist in der Kunstszene einflussreich und öffnet ihr somit die Tür zum Studium. Aber auch sie muss sich vielen Herausforderungen stellen, um als Frau ernst genommen zu werden und sich durchzusetzen. Die Autorin lässt während ihrer Handlung das Who is who der damaligen Kunstszene am Leser vorbeiziehen, so dass dieser vor Neid erblasst. Gekonnt skizziert sie die damalige Gesellschaft und deren Konventionen, aber auch der Kampf der beiden Frauen, ihre eigene Position in dieser zu finden und welche Schwierigkeiten sie überwinden müssen, wird wunderbar dargestellt. Der historische Hintergrund ist hervorragend recherchiert und mit der Handlung verwoben. Die Seiten flattern nur so durch die Hände des Lesers, während er bei der Lektüre zeitgleich ein bildgewaltiges Kopfkino sowie eine Achterbahn der Gefühle erleben darf.
Die Charaktere sind lebensecht mit menschlichen Eigenschaften ausgestattet und in Szene gesetzt. Der Leser ist von Beginn an mitten im Geschehen und heftet sich abwechselnd an die Fersen von Elise und Valérie, um keinen Augenblick zu verpassen. Elise ist eine Kämpferin, die schon früh lernen muss, dass nur mit harter Arbeit ihr Leben gesichert ist. Ihre Neugier und ihr Ehrgeiz lassen sie an ihren Träumen festhalten und sich ihren Platz erstreiten. Valérie muss wegen ihrer Herkunft erst später feststellen, dass sie ihr Können und ihren ernsthaften Willen beweisen muss. Auch sie ist eine Frau mit Durchsetzungsvermögen und Kampfgeist. Sowohl Elise als auch Valérie müssen jeden Tag aufs Neue darum kämpfen, ihre Träume in Wirklichkeit zu verwandeln, sei es noch so schwierig. Aber beide Frauen lernen schnell und unaufhaltsam, wobei ihre Kraft deutlich heraussticht.
„Licht und Schatten“ ist nicht nur ein sehr unterhaltsamer und gut recherchierter Roman vor herrlicher Kulisse, sondern besticht vor allem mit starken Protagonistinnen und einem farbenfrohen Hintergrund, der von Beginn an zu faszinieren weiß und den Leser mit den ersten Zeilen in den Bann zieht. Absolute Leseempfehlung für einen Pageturner, der sich viel zu schnell liest und auch noch Kunst und Tanz ins sich vereint!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 22.04.2025
Die Erbin
Winter, Claire

Die Erbin


ausgezeichnet

Wer die Wahrheit sucht, darf nicht erschrecken, wenn er sie findet. - Chinesisches Sprichwort
50er Jahre Köln. Mit der Herstellung von Batterien hat Wilhelm Liefenstein ein Industrieimperium gegründet, dass nicht nur vor, sondern auch nach dem Zeiten Weltkrieg weiterhin sehr erfolgreich ist. Nach einem Unfall möchte Enkelin Cosima eine Stiftung für bedürftige Frauen und Mütter ins Leben rufen, aber ihr Onkel Theodor, der das Vorhaben grundsätzlich unterstützt, zeigt Cosima ihre Grenzen auf. Die Begegnung mit dem Journalisten Leo Markgraf, der über den Tod des befreundeten Anwalts Walter Weber recherchiert, dessen öffentliche Anprangerung der Liefensteins für Unruhe sorgte, sowie ein Dachbodenfund alter Fotos lassen Cosima keine Ruhe. Gemeinsam mit Leo geht sie auf Spurensuche und recherchiert in ihrer eigenen Familiengeschichte. Schon bald sieht sich Cosima mit unschönen Wahrheiten konfrontiert. Ihre Recherche bleibt nicht verborgen, so dass sehr einflussreiche Menschen sie unbedingt davon abbringen wollen...
Claire Winter hat mit „Die Erbin“ einen sehr tiefgründigen und vielschichtigen historischen Roman vorgelegt, der dem Leser nicht nur deutlich macht, wie sehr Macht, Einfluss, Reichtum und Politik miteinander verwoben sind, sondern wie diese vor, während und nach dem Krieg immer noch miteinander verbunden sind und sowohl Politik als auch die Unternehmen voneinander profitiert haben. Der flüssige, bildhafte und empathische Erzählstil schleust den Leser mit den ersten Zeilen mitten hinein in die Handlung, die über zwei Zeitebenen stattfindet und ihn zum einen die Gegenwart in den 50er Jahren gemeinsam mit Cosima erleben, zum anderen die Vergangenheit der Liefensteins ab 1929 wieder lebendig werden lässt, in der auch die Nazis immer mehr an Einfluss gewannen. Die Einblicke von Cosimas Vater Edmund, ihrem Onkel Theodore und dem Kindermädchen Elisa Kopper liefern dem Leser den Rahmen für die in der Gegenwart angestellten Nachforschungen von Cosima. Der Autorin gelingt es hervorragend, die beiden Handlungsebenen miteinander zu verknüpfen. Der Roman gleicht einem Puzzle, dessen Steine nach und nach ein vollständiges Bild ergeben. Die Familiengeschichte der Liefensteins wird aus diversen Perspektiven wiedergegeben, wobei die Ansichten der einzelnen Protagonisten unterschiedlicher nicht sein könnten. Dabei greift Winter nicht nur Themen wie die Zwangsarbeit unter den Nazis auf, sondern spiegelt die Entwicklung der Industriellenfamilie, der Gesellschaft sowie den Kampf gegen damalige Konventionen auf herausragende Weise wider. Auch die unausgesprochenen dunklen Geheimnisse, das Schweigen und die unterschiedlichen Weltanschauungen finden ihren Platz in der Geschichte. Winter lässt den Leser tief in eine Familiengeschichte eintauchen, die genau so sicherlich in der Realität mehr als einmal stattgefunden hat. Die Autorin lässt den Leser das gesamte Gefühlsbarometer durchlaufen, während er an den Seiten klebt und dabei ein sagenhaft spannendes Kopfkino erlebt.
Die Charaktere wirken mit ihren menschlichen Ecken und Kanten sehr lebendig und vermitteln dem Leser das Gefühl, sich mitten unter ihnen zu tummeln und ihr Schicksal hautnah zu verfolgen. Cosima ist eine Frau, die ihren eigenen Kopf hat. Sie besitzt Durchsetzungsvermögen, Integrität, Sensibilität, aber auch Kraft genug, sich Widrigkeiten in den Weg zu stellen. Sie ist mutig und dabei innerlich auch ängstlich vor den Dingen, die sie wohl herausfinden wird. Leo ist ein ehrlicher Mann, der den Dingen auf den Grund geht und sich davon auch nicht abbringen lässt. Theodor ist ein Patriarch, wie er im Buche steht. Er will die Fäden in der Hand behalten, egal was es kostet. Edmund hat seine Prinzipien und seine Tochter ist ihm darin sehr ähnlich. Aber auch die Bekanntschaft mit Elisa ist ein besonderes Geschenk für den Leser.
„Die Erbin“ ist ein herausragender historischer Roman, der keine Leserwünsche offen lässt. Dunkle Geheimnisse einer Familie gepaart mit ausgezeichnet recherchiertem Hintergrund sowie einer starken Hauptprotagonistin, die den unter den Teppich gekehrten Dreck endlich ans Licht bringt, verzaubern den Leser von der ersten bis zur letzten Seite. Der Gedanke, dass all dies bestimmt mehrfach so in der Realität geschehen ist, macht die Handlung noch faszinierender. Absolute Leseempfehlung für einen Pageturner der Superlative – Chapeau!!!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.04.2025
Ein Winter am Meer
Klassen, Julie

Ein Winter am Meer


ausgezeichnet

Es ist nicht schwer, Entscheidungen zu treffen, wenn du deine Werte kennst. – Roy Disney
1819 England. Aufruhr im Seebadeort Sidmouth, als der Herzog von Kent mit seiner Familie nebst Mitarbeitern anreist, um dort zu überwintern. Auch das Gästehaus der Summers beherbergt drei Angehörige der Dienerschaft und wirbeln bald ungewollt die Gefühle von Emily Summers durcheinander. Emily, die mit ihren Schwestern Georgina und Sarah das Gästehaus führt, möchte eigentlich lieber Schriftstellerin werden. Das Angebot, einen Reiseführer über Sidmouth zu schreiben, geht sie mit Unterstützung des Herzogs Privatsekretär James Thompson an. Gemeinsam erkunden sie die Umgebung und kommen sich langsam näher. Als ihre Jugendliebe Charles unverhofft wieder in Sidmouth auftaucht, bringt das Emilys Lebenspläne gehörig durcheinander...
Julie Klassen hat mit „Ein Winter am Meer“ den zweiten Teil ihrer historischen Seaview---Schwestern-Reihe vorgelegt, der nicht nur nahtlos an den ersten Band anschließt und den Leser zurück ins 19. Jahrhundert reisen lässt, sondern diesen durch eine gefühlvolle und tiefgründige Geschichte wunderbar unterhält. Der flüssige, bildintensive und empathische Erzählstil lädt den Leser erneut ein, sich bei den Summers in der Pension einzumieten, um dort als unsichtbarer Gast das Leben der Familie weiterzuverfolgen und deren illustre Gästeschar zu kennenzulernen. Hauptprotagonistin ist diesmal Emily, die endlich ihren Traum von einem eigenen Roman verwirklichen will. Doch unerwartete Begegnungen und Überraschungen bringen ihr Gefühlsleben völlig durcheinander. Sie muss weitreichende Entscheidungen für sich treffen. Die Autorin gewährt nicht nur einen wunderbaren Einblick in das Summersche Familienleben und deren Gäste, sondern vermittelt dem Leser mittels gekonnter atmosphärischer Beschreibungen der Örtlichkeiten das Gefühl, persönlich vor Ort zu sein und alles mit eigenen Augen zu sehen. Durch die Einbindung altbekannter Charaktere wird dem Leser zudem suggeriert, Teil des Ganzen zu sein. Überraschende Wendungen und romantische Entwicklungen ergeben einen wunderbaren Mix, der mit vielen persönlichen Entscheidungen angefüllt wird. Die zwischenmenschlichen Beziehungen der Protagonisten untereinander sind ebenso schön mitzuverfolgen wie die christlichen Botschaften von Nächstenliebe, Verantwortung und Hilfsbereitschaft. Der Leser kann das Buch kaum aus der Hand legen, während er bei einem herrlichen Kopfkino mit den Protagonisten mitfühlt und gespannt das Geschehen verfolgt.
Die Charaktere sind wunderbar gezeichnet und zeichnen sich durch glaubwürdige menschliche Eigenschaften aus. Der Leser findet sich sofort mitten unter ihnen wieder und darf sie bei wichtigen Schritten begleiten. Emily steht vor großen Entscheidungen, die ihr Leben verändern werden. Zu Beginn wirkt sie unsicher und eingefroren, doch mehr und mehr kommt sie aus sich heraus und gewinnt an Sicherheit. Sarah ist der Fels in der Brandung, während Georgie mit ihrem losen Mundwerk auf sich aufmerksam macht. James ist ein in sich ruhender Mann, der hinter die Fassaden blickt und einen guten Blick für Menschen hat. Aber auch ehemalige Gäste wie der illustre Mr. Gwilt bereichern das Setting der Handlung und machen sie sehr unterhaltsam.
„Ein Winter am Meer“ hat alles, was das Leserherz begehrt: wunderbare Örtlichkeiten vor historischem Hintergrund, Protagonisten, die einem ans Herz wachsen und wie ein Familienmitglied wirken, schicksalhafte Entscheidungen, die gefällt werden müssen und Romantik, die Wärme und Sehnsucht schürt. Der Roman beschwört nicht nur ein zauberhaftes Kopfkino herauf, sondern lässt den Leser auch eine Achterbahn der Gefühle durchlaufen. Dafür gibt es eine absolute Leseempfehlung!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.04.2025
Das Erwachen der Freiheit
Krönert, Rahel

Das Erwachen der Freiheit


ausgezeichnet

Wer Sicherheit der Freiheit vorzieht, bleibt zu Recht ein Sklave. - Aristoteles
1811 England. Rosalyn Mandelin stammt aus wohlhabendem adligen Hause und liebt es vor allem, auf dem Rücken ihres Hengstes durch die Gegend zu reiten. Doch ihr Leben ändert sich schlagartig, als ihre Eltern von ihr erwarten, den begehrtesten Junggesellen mit eigener erfolgreicher Pferdezucht zu heiraten und kurz darauf auch noch ihre geliebte Gouvernante Maggie ohne ein Wort des Abschieds in einer Nacht und Nebelaktion spurlos verschwindet. Auf ihre Nachfragen nach Maggies Verbleib bekommt sie keine Antworten, und der Verlobte in spe ist auch mehr an ihrem Hengst interessiert. So macht sich Rosalyn selbst an die Arbeit, Maggie wiederzufinden und macht dabei die Bekanntschaft von Mitgliedern einer Glaubensgemeinschaft, die dem Methodismus folgt. Als sie den jungen Prediger William kennenlernt, gerät ihre bisherige Weltansicht gefährlich ins Wanken....
Rahel Krönert hat mit ihrem historischen Roman „Das Erwachen der Freiheit“ ein fulminantes Debüt vorgelegt, dass den Leser nicht nur ins 19. Jahrhundert Englands entführt, sondern ihm auch mehr Einblick in die Glaubenslehre des Methodisten John Wesley gewährt. Der flüssige, bildhafte und empathische Erzählstil bringt den Leser direkt in die Vergangenheit, wo er sich als unsichtbarer Schatten an der Seite von Rosalyn wiederfindet und nicht nur ihre Gedanken- und Gefühlswelt aus erster Hand erfährt, sondern auch ihre momentane Lebenssituation sowie die Veränderungen in deren Leben hautnah miterlebt. Gewohnt, immer alles zu bekommen, lebt Rosalyn in ihrer Naivität zu Beginn sorglos in den Tag hinein. Doch dann verändert sich durch das plötzliche Fehlen ihrer engsten Vertrauten Maggie und die angekündigte Heiratsforderung ihrer Eltern ihr Leben von Grund auf. Rosalyn fühlt sich hintergangen und versucht, die Gründe für Maggies Verschwinden herausfinden. Dabei wird sie nicht nur von neuen Freunden unterstützt, sondern kommt auch zum ersten Mal mit dem ärmlichsten Teil der Bevölkerung in Berührung, was ihre eigene Suche nach dem Sinn des Lebens zusätzlich befeuert. Die Autorin stellt dem Leser nicht nur gesellschaftlichen Unterschiede zwischen dem Adel und der restlichen Bevölkerung deutlich vor Augen, sondern zeigt vor allem die Arroganz und Ignoranz der adligen Gesellschaft gegenüber der Not der ärmsten Bevölkerung. Die Bekanntschaft mit dem Prediger William, der in der Grafschaft mit seiner Predigt für Wirbel sorgt, öffnet Rosalyns Herz und macht ihr klar, was wirklich wichtig ist im Leben. Empathisch führt die Autorin die Leser an die Lehre von John Wesley heran, in dem die christlichen Tugenden wie Nächstenliebe und Hilfsbereitschaft oberstes Gebot sind.
Die Charaktere sind liebevoll ausgestaltet und mit glaubhaften menschlichen Ecken und Kanten versehen. Der Leser befindet sich sofort mitten unter ihnen und verfolgt mit großem Interesse die zwischenmenschlichen Beziehungen untereinander. Rosalyn wirkt zu Beginn sehr naiv und verwöhnt, aber der Weggang von Maggie hilft ihr dabei, erwachsen zu werden. Sie stellt ihr Leben immer mehr in Frage und lernt durch andere, was es heißt, Verantwortung zu übernehmen. Anne ist eine wunderbare Frau, die Rosalyn schnell eine gute Freundin wird, auch deren meist übellauniger Bruder taut in ihrer Gegenwart etwas auf. William ist ein Mann, der nichts von Konventionen hält, sondern frei von der Leber weg redet und damit bei Rosalyn einen Nerv trifft. Aber auch die übrigen Protagonisten geben der Handlung mit ihren Auftritten den besonderen Schliff.
„Das Erwachen der Freiheit“ überzeugt mit einer unterhaltsamen, tiefgründigen Geschichte vor historischem Hintergrund und einer guten Recherchearbeit. Auch die Spannung kommt nicht zu kurz. Absolute Leseempfehlung für einen Roman mit Botschaft!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.04.2025
Der Preis der Sünde
Burton, Mary

Der Preis der Sünde


sehr gut

Erzähle mir die Vergangenheit, und ich werde die Zukunft erkennen. - Konfuzius
Virginia. Charlotte Wellington führt eine Kanzlei und arbeitet als erfolgreiche Staatsanwältin. Niemand käme auf den Gedanken, dass sie in einem Wanderzirkus aufgewachsen ist. Als eine nackte, misshandelte und mit dem Wort „Hexe“ tätowierte Frauenleiche in einer Jagdhütte gefunden wird und kurz darauf ihr Stiefvater bei ihr auftaucht, zu dem sie seit Ewigkeiten keinen Kontakt hatte, holt Charlotte ihre Vergangenheit schnell wieder ein. Ihre Schwester wurde damals ermordet und Charlotte bleiben die Parallelen zum neuen Leichenfund nicht verborgen. Als eine weitere Leiche aufgefunden wird und Detective Daniel Rokov den Fall bearbeitet, bleibt Charlotte nichts anderes übrig, sich ihrer Vergangenheit endlich zu stellen. Bringt es sie und Rokov auf die Spur des Täters?
Mary Burton hat mit „Der Preis der Sünde“ den fünften Band ihrer Virginia-Reihe vorgelegt, der an Spannung und Unterhaltungswert den Vorgängern in nichts nachsteht. Der flüssige, bildhafte und fesselnde Erzählstil stellt den Leser schnell an Charlottes Seite, wo er nicht nur ihre Gedanken- und Gefühlswelt kennenlernt, sondern nach und nach durch ihre eigenen Erinnerungen auch einiges aus ihrer bewegten Vergangenheit erfährt. Nachdem schon der Prolog in sehr plastischer Weise den Leser atemlos macht, geht es in der Handlung Schlag auf Schlag, wobei die sich anbahnende Beziehung zwischen Charlotte und Daniel immer für einige Augenblicke der Erholung sorgt. Charlottes Nichte Sooner zeigt mit ihrem Verhalten Parallelen zu ihrer ermordeten Schwester, schon allein deshalb möchte sie Sooner im Auge behalten. Doch schon bald offenbart sich auch dem Leser, dass der Täter wohl auch Charlotte auf seiner Opferliste hat und sie in Gefahr schwebt. Burton weiß ihre Leser geschickt durch die Handlung zu führen mit wechselnden Perspektiven und Rückblenden in die Vergangenheit. Die Mörderjagd wird zu einem Puzzle, dessen Teile erst nach und nach aufgedeckt werden, denn überraschende Wendungen lassen den Leser immer wieder Zweifel an den eigenen Rückschlüssen aufkommen. Der Spannungsbogen wird von Beginn an hoch angelegt und steigert sich immer mehr, so dass man das Buch kaum aus den Händen legen kann.
Die Charaktere sind mit menschlichen Eigenschaften versehen, die es dem Leser leicht machen, ihnen konstant auf den Fersen zu bleiben und gleichzeitig mit ihnen auf Spurensuche zu gehen. Charlotte ist eine eher reservierte, unterkühlte Frau, die niemanden zu nahe an sich heranlassen möchte. Deshalb geht sie auch keine engeren Beziehungen ein, obwohl ihr das bei Daniel Rokov immer schwerer fällt. Daniel ist ein Macher, der seine Ermittlungen nicht konstant voran treibt und alle Möglichkeiten abklopft. Sooner ist Charlotte gar nicht unähnlich, dabei ist sie unabhängig, störrisch und hat ihren eigenen Kopf.
„Der Preis der Sünde“ ist ein unterhaltsamer, spannungsgeladener Pageturner, der mit einigen Überraschungen aufwartet und den Leser bis zum finalen Schluss bei der Stange hält. Verdiente Empfehlung für fesselnde Lesestunden, die den Puls höher schlagen lassen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.03.2025
Vor hundert Sommern
Fuchs, Katharina

Vor hundert Sommern


sehr gut

Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren, die wir hinterlassen, wenn wir gehen. – Albert Schweitzer
2024 Berlin. Lena hilft ihrer Mutter Anja dabei, die Wohnung ihrer 94-jährigen Großmutter Elisabeth auszuräumen, nachdem diese in ein Pflegeheim umgezogen ist. Bei den Ausräumarbeiten stoßen sie auf alte Erinnerungsstücke, die einmal Elisabeths Schwester Clara gehört haben, über die innerhalb der Familie kaum je gesprochen wurde. Lena ist ebenso neugierig wie ihre Mutter Anja, gemeinsam versuchen sie, Informationen von Elisabeth zu bekommen, die nur nach und nach ein gut gehütetes geheimes altes Familiengeheimnis offenlegt, das das Leben sowohl von Anja als auch von Lena nachhaltig verändern wird...
Katharina Fuchs hat mit „Vor hundert Sommern“ einen unterhaltsamen historischen Roman vorgelegt, der inspiriert von der Familiengeschichte der Autorin den Leser einlädt, über zwei Zeitebenen ein altes Familiengeheimnis kennenzulernen. Der flüssige, bildhafte und empathische Erzählstil gibt dem Leser die Möglichkeit, die Hauptprotagonistinnen sowie deren Gedanken- und Gefühlswelt gut kennenzulernen und ihnen bei ihrer Recherche über die Schulter zu sehen. Dabei überwindet er die Zeitspanne von den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts bis in die Gegenwart. Elisabeth möchte sich eigentlich gar nicht an die alten Zeiten erinnern, denn sie sind einfach zu schmerzhaft. Sie und ihre Schwester Clara haben nicht nur die 20er Jahre, sondern auch die Nazizeit hautnah miterlebt. Clara führte damals einen Hundesalon, dessen Hinterzimmer sie für geheime Treffen zur Verfügung stellte, obwohl sie damit sich und die ganze Familie in Gefahr brachte. Der Autorin gelingt der Spagat zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart sowohl gesellschaftlich als auch politisch gut, auch die Parallelen bei den Vorkommnissen sind perfekt gewählt. Das Schweigen innerhalb der Familie, die Schuldgefühle und ebenso die gesellschaftlich auferlegten Zwänge ziehen sich durch das Leben der Protagonistinnen und haben auch Einfluss auf ihre jeweils nachkommende Generation. Die Handlung fesselt durchgängig, so dass man das Buch kaum aus der Hand legen kann. Der Leser ist nicht nur aufgrund der damaligen Ereignisse berührt, sondern bekommt ebenfalls eine Gänsehaut wegen der aktuellen Bezüge.
Die Charaktere sind mit menschlichen Eigenschaften ausstaffiert und in Szene gesetzt, so dass der Leser sich gern an ihre Fersen heftet, um ihren Lebensweg mitzuverfolgen. Elisabeth ist am Ende ihres Lebens angekommen und will gewisse Ereignisse eigentlich nicht ans Tageslicht holen. Doch sind die Erinnerungen eine Befreiung für sie, die ihr Frieden bringen. Anja ist eine Frau ihrer Zeit, denn sie musste mit dem Schweigen umgehen und hat es praktisch in ihr Leben übernommen. Lena ist zurückhaltend, etwas naiv und unsicher, im Umgang mit anderen hat sie etwas Altkluges, was sie zur Einzelgängerin macht.
„Vor hundert Sommern“ ist nicht nur eine Familiengeschichte, die sich über 100 Jahre spannt, sondern angefüllt ist mit Geheimnissen, Liebe, Schweigen, Schuld und Scham, die sich in vielen Familien bis in die heutige Zeit wiederfinden und deren Aufarbeitung bis heute meist nicht vollzogen wurde. Verdiente Empfehlung für ein packendes Leseerlebnis!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.03.2025
Die Wege, die wir wählen
Austin, Lynn

Die Wege, die wir wählen


ausgezeichnet

Es kann dir jemand die Tür öffnen, aber hindurchgehen musst du selbst. - Konfuzius
1898 New York. Der plötzliche Tod des Millionärs Arthur Stanhope III trifft seine Frau Sylvia und Tochter Adelaide völlig unvorbereitet. Da das Vermögen an einen Verwandten geht, sind die Frauen dazu angehalten, ihr Leben neu zu sortieren. Während Sylvia sich gar nicht die der Situation abfinden will und sich für den gewohnten wohlhabenden Lebensstandard einen reichen Ehemann für Adelaide erhofft, vertritt Großmutter Junietta die Ansicht, dass nicht Reichtum das Leben ausmacht. Sie öffnet die Tür zu ihren Geheimnissen und gibt sowohl Adelaide als auch Sylvia dadurch die Möglichkeit, eine Entscheidung für ihr zukünftiges Leben zu treffen...
Lynn Austin hat mit „Die Wege, die wir wählen“ einen wunderschönen historischen Roman vorgelegt, der dem Leser nicht nur drei unterschiedliche Frauencharaktere präsentiert, sondern auch deren Lebenswege eindrucksvoll durch eine Botschaft miteinander verbindet. Der flüssige, farbenfrohe und empathische Erzählstil nimmt den Leser mit ins 19. Jahrhundert, wo er sich mal an der Seite von Adelaide, mal an der von Sylvia oder Junietta wiederfindet, um ihre Gedanken- und Gefühlswelt kennenzulernen sowie das Verhältnis der Frauen untereinander Adelaide sitzt zwischen zwei Stühlen und muss endlich für sich entscheiden, wie ihre Leben zukünftig aussehen soll. Das Geheimnis ihrer Großmutter hilft ihr bei der Entscheidung, eine eigene Persönlichkeit zu entwickeln, aber auch Sylvia zieht ihre Lehren daraus. Die Autorin versteht es geschickt, die gesellschaftlichen Zwänge der damaligen Zeit sowie den christlichen Aspekt in ihre Handlung einzuweben. Vergebung, Neubeginn, Gottvertrauen, aber auch Vertrauen in sich selbst sind die Themen, die in dieser Geschichte im Vordergrund stehen. Durch die wechselnden Perspektiven baut sich eine gewisse Spannung auf, die aber auch vom zwischenmenschlichen Verhältnis der Protagonisten untereinander geschürt wird. Die Handlung weiß von Beginn an zu fesseln, so dass der Leser das Buch kaum aus der Hand legen kann und dabei ein wunderbares Kopfkino genießt,
Die Charaktere sind lebendig mit menschlichen Ecken und Kanten versehen und können den Leser sofort ab sich binden, der ihnen wie ein unsichtbarer Schatten folgt, um nichts zu verpassen. Adelaide ist eine zurückhaltende junge Frau, die von ihrer Mutter Sylvia ziemlich gegängelt wird. Sie hat kaum Luft zum Atmen, weiß selbst noch nicht so genau, welche Zukunft sie für sich wünscht. Sie braucht Mut und Stärke, um sich durchzusetzen. Sylvia wirkt wie eine oberflächliche verwöhnte Frau, die unter keinen Umständen für Veränderungen offen ist. Junietta ist die Patriarchin der Familie. Sie ist willensstark, engagiert und mutig, doch sie spürt ihr Alter und will ihrer Enkelin noch etwas mit auf den Weg ins Leben mitgeben.
„Die Wege, die wir wählen“ ist ein wunderschöner historischer Roman über drei Frauen, der ein Familiengeheimnis sowie große Entscheidungen fürs Leben beinhaltet und dem Leser die Botschaft übermittelt, dass es nie zu spät für einen Neuanfang ist und man sich mutig auch etwas zutrauen und seine Ziele verfolgen sollte, selbst, wenn andere dagegen sind. Absolute Leseempfehlung für einen fesselnden Roman mit Tiefgang!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.02.2025
Die Schwestern von Krakau
Storks, Bettina

Die Schwestern von Krakau


ausgezeichnet

Vergessen ist wie eine Wunde. Es mag zwar verheilen, aber dabei wird es eine Narbe hinterlassen. - Unbekannt
Kurz nach dem Tod ihres Vaters Simon Mercier entdeckt Édith in seinem Pariser Musikzimmer, das für jeden bis dato Tabuzone war, Schriftstücke und Notizen, die Édith zeigen, dass Simon ein anderer war, als alle bisher geglaubt haben, denn seine Eltern waren Helene Wagner und Samuel Altmann, Namen, die Édith bis dahin noch nie gehört hat. Anhand der Hinweise macht sich Édith auf die Suche, mehr herauszufinden und trifft dabei im Stuttgarter Raum auf Tatjana, die mit ihrer Mutter Dora in Stuttgart lebt. Beide Frauen hatten bisher keinen Kontakt, umso mehr sind sie überrascht und neugierig darauf, was sie miteinander verbindet. Da Tatjanas verstorbene Großmutter Lilo die Schwester von Helene Wagner war und beide in Krakau aufwuchsen, reist Tatjana nach Polen, um mehr über deren Leben dort herauszufinden, denn Lilo hat Zeitlebens ein Geheimnis um ihre Vergangenheit gemacht. Wird Tatjana das Puzzle ihrer Familiengeschichte sowie das Rätsel um Simon lösen können?
Bettina Storks hat mit „Die Schwestern von Krakau“ einen wunderbar berührenden historischen Roman vorgelegt, der den Leser zurückführt in die dunkelste Zeit deutscher Geschichte und dabei über zwei Zeitebenen ein interessantes Familiengeheimnis offenbart. Der flüssige, bildgewaltige und empathische Erzählstil lässt den Leser in wechselnde Perspektiven schlüpfen, doch findet er sich hauptsächlich mal in der Gegenwart im Jahr 2017 an Tatjanas Seite, mal in der Vergangenheit in den 40er Jahren an Lilos Seite wieder. Während er Tatjana als unsichtbarer Beobachter über die Schulter schaut, erlebt der Leser mit Lilo die grauenhaften Taten der Nazis im Krakau und das Wirken des Widerstands Akiba mit, wobei Dreh- und Angelpunkt die Apotheke unter dem Adler ist. Besonders eindrucksvoll ist hier auch die Begegnung mit Gusta Dawidson Draenger zu erwähnen, die schon im Eingangsprolog den Leser an sich zu binden weiß. Die Autorin versteht es meisterhaft, ihre akribische Hintergrundrecherche mit realen und fiktiven Elementen zu verweben und es dem Leser so ermöglicht, Geschichte leibhaftig mitzuerleben. Dabei hält Storks durch den Wechsel der Zeitebenen und Perspektiven den Spannungslevel durchgängig hoch, so dass der Leser das Buch nicht aus der Hand legen kann, während er von einer Gefühlsachterbahn in die nächste fällt.
Die Charaktere sind mit menschlichen Ecken und Kanten sehr lebendig in Szene gesetzt, der Leser findet sich sofort in ihrer Mitte wieder und verfolgt atemlos ihre Lebenswege. Tatjana ist eine Frau, die persönlich gerade in einer Sackgasse steckt. Sie ist neugierig, geht den Dingen mit einem Hang zur Pragmatik auf den Grund. Lilo steht zwischen zwei Welten, entscheidet sich neben geheimer Liebe aber vor allem für Mitgefühl und Unterstützung. Gusta ist eine mutige und kompromisslose Frau, die für ihre Ideale einsteht. Tadeusz Pankiewicz ist ein zurückhaltender, aber unglaublich starker Mann mit einem großen Gerechtigkeitsgefühl.
„Die Schwestern von Krakau“ ist zwar eine fiktive Geschichte vor exzellent recherchiertem historisch realen Hintergrund, doch birgt die Handlung nicht nur eine komplizierte Familiengeschichte, sondern thematisiert vor allem den jüdischen und polnischen Widerstand in einer hochgefährlichen Zeit. Ebenso wird deutlich, wie sehr das Schweigen der Kriegsgeneration die Nachfolgenden belastet hat, und die sich im Nachgang um Verstehen bemüht bzw. dafür einsteht, dass die grausame Geschichte des Dritten Reiches sich hoffentlich nie wiederholen wird. Storks hat sich wieder einmal übertroffen – absolute Leseempfehlung – Chapeau!!!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.02.2025
Nacht über der Havel / Fräulein Gold Bd.7
Stern, Anne

Nacht über der Havel / Fräulein Gold Bd.7


ausgezeichnet

Der Hass der Schwachen ist nicht so gefährlich wie ihre Freundschaft. – Luc de Clapiers
1930 Berlin. Während die Stadt durch die Wirtschaftskrise immer mehr einem Pulverfass gleicht und die Nationalsozialisten immer mehr Zulauf bekommen, arbeitet Hulda in der Mütterberatungsstelle im Stadtteil Schöneberg am Nollendorfplatz als Hebamme, wo sie viele schwangere Frauen nach Kräften unterstützt, obwohl sie sich nach mehr sehnt. Privat hofft sie, endlich mit Max ihr Glück gefunden zu haben, der sich rührend um sie und ihr 5-jähriges Töchterchen Meta kümmert. Als Hulda die schwangere Hella betreut, erfährt sie, dass deren 18-jährige Schwester Jutta einer Jugendgruppe namens „Steglitzer Wandervögel“ angehört, die nachts an der Havel trinken und feiern. Eines Morgens wird der Anführer der Gruppe tot aufgefunden, in den Jutta heimlich verliebt war. Hulda wittert einen Fall und stellt ihre detektivischen Fähigkeiten wieder auf die Probe...
Anne Stern hat mit „Nacht über der Havel“ den 7. Teil ihrer wunderbaren historischen Fräulein Gold-Reihe vorgelegt, der den Leser nicht nur ins Berlin der 30er Jahre entführt, sondern mit Hulda Gold auch eine sympathisch-unangepasste Protagonistin mit einem Hang zu ungelösten Kriminalfällen erschaffen hat, die dem Leser sofort ans Herz wächst und ihn nicht von ihrer Seite weichen lässt. Der flüssige, farbenfrohe und empathische Erzählstil wirft den Leser direkt zurück in die vergangenen 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts, wo er sich sofort an Huldas Fersen heftet. Die Umbrüche in Berlin durch die wachsende Arbeitslosigkeit und Armut sind gut zu spüren, die Nazis gewinnen mit ihren schrecklichen Parolen und Versprechungen immer mehr an Boden. Als sie schwangere Hella betreut und in deren nächstem Umfeld ein Mord geschieht, folgt Hulda wieder ihrer kribbelnden Spürnase und macht sich auf eigene Faust daran, die Umstände aufzuklären, obwohl Kommissarin Irma Siegel und auch der mittlerweile verheiratete Detektiv Karl North ebenfalls an der Lösung des Falls arbeiten. Stern hat ein besonderes Händchen dafür, ihre Handlung mit dem exzellent recherchierten politischen und gesellschaftlichen Zeitgeist der damaligen Zeit zu verbinden. Die damalige Zeit war für alle eine große Herausforderung, der Leser spürt die aufkommende drohende Gefahr der Nationalsozialisten, während er mit Hulda gemeinsam eine wahre Gefühlsachterbahn durchläuft bei der Lösung des Falls. Dabei schraubt sich die Spannung bis zum Ende immer weiter in die Höhe. Stern versteht es wunderbar, ihre Leser in ihre Handlung mit einzubinden und sie an die Seiten zu fesseln.
Die Charaktere sind mit menschlichen Eigenschaften sehr lebendig gezeichnet, der Leser fühlt sich ihnen sehr verbunden und folgt ihnen nur zu gern auf Schritt und Tritt. Hulda überzeugt einmal mehr mit ihrer unangepassten offenen und direkten Art. Sie ist hilfsbereit, verantwortungsbewusst und mutig, dabei eine liebevolle ledige Mutter, die es in jenen Zeiten gar nicht leicht hat. Max ist ein toller Mann, der Hulda und Meta zur Seite steht, jedoch gerade nicht erreichbar ist. Meta hat ihren eigenen Kopf, mit ihrem kindlichen Wissensdurst bringt sie Hulda oft an ihre Grenzen. Bert ist Huldas Schulter zum Anlehnen und ihre erste Anlaufstelle bei Problemen. Aber auch Irma und Karl sowie weitere Protagonisten machen die Geschichte durchweg spannend und lebendig.
„Nacht über der Havel“ überzeugt mit einem exzellent recherchierten historischen Hintergrund, einer starken liebenswerten Hauptprotagonistin sowie einem fesselnden Kriminalfall, bei dem der unsichtbare Leser von Anfang an zum Ermittlerteam gehört. Anne Stern besitzt das Talent, das Kopfkino des Lesers auf Hochtouren zu bringen, ihn an die Seiten zu fesseln und die Zeit zu vergessen. Absolute Leseempfehlung – einfach wunderbar!!!

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