Benutzer
Benutzername: 
Buecherundschokolade

Bewertungen

Insgesamt 139 Bewertungen
Bewertung vom 18.03.2023
Hope, Anna

Der weiße Fels


ausgezeichnet

Die englische Autorin Anna Hope hatte ihren Durchbruch schon vor einiger Zeit, doch für uns war Der weisse Fels das erste Buch, das wir von ihr gelesen haben. Kunstvoll verwebt die Autorin vier Handlungsstränge, vier Zeitebenen und vier Schicksale miteinander. Verbindendes Element: Der weisse Fels vor der Pazifikküste Mexikos.

Wir begegnen einer Schriftstellerin, die 2020, Corona taucht gerade in den Nachrichten auf, mit ihrer kleinen Tochter und ihrem Mann, von welchem die Trennung nur noch eine Frage von Tagen ist, zu dem Felsen aufbricht, um dort Spiritualität zu finden.

Im Jahr 1969 zieht eben jener Fels Jim Morrison an, den Rockstar, der süchtig, ausgebrannt, von der moralisierenden Elite der USA gejagt und mit einem Bein im Gefängnis, dort nach etwas sucht.

Die berührendste und beste Handlung spielt im Jahr 1907. Die mexikanische Regierung befindet sich auf einem brutalen Vernichtungsfeldzug gegen das indigene Volk der Yoeme (Yaqui). Tausende werden versklavt, auf Plantagen zu Tode geschunden oder ermordet. Man schickt sie auf Todesmärsche durch die Berge und Kleinkinder werden zwangsadoptiert und ihrer Kultur beraubt. Vielfach wird das Geschehen heute als Genozid bewertet. Das kleine namenlose Yoeme-Mädchen ist im Roman mit seiner Schwester Maria-Luisa deportiert worden, diese ist schwer verletzt und dem Tode nahe. Am weißen Felsen entscheidet sich das Schicksal der Kinder.

Der vierte Strang führt ins Jahr 1775. Eine spanische Mission soll die Nordwestpassage suchen, doch schon zu Beginn gibt es Probleme, als einer der Schiffskapitäne den Verstand zu verlieren scheint und um sich schiesst. Liegt es am weißen Felsen? Oder trügt der Schein?

Ein tolles Buch oder eigentlich vier tolle Bücher, so reichhaltig sind die einzelnen Teile. Die Lektüre hat mir sehr viel Vergnügen bereitet. Die Autorin rückt die Geschichte der Indigenen Mexikos ins Zentrum und schafft einen spannungsreichen und sprachlich begeisternden Roman.

Bewertung vom 14.03.2023
Baumeister, Jens

Das Flüstern im Wald / Andor Junior Bd.3


ausgezeichnet

Auch der dritte Teil der Andor Junior Reihe, die im Kosmos Verlag erscheint, hat uns wieder vollauf begeistert. Das spannende Fantasy-Abenteuer um Thorn, die Zauberin Eara, Chada und den Zwerg Kram fesselt und ist hier von Michael Menzel kongenial illustriert. Dabei nimmt Autor Jens Baumeister Anleihen bei Fanatsy-Klassikern und bringt dabei ein kindgerechtes 144-Seiten-Werk heraus. Das Ganze beginnt als kleine „Detektivgeschichte“, weil das Quartett die Zerstörung eines Feldes aufklären soll und führt sie sodann in immer irrwitzigere Abenteuer, die ihnen alles abverlangen. Der lesende kann in eine bunte Welt voller Magie eintauchen und den Alltag hinter sich lassen. Dabei ist der Kinderroman durch und durch kindgerecht, ohne langweilig zu werden. Daher eine klare Empfehlung für diesen Fantasy-Jugendroman

Bewertung vom 13.03.2023
Stuart, Douglas

Young Mungo


ausgezeichnet

Young Mungo von Douglas Stuart ist ein außergewöhnliches Stück Literatur. Schonungslos, hart und zugleich unglaublich zart erzählt Stuart eine Außenseitergeschichte im prekären Glasgower East End der 1990er Jahre. Mungo ist so ganz anders als seine Altersgenossen, sanft und verträumt, nicht gewalttätig wie Hamish sein Bruder, ein übler Gangleader oder die anderen protestantischen Jungs, die sich mit den Katholiken blutig prügeln. In deren Welt „schwul“ das schlimmste Schimpfwort überhaupt ist. Mungos Mutter Mo Maw ist eine rücksichtslose Alkoholikerin (im Rausch wird sie zur schrecklichen Tattie-Bogle) und hat die Familie mal wieder im Stich gelassen. Mungo und seine 17-jährige Schwester Jodie schlagen sich mehr schlecht als recht mit knurrendem Magen durch. Mungo freut sich auf die Schule, wegen des kostenlosen Schulessens und die Armut quillt der Familie aus allen Poren.

Zugleich ist Mungo eine ständige Provokation für seinen kriminellen und homophoben Bruder, der ihn durch Teilnahme an Straßenschlachten „zum Mann machen will“. Als Mungo auf James trifft und sich in ihn verliebt, scheint alles möglich, doch die beiden befinden sich in großer Gefahr.

Douglas Stuart hat ein sehr intensives und spannendes Leseerlebnis geschaffen, das an einigen Stellen sehr grausam und düster daherkommt. Man leidet mit dem Protagonisten. Sprachlich ist es ähnlich brillant wie sein Debütroman Shuggie Bain, für den er den Booker-Preis gewann. Ein sehr guter Roman und eine klare Empfehlung.

Bewertung vom 06.03.2023
Céspedes, Alba de

Aus ihrer Sicht


ausgezeichnet

Der Roman Aus ihrer Sicht von Alba de Céspedes ist das stärkste Buch, das mir dieses Jahr bisher untergekommen ist.

Die kubanisch-italienische Autorin (1911-1997) zeichnet das Bild einer faszinierenden Frau zu Zeiten des italienischen Faschismus und während des 2. Weltkrieges. Die 10-jährige Alessandra wächst in einem römischen Wohnblock der unteren Mittelschicht auf. Ihre Mutter ist Hausfrau und gleichzeitig eine begabte Pianistin, die ihr Leben lang vom Vater, einem spießbürgerlichen Beamten, kleingehalten und belächelt wird. Als sie den Ausbruch wagt, scheitert sie tragisch. Alessandra wird zur Verwandtschaft in die Abruzzen geschickt, über die die Großmutter als Matriarchin herrscht. Alessandra scheint sich in das Landleben zu fügen, doch schließlich kehrt sie nach Rom zurück um zu studieren. In der kriegsgeplagten Stadt trifft und heiratet sie Francesco, einen antifaschistischen Universitätsdozenten. Doch Alessandra erkennt zu spät, was der Preis der Freiheit ist und begeht ein Verbrechen…

Die rebellische Geschichte einer unkonventionellen Frau hat mich von der 1. bis zur 634. Seite begeistert. Der Roman ist gleichzeitig ein Porträt des durch und durch patriarchalen und faschistischen Italien Mussolinis. Ein großer, wuchtiger Roman einer zu unbekannt gebliebenen Autorin des 20. Jahrhunderts, über die Annie Ernaux sagt: „Alba de Céspedes war für mich wie der Einbruch eines unbekannten Universums: gesellschaftliches Umfeld, Empfindungen, Atmosphäre.“

Eine klare Empfehlung für dieses berückende Stück Weltliteratur.

Bewertung vom 05.03.2023
Laperla, Artur

Die Superkartoffel - Ein Superheld mit Stärke


sehr gut

Eine Kartoffel als Superheld? Kann das funktionieren? Na, klar! Schon auf dem Titelbild ganz wundervoll umgesetzt. Supermax ist an sich ein Bilderbuchhero. Stark, smart und gutaussehend. Seine Nemesis Dr. Megafies, ein optischer Wiedergänger Nosferatus, macht er spielend fertig. Bis dieser ihn austrickst und in eine Kartoffel verwandelt. Aber auch die hat es in sich… und schon bald muss sich die Super-Kartoffel mieser Aliens erwehren. Artur Laperla gelingt eine ganz andere Comichelden-Geschichte als bei Marvel und Co., die viel Spaß macht und Lust auf weitere Folgen macht. Sehr lustig geschriebene Texte in Verneinung mit originellen Zeichnungen machen dieses Buch zu einem Vergnügen. Ein weiteres sehr gelungenes Werk auf dem berühmten Comic Verlag Egmont und eine klare Leseempfehlung für Comic-Fans jenseits des Mainstreams

Bewertung vom 18.02.2023
Sinan, Marc

Gleißendes Licht


sehr gut

Vielleicht hatte ich falsche Erwartungen. Erwartet hatte ich einen Roman, der sich anhand von Familiengeschichte mit dem Völkermord an den Armeniern auseinandersetzt. Bekommen habe ich eine deutsch-türkisch-armenische Familienaufstellung.

Der Komponist Kaan, Sohn eines Deutschen & einer türkischen Mutter, reist für ein Stipendium nach Istanbul & wird dort von der Geschichte seiner Familie eingeholt, die ihn nicht mehr loslässt. Da ist sein Großvater Hüseyin, der einst ein Haselnussimperium führte, nur um später allen Reichtum zu verlieren. Oder die geliebte Großmutter Vahide (die Einzigartige), die 1916 als Waise von einer muslimischen Familie adoptiert wurde, tatsächlich aber das Kind armenischer Eltern ist. Weiterhin Kaans Mutter Nur, eine starke Persönlichkeit, die Kaan um jeden Preis assimilieren will. Und natürlich Kaan selbst, ein bisschen alter ego des Autors Marc Sinan, selbst erfolgreicher Gitarrist & Komponist. Kaan macht im Laufe des Romans eine Wandlung durch. In Rückblenden springen wir von der Jetztzeit in Istanbul in seine Kindheit im Deutschland der 80er, Verwandtschaftsbesuche in der Türkei, & in die 1940er zum erfolgreichen Großvater. Und auch ins Jahr 1915 als der Völkermord an den Armeniern beginnt.

Allerdings kommt der Völkermord nur am Rande vor (am Anfang wird der Leser schockiert Zeuge, wie armenische Kinder ins Meer geworfen werden & dann ist das Thema für 150 Seiten verschwunden). Dennoch ist er die Triebfeder für Kaans Handeln & führt in am Ende auf Abwege.

Über den Völkermord, der 1915 mit dem Befehl des türkischen Innenministers zur Deportation von rund zwei Millionen Armeniern in die mesopotamische Wüste begann, hätte ich mehr erfahren wollen. Wobei viele Armenier es gar nicht bis in die Wüste geschafft haben, weil sie in ihren Dörfern ermordet – erschossen, ertränkt, erschlagen, an Kreuze genagelt - wurden.

Insgesamt muss ich das Buch aber loben, es handelt sich um eine gut geschriebene Familiengeschichte & ein Spannungsbogen war durchaus vorhanden.

Bewertung vom 17.02.2023
Shireen, Nadia

Teds und Nancys total verrücktes Abenteuer / Grimmwald Bd.1


sehr gut

Das Cover hat sofort unser Interesse an diesem Kinderbuch geweckt. Knallig gelb mit blauer Schrift zeigt es die beiden Füchse, die auch die Hauptfiguren von Grimmwald sind, nämlich den flippigen Ted und die taffe Nancy. Gemeinsam erleben die beiden große Abenteuer, nachdem sie vor eine diabolischen Katze in den Grimmwald fliehen müssen. Dort treffen sie auf einigermaßen irre Waldbewohner und besagte Katze spielt natürlich auch noch eine große Rolle. Sowohl die Zeichnungen als auch die Texte sind witzig und sehr gelungen. Die britische Autorin Nadia Shireen schafft sehr originelle Charaktere und macht dieses Kinderbuch auch für Erwachsene durchaus vergnüglich. Es handelt sich um den ersten Band einer Serie und man darf gespannt auf die Fortsetzung sein. Wir wurden gut unterhalten und können dieses Buch klar empfehlen.

Bewertung vom 12.02.2023
Mr. Tan;Miss Prickly

Die schreckliche Adele 05


ausgezeichnet

Adele ist wirklich kontrovers, düster und krawallig, nicht wirklich für Kinder, aber umso lustiger für die Eltern. Die kurzen Strips aus dem Leben des rothaarigen Mädchens handeln von ihrem fiesen Streichen gegen Eltern, Mitschüler, Katze und sind schon ziemlich schlimm. Adele ist das, was man einen Kotzbrocken nennen muss. Eigentlich mag sie niemanden. Naja für ihre Eltern macht sie eine Ausnahme. Ihr Feindbild sind vor allem der Club der Malibu-Barbies und auf die hat sie es in diesem Band massiv abgesehen. Gemeinsam mit ihrem imaginären Geisterfreund Magnus (1789 geköpft) und ihrem sehr gefährlichen Beißhamster und ein paar zwangsrekrutierten Kindersoldaten erklärt sie den Blondinen den Krieg. Am besten haben mir die Zeichnungen gefallen, die mit wenigen Stilmitteln sehr ausdrucksstark ausgeführt sind. Mr. Tan und Miss Prickly sind einfach ein sehr gutes Team. Daher eine Empfehlung für Fans lustiger Comickost, die frech und dunkel daherkommt.

Bewertung vom 12.02.2023
Mr. Tan;Miss Prickly

Die schreckliche Adele 04


ausgezeichnet

Adele ist wirklich kontrovers, düster und krawallig, nicht wirklich für Kinder, aber umso lustiger für die Eltern. Die kurzen Strips aus dem Leben des rothaarigen Mädchens handeln von ihrem fiesen Streichen gegen Eltern, Mitschüler, Katze und sind schon ziemlich schlimm. Adele ist das, was man einen Kotzbrocken nennen muss. Eigentlich mag sie niemanden. Naja für ihre Eltern macht sie eine Ausnahme. Und in den neuen Mitschüler Ludwig hat sie sich auch ein bisschen verliebt. Gemeinsam mit ihrem imaginären Geisterfreund Magnus (1789 geköpft) und ihrem sehr gefährlichen Beißhamster. Am besten haben mir die Zeichnungen gefallen, die mit wenigen Stilmitteln sehr ausdrucksstark ausgeführt sind. Mr. Tan und Miss Prickly sind einfach ein sehr gutes Team. Daher eine Empfehlung für Fans lustiger Comickost, die frech und dunkel daherkommt.

Bewertung vom 08.02.2023
Janesch, Sabrina

Sibir


ausgezeichnet

In Sibir erzählt Sabrina Janesch eine berührende Geschichte über Identität & Ankommen, über Erinnerung & Vergessen.

Der 9-jährige Josef Ambacher wird 1941 mit seiner Familie in die kasachische Steppe verschleppt, auf dem Weg stirbt sein kleiner Bruder, die Mutter verschwindet in einem Schneesturm. Ihr „Verbrechen“ ist ihre deutsche Herkunft, die Nazis haben die Sowjetunion überfallen. In „Sibir“ wie sie das mal eisige, mal brütend heiße Land nennen, kämpft die Familie ums Überleben, stößt auf Misstrauen & Hass gegen „die deutschen Nazis“ & findet doch Hilfe bei anderen Menschen die kaum mehr haben. Denn fast alle in dieser Elendssiedlung, in der Erdhütten die Regel sind, wurden selbst verschleppt, gehören Minderheiten im Sowjetreich an, sind Stalin suspekt: Russlanddeutsche, Finnen, Karatschaier, Kalmücken, Tschetschenen, Inguschen, Balkaren, Krimtataren. Und alle haben (berechtigterweise) Angst davor im Gulag zu enden.

Doch Josefs Leben in der Weite Kasachstans ist auch aufregend. Mit seinem kasachischen Freund Tachawi erlebt er zahllose Abenteuer & so erzählt dieses Buch auch die Geschichte eines Aufwachsens unter ungewöhnlichen Umständen. 1955 werden Ambachers schließlich frei gelassen & landen als „Heimkehrer“ im niedersächsischen Mühlheide.

Erzählt wird in dem Roman auch die Geschichte Leilas, Josefs Tochter. Aus ihrer Perspektive erleben wir den Umbruch Anfang der 90er, als plötzlich in großer Zahl Deutschstämmige aus der zerfallenden Sowjetunion in Mühlheide ankommen. Die seit Jahrzehnten dort lebenden „Altsibirier“ sind gespalten, Mitleid & ängstliche Abscheu (auch vor dem eigenen Schicksal) prägen das Klima. Doch Josef hat eine klare, sehr kasachische Antwort: Gastfreundschaft. Die Ereignisse spülen aber unterdrückte Erinnerungen nach oben…

Sibir ist ein wahnsinnig gut geschriebenes Buch, das kaum jemanden kalt lassen wird. Mehr als eine Stelle hat uns zu Tränen gerührt. Sabrina Janesch gelingt es meisterhaft das Schicksal der Betroffenen zu schildern & gleichzeitig einen sehr spannenden Abenteuerroman zu schreiben. Ein klare #empfehlung für dieses tolle Stück #literatur