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melange
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Bonn
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Insgesamt 902 Bewertungen
Bewertung vom 03.07.2011
Ruppert, Astrid

Wenn nicht jetzt, wann dann?


sehr gut

Zuckerguss mit bitterer Schokolade

Zum Inhalt: Durch eine Hochzeit kreuzen sich die Lebenswege dreier Frauen, welche dem Lesenden an das Herz wachsen werden: Die zukünftige Braut - eine Tochter aus bestem Hause -, die Hochzeitsplanerin - ein gebranntes Kind - und die Tortenbäckerin - eine ältere Dame, die immer noch von der Romantik träumt. Alle drei machen während des Romans eine Entwicklung durch, von der sie und die mit ihnen verbundenen Personen männlichen Geschlechts zum Teil sogar buchstäblich überrollt werden.
Zum Cover: Romantik pur! Junge Frau auf und in Mohnwiese; ein perfektes Zusammenspiel zwischen äußerer Erscheinung und innerer Werte.
Mein Eindruck: Wunderbar warmherzig und mit großem Einfühlungsvermögen schildert Astrid Ruppert den Umgang ihrer drei Hauptpersonen mit der Liebe. Durch die dauernden Perspektivwechsel kommt nie Langeweile auf und trotz aller Vorhersehbarkeit (mit großer Krise kurz vor Schluss und noch größerem Happy End) leidet und freut sich der Leser (oder besser die Leserin) mit jeder der drei Damen mit. Gut gewählt ist nicht nur deren Altersstruktur (20, 40 und 60 Jahre), sondern auch die gesellschaftliche Herkunft ist breit gefächert - vom ungeliebten, unehelichen Nachkriegskind bis zur vergötterten High Society Schönheit. Dadurch bieten sich vielfältige Identifizierungsmöglichkeiten. Dass alle Frauen und auch Männer liebenswert genug geschildert sind, um mit ihnen mitzufiebern, tut dem Lesevergnügen dabei keinen Abbruch.
Mein Fazit: Die perfekte Lektüre, um zu lachen und zu weinen. Ohne den ganz großen Tiefgang, aber an lauen Sommerabenden reicht mir persönlich auch einmal der seichte Einstieg am Seeufer.
4 Sterne

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.06.2011
Wanner, Heike

Für immer und eh nicht


sehr gut

Ernie und Barbie
Ehen werden nicht nur im Himmel geschlossen, manchmal wird dort auf die große Liebe gewettet.

Zum Inhalt: Im Himmel herrscht Uneinigkeit darüber, ob Mann und Frau miteinander glücklich werden können. Um eine abschließende Aufklärung unter besten Bedingungen zu erhalten, wird beschlossen, einer Frau ihren in jeder Hinsicht absoluten Traummann zu schicken. Die irdische Versuchsbarbie fühlt sich mit ihrem Engel tatsächlich wie im siebten Himmel, bis ihr auffällt, dass ein Ernie mit leichten Mängeln vielleicht doch Vorteile gegenüber der Luxusversion von Ken mit Rolls Royce und Supermanieren besitzt.

Zum Cover: Zwei Goldfische mit Angel. Nun gut, dass es sich um einen humorvollen Roman handelt, suggeriert dieser Einband schon. Da aber weder Fische eine Rolle spielen, noch irgendjemand an einem ungewollten Haken hängt, ist mir die Intention des Verlages dabei unklar. Ich hätte Schloss, Pferd und Himmelsleuchten bevorzugt.

Mein Eindruck: Zwar bewegt sich der Roman auf ein vorhersehbares Ende zu, aber der Weg dorthin ist auf eine so amüsante Weise gepflastert, dass man wie auf Wolken dahin schwebt. Nicht nur die Hauptfiguren Theresa und Raphael sind mit viel Freude am Detail gezeichnet, auch die Nebendarsteller erhalten genügend Aufmerksamkeit seitens Frau Wanner, um glaubhaft zu agieren und bildhaft vor dem geistigen Auge zu entstehen. Dazu die kleinen Macken, die uns den Partner einerseits so richtig liebenswert machen, uns andererseits zur Verzweiflung bringen können: Morgenmuffelei, grenzenloser Charme, Allergien oder auch die Freude an schönen Autos. Meiner Meinung nach macht das einen guten Teil des Lesespaßes aus: Die Wiedererkennbarkeit der eigenen Beziehung oder der Marotten im Bekannten- bzw. Verwandtenkreis.

Fazit: Eine Figur sagt in etwa Folgendes: Ich weiß, dass es nicht perfekt ist und ich weiß nicht, ob es für immer hält, aber die Zeit dazwischen ist, was zählt..... Die Zeit, die ich mit diesem Buch verbracht habe, war sehr vergnüglich und hat gezählt.

Bewertung vom 01.05.2011
Bingül, Birand

Der Hodscha und die Piepenkötter


sehr gut

Ein großer Spaß mit kleinen Abstrichen

Gerade weil der Roman nicht zuviel Tiefgang besitzt, war ich positiv überrascht. Weichgespülte Multi-Kulti-Literatur gibt es schließlich genug.

Zum Inhalt: Eine der beiden islamischen Gemeinden einer Kleinstadt im Wahlkampf bekommt von der Zentrale ein neues Oberhaupt zugeteilt. Dieses erscheint mit Bruce Springsteen Plattensammlung und pubertierender Tochter und zeigt von Beginn an der Bürgermeisterin Frau Piepenkötter die Zähne unter dem Rauschebart. Frau Piepenkötter ihrerseits möchte wiedergewählt werden und zieht dazu sämtliche Register politischen Könnens, - unter anderem ihren Sohn, der zufällig die gleiche Klasse wie des Hodschas Töchterlein besucht. Die Scharmützel der beiden bis kurz nach dem Wahltag behandelt "Der Hodscha und die Piepenkötter".

Die Aufmachung: Erst einmal ein comicartiges Cover, welches jedem, der einen Roman mit Tiefgang erwartet, diesen Zahn ziehen sollte. Dazu ein Weichcover, welches mir sehr gut gefallen hat, da es eine bessere Griffigkeit als ein Taschenbuch bietet, aber nicht so unhandlich wie ein Hardcover ist. Bei Romanen, die nicht "für das Leben" gedacht sind, halte ich das für ein sehr gutes Mittelding. Zum guten Schluss eine zwar gewöhnungsbedürftige Schrifttype für die Kapitelüberschriften, die aber ebenfalls deutlich machte, dass man einen gern überspitzten Roman und keine auf politische Korrektheit gebürstete Erzählung vor sich hat.

Mein Eindruck: Herrlich pointiert und bösartig bedient Herr Bingül sämtliche Klischees, die der geneigte Leser von Politikern und Geistlichen mit Draht nach ganz oben hat: Die Politiker kennen im Wahlkampf weder Freunde noch Familie und scheren sich einen Dreck um ihr Geschwätz von gestern, die Geistlichen stellen dafür fast alles für ihre Liebe zu Gott oder Allah zurück - außer vielleicht Bruce Springsteen - und kennen in ihrem Eifer höchstens die Grenzen, die ihnen von ganz oben aufgezwungen werden. Dazu bekommen noch Hausfrauen, Teenager, Schmierlappen mit Hasspredigerhintergrund und Journalisten ihr Fett weg: Jeder taktiert so gut er kann, um für sich das meiste herauszuholen, gerne auch bei konspirativen Treffen oder im Pakt mit dem Feind des Feindes. Durch die vielen Versuche des gegenseitigen Beinchenstellens und der Kürze der Zeit durch das Nahen des Wahltages blieb die Spannung immer gewahrt - langatmige Teilstücke konnte es nicht geben.

Schön auch die Zwiegespräche mit Allah - bei Don Camillo abgeguckt oder nicht - die den Hodscha immer wieder auf Kurs brachten, den er vor lauter Engstirnigkeit gerne einmal vergessen wollte.

Auch wenn das gemäßigte Happyend (es kann ja bei den unterschiedlichen Voraussetzungen kein Hosianna für alle geben) natürlich voraussehbar ist, habe ich mich auf dem Weg dorthin köstlich amüsiert. Aber kleine Abstriche muss ich dennoch machen: Mir trank Frau Piepenkötter viel zu viel Rotwein und der Hodscha benutzte schlagende Argumente, mit denen ich mich unter keinen Umständen anfreunden will.

Fazit: Ein wunderbar ironisches Buch über zwei Streithähne auf ihrem Weg zur Glückseligkeit mit kleinen Abzügen in der B-Note. Vier Sterne.

Bewertung vom 01.05.2011
Barceló, Elia

Töchter des Schweigens


weniger gut

Eine Geschichte über die Liebe....

mit allen ihren schönen und grausamen Facetten, aber eben nicht die spannende Story, die ich mir nach der Leseprobe vorgestellt habe.

Zum Inhalt: 30 Jahre nach einer verhängnisvollen Klassenfahrt treffen sich sieben sehr gute Freundinnen wieder. Kurz nach diesem Wiedersehen stirbt eine von ihnen an einem (vermeintlichen?) Selbstmord. Die anderen sehen sich den Ermittlungen der Polizei und dem schlechten Gewissen ausgesetzt, welches sich nach der grausigen Tat von damals wieder regt.

Zum Cover: Ein hübsches Mädchen am Meer. Jung, unschuldig, in Gedanken versunken. Ein gutes Bild für die Ideale, die die sieben Freundinnen in der Franco-Ära hatten.

Mein Eindruck: Nach interessantem Auftakt plätschert nicht nur das Meer, sondern auch die Story so dahin. Nach und nach deckt sich zwar auf, wer welchen Tod verursacht hat und wieso, doch trotz aller Todesfälle, privaten Katastrophen und unheilvollen Lieben ließ mich die Geschichte bis kurz vor Schluss fast gänzlich kalt. Das mag zum einen daran liegen, dass sieben Hauptpersonen vielleicht zu viele sind, oder daran, dass auch noch einige Nebenschauplätze eingebaut werden mussten, um die Anzahl der Motive möglichst groß und unterschiedlich zu gestalten: Viele ungewollte Kinder, gescheiterte oder zum Scheitern verurteilte Beziehungen, Verluste der Partner, Trunksucht und Ehebrüche. Zum Anderen fand ich die Idee von Frau Barceló, dass einige der Mädchen als Frauen andere Namen tragen, dem Verständnis und Fluss der Geschichte nicht förderlich. Ich spekuliere, dass damit der Bruch von Kindheit zum Erwachsenenleben deutlich gemacht werden sollte – mir bereitete es jedoch öfter einmal Kopfzerbrechen, wer denn nun eigentlich wer ist. So kam ich nie in einen Lesesog, sondern legte das Buch gerne einmal zur Seite.

Fazit: Irgendwie tut es mir leid, dass ich nur zwei Sterne vergeben möchte, da die Autorin sich einer sehr schönen Sprache bedient. Leider konnte sie mich aber trotz aller Schönheit nicht fesseln, ihre Figuren blieben mir bei aller Seelenpein fern und auch das landschaftlich wunderschöne Spanien beschränkte sich fast nur auf Cafes, Restaurants und Diskotheken. Das Buch erinnerte mich an Lena - in Schönheit gestorben... und das ist mir zu wenig.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 13.04.2011
Glaesener, Helga

Die Vergolderin


sehr gut

Kein Blech!
Zum Inhalt: Weil ihr Vater betrogen hat, die Familie mit Schimpf und Schande aus der Stadt vertrieben wurde und die Eltern auf der Flucht gestorben sind, sieht sich Elisabeth in der Pflicht, Schwester und Bruder zu einem menschenwürdigen Leben zu verhelfen. Alle drei kommen bei ihrem Großvater unter, für den Lebensunterhalt sorgt Elisabeth dergestalt, dass sie einerseits dem Großvater verbotenerweise hilft und andererseits Geschäfte außerhalb der Stadtmauern tätigt. Bei einer dieser Touren lernt sie den blinden Martin kennen und wird durch diesen in Familienangelegenheiten verwickelt, die ihr und ihrer Familie bald sehr gefährlich werden.

Zum Cover: Die sprichwörtliche Goldwaage, die Manches für zu leicht befindet - sei es das Gewicht des Edelmetalls oder den Charakter der Menschen, die mit ihm arbeiten.

Mein Eindruck: Trotz des leicht irreführenden Titels - der Beruf Elisabeths ist nicht wirklich wichtig - habe ich mich während der Lektüre des Buches glänzend amüsiert. Frau Glaesener schreibt herrlich kurzweilig, die Figuren entstehen plastisch vor dem geistigen Auge, die Örtlichkeiten sind hervorragend bebildert. Zwar geraten ihr die handelnden Personen ein wenig sehr eindimensional - der Gute ist nur gut, der Böse nur böse; selbst bei wirklich plakativem Verhalten seitens der einen Seite wird bei der anderen nicht umgedacht - dem Lesespaß tut es dennoch keinen Abbruch. Das liegt an der Mischung aus Liebesgeschichte, Historienschmöker und Kriminalroman - ein Cocktail, der so lecker schmeckt, dass die leicht vorhersehbare Grundnote gerne verziehen wird. Die Variationen dieser Grundnote führten nämlich dazu, dass ich dieses Buch nicht aus der Hand zu legen vermochte und die 448 Seiten ohne Probleme an einem Wochenende gelesen habe.

Fazit: Durch die abwechslungs- und wendungsreiche Geschichte mit genau der richtigen Kapitellänge ein Pageturner, wie man ihn sich in Zeiten der Sommerzeit wünscht.

Bewertung vom 13.04.2011
Caplan, Oscar

Curia


schlecht

Viele Geschichten verderben den Lesespaß

Ich bin mir überhaupt nicht sicher, was uns der Autor mit diesem Buch beweisen will: Dass er wahnsinnig klug ist? Dass er sich wirklich Mühe mit dem Buch gegeben hat? Dass er etwas anderes als den üblichen Vatikan-Verschwörungs-Thriller schreiben wollte? Nun, dies alles ist ihm aus meiner Sicht gelungen. Leider blieb bei diesen vielen Ambitionen das Grundlegendste auf der Strecke: Der Spaß des Lesers bei der Lektüre des Buchs.

Zum Inhalt: Ein Kardinal deckt ein großes Geheimnis auf, welches die Grundfesten der drei Weltreligionen Christentum, Judentum und Islam erschüttern würde und stirbt kurz nach seiner Entdeckung an einem Autounfall. Sein Bruder, ein Geschichtswissenschaftler und Archäologe, will mit Hilfe von vielen Freunden und Bekannten diesen Todesfall aufklären und tritt dabei den Lenkern von Kirche, Wirtschaft und Politik auf die Füße.

Zum Cover: Blut auf einem Kreuz – für den Anfang des Buches ein durchaus passendes Bild. Leider werden im Fortlauf der Geschichte immer mehr Nebenschauplätze mit anderen Akteuren und Beweggründen hinzugefügt, die den spannenden Beginn des Buches vergessen lassen.

Mein Eindruck: Selten habe ich ein in jeder Hinsicht so unglaubwürdiges Buch gelesen: Nicht nur ist der Hauptakteur Theo intelligent, musisch hochbegabt, ein Kenner der feinsten Gaumenfreuden und besitzt ein Netzwerk von Freunden, die ebenso klug wie er selbst in den verschiedensten Wissenschaften bewandert sind. Nein, das gilt ebenso für die mannigfaltigen Feinde, die er sich im Laufe des Buches schafft. Egal ob griechischer Milliardär, Kommissar in Rom, Pater des Opus Dei, Gehilfe bei Ausgrabungen oder einfach nur schlauer Dieb – jeder kann sich mit jedem auf einer hochwissenschaftlichen und genussvollen Ebene austauschen. Die Frauen sind alle wunderschön, die Männer geschmackvoll gekleidet und wer stottert oder humpelt, lebt nicht lange. Dieser Selektierungsprozess führt jedoch nicht zu einem besseren Verständnis des Buches – für jede Figur, die ins Gras beißt, erfindet der Autor fünf Neue, um dem Leser nur keine Chance zu geben, den Überblick zu behalten. Und da für diese Figuren eine einfache Verschwörung innerhalb der katholischen Kirche nicht ausreicht, müssen die führenden Wirtschaftsmagnaten, die Politik und zur Not auch noch Nationalsozialismus und die alten Ägypter für die Rahmenhandlung Pate stehen. Dann noch eine Prise Zeitmaschine bei Wells beigemischt und fertig ist die Soße – ein Geschmacksinferno erster Güte. Was mich zusätzlich verärgert hat, sind die Beweggründe Theos: Wird dem Leser anfangs vermittelt, dass er die Aufklärung aus Bruderliebe sucht, ändert sich diese Intention schnell. Ganz im Gegenteil – auch der Tod eines doch befreundeten Bekannten entlockt ihm nicht einmal mehr ein „Ups“.

Fazit: Viel zu viel verlorene Zeit in ein Buch versenkt, welches mit der Hälfte der Seiten besser bedient gewesen wäre. Den einzigen Stern gibt es für die Idee, den Papagei, der die Essenz von Diskussionen in einem Satz zusammenfassen kann, „Poirot“ zu nennen. Das hätte Caplan beherzigen und sich einiges bei Agatha Christie abgucken sollen: Auch wenn ihre Geschichten zwischen den Weltkriegen spielen, sind mir deren Akteure näher als diese ganzen Intelligenzbestien, die er erfunden hat.

Bewertung vom 09.03.2011
Florescu, Catalin Dorian

Jacob beschließt zu lieben


gut

Verflucht
Zum Inhalt: Catalin Dorian Florescu beschreibt in seinem Buch "Jacob beschließt zu lieben" das Leben von Jacob Obertin in der Zeit zwischen den Weltkriegen bis etwa 1950. Zusätzlich erfährt der Leser einiges über die Vorfahren der Familie und deren Kampf um Land und Heimat - zuerst in Frankreich, später in Rumänien.

Zum Cover: Eine ländliche Szene, die Gemütlichkeit ausstrahlt. Dieses Bild wird im Buch schnell ad Absurdum geführt.

Zum Buch: Nach den ersten Seiten hatte ich mir ein anderes Buch versprochen. Eine Geschichte, die bei aller Härte des Lebens als Bauer im Spiel der Mächtigen und des Wetters einen ein wenig schmunzeln lässt. Ich dachte an den Stil von "So zärtlich war Suleyken". Aber die Wesenszüge von Jacobs Vater, dem Jakob mit "K", die den Leser anfangs zum Lächeln brachten, entpuppten sich bald als schiere Kaltschnäuzigkeit - für "sein" Land geht Jakob nicht nur sprichwörtlich über Leichen. Dementsprechend trist verläuft Jacobs Leben: Bei jedem Hoffnungsschimmer am Horizont funkt früher oder später der Vater dazwischen - egoistisch bis ins Mark.

Mein Eindruck: Nach ansprechendem Auftakt reiht sich nur noch Tristesse an Katastrophe, - vielleicht durch den Fluch einer Zigeunerin verursacht, vielleicht durch den Anspruch des Autors, hohe Kunst zu Papier zu bringen. Leider muss ich gestehen, dass ich dadurch immer gelangweilter wurde und irgendwann den Entschluss fasste, dieses Buch nicht zu lieben. Trotz der schönen Sprache und der Wohlformuliertheit der Sätze blieben die Personen seltsam blass und interessierten nicht wirklich. Verwirrt lässt mich der Titel zurück: "Jacob beschließt zu lieben". Wen oder was? Ich hatte auf eine Aufklärung gehofft, aber diese blieb aus.

Für den Auftakt und die Beschreibungen der Landschaften drei wohlwollende Sterne.

5 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.02.2011
Janson, Brigitte

Die Tortenbäckerin


gut

Bittersüße Backkunst

Zum Inhalt: Greta Voss, eine junge Frau aus Altona, arbeitet sich von der Hilfsköchin an der Seite ihrer Tante hoch zur Lieferantin der begehrtesten Torten der Stadt. Auf diesem Weg lernt sie den Fuhrunternehmer Siggo kennen und nach vielen Irrungen und Wirrungen des Schicksals lieben.

Zum Cover: Eine hübsche, junge Frau in zeitgenössischer Kleidung schält einen Apfel, dazu der Titel in schön geschwungener Schrift - dieses Bild macht Appetit!

Mein Eindruck: Ein Grashalm im Wind - so wird Greta von Siggo an einer Stelle beschrieben. Sie beugt sich den Stürmen des Lebens (und dieses hält sogar einige Orkane bereit), aber sie zerbricht nicht an den mannigfaltigen Schicksalsschlägen. Weder der Tod des Vaters, das Siechtum der Mutter und das uneheliche und dazu noch blinde Kind, welches sie nach einer Vergewaltigung durch ihren Dienstherren austrägt, bringt sie endgültig zur Verzweiflung. Ganz im Gegenteil: Durch ihre immer freundliche und zuversichtliche Art schenkt sie den Menschen in ihrem Umfeld Lebensfreude und Mut.

Dennoch hatte ich den Eindruck von etwas zuviel Zuckerguss auf der Apfeltorte. Jedes Problem, welches groß und drohend auf Greta und ihre Freunde einzustürzen drohte, löste sich nach lächerlich kurzer Zeit in rosarote Wölkchen auf. Gerade in der geschilderten Zeit und Umgebung, die von Hunger und Kummer der kleinen Leute geprägt war, erscheint es schier lächerlich, wie viel Glück den grundguten Menschen zu Teil wird und wie die Bösartigen gebeutelt werden - aber selbst diese nicht gar so schlimm, damit die liebe Seele Ruhe findet.

Pluspunkte erhält der Roman für die flüssige Schreibweise, die genau richtige Länge der einzelnen Passagen und die vielen unterschiedlichen Figuren, die eine differenzierte Sicht auf den Anfang des letzten Jahrhunderts bieten und natürlich die Kochrezepte zum Ende des Buchs. Ebenfalls gefällt das Nachwort der Autorin, in dem sie auf die echten Lebensverhältnisse des Dienstpersonals zu damaliger Zeit eingeht und Dichtung und Wahrheit zueinander in Beziehung stellt.

Fazit: Eine unterhaltsame und leichte Lektüre für Zwischendurch. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. 3 Sterne.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 15.01.2011
Corbi, Inez

Das Lied der roten Erde


sehr gut

Schlager oder Klagelied?
Von beiden etwas hat "Das Lied der roten Erde".

Zum Inhalt: Moira wird von ihren Eltern zur Heirat mit einem viel älteren Mann und Witwer gezwungen, welcher sich zu allem Überfluss als Doktor dazu verpflichtet hat, nach Australien auszuwandern. Dort angekommen, lernt Moira den Sträfling Duncan kennen und lieben. Dieser ist als Rebell verbannt worden. Der Weg in das gemeinsame Glück ist steinig, aber nicht unpassierbar.

Zum Cover: Frauengestalt von hinten, in die Ferne blickend. Wenn man mal großzügig vom strahlenden Weiß des Kleides absieht (daran kann ich bei dem ganzen roten Staub nicht glauben), spiegelt dieses Cover sehr schön das Empfinden Moiras wieder, welche in der neuen Heimat mit all seiner großzügigen Weite das Glück und die Erfüllung findet, die ihr in Irland versagt geblieben wären.

Mein Eindruck: Glücklicherweise verfällt Inez Corbi nicht in die für historische Romane gern gewählte reine Schwarz-Weiß-Malerei. Zwar findet sich in "Das Lied der roten Erde" der ultimative Bösewicht, die meisten Figuren sind aber differenziert und facettenreich beschrieben. Frau Corbi macht sich dabei die Mühe, ihre Protagonisten nicht nur agieren zu lassen, sondern nimmt sich sehr oft die Zeit, die Beweggründe für dieses Handeln zu zeigen. So erhalten die Figuren eine Tiefe, die nicht immer in diesem Genre zu finden ist. Zusätzlich sind Umgebung und Lebensumstände glaubwürdig geschildert - egal, ob es sich um einen Maskenball in Irland oder den Lebensraum eines Aborigini-Mädchens handelt. Die Sprache beschreibt ausführlich, aber nicht übertrieben blumig, so dass sich die Sätze leicht lesen lassen, ohne langatmig zu wirken.

Fazit: Ein Wohlfühlroman, der das große Glück für die Hauptpersonen nach größeren und kleineren Katastrophen zum Ende bereithält, ohne die Nebenfiguren und deren Schicksal aus den Augen zu verlieren.

4 Sterne

Bewertung vom 15.01.2011
Jonuleit, Anja

Herbstvergessene


gut

Drei Frauen, drei Schicksale
Zum Inhalt: Maja wird nach Jahren der Funkstille von ihrer Mutter Lilli angerufen, welche dringend um einen Besuch ihrer Tochter in Wien bittet. Obwohl mit dem gleichen Sturkopf gesegnet, folgt Maja dieser Bitte, um dann vom Tod ihrer Mutter - einem vermeintlichen Selbstmord - zu erfahren. Sie beginnt in der Vergangenheit von Mutter und Großmutter zu forschen und lernt völlig neue Facetten ihrer Familiengeschichte inklusive neuer Verwandte kennen.

Zur Aufmachung: Eine Frau strahlt mit ihrem Kind in die Kamera, gekleidet in der Mode der Hitlerzeit. Während der Lektüre von "Herbstvergessene" wird klar, wie gut dieses Cover zum Buch passt.

Meine Meinung: Der Kunstgriff, die zweite Ebene der Geschichte - das Leben von Majas Großmutter - als Manuskript derselben zu gestalten, sorgt dafür, dass sich dieser Erzählstrang als wahrer Pageturner entpuppt: Der Leser erfährt abwechselnd ein Stück aus dem Leben von Charlotte, welche unverheiratet schwanger ihre Familie verließ, um ihr Kind in einer Einrichtung des Lebensborns zur Welt zu bringen. Danach taucht er wieder in das Hier und Jetzt ein und begleitet Maja auf ihrem Weg zur Wahrheit.

Obwohl ich den Roman sprachlich nicht immer überzeugend fand, fesselte die Geschichte vor allem durch die packende Schilderung der Erlebnisse von Charlotte. Jedoch verfiel Frau Jonuleit für den Abschluss dieses Teilstrangs auf einen für mich eher unglaubwürdigen Twist. Das Dilemma Charlottes hätte durchaus auf weniger spektakuläre Weise gelöst werden können - Kriegsverbrecher hatten schließlich keinen leichten Stand - auch wenn dann der Titel nicht mehr ganz gepasst hätte. Zudem übertrieb es Frau Jonuleit mit den Irrungen und Wirrungen in Majas Liebesleben, die leider ebenfalls zu einem über das Buchende hinausreichenden Konflikt führen.

Fazit: Etwas zu viel der Tragik und der dramatischen Todes- und Lebensfälle im Bereich von drei Frauengenerationen. Für den Lesespaß dazwischen verleihe ich aber gerne drei Sterne.