Benutzer
Benutzername: 
melange
Wohnort: 
Bonn
Buchflüsterer: 

Bewertungen

Insgesamt 903 Bewertungen
Bewertung vom 04.01.2012
Bazell, Josh

Einmal durch die Hölle und zurück / Pietro-Reihe Bd.2


weniger gut

Nach dem Top folgt ein Flop

Zum Inhalt: Der aus dem Thriller "Schneller als der Tod" bekannte Ex-Auftragskiller der Mafia im Zeugenschutzprogramm wird von einem Multimilliardär beauftragt, die Story zu einem Ungeheuer im White Lake zusammen mit einer Paläontologin zu überprüfen. Dabei kämpft er nicht nur mit Nessie, sondern mit Vergangenheit und Zukunft in Gestalt von Politikern, Mobstern und der Klimakatastrophe.

Zum Cover: Sehr schick in glänzendem Schwarz und Weiß mit erhabenen roten Blutstropfen gehalten, - ein echter Hingucker in Laden und Bücherschrank und durch die Ähnlichkeit mit dem ersten Band gut als Nachfolger zu identifizieren.

Mein Eindruck: Auch weil ich vom Vorgänger bis auf kleine Abstriche begeistert war, hat mich „Einmal durch die Hölle und zurück“ fast auf ganzer Linie enttäuscht. Zwar bedient sich Bazell in diesem Buch des für ihn typischen Stilelements der Fußnote und des lakonischen, tiefschwarzen Humors der Hauptfigur; die Story selber ist mir persönlich aber definitiv viel zu abgedreht. Fast wirkt es, als wollte Bazell noch einen draufsetzen: Noch skurrilere Nebenfiguren, noch verrücktere Verwicklungen, noch mehr Mafiadurchdringung, noch mehr Spleen. Aber so wurde es dann eben einfach zu viel: Eine absolut unglaubwürdige und dazu dürftige Handlung, zu viele supercoole Typen, die äußerst eloquent über Thematiken auf dünnem Eis plaudern können (Religion, Darwin, Klimawandel, politische Verwicklungen) und zum guten Schluss noch die Beweise der Klugheit und guten Recherche des Autors (60 Seiten). Außerdem auf gefühlten 680 von 340 Seiten die sexuelle Erregung der Hauptfigur und die Hoffnung derselben auf ein Vernaschen der Nebendarstellerin. Die Unterhaltung des Lesers durch eine spannende Geschichte (wie ich es von einem „Thriller“ erwarte), kam dabei eindeutig zu kurz.

Fazit: Zu viel Weltuntergangsgequatsche und zuviel sexuelle Frustration. Nur streckenweise die erhoffte Spannung.

2 Sterne

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.01.2012
Münk, Katharina

Die Eisläuferin


sehr gut

Politisches Überleben auf glattem Parkett

Zum Inhalt: Die Regierungschefin einer westlichen Industrienation (ein Schelm, wer "Merkel" dabei denkt) fährt inkognito mit der Bahn durch Sibirien. In Omsk fällt ein Bahnhofsschild auf das Haupt der Dame und führt bei ihrem inneren Stab bald zur vollständigen Verzweiflung. Die folgenden Versuche, den vollkommenen Verlust des Gedächtnisses der letzten 20 Jahre vor Volk, Presse und vor allem Opposition geheim zu halten, beschreibt Katharina Münk (Pseudonym) mit Charme und augenzwinkerndem Humor.

Zum Cover: Eisläuferin auf Spieluhr, - ich hätte eher eine Schneekugel bevorzugt, die zur Erinnerungshilfe wird. Trotzdem ist auch dieses Instrument zur Versinnbildlichung der Schwierigkeiten, die jeden neuen Tag aufs Neue auf Chefin und Eingeweihte warten, durchaus geeignet.

Mein Eindruck: Zwar werden fast nie konkrete Namen verwendet, doch die Seitenhiebe auf real existierende Bundeskanzlerinnen und Oppositionschefs sind zu eindeutig, um ignoriert zu werden; - das Pseudonym der Schriftstellerin damit sehr angebracht. Ich persönlich habe mich glänzend amüsiert, wenn der politische Eiertanz auf die Schippe genommen wurde - schließlich ist das diplomatische Leben auch ohne Handicap schon schwer genug. Dass es einer Regierungschefin nicht abträglich sein muss, Gefühle zu zeigen und unkonventionelle Wege zur Völkerverständigung zu gehen, glaube ich sofort - wie gerne schimpft das gemeine Volk doch auf "die da oben", die jeglichen Bezug zu Sorgen und Nöten der Mitbürger verloren zu haben scheinen.

Fazit: Wer nicht auf Tiefe hofft, sondern sich einfach nur mit einem parallel zum Buch ablaufenden Kopfkino unterhalten lassen will, ist gut bedient, wer auf politische Korrektheit, boshafte Satire oder ernsthafte Kritik setzt, wird enttäuscht sein. Da ich mich zur erstgenannten Gruppe zähle (ernsthafte und schwer verdauliche Politik habe ich gerade genügend real vor Augen), verteile ich gerne 4 Sterne.

Bewertung vom 09.12.2011
Hill, Casey

Tabu


gut

Auch gute Menschen brechen Tabus...

... und werden dafür bestraft.

Zum Inhalt: Reilly, eine amerikanische Profilerin, zieht nach Irland, um in der Nähe ihres alkoholkranken Vaters zu sein. In der neuen, alten Heimat kämpft sie nicht nur mit Familienbanden, sondern mit einem eiskalten Serienkiller und dickköpfigen Kollegen.

Zum Cover: Eine Frauengestalt, die durch eine dunkel-diffuse Darstellung Einsamkeit, Unnahbarkeit und Würde ausstrahlt, eine sehr treffende Darstellung der Person Reillys zu Beginn des Buches. Die blutbefleckte Erscheinung des Titels gibt schon einen Vorgeschmack auf die Schilderungen der Mordschauplätze zwischen den Buchdeckeln.

Mein Eindruck: Sehr detailliert werden vor allem die Tatorte und die Arbeit in der Pathologie beschrieben - fast glaubte ich, dass das Autorenteam selber einen tieferen Einblick in diesen Teil der Ermittlungen hat. Irgendwie hatte ich jedoch das Gefühl, als ob mit dem ganzen Blutdurst der Tatortschilderungen das Pulver verschossen wurde. Mir persönlich wurde im Gegensatz dazu zu wenig auf die Charakterzeichnungen der Personen und letzten Endes auch den Ablauf der Taten eingegangen. Wie konnten die Opfer zu ihren Handlungen getrieben werden? Das wurde nur sehr oberflächlich behandelt und lässt den Schluss zu, dass sich die Gedanken des Autorenpaares mehr um die komplizierte Reilly-Täter-Beziehung drehten, als um eine echte Auseinandersetzung mit der erdachten Mordserie. Störend empfand ich ebenfalls, dass einige der großen Rätsel im privat-polizeilichen Bereich ungelöst blieben und auch nicht wirklich auf das Gefüge im Team zum Ende des Buches eingegangen wurde - da ist wohl ganz deutlich eine Fortsetzung geplant.

Einen Pluspunkt hingegen erhält die interessante Schilderung von Reillys Kindheit und ihren Familienverhältnissen, welche den Leser zu einer Neugierde verführte, die einen immer noch ein Kapitelchen mehr lesen ließ. Auch die Bösartigkeit des Täters und die kleinen Winke desselben an den Tatorten waren ein Genuss.

Mein Fazit: Detailversessen im Blutrausch, interessante Motivwahl, aber für meinen Geschmack zu viele Cliffhanger.

3 Sterne

Bewertung vom 09.12.2011
Faber, Dietrich

Toter geht's nicht / Henning Bröhmann Bd.1


sehr gut

Ein Loser bewährt sich

Zum Inhalt: Henning Bröhmann, Kriminal-Polizist und Reihenhaushälftenbesitzer wider Willen, wird nicht nur plötzlich und unerwartet von seiner Gattin sitzengelassen, sondern darf zu allem Überfluss einen Mord im beschaulichen Bad Salzhausen aufklären, während er sich um die zwei Kinder und den Hund kümmern muss. Von diesen Umständen herausgefordert, wächst die selbsternannte „Memme“ über sich hinaus und gewinnt ganz nebenbei die Liebe seiner Frau, die Achtung seiner Kinder und seines Vaters und den Spaß an Ermittlungsarbeit.


Zum Cover: Fuchs mit Bembel in der Schnauze – das hessische Umfeld des Heimatkrimis wird sehr schön getroffen.


Mein Eindruck: Zu Anfang des Buches noch eher skeptisch, musste ich diese Meinung schnell revidieren. Nachdem die Einführung der Hauptfiguren und derer diversen Macken eher dröge und schleppend verlief, kam die Geschichte mit dem Auszug Franziskas richtig in Schwung.

Herrlich ironisch werden die Versuche Bröhmanns beschrieben, Privatleben mit pubertierender Tochter und Sohn im Kindergartenalter und zusätzlich den Beruf mit der höchsten je an ihn gestellten Anforderung zu meistern. Dass die Jagd nach dem Mörder dabei in den Hintergrund geriet, konnte ich Dietrich Faber nicht übel nehmen. Zu amüsant wurden die kleinen und größeren Katastrophen und Nebenkriegsschauplätze eines alleinerziehenden, vollzeitberufstätigen Vaters geschildert. Besondere Highlights stellten die äußerst lebensnah beschriebenen Umstände im Kindergarten Schlumpfloch mir dazugehörigem pädagogisch wertvollem Essen, Spielzeug und Personal dar.

Die Wandlung Bröhmanns von einem wehleidigen Loser zu dem Beherrscher der Lage, Team, Familie und Eheglück verlief so glaubhaft und humorvoll, dass ich gerne verzieh, dass der Mordfall ein bisschen zu kurz kam und zu nebenher bearbeitet wurde. Die Lösung jedoch geriet selbst für den geübten Krimileser sehr überraschend.


Fazit: Ein Pralinchen des Genres mit einer für mich sehr ansprechenden Mischung aus Heimat und Krimi. 4 Sterne geben der Hoffnung auf weitere Krimis mit Kommissar Bröhmann Vorschub.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.12.2011
Klönne, Gisa

Nichts als Erlösung / Kommissarin Judith Krieger Bd.5


sehr gut

Schicksale, für die eigentlich die Worte fehlen...

... aber Gisa Klönne versucht trotzdem, sie zu erfassen.

Zum Inhalt: Kommissarin Krieger stolpert bei ihrer nächtlichen Joggingtour fast über eine Leiche und dadurch in einen Fall, der in die Abgründe dessen führt, was Menschen anderen Menschen antun können und wie diese Taten auch noch Jahrzehnte nachwirken können.

Zum Cover: Ein laufendes Kind in einer leeren Wohnung. Dieses Bild würde mir zwar sofort in der Buchhandlung auffallen und mich für einen Kauf gnädig stimmen, mit dem Inhalt des Buches hat es jedoch gar nichts zu tun.

Mein Eindruck: Das Grauen kommt auf leisen Sohlen. Obwohl eher wenig blutrünstige Details zur Sprache kommen, bleibt der Leser fassungslos nach dem Ende der Lektüre zurück. Zu eindringlich wird die seelische Pein des Mörders geschildert, welcher selber Opfer war. Dieses Mitgefühl sorgt für ein Verständnis seiner Beweggründe, zu dem ich mich selten in Kriminalromanen genötigt fühle. Dies gilt insbesondere deshalb, weil die Opfer dieses Menschen teilweise keinerlei Schuld auf sich geladen haben. Gisa Klönne beweist eine gute Recherche und ein großes Einfühlungsvermögen in ihre Figuren. Wenn ich auch für befremdlich halte, von einer Kollegin als "die Krieger" zu denken (wie es eine der fünf Figuren, deren Blickwinkel das Geschehen erhellen, tut), ist die Zusammenarbeit im Dezernat glaubhaft geschildert. Die zwischenmenschlichen Turbulenzen der Protagonisten bleiben im Bereich des Erträglichen und für alle Katastrophen bieten sich Lichtstreife am Horizont.

Fazit: Ein schwieriges Thema, das völlig zu Recht den Weg zwischen die Buchdeckel gefunden hat, wird in gekonnter Weise von Gisa Klönne dargeboten. Dafür 4 Sterne.

7 von 7 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.12.2011
Wilson, Daniel H.

Robocalypse


sehr gut

Maschinen mit Herz und Verstand

Zum Inhalt: Archos, eine bahnbrechende Erfindung im Bereich der künstlichen Intelligenz, lässt sich nicht mehr abschalten und übernimmt die Macht über sämtliche mit Computern ausgestatteten Gerätschaften und versucht nun seinerseits, die Menschheit "herunterzufahren". Nach dem anfänglichen Schock stellen sich Menschen und einige Maschinen dem Schicksal der Auslöschung entgegen. Diese Einzelschicksale beschreibt das Buch in einer Art elektronischem Tagebuch, welches Momente aus dem Kampf Mensch-Maschine aufgezeichnet hat und zu Beginn der Geschichte (und zum Ende des Kampfes) gefunden wird.

Zum Cover: Eiskalt und bösartig blickt ein übergroßer Roboterkopf den Betrachter an, dazu besitzt dieses Buch abgerundete Ecken - ein unbedingter Hingucker auf dem Gabentisch der Buchhandlungen.

Mein Eindruck: Erschreckend plastisch schildert Daniel H. Wilson seine Vision der Machtübernahme durch die Roboter. Dabei gibt er sich bedeutend mehr Mühe mit der Beschreibung von Aussehen und Funktionsweise der Maschinen als mit Gefühlen und Erscheinungsbild seiner menschlichen Protagonisten. Vielleicht ist das (hier spekuliere ich mal..) dem inhaltlichen Umstand geschuldet, dass eine Maschine die einzelnen Begebenheiten aufzeichnet, mich als menschliches Wesen hat das jedoch ein bisschen gestört. Auch, dass fast alle Helden Amerikaner sind (ein Alibi-Engländer, bester Freund der Amerikaner, wirft sich ebenfalls in die Schlacht, ein Afghane und ein Japaner sorgen sich zwar um eigene Leute, für den großen Sieg sind sie aber nicht relevant), fällt mir schwer zu akzeptieren. Wenigstens sind die handelnden Personen brav politisch korrekt zusammengestellt: Indianer, Weiße, Schwarze und Latinos, Männlein und Weiblein, jung und alt. Diese Vielfalt der Personen macht einen großen Vorteil der Geschichte aus: Durch den alle paar Seiten stattfindenden Wechsel von Orten und Hauptpersonen erhält die Story einen Drive, dem ich mich nur schwer entziehen konnte und das Buch nur ungern aus der Hand legte. Der Kunstgriff, dass diese Vorgehensweise inhaltlich begründet ist täuscht jedoch nicht darüber hinweg, dass dadurch ein Fehler überdeutlich wird: Wenn die Maschinen genau wussten, wie die Menschen handeln (denn wie hätten die Aufzeichnungen ihrer Taten sonst möglich sein können), warum geboten sie nicht diesem Tun Einhalt?

Doch trotz dieses Minuspunkts: Spannend ist der Kampf auf jeden Fall!

Fazit: Inhaltliche Schwächen, aber ein wahrhaft grandioser Spannungsaufbau.

4 Sterne

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.10.2011
Kurkow, Andrej

Der wahrhaftige Volkskontrolleur / Pawel Dobrynin Trilogie Bd.1


gut

Vier unvollendete Geschichten
Zum Inhalt: Mit vier Hauptdarstellern - der aus dem Titel bekannte Volkskontrolleur, ein Engel, ein Schuldirektor und ein Künstler mit Gedichte rezitierendem Papagei - erzählt Kurkow Geschichten aus der Sowjetunion des letzen Jahrhunderts einige Jahre nach Lenins Tod.

Zum Cover: Wie von Kindern gemalt. Ein Mann und sein Pferd. Deutlich zu erkennen, aber eben leicht naiv - das passt hervorragend zu den Sichten, die die einzelnen Darsteller des Buches auf ihr Dasein haben: Einfach, gutmütig, gerecht und manchmal verzweifelnd an den äußeren Umständen.

Mein Eindruck: Das Buch lässt mich ratlos zurück. Ich habe es gern gelesen, solange es dauerte, aber dann war es zu Ende. Einfach so. Ohne echten Abschluss auch nur einer der vier Geschichten. Zusammenhänge gab es so gut wie keine (wenn man von einer Gewehrkugel absieht), jede Geschichte hätte von Anfang bis zu dem nicht vorhandenen Ende in einem eigenen kleinen Band erzählt werden können. Dabei ist die Erzählweise grandios, - trotz allen Unbill und so einiger menschlicher und tierischer Leichen muss der Leser oftmals über die stoische Ruhe der Protagonisten schmunzeln, mit denen über diese Tragödien hinweg- und weitergelebt wird. Alle vier gehen in ihrer Berufung auf, selbst, wenn ihnen fast unüberwindbare Hindernisse in den Weg gelegt werden, und verlieren nie ihren Glauben an das Gute der Sowjetunion und ihrer Bürger und das irgendwie schon alles richtig geordnet ist. Schön fand ich die Episoden vom Zusammenhalt in schwierigen Zeiten - egal, ob im Schneesturm oder als Engel unter Ungläubigen, jeder versucht sich einzubringen, so gut er eben kann und das Leben in seiner Umgebung zu verbessern.

Aber dann kam die letzte Seite und so sehr ich nach einem Schlusswort suchte - das kam eben nicht. Deshalb ist meine Bewertung so, wie sie ist - drei Sterne für die russische Seele und die Freundschaft, zwei Sterne Abzug für die Nichterfüllung des Plansolls der Zufriedenstellung des Lesers.

Bewertung vom 21.08.2011
Seven Deers, Sanna

Der Ruf des weißen Raben


gut

Auch wenn die weißen Tauben müde sind...

... der weiße Rabe fliegt.

Zum Inhalt: Myra Morgenstern nimmt unbeabsichtigt an einer indianischen Beschwörungszeremonie teil und erhält dadurch die Fähigkeit, Vergangenheit und Zukunft zu besuchen. Dabei wird sie von dem Mitarbeiter einer Firma verfolgt, welcher dieses Können für seine eigenen Zwecke nutzen will.

Zum Cover: Wald, See, Berge - das totale Urlaubsidyll. Dass sich an dieser Stelle ein Indianer-Reservat befindet, wirkt glaubhaft.

Mein Eindruck: Wenn man bereit ist, zu viel Zeremonie zu Beginn und Pathos zum Ende der Geschichte zu vertragen, bietet Sanna Seven Deers eine zeitweilig spannende Fantasygeschichte, die den Bogen von Vergangenheit über die Gegenwart bis hin zur Zukunft nicht nur der Ureinwohner Amerikas schlägt. Mir gefiel das Spiel mit den Gegensätzen: Geschäftswelt/Natur, Leben/Tod, gut/böse und Familie/Firma. So gerät die Story zwar plakativ, aber dadurch auch sehr berührend und eindringlich. Zusätzlich mochte ich den Gedanken, dass die Zukunft nicht festgeschrieben ist, sondern durch unser Handeln im Hier und Jetzt verändert werden kann, - "hilf dir selbst, dann hilft dir Gott" in Reinkultur. Dieser Ansatz bewirkte, dass die Figuren wenigstens teilweise glaubwürdig handelten, und nicht nur so, wie es sich in einem Schwarz-Weiß-Universum gehört.

Fazit: Freiheitsliebende und naturverbundene Menschen sind grundgut, machtverliebte Subjekte abgrundtief schlecht. Damals, heute und in Zukunft. Davon abgesehen ist "Der Ruf des weißen Raben" ein schönes Stück Fantasy mit Real-Life-Einschlag. Oder eben umgekehrt.

3 Sterne

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 21.08.2011
Nesbø, Jo

Leopard / Harry Hole Bd.8


sehr gut

Fast wie im Film
Nicht irgendein lieblos abgespulter Streifen, sondern ein echter Blockbuster könnte "Der Leopard" werden, wenn Regisseur und Hauptdarsteller so meisterhaft wie Harry Hole und seine vielen innerpolizeilichen und kriminellen Gegner agieren.

Zum Cover: Nun ja, ein Leopard - in der Schnee-Version. Passt zur Hauptlocation (eine Hütte in den verschneiten Bergen) und im übertragenen Sinne zum Drogenkonsum und Einzelkämpfer, daher nicht ganz schlecht gewählt.

Zum Inhalt: Harry Hole, desillusioniert und rauschgiftsüchtig in Hongkong gestrandet, wird von einer Kollegin nach Norwegen zurückbeordert, um dort eine Mordserie aufzuklären, bei der Motiv und Mordinstrument des Täters lange im Dunkeln bleiben. In der Heimat muss sich Harry nicht nur mit dem Fall beschäftigen, sondern auch die Geister seiner Vergangenheit und Gegenwart im Zaum halten.

Mein Eindruck: Zwar ist mir immer wieder ein Rätsel, warum ausgerechnet die kaputtesten Typen die hübschesten und erfolgreichsten Frauen abschleppen (wahrscheinlich Wunschdenken der Autoren), davon abgesehen fasziniert "Der Leopard" fast uneingeschränkt: Sehr gut beschriebene und höchst unterschiedliche Handlungsorte, mehrere Twists, die dem Leser unterschiedliche Tat- und Täterversionen anbieten, dabei jedoch - soweit das bei Krimi-Serienmorden möglich ist - meistens glaubwürdig bleiben und Hauptfiguren, die an ihre physischen und psychischen Grenzen gehen und diese teilweise sogar überschreiten. Zu diesem Fingernagelkau-Plot mixt Nesbo geschickt zwischenmenschliche Tiefen und Machtkämpfe innerhalb der mit den Mordfällen befassten Ermittlergruppen, so dass selbst dann für Spannung beim Leser gesorgt ist, wenn sich das Hauptaugenmerk außerhalb der Ermittlungen befindet. Leider geht bei der Hochspannung und den dauernden Schwenks dem Leser irgendwann die wohlwollende Puste aus, so dass die letzten Überraschungsmomente zu nerven beginnen. 50 Seiten und ein Kontinent weniger hätte sich Nesbo sparen können und "Der Leopard" wäre ein noch besseres Buch gewesen.

Die letzten Seiten konnten jedoch wieder überzeugen, das Ende war schlüssig und entsprach Harry Holes Charakter.

Fazit: Etwas weniger wäre mehr gewesen, aber trotz einer Wendung zu viel ein sehr unterhaltsamer und spannender Thriller. 4 Sterne

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.