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Quincyliest

Bewertungen

Insgesamt 118 Bewertungen
Bewertung vom 20.08.2021
Pham, Khuê

Wo auch immer ihr seid


ausgezeichnet

Khue Pham erzählt in ihrem Debütroman die Geschichte ihrer vietnamesischen Familie. Im Mittelpunkt des Buches steht die Frage nach ihrer eigenen Herkunft, die ihr immer wieder gestellt wird und sie beschäftigt. Als Kim, wie sie sich nennt, dann die Nachricht eines Onkels aus Amerika erhält und dieser um ein Familientreffen bittet, offenbart sich bruchstückhaft die Geschichte ihrer gesamten Familie. Die Autorin porträtiert in überzeugender Sprache einzelne Familienmitglieder und so setzt sich Stück für Stück ein Gesamtbild der Familie zusammen. Es wird verständlich, warum jeder Einzelne zu bestimmten Meinungen und Überzeugungen gelangt ist, es waren vor allem die Erfahrungen mit politischen Systemen, die dazu führten.
Khue Pham schreibt in einer klaren und ausdrucksstarken Sprache, präzise sind ihre Beobachtungen, das Geschriebene nie wertend.
Ihr Roman konnte mich fesseln und ließ mich mitfühlen, gern empfehle ich ihn weiter.

Bewertung vom 17.08.2021
Stuart, Douglas

Shuggie Bain


ausgezeichnet

"Shuggie Bain" ist ein berührender Debütroman, der die Geschichte eines Jungen erzählt, der im Arbeitermilieu im Glasgow der 80er Jahre aufwächst. Shuggies Mutter ist eine Alkoholikerin, gefangen in der Widersprüchkeit, nach Höherem zu streben und sich dann wieder der Alkoholsucht hinzugeben.
Shuggie lernt Armut kennen, früh muss er Verantwortung übernehmen, mit dem wenigen Geld haushalten. Es sind traurige und erschütternde Szenen, die der Autor Douglas Stuart authentisch beschreibt. Immer wieder wird der Leser mit dem schweren Schicksal von Shuggie konfrontiert. Er ist ein Kind und doch nie unbeschwert und selten fröhlich. Shuggie ist anders, hat femine Züge, ist feinfühlig, oft wird er zum Opfer im harten Arbeitermilieu. Der Zeitgeist mit all seinen Problemen wie Arbeitslosigkeit, Armut und Gewalt wurde realistisch eingefangen und glaubwürdig geschildert.
"Shuggie Bain" ist ein beklemmender Roman, der hervorragend geschrieben ist und zu Recht mit dem Booker Preis ausgezeichnet wurde.

Bewertung vom 03.08.2021
Lühmann, Hannah

Auszeit


sehr gut

In dem Debütroman von Hannah Lühmann wird die Generation der um die 30 - Jährigen beleuchtet. Eine Generation, die in einer Überflussgesellschaft aufgewachsen ist und auch materiell alles zu haben scheint, doch im Innersten kann es leer und düster aussehen. Auch Henriette gehört dieser Generation an. Nach einem Schwangerschaftsabbruch möchte sie ihr Leben neu ordnen. Sie verreist mit ihrer besten Freundin Paula. Der Aufenthalt in einer abgelegenen Hütte offenbart jedoch das ganze Ausmaß der Instabilität von Henriette. Ihr fehlt die Motivation für ihre Dissertation, sie hat keine Ziele im Leben, sie ist eine Suchende. Anders dagegen Paula, sie ist ein positiver Mensch, hilfsbereit und voller Energie. Leider gelingt es ihr nicht, Henriette aus ihrem Tief zu befreien. Das Ende des Romans war überraschend, Henriette findet noch ihr Glück, aber es hat einen faden Beigeschmack.
Lühmann schreibt bildhaft, präzise, aber auch atmosphärisch. Ihre Sprache konnte mich fesseln, inhaltlich gibt es meiner Meinung nach ein paar kleinere Schwachstellen.
Ich bin mir sicher, von dieser jungen Autorin wird man in Zukunft noch einiges hören.

Bewertung vom 14.07.2021
Nunez, Sigrid

Was fehlt dir


ausgezeichnet

Die amerikanische Autorin Sigrid Nunez erzählt in ihrem neuen Roman über das Älterwerden und über die Beziehungen zu den Menschen, mit denen wir verbunden sind. Im Mittelpunkt steht dabei die Beziehung zu ihrer Freundin, die unheilbar an Krebs erkrankt ist. Wie geht man damit um? Wie verhält man sich? Welche Wünsche des Sterbenden wäre man bereit zu erfüllen, wenn man wüsste, der geliebte Mensch möchte freiwillig aus dem Leben scheiden?
Es sind unbequeme Fragen, die der Roman aufwirft und doch schafft es Nunez diese schwierige Thematik mit einer gewissen Leichtigkeit und stellenweise auch mit Witz zu beleuchten.
In kleinen Anekdoten und Geschichten erzählt sie von der Freundin, aber auch von anderen Dingen, die sie bewegen. Es ist nicht immer ein "roter Faden" erkennbar, dies hat aber den Erzählfluss nicht unterbrochen.
Mich konnte das Buch berühren, deswegen empfehle ich es gern weiter.

Bewertung vom 05.07.2021
Haig, Matt

The Comfort Book - Gedanken, die mir Hoffnung machen


ausgezeichnet

Auch im Leben berühmter Schriftsteller läuft nicht immer alles perfekt. Matt Haigs neuestes Buch tröstet einen an einem verregneten Tag über düstere Gedanken hinweg. Er selbst kennt depressive Phasen nur zu gut.
Sein neuestes Werk ist ein Kompendium von kleineren Anekdoten und Geschichten, klugen Zitaten und berührenden Gedanken. Dem Leser werden Hoffnung, Optimismus und Mut vermittelt. Es ist ein Buch, bei dem man über sich selbst reflektiert, hinterfragt und neu bewertet. Dies geschieht ganz leicht und nebenbei, weil der Text sich nicht zu schwer aufdrängt. In seinen Worten stecken viel Wärme, Menschlichkeit und Toleranz anderen und vor allem sich selbst gegenüber, dies hat mir besonders gut gefallen.
Es ist ein berührendes Buch, das die Welt ein bisschen freundlicher erscheinen lässt und dafür erhält es von mir die volle Punktzahl.

Bewertung vom 31.05.2021
Fennelly, Beth Ann;Franklin, Tom

Das Meer von Mississippi


sehr gut

T. Franklin und B. A. Fennely haben einen packenden Kriminalroman geschrieben, der zugleich auch ein bisschen eine ungewöhnliche Liebesgeschichte ist.
Die beiden Agenten Ham Johnson und Ted Ingersoll werden von der Prohibitionsbehörde nach Hobnob geschickt, sie sollen das Verschwinden zweier Kollegen aufklären und eine Schwarzbrennerei aufspüren. Auf ihrem Weg nach Hobnob stoßen sie auf ein Verbrechen, sie finden ein verwaistes Baby vor, das Ingersoll in Greenville abgeben soll. Doch es kommt anders, er bringt das Baby zu Dixie Clay, die ihr eigenes Kind verloren hat. " Zufällig" ist Dixie Clay die bekannteste Schwarzbrennerin der ganzen Gegend. Ingersoll verliebt sich in sie und beide fliehen in einem Strudel von dramatischen Ereignissen.
Die Autoren erzählen die Geschichte spannend und in einer sehr bildhaften Sprache. Leider gab es innerhalb der Handlung ein paar Zufälle zu viel, deshalb wirkt das Ganze etwas konstruiert.
Interessant ist der historische Hintergrund, der von den Autoren gut recherchiert wurde. Die Mississippiflut gilt als die verheerendste Flutkatastrophe in der Geschichte der USA. 70000 km2 wurden überschwemmt.
Insgesamt konnte der Roman mich fesseln, ich fühlte mich gut unterhalten und die Seiten flogen schnell dahin. Empfehlenswert!

Bewertung vom 08.04.2021
Lloyd, Chris

Die Toten vom Gare d'Austerlitz


sehr gut

Chris Lloyd hat einen spannenden Kriminalroman geschrieben, der zur Anfangszeit der deutschen Besatzung in Paris spielt und eine perfekte historische Kulisse für einen Kriminalfall bietet.
Kurz etwas zum Inhalt: als deutsche Truppen im Juni 1940 Paris besetzen, werden auf den Abstellgleisen an der Gare d' Austerlitz 4 Leichen gefunden. Es handelt sich um polnische Flüchtlinge. Ein 5. Flüchtling beging Selbstmord. Der Inspektor der Pariser Polizei Eduard Giral will die Morde aufklären. Bei seinen Ermittlungen stößt er auf Unverständnis, Ablehnung und Widerstand. Die Ermittlungen werden zu einer Herausforderung. Giral bekommt es mit der Wehrmacht, der Gestapo und der Geheimen Feldpolizei zu tun, ihm wird gedroht, er wird verprügelt, doch er hält an den Ermittlungen fest. Hatten die Flüchtlinge Beweise für die Verbrechen der Nazis in der polnischen Stadt Bydgoszcz? Giral wird den Fall aufklären.
Der Kriminalroman ist atmosphärisch und lebendig erzählt und in einer bildhaften Sprache geschrieben. Es sind jedoch viele Nebenschauplätze, die vom Autor geschaffen werden. Auch geraten die eigentlichen Ermittlungen aufgrund des Machtgeplänkels ein bisschen in den Hintergrund.
Trotz dieser kleinen Kritikpunkte hat mir das Buch aber insgesamt gut gefallen.

Bewertung vom 04.04.2021
Tesson, Sylvain

Der Schneeleopard


ausgezeichnet

Der erfolgreiche Reiseschriftsteller und Abenteurer Sylvain Tesson begibt sich zusammen mit dem Tierfotografen Vincent Munier auf die Suche nach dem vom Aussterben bedrohten Schneeleoparden. In Tibet suchen sie tage- und wochenlang den scheuen Schneeleoparden, sie befinden sich in über 4000 m Höhe und durchqueren das Hochplateau. Erst auf 5000 m Höhe entdecken sie den "König" und sind verzaubert vom Anblick des majestätischen Schneeleoparden.
Tesson hat ein beeindruckendes Buch mit vielen tiefgründigen Gedanken geschrieben. Er sinniert über den Ursprung des Lebens, zitiert berühmte westliche und östliche Philosophen. Tesson sieht den Menschen nicht als Spitze der Lebenspyramide, zu zerstörerisch ist sein Handeln. Er selbst ist ein Verfechter der Reduktion, des einfachen Lebens.
Sprachgewaltig sind seine Naturbeschreibungen, sie besitzen einen lyrischen, fast poetischen Charakter. Das Buch ist eine kurzweilige Lektüre, ein Muss für jeden Naturfreund und Abenteurer.

Bewertung vom 27.03.2021
Cho, Nam-joo

Kim Jiyoung, geboren 1982


ausgezeichnet

Cho Nam-Joo beschreibt in ihrem Roman "Kim Jiyoung, geboren 1982" das Leben einer Durchschnittsfrau in Südkorea. Die Biografie Kim Jiyoungs steht stellvertretend für viele Frauen in Korea.
Kim Jiyoung wird in Seoul geboren, sie wächst wohlbehütet auf, geht zur Schule, absolviert ein Studium, arbeitet, heiratet und wird Mutter. Kim erfährt von frühester Kindheit an eine Ungleichbehandlung, in dem ihr Bruder deutlich bevorzugt wird, weil er ein Junge ist. Diese Art von Diskriminierung setzt sich in der Schule und in allen kommenden Lebensabschnitten fort. Kim Jiyoung führt ein Leben, in dem Unterdrückung und Ungerechtigkeit zum Alltag gehören. Sie muss viele Erwartungen erfüllen, sie lernt, ist fleißig, nimmt sich zurück, doch schließlich hält sie dem hohen Druck nicht mehr stand und erkrankt psychisch.
Der Roman ist aus Sicht des Psychiaters geschrieben. Der Ton ist sachlich, nüchtern und besitzt doch eine enorme emotionale Wucht.
Die Autorin hat ein bewegendes und wichtiges Buch geschrieben, das hoffentlich zum Nach- und Umdenken anregt.