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Sagota
Wohnort: 
Saarbrücken

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Insgesamt 82 Bewertungen
Bewertung vom 16.08.2022
Das Glück auf der letzten Seite
Bonidan, Cathy

Das Glück auf der letzten Seite


ausgezeichnet

"Das Glück auf der letzten Seite" von Cathy Bonidan wurde in deutscher Übersetzung von Ina Kronenberger im Verlag Zsolnay, Wien (HC, geb., 269 S.) veröffentlicht: Der Roman ist für mich einer der schönsten Briefromane, die ich bisher lesen durfte und sei jedem Leser ans Herz gelegt, der jemanden kennt - oder selbst "ein Zeichen braucht", um das Leben wieder positiver zu gestalten!

Inhalt:

Der geneigte Leser/die Leserin findet hier eine ausgefallene, frische und sehr lebendige Romanidee in Briefform, in dem ein vor 30 Jahren verschollenes Manuskript (das überdies von zwei verschiedenen AutorInnen zu stammen scheint!) die Hauptrolle spielt: Anne-Lise Briard, eine Literaturagentin aus Paris, die gerade bei ihrer besten Freundin Maggy in der schönen Bretagne weilt, findet per Zufall in ihrem Hotelzimmer (genauer gesagt in der Nachttischschublade in No. 128 des Beau Rivage) ein Manuskript, das sie liest und das sie sehr berührt: Da sie nicht weiß, von wem diese zeitlosen und wundervollen Zeilen, "die ein Leben verändern können", wie wir erfahren, stammen, macht sie sich gemeinsam mit Maggy auf die Suche nach dem Autor.....

Meine Meinung:

Die beiden Freundinnen Anne-Lise und Maggy stehen bei der Suche in regem Briefaustausch mit allen, die das Manuskript besessen und gelesen haben - was jedoch trotz aller Beharrlichkeit kein leichtes Unterfangen ist. Umso vergnüglicher, berührender, menschlicher ist die Freude, all' die Briefe, die Korrespondenz zwischen den auftauchenden ProtagonistInnen William Grant, David, Nahima, Roméo, Sylvestre, Elvire und Claire zu lesen, die sehr humorvoll, aber auch mit viel Tiefgang und seitens Anne-Lises großer Beharrlichkeit geschrieben sind!

Wie ein Ariadne-Knäuel entwirrt sich nach und nach der Faden zu den Anfängen des besagten Manuskripts, dessen Seiten einer der ProtagonistInnen lediglich bis Seite 156 schrieb und alle mehr und mehr rätseln, wer den Rest "hinzukritzelte"; so dass der Roman ein Ganzes ergab. Als LeserIn dieser Korrespondenz ist es spannend und teils köstlich, sowohl Maggy als auch William und Sylvestre, ganz besonders aber Anne-Lise, die man einfach sofort (durch ihre Offenheit, Unverblümtheit, aber auch Ehrlichkeit und Neugierde sowie durch die Freude, die sie daran empfindet, anderen Menschen zu helfen, diese auch mal zu analysieren) immer besser kennenzulernen. Auch ihren jeweiligen persönlichen Hintergrund, der selten ohne Narben verläuft. So bleibt die Suche nach den/r "Urhebern" des Manuskripts durch den Briefwechsel mehr als spannend und man freut sich, wie sich einige menschenscheue Personen allmählich zu öffnen beginnen, deren Verhalten zuvor wie einer verschlossenen Auster war. Die "Recherche-Reise" geht von Paris über die Bretagne bis ins Lozére und nach Montpellier; auch machen wir einen kleinen Abstecher nach London (William Grant) und Schottland sowie nach Montréal in Kanada. Zum Schluss wohnen wir dem Fest bei, das Sylvestre im Lozère organisiert und an dem alle Menschen, die das Manuskript gelesen haben, anwesend sind.

Dieser (Brief)roman ist ein Appell:

Da es ein Leben ohne Narben (zumeist) nicht gibt, geht es darum, sich dennoch immer wieder Neuem zu öffnen, sich nicht zu verschließen oder gar zu verbittern: Wenn das Glück an die Türe klopft, sollte man es hereinbitten!

Fazit:

Eine Hommage an die Freundschaft, an das Briefe schreiben und an Bücher, die Literatur selbst, die zuweilen in der Lage ist, ein Leben zu verändern; oftmals zum Positiven! Ein grandioser, lebensbejahender und humorvoller Briefwechsel, den ich zu meinen Buchhighlights 2022 hinzufüge (zugegeben, ich liebe Briefromane sehr :-) und bedingungslos weiterempfehlen möchte: Meine Wertung ist daher die Bestnote und 5*!

Bewertung vom 09.08.2022
Weißdornzeit
Harrison, Melissa

Weißdornzeit


sehr gut

Weißdornzeit" von Melissa Harrison erschien (HC mit Lesebändchen; 286 S.) 2022 im Dumont-Verlag, Köln. Nach dem Début (Vom Ende eines Sommers), das mir sehr gut gefallen hat, konnte die Autorin mich auch dieses Mal durch Romanhandlung und Schreibstil "mitnehmen". Und so landete ich im fiktiven Dörfchen Lodeshill, irgendwo im ländlichen England....

Hier begegnete ich Jack, einem natur- und freiheitsliebenden jüngeren Mann, der gerne abseits ausgetretener Pfade, einen Bogen um jede Stadt machend, zu Fuß unterwegs ist. Immer auf der Suche nach einer Aushilfsbeschäftigung, um für sich selbst aufzukommen. Menschen geht er allerdings gerne aus dem Wege, ist jedoch lyrisch veranlagt (er erscheint singend in einem Garten in Lodeshill, was die Einwohner verunsichern sollte), schläft am liebsten unter freiem Himmel und kennt auch die Nahrungsmittel, die die Natur völlig unentgeltlich für ihn bereithält. In der Vergangenheit hatte er einige Gefängnisstrafen zu verbüßen wegen Landstreicherei und Betreten privatem Eigentums: Von daher allzu verständlich, dass Jack nie mehr in einem "Menschenkäfig" (Gefängnis) einsitzen will.

Dann traf ich Howard und Kitty, einem Ehepaar, das aus London nach Lodeshill gezogen ist, um dort seinen Lebensabend zu verbringen: Während Howard eher pragmatisch ist, gerne alte Radios repariert, die er im Internet aufstöbert; jedoch unsicher ist, ob ein Leben auf dem Lande wirklich 'seines' ist; hat Kitty (für die Howard deren Traum erfüllte, im Alter auf dem Lande zu leben) guten Zugang zur Dorfbevölkerung, geht gerne in die Kirche und malt gerne die Schönheiten der Natur, die nunmehr vor ihrer Haustür liegen.

Während ich Howard und besonders Jack sehr mochte, sehe ich in Kitty eher einen ambivalent angelegten, nicht aufrichtigen Charakter, von dem ich nicht sehr angetan war.

Während des Romans, der bereits im Prolog das Unheil schildert, das sich anbahnt, lernte ich noch einen weiteren Protagonisten und dessen Familie kennen: Jamie. Als der beste Freund von der benachbarten Farm (Jamie wuchs in Lodeshill auf) Culverkey wegzieht, bricht für den Jungen (er ist 13) eine Welt zusammen: Wissend, dass seine Mutter 'anders' ist als andere Mütter, geht es nun bei ihm bergab. Er verdingt sich im Lager eines Logistikunternehmens, lernt Megan kennen und träumt davon, eines Tages mit ihr (und der Clique) ins Pub zu fahren: Mit seinem Corsa, den er aufwendig tunt, bis er sehen will, "was in dem Wagen steckt". Der Großvater von Jamie hat beginnende Demenz und läuft weg: Auch bei Howard und Kitty brechen Familienkonflikte durch, als sich die beiden erwachsenen Kinder für ein Wochenende ankündigen und Howard seine Tochter, die in China war, vom Flughafen abholen möchte...So nimmt das Schicksal seinen Lauf, als sich die Figuren unerbittlich einander nähern...

Der Stil von Melissa Harrison ist sehr atmosphärisch, die Natur spielt wie auch im vorigen Roman eine bedeutende Rolle , er entbehrt auch nicht einer gewissen Poesie - für mich jedoch auch immer wieder Momente der Melancholie, da man als Leser weiß, worauf die Romanfiguren zusteuern.

Die Autorin versteht es außerordentlich gut, zum einen bildhafte Landschaften des ländlichen Englands vor dem inneren Auge des Lesers zu erschaffen, als auch die Gefühle und Gedanken der ProtagonistInnen sehr einfühlsam und prononciert auszuleuchten. Am sympathischsten war mir Jack mit seiner bedingungslosen Liebe zur Freiheit und seinem Lebensstil, der daraus resultiert: Kompromisslos und sicher nicht der einfachste, aber ein sehr ehrlicher Weg! Howard hätte ich mehr Durchsetzungsvermögen und Offenheit, wenn es um eigene Gefühle ging, gewünscht - und Jamie mehr "Weitblick" und Reife.

Ein schöner und lesenswerter Roman, den ich gerne weiterempfehle, auch wenn mich dieser etwas traurig und auch melancholisch zurückließ. Gerne vergebe ich gute 4 Sterne.

Bewertung vom 23.05.2022
Atlas der Unordnung
Papin, Delphine;Tertrais, Bruno

Atlas der Unordnung


ausgezeichnet

Die beiden französischen Autoren unterscheiden hier zwischen geographischen, kulturellen und ideologischen Grenzen; greifen auch Historisches auf, was sehr interessant und spannend aus den Karten zu ersehen ist. Von Kap. I bis C ist eines interessanter als das andere, faszinierend und sehr informativ:


- Grenzen als Vermächtnisse

- Meere und Grenzen

- Mauern und Migration

- Spezielle Grenzen

- umstrittene Grenzen


sind die Hauptkapitel, die sich in zahlreiche Unterkapitel gliedern, welche sich über den gesamten Globus erstrecken. Es wird auch der Frage nachgegangen, "wann ist ein Staat ein Staat": In Zeiten von Unruhen und Kriegen stehen Grenzen gerade jetzt - mitten im Ukrainekrieg und einigen anderen Kriegsgebieten auf der Welt - im Mittelpunkt der Geopolitik.


In diesem Zusammenhang fand ich (Kap. umstrittene Grenzen) "Russlands Comeback" (Wiedereroberung der alten Einflusssphäre) und "Ukraine gegen Moskau" äußerst interessant und politisch aufschlussreich. Auch das "Spinnennetz Chinas" ist sehr gut dargestellt und lässt einen (zumindest mich) aus guten Gründen erschaudern.

"Eine Welt voller Mauern" stellt graphisch die Barrieren dar, die überall auf der Welt vorhanden sind. Die europäischen Grenzen ("Todesfalle Mittelmeer") sind auch aktuell sehr verbesserungswürdig in Sachen Menschlichkeit.


Geschichtlich widmen sich die Autoren auch der wachsenden Zahl der Grenzen und der Verschiebungen im Laufe der Geschichte; auch den kulturellen Kulturkreisen weltweit, die sowohl mit der Geographie als oftmals auch mit Religionen verbunden sind. Auch das Kapitel "Pässe aus aller Welt" - unser aller 'Daseinsberechtigungsschein' - als Türöffner oder auch nicht - gibt zu denken. Der einzigartige, unglaubliche Bild- und Graphikenband endet mit dem Kapitel zur Zukunft Europas, umfasst auch die "50 Linien" (Verteidigungslinien) und zahlreiche weiterführende Literaturangaben.


Fazit:


Ein sehr empfehlenswerter, einzigartiger Bildband mit informativen, prägnant recherchierten, geopolitisch interessanten Inhalten zu Grenzen der Welt, die - menschengemacht - auch absurd sein können. Das Buch macht tatsächliche und auch absurde Grenzen auf faszinierende (und teils auch beklemmende) Weise sichtbar. Chapeau dem Autorenpaar und von mir 5*!

Bewertung vom 05.05.2022
Das versunkene Dorf
Norek, Olivier

Das versunkene Dorf


ausgezeichnet

Meine Meinung:


Olivier Norek hat einen sehr flüssigen, gut zu lesenden Schreibstil, der den Leser gleich abholt: Noémie, deren Verletztheit (physisch wie auch psychisch) während des ganzen Kriminalromans gefangen nimmt und die mit Hilfe eines Psychologen versucht, ihre Persönlichkeit so anzunehmen, wie sie jetzt ist, sich selbst zu mögen, trotz des entstellten Gesichts, hat mich zutiefst beeindruckt. Die Dialoge mit Melchior haben mich trotz der Schwere ihrer Verletzungen zuweilen sehr zum Schmunzeln gebracht, wie es auch an anderen Stellen nicht an Humor mangelte (entfernt erinnerte mich "la facon d'écrire" - der Schreibstil von Norek an meine Lieblingskrimiautorin, die ebenfalls Französin ist: Fred Vargas). Die Figuren und Hintergründe werden authentisch und nachvollziehbar beschrieben, besonders Noémie charakterlich sehr gut ausgeleuchtet: Sie ist lieber Kämpferin als Opfer und arbeitet daran, den Cold Case mit Erfolg abzuschließen, um Schlimmeres zu vermeiden (ihre Tätigkeit bei der Polizei ist ihr absolut wichtig) und evtl. sogar degradiert zu werden. Der "Fall" um das Verschwinden von Alex, Cyril und Elsa legt auch offen, durch welche Hölle Eltern gehen, deren Kind spurlos verschwunden ist oder entführt wurde. Wir lernen die Familien Dorin, Madame Saulnier und die Familie Casteran kennen, deren Leben auf die eine oder andere Weise im Jahre 1994 endete und die noch heute von dem Verlust und der Ungewissheit gezeichnet sind. Da auch die hinzugerufene Flussbrigade aus Paris unter dem erfahrenen Taucher Hugo Massey keine weiteren eindeutigen Beweise zutage fördert, trotz lebensgefährlicher Tauchgänge im See, wird der Stausee auf Weisung der Staatsanwaltschaft geleert: Nun wird sich zeigen, ob der See weitere Kinderleichen birgt - und auch, wer hier Blut an den Händen hat: Da Noémie, starrsinnig, stur und sehr vorsichtig in ihrem Job, in der weiteren Ermittlung niemandem trauen kann (es wurden mehrere Anschläge auf sie verübt), hält sie wichtige Informationen zunächst zurück, bis es zum shut down kommt, der absolut nicht vorhersehbar für mich war und mich überraschte.


Viele sozialkritische Aspekte habe ich in dem Krimi gefunden (z.B. wie ausländische Arbeitnehmer als Billigkräfte zum Hungerlohn schuften, Sékour war mit die tragischste Figur in diesem Krimi!; aber auch Rassismus, Ausgrenzung und auch Vorurteile der Städter gegenüber der Provinz: Trottel gibt es auch (in allen Diensten, nicht nur bei der Polizei) in Haupt- und Großstädten! Insofern ist der spannende, im Plot stimmige und sehr unterhaltsame Kriminalroman aus der Feder von Olivier Norek auch eine Hommage an das Aveyron im Herzen Frankreichs: Der Autor ist selbst dort aufgewachsen und daher "ortskundig". "Das versunkene Dorf" weckt in mir das Bedürfnis, diesen schönen französischen Landstrich, der mir selbst unbekannt ist, auch einmal sehen zu wollen!


Fazit:


Spannend, sozialkritisch, psychologisch raffiniert und auch humorvoll. Norek gelingt es, den Spannungsbogen bis zum Schluss zu halten; ein sehr lesenswerter Kriminalroman, dessen knifflige Lösung bis zum Schluss den Leser in Spannung hält. Gelungen! Kleiner Kritikpunkt: Ich bin sicher, dass Noémie (oder eine andere Person) viel längere Zeit benötigt, um nach einer Gesichtsentstellung wieder zu sich selbst zu finden. Ja stärker aus der Verletzung hervorzugehen, sich selbst wieder annehmen und lieben zu können, wie sie dies zuvor konnte. Dennoch eine Empfehlung und 4,5 Sterne am Krimifirmament!

Bewertung vom 05.05.2022
Das Fundbüro der verlorenen Träume
Paris, Helen Frances

Das Fundbüro der verlorenen Träume


ausgezeichnet

Nachdem der geliebte Vater von Dot gestorben ist, begräbt sie erst einmal ihre Pläne und ihr Vorhaben, nach ihrem Auslandssemester in Paris Sprachen zu studieren, Dolmetscherin zu werden (und am liebsten für die UN zu arbeiten), was sie mit ihrer Liebe zu Reisen verknüpft. Stattdessen nimmt sie eine Stelle im Fundbüro in London an, wo sie ihrer Arbeit, mit Akribie und Gewissenhaftigkeit dafür zu sorgen, dass verlorene Dinge, die abgegeben werden, ihren urtümlichen Besitzern wieder ausgehändigt werden können. Unterstützt wird sie dabei von Anita und einer weiteren Kollegin sowie Big Jim, der im Untergeschoss für die Sachen zuständig ist, die zum Auktionshaus Snagby's gehen, da sie nach Ablauf der Abholfrist nicht abgeholt wurden. Dot erscheint stets in Uniform und ist für einen akkuraten Ablauf des Tagesgeschäfts. Ihre größte Freude besteht darin, Sache und EigentümerIn wieder zusammenzubringen, Verlorenes zurückgeben zu können.

Eines Tages erscheint ein älterer, sympathischer Herr im Fundbüro, um sich nach der honigfarbenen Tasche zu erkundigen, die er im 73er Bus hat liegen lassen: Eigentlich geht es ihm um das fliederfarbene Portemonnaie seiner verstorbenen Frau. Dot recherchiert, muss aber leider feststellen, dass die Tasche bisher nicht im Fundbüro abgegeben wurde. Sehr viel später kommt Mr. Appleby nochmals vorbei und vernimmt, dass die Tasche noch immer nicht aufgetaucht ist: Sicherheitshalber hinterlässt er seine neue Adresse an der Küste, da er Sohn und Familie dort besuchen will.... An diesem Tag gibt es einen Chefwechsel und zu Anita's und Dot's großer Bestürzung wird Neil Burrows "NB" genannt, der neue Chef: Die Formalitäten der neuen Adresse Mr. Applebys nimmt daher die Kollegin auf, deren Farbe ihrer Fingernägel ihr wichtiger sind als die Dinge möglichst exakt aufzunehmen, die Menschen im Fundbüro abgeben. Wird es Dot, der viel daran gelegen ist, dem alten Herrn zu helfen, gelingen, ihm die verlorene Tasche wiederzugeben?


Dot ist mir von Anfang an sympathisch: Sie ist sensibel, verrichtet ihre Arbeit mit großer Sorgfalt und hilft gerne Menschen, ihr Eigentum zurückzuerlangen: Sie hat einen Blick fürs Detail und ist sehr freundlich zu ihren Kunden. Dennoch ist sie nach dem Verlust des Vaters sehr introvertiert, ihr Leben verläuft nicht so, wie sich das ihre Schwester Philippa für sie ausgedacht hat: Diese ist gänzlich anders geartet, liebt Sauberkeit über alles und beginnt heftig, mit ihren Armen zu wedeln, wenn sie eine Situation überfordert. Sie versucht, Dot einen Mann (am besten mit großem Haus, gutem Einkommen und großem Ego) zu "vermitteln", wovon Dot jedoch nichts wissen will: Nach und nach erfährt man mehr aus dem Leben der Familie; die Mutter lebt im Pflegeheim "Schattige Pinie", wo wir auch Dr. Chang, der heilende Hände hat, kennenlernen und von ihren Töchtern besucht wird. Während Philippa mehr zur Mutter tendierte, war Dot in ihrer Kindheit ein richtiges "Vater-Kind": Wir lernen ihren Vater als abenteuerlustigen, erzählenden, Krimis erfindenden und wirklich guten Vater kennen, der jedoch offensichtlich nicht sehr glücklich ist mit seinem Leben. Einzig mit Dot hat er an den Wochenenden Freude, wenn beide Platten hören, Spiele erfinden und Abenteuer bestehen. Dies ändert sich, als Dot zum Auslandsstudium nach Paris zieht. Dort lernen wir Louise kennen, mit der sich Dot gut versteht und Émile, der Dot liebt. Manche Sätze, die die Autorin in den wirklich warmherzigen Roman einflicht, sind in meinen Augen wie Perlen; manche Sätze poetisch und doch klar und voller Weisheit. Einiges jedoch ist sehr ausufernd beschrieben, plätschernd und etwas nebensächlich. Dot ganz besonders und ihre Familie sind sehr authentisch und gut vorstellbar beschrieben; bei anderen Nebenfiguren hätte ich mir mehr "Tiefgang" gewünscht; so z.B. bei Big Jim, der durch seine Empathie Dot gegenüber zu einer meiner Lieblingsfiguren wurde. Die Autorin versteht es, Emotionen sehr nahegehend und warmherzig zu beschreiben, ebenso die S

Bewertung vom 05.05.2022
Der Holländer / Liewe Cupido ermittelt Bd.1
Deen, Mathijs

Der Holländer / Liewe Cupido ermittelt Bd.1


sehr gut

Den erfahrenen Extrem-Wattwanderern Aron, Peter und Klaus fehlt nur noch die Wattwanderung zur Insel Borkum (der "Mount Everest" der Wattwanderer), dann haben sie alle ostfriesischen Insel über das Watt erwandert. Doch bei Borkum ist die erfolgreiche Wattwanderung von einigen Dingen (wie Tide, Ostwind etc.) sehr abhängig; ideale Bedingungen hierfür gibt es nicht sehr oft. So startet Peter alleine mit Klaus, da Aron mit seiner Frau gerade in England ist und an der Wattwanderung nicht teilnehmen kann, da er seine Frau nicht alleine lassen will (es geht ihr nicht sehr gut). So legt Aron, der "Wegbereiter" (er plant alle Routen immer genauestens vor, hat auch mit den beiden Mitwanderern ein Buch veröffentlicht, in dem alle Touren der drei Extrem-Wattwanderer festgehalten werden) es in Peters Hände, ob beide auch ohne ihn starten. Peter und Klaus ziehen beide gemeinsam mit ihren Rucksäcken los - mit fatalen Folgen:

Nur einer sollte Borkum lebend erreichen, der andere wird auf einer Sandbank im Meer von Geeske Dobenga, Oberwachtmeisterin und Grenzschützerin auf der RV180 während ihrer vermeintlich letzten Fahrt vor ihrer Pensionierung, tot aufgefunden. Die Sandbank heißt "De Hond" und schnell stellt sich heraus, nachdem der tote Wattwanderer als Deutscher identifiziert wird, dass die polizeiliche Zuständigkeit in diesem Falle unklar ist: Weder dem Brigadekommandeur Henk de Wal noch anderen ist klar, ob es ein Fall für die niederländische Staatsanwaltschaft ist - oder für die deutsche.

Aufgrund dieser nichtgekärten Zuständigkeiten wird von deutscher Seite kurzerhand ein inoffizieller Ermittler eingesetzt, um sich vor Ort ein Bild zu machen: Liewe Cupido, in Deutschland geboren, aber in den Niederlanden aufgewachsen (Texel). Wird er es durch seine empathische, ruhige Art und seine Beobachtungs- und Kombinationsgabe schaffen, den Fall zu lösen?

Matthijs Deen schafft es von Beginn an, eine subtile und psychologisch feinsinnige Spannung beim Leser zu erzeugen. Liewe war mir durch seine ruhige und souveräne Art gleich sympathisch; wortkarg beobachtet er, stellt die richtigen Fragen, ist einfühlsam und zieht seine eigenen Schlüsse. Zeitweise wird er auch durch einen sich langweilenden jungen Grenzpolizisten unterstützt, Xander, der seinerseits wichtige Entdeckungen macht und in den wenigen Tagen, in denen er seinem eher langweiligen Posten entfliehen konnte und für Liewe Erkundigungen einzieht, dürfte er vieles gelernt haben, was ihn später zu einem guten Ermittler machen könnte.

Der Schreibstil von Mathijs Deen gefällt mir gut, er ist schnörkellos und unaufgeregt, jedoch dennoch mit subtiler Spannung versehen. Ein wenig erinnerte mich sein Stil an z.B. Nesser, den ich ebenfalls sehr schätze. Der Showdown im Watt hat dann auch etwas Dramatisches; man lernt eine Menge über die Gefahren, die im Watt lauern können und wie gefährlich es ist, ohne Kenntnisse eine Wattwanderung zu unternehmen: Davon würde ich unbedingt abraten. Auch die Einschaltung eines Meeresgeologen von Liewe zu diesem Fall - und dessen Erkenntnisse erstaunten mich sehr.

Ein sehr gelungener, unaufgeregter Kriminalroman, der mir stilistisch sehr gut gefallen - aber auch noch Potenzial nach oben hat. Authentisch mit einigen humorvollen Einschüben (van de Wal) und auch lehrreich für LeserInnen, die sich für das Watt und Wattwanderungen interessieren. Von mir gibt es eine Leseempfehlung und körnige 4*. Gerne würde ich weitere Fälle von Liewe Cupido, dem "Holländer" lesen!

Bewertung vom 23.03.2021
Das offizielle Buch. Downton Abbey Teatime

Das offizielle Buch. Downton Abbey Teatime


ausgezeichnet

"Downton Abbey Teatime (UT: 60 Rezepte zum Afternoon Tea) mit einem Vorwort von Gareth Neame (Leitender Produzent Downton Abbey) erschien 2020 (HC, gebunden) in überzeugender und dennoch handlicher Aufmachung und opulenten Fotos sowohl der Rezepte selbst als auch aus der wundervollen Serie "Downton Abbey" (England, Aristokratie, Beginn des 20. Jhd.) im DK-Verlag (Dorling Kindersley), München.

Dieses prächtig ausgestaltete Buch enthält weit mehr als typisch britische Rezepte zur "5 o'clock Teatime" - es entführt auch nach Downton Abbey und der Familie Grantham sowie dem liebenswerten Personal der adeligen Familie, die man als Fan der erfolgreichen Kultserie längst ins Herz geschlossen hat. Wir begeben uns nach Highclere Castle, dem Drehort der Staffeln und dürfen (nach deren Zubereitung, die anhand der detailliert und gut erklärten Rezepte bestens nachzubereiten sind) und dürfen uns an der Tea Time der Granthams laben und einen Hauch von britischem Flair ins heimische Wohnzimmer bringen!

Köstlichkeiten wie Scones, Welsh Cakes, Shortbread, Gurkensandwiches und weitere Kleinigkeiten versüßen mit einem stilvollen Earl Grey Tee jeden Nachmittagstee, der zudem 'very british' ist. Inhaltlich ist der Gaumenschmaus in

- Gebäck & Kekse
- Kuchen, Tartes & Puddings
- Teesandwiches & herzhafte Häppchen
- Aufstriche & Eingemachtes

gut gegliedert. Die einzelnen Rezepte gibt es auch im Register nachzulesen und sind schnell zu finden. Zu unseren Favoriten zählen z.B. Zitronenkuchen, English Cream Scones, Bakewell-Tarte (Mandeltarte, englischer Klassiker) Chelsea Buns (Hefeschnecken) sowie (herzhaft) Cornish Pasties und die Teesandwiches.

Ausser szenischen Fotos aus der Serie kommen auch z.B. Caro, Violet, der Butler Carson und die überaus sympathische Köchin Mrs. Patmore zu Wort, deren Original-Zitate manche Seite zieren und ein Schmunzeln ins Gesicht zaubern.

Fazit:

Für Downton Abbey-Fans und solche, die es werden wollen, ein must have! Ein fantastisches Buch mit 60 Rezepten, Hintergrundinfos zur Serie und zur Tee-Etikette sowie historisch-kulturelle Entwicklung rund um die Teatime, die nirgendwo wie in England traditionell zelebriert wird. Mit zahlreichen Szenefotos der Erfolgs- und Kultserie, die das "Offizielle Buch zur Downton Abbey Teatime" aus dem DK-Verlag zu etwas ganz Besonderem werden lässt! Eine absolute Empfehlung von mir und schöne Teestunden in bester Gesellschaft - ganz wie auf Downton Abbey! 5*

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.02.2021
Der Tag beginnt mit Mord / Fiona O'Connor Bd.1
Flanaghan, Molly

Der Tag beginnt mit Mord / Fiona O'Connor Bd.1


sehr gut

Meine Meinung:

Die Krimihandlung ist in die schöne irische Landschaft der Westküste eingebettet, der Schreibstil der Autorin ist eingängig und flüssig - zuweilen mit einem Augenzwinkern - zu lesen. Der atmosphärische Krimi, der als HauptprotagonistInnen eine pfiffige, selbstbewusste und emanzipierte Fiona und einen nach außen kalten, auch kaltschnäuzigen Inspector Aidan Connolly, der in Dublin mit seinem Vater und seiner kleinen Tochter zusammenwohnt, im Grunde aber doch durchaus liebenswert ist und sympathische Züge zeigt, nimmt zum einen durch die spannende Handlung Fahrt auf und vermittelt zum anderen das sich-Näherkommen dieser beiden Ermittler. Besonders gefallen haben mir die kritischen Seitenhiebe zu Themen wie Missbrauch durch die katholische Kirche, das Pub- und Dorfsterben, die Abhängigkeit von Tourismus und neben der Gesellschaftskritik auch die kulturellen Elemente wie z.B. die Tatsache, dass heute Gälisch wieder gelehrt wird, währenddessen diese alte Sprache lange Zeit verpönt und gar verboten war (nicht nur in Irland, auch z.B. in der Bretagne).
Die Geschichte des Ermordeten gewinnt an Brisanz, als es Zweifel an seiner Identität gibt und ein weiteres Thema ist auch Korruption, selbst innerhalb der Gardia (irische Polizei), deren Netzwerke fast unsichtbar sind.
Witzig fand ich den Vater von Aidan, der, früher selbst Polizist, natürlich auf dem Laufenden bleiben will und immer im Bilde, wo sein Sohn gerade ermittelt: Er hat noch gute Verbindungen zu einigen Sergeants und wirkt so im Hintergrund bei der Lösung des Falles mit (auch wenn Aidan dies offiziell nicht unbedingt glücklich macht).
Eine weitere positive Figur war für mich der Pubbesitzer Evan Gallagher, dessen Ziel es wie das von Fiona ist, das einst sehr lebendige Dorf wiederzubeleben. Er ist einer, der nicht abwanderte, sondern neue Möglichkeiten suchte und Ballinwroe ersparte, auch noch das einzige Pub zu verlieren.
Man rätselt als Leser mit, wer der Mörder sein könnte und Molly Flanaghan gelingt es, falsche Fährten auszulegen: Eine weitere wichtige Figur ist Pater Michael Morgan, den man im Verlauf des Krimis etwas besser kennenlernt. Der Showdown am Fluss ist sehr spannend, wenn auch ein klein wenig holperig, jedoch laufen letztendlich die Fäden schlüssig zusammen.

Fazit:

Ein lesens- und empfehlenswerter Cozy-Krimi für alle, die Irland mögen und eine neue Autorin für sich entdecken möchten, die den Leser auf die schöne grüne Insel entführt. Momentan zumindest literarisch und in spannender Weise. Ich bin gerne ins B & B von Fiona eingecheckt und schon sehr neugierig, wie sich die Figuren in den Folgebänden weiterentwickeln - und welche Fälle sie lösen werden. Auch wenn es noch Luft nach oben gibt, hat mir der Krimi ausgesprochen gut gefallen und ich empfehle ihn sehr gerne weiter! Für das Début vergebe ich 4*

Bewertung vom 11.02.2021
Nanettes Backbuch

Nanettes Backbuch


ausgezeichnet

"Nanettes Backbuch" ist ein sehr handliches und in edler Gestaltung (Halbleinen), im ars vivendi-Verlag, 2020 erschienenes wundervolles Backbuch, das die Lieblingsrezepte der in Cadolzburg/Mittelfranken geborenen Landbäuerin Nanette Herz (1927-2018) enthält. Diese Schätze wurden in Absprache mit ihren beiden Kindern nun gehoben und verdienen es, da tausendmal erprobt und sicher gelingend, sehr gut nachzubacken (da leicht und einfach sowie kurz und strukturiert erklärt), der Nachwelt erhalten zu bleiben.

Das Vorwort wie auch das Nachwort geben Einblicke in das Leben von Nanette Herz, ebenso fließen einige Erinnerungen und Anekdoten aus ihrem bewegenden Leben - sowie authentische Fotos - in das Backbuch mit ein, das damit einen sehr persönlichen Charakter erfährt (incl. handschriftlicher Aufzeichnungen von Nanette.) Sie hielt zeitlebens fast vergessene Traditionen am Leben und hielt Vorträge über bäuerliches Brauchtum. Auf einem Bauernhof aufgewachsen, auf dem auch eine Gaststätte betrieben wurde, war sie zeitlebens gastfreundlich und eine offene sowie herzliche Bäuerin, die sich auch bei den Landfrauen engagierte und sich für deren Weiterbildung einsetzte. Hierfür wurde Nanette Herz mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet.

Eine wahre Schatzgrube sind ihre einfachen und doch sehr besonderen Rezepte, die verschiedene Kategorien ihrer Lieblingsbackwerke umfassen:

- aus der Form
- vom Blech
- Torten
- Gebäck & Co.
- Weihnachten

Ich habe zahlreiche Klassiker gefunden und diejenigen, die ich nachgebacken habe, waren so ausgesprochen wohlschmeckend, dass sie recht schnell "verputzt" wurden. Besonders gut fand ich die Tipps zum Backen, die sich an das Vorwort anschließen, sie sind wahrlich Gold wert: So wusste ich z.B. auch nicht, dass warme Buttermilch oder warmer Joghurt einen Hefeteig noch lockerer - und damit verlockender machen!

Meine Lieblingsrezepte sind (aus der Form) z.B. Schlupfkuchen mit Äpfeln; Schoko-Nuss-Kuchen und Gewürzkuchen. Im Sommer freue ich mich auf Nanettes "Johannisbeerkuchen" und ihren gedeckten Zwetschgenkuchen dann im Herbst (vom Blech). Die "Möhrentorte" und das Osterbrot wird um die Osterzeit nachgebacken und Nanettes Butterzopf (Hefeteig) ist wahrlich ein Gedicht! Bei Gebäckstücken fließt der fränkische Ursprung der Rezeptegeberin mit ein; hier kann man u.a. Hollerküchle, Zöpfle und Spatzen nachbacken. Die Weihnachtsrezepte reichen von Lebkuchen bis hin zu Stollen und hier favorisierten wir die "Hausfreunde" und die Bethmännchen, die ich aus Hessen kenne und die eines meiner Lieblings-Weihnachtsbäckereien darstellen.

Zu vielen Gebäcken gibt es schöne Fotos, jedoch nicht zu allen, was jedoch der Lust des Nachbereitens keinen Abbruch tut. Am Ende des handlichen Backbuchs befindet sich ein Register, mit dem jedes Rezept schnell nachgeschlagen werden kann.

Fazit:

Wer traditionsreiche, gelingsichere, leichtverständliche und auch vielfältige Rezepturen zur Backkunst sowohl in der Form, fürs Blech, für Torten und Gebäck sucht, der dürfte mit diesem authentischen und sehr schön ausgestalteten sowie aufbereiteten Backbuch und Nanettes Rezepten überaus glücklich sein. Mich hat das Backbuch restlos überzeugen können und ließ keine Wünsche offen. Daher von mir die volle Punktezahl und in memoriam an Nanette Herz ein ganz herzliches Dankeschön! 5*

Bewertung vom 14.05.2017
Die Bücherei am Ende der Welt
McCoy, Felicity H.

Die Bücherei am Ende der Welt


sehr gut

Die ganze Rezension ist bei Lovelybooks unter SigiLovesBooks ersichtlich (u.a.)

Fazit:


Ein lesenswerter und sehr unterhaltsamer Roman über eine irische Bibliothekarin in mittlerem Alter; ein Schmöker, den ich aufgrund des Schreibstils der Autorin und der humorvoll-schrägen Dialoge und Charaktere gerne gelesen habe. Auch die Beschreibungen der Landschaft der grünen Insel entführen nach Irland, das man, nach dem Liebgewinnen der grantig-dickschädeligen Mary Casey oder Furey leider auf der letzten Seite wieder verlassen muss. Eine Leseempfehlung für Frauen, gerne 50+ (was mir persönlich sehr gefiel) und für Menschen, die Irland und Bibliotheken sehr mögen. Für alle anderen jedoch ebenfalls ;) Ich vergebe 4 * und hoffe, von der Autorin noch mehr lesen zu können.