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melange
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Insgesamt 911 Bewertungen
Bewertung vom 14.05.2015
Louth, Nick

Die Suche


gut

Weniger wäre mehr gewesen

Zum Inhalt.
Auf einem Flug nach Amsterdam werden Mücken freigesetzt, die einen neuartigen Malaria-Erreger tragen. Gleichzeitig verschwindet die Forscherin Erica, die zu dieser Krankheit möglicherweise eine bahnbrechende Entdeckung gemacht hat, spurlos. Ihr Freund Max - früher bei der Küstenwache, heute Künstler - versucht sie zu finden und gerät bald zwischen die Fronten von Pharmaindustrie, holländischer Polizei, international agierenden Geheimdiensten und brutalen Killern.

Zum Cover:
Okay, es ist bedrohlich. Aber sonst? Kein Kampf im Wasser in diesem Roman - und es wird wahrlich viel Blut vergossen!

Mein Eindruck:
Die Story ist intelligent konstruiert, die Moral ist bestechend, die Geschichte spannend und zum Schluss schließt sich der Kreis von Vergangenheit, Zukunft, Schuld und Sühne perfekt und auf pfiffige Weise.
Trotzdem bin ich nicht überzeugt, und das liegt leider vor allem an der Hauptperson, aber auch an den weiteren Figuren, die so unglaubwürdig sind, dass nur James Bond Beifall klatschen würde. Warum muss Max ein Mann mit Kampferfahrung sein? Und warum tauchen auf einmal ganz viele absolut unrealistisch agierende Typen auf - egal, ob gut oder böse? Durchschnitt ist in diesem Roman keine Seele, - und das ist total schade. Wenn sich der Autor auf die Story um Malaria, Forschung, das Geschehen vor 20 Jahren und die Pharmaindustrie und deren Machenschaften beschränkt und nicht den Supermax-Superverbrecher-Supergeheimdienst-Weg beschritten hätte, wäre das Buch insgesamt glaubwürdiger und vor allem viel erschreckender geworden. So wird die Geschichte aufgepimpt, obwohl das überhaupt nicht nötig gewesen wäre, weil sie ausreichend Potenzial in sich trägt, ohne Bondgirls und Superbösewichtern zu bestehen. Denn weil alle Figuren so "besonders" sind, fehlt es total an Identifikationsmöglichkeiten und mir persönlich geht ein wichtiger Aspekt von Spannung flöten.

Fazit:
Sehr gute Grundidee, spannende Verwicklungen, durchdacht bis in den letzten Satz. Leider jedoch mit Charakteren im Überschallbetrieb.

3 Sterne

Bewertung vom 28.04.2015
Geismar, Werner

Tödliches Endspiel


sehr gut

Kölscher Klüngel auf brasilianisch

Bruno Böllmann ist ein kleiner Anwalt und ein großer Fan des einzig wahren Fußballvereins: Des 1. FC Köln! Deshalb lässt er sich gerne bei den Vertragsverhandlungen mit dem kommenden brasilianischen Superstar einspannen.

Aber leider kommt es, wie es in Köln immer kommen muss: Plötzlich wollen alle etwas vom Kuchen abhaben, jeder schießt gegen jeden (buchstäblich) und Bruno findet sich im Sumpf der international agierenden Wettmafia wieder. Schlussendlich muss er sich sogar nach Brasilien begeben, um seine Zulassung und dem FC den Star zu retten.

Das Cover spiegelt diese Gemengelage wunderbar: Geißbock, Dom, Fußballfeld und Zielscheibe, - perfekter kann man das Leben um den Verein nicht gestalten.

Mein Eindruck:
Ich gebe zu, dass der Krimi vollkommen überdreht und unrealistisch ist. Dabei wird die Geschichte jedoch so augenzwinkernd erzählt und mit so vielen urigen Typen angereichert, dass man sich wie in einem James Bond Film fühlt: Total abgefahren, aber trotzdem gut.

Böllmann hat das Pech, dass ihn niemand aufrichtig mag (noch nicht einmal die Verwandtschaft). Seine Freunde nutzen ihn aus, seine Sekretärin verachtet ihn, seine Ex-Kollegin und Ex-Geliebte ist mit dem größten Teil der Klienten durchgebrannt, aber ihm bleibt immer noch die Liebe zum FC. Es ist bewundernswert, wie viele eigentlich ausweglose Situationen Geismar für seinen Helden ersinnt, aus denen dieser sich mit Herz, Schnauze und unerlaubten Würgegriffen wieder zu befreien vermag. Genau diese Absurditäten machen den Charme des Krimis aus, der sein Personal aus absoluten Unikaten bis an die Grenzen der Vernunft agieren lässt. Besonders schön lesen sich die Machenschaften innerhalb des Vereins (Sportdirektor gegen Präsident, Spieler gegen Trainer, Spielerberater gegen alle), die bei mir den spontanen Gedanken aufblitzen ließen: Jenau esu isset!

Fazit:
Die Wahrheit ist auf dem Platz, das Runde muss in das Eckige und diesem Buch wünsche ich einen Platz auf Lukas Podolskis Nachttisch.

Bewertung vom 26.04.2015
Williams, John

Butcher's Crossing


gut

Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben...

.... und blühende Landschaften kann er auch vergessen.

Zum Inhalt:
Will Andrews, Ex-Student aus Boston, kommt nach Butcher's Crossing, weil er auf der Suche nach Etwas ist, das er selbst nicht definieren kann. Er zieht mit drei Männern in ein entferntes Tal, um Büffel ihrer Felle wegen zu jagen. Nach mehreren Monaten in der Wildnis ist nichts mehr so, wie es vorher war.

Zum Cover:
Ein einsamer, grasender Büffel, - das passiert wenn ein Mann mit einer Waffe auf eine Riesenherde getroffen ist, die ihm nicht ausweichen kann. Sehr stilvoll und passend!

Mein Eindruck:
Sehr stilvoll ist auch der Ausdruck, der einem beim Schreibstil von John Williams einfällt. In blumiger und beschreibender Weise reiht er Wort an Wort und Satz an Satz. Die Schauplätze entstehen überaus deutlich vor dem geistigen Auge und seine Charaktere wirken sehr plastisch. Dennoch bin ich persönlich nicht mit der Geschichte warm geworden. Entweder passiert seitenlang nämlich gar nichts (außer, dass das Grün seine Farbe wechselt), oder Williams fasst Monate in wenigen Zeilen zusammen, wo ich mir tiefere Einblicke in die Interaktion der vier grundverschiedenen Charaktere gewünscht hätte. Schön zeigt der Autor das Zerplatzen des amerikanischen Traums, wobei er ihn wirklich zu Staubkörnern der Prärie zerbröseln lässt. Tod, grenzenlose Enttäuschung, finanzielles Desaster und das Fehlen jeder Perspektive prasseln auf seine Protagonisten zwar in unterschiedlicher Ausprägung ein, jeder einzelne hat zum Schluss zumindest ein tonnenschweres Päckchen zu tragen. Und trotz aller Ausdrucksstärke sind mir die Figuren zu blass geblieben, über ihre Gedanken erfährt man fast nichts, Dialoge sind wenig gefragt und der Wahnsinn lässt sich nur an den Taten ablesen.

Mein Fazit:
Viele Leser schwärmen von John Williams, mir war dieses Buch zu oft wohlgesetzte Langeweile


3 Sterne

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.04.2015
Hamer, Kate

Das Mädchen, das rückwärts ging


sehr gut

Mutter und Tochter

Zum Inhalt:
Beth lebt getrennt von ihrem Mann Paul zusammen mit ihrer achtjährigen Tochter Carmel in der englischen Provinz. Bei einem Ausflug verschwindet Carmel plötzlich, entführt von einem älteren Herrn, der sich Carmel gegenüber als ihr Großvater ausgibt. Später stellt sich der Mann als Prediger heraus, der die Vereinigten Staaten bereist und dabei Carmel als Wunder präsentiert. Diese besitzt tatsächlich heilende Hände, die jedoch nicht immer einsatzbereit sind.

Zum Cover:
Ein niedliches Mädchen, welches leicht schelmisch in eine imaginäre Kamera blickt. Carmel ist hier wirklich gut getroffen.

Mein Eindruck:
Die Idee, ihre Geschichte aus den Perspektiven von Mutter und Tochter darzubieten und beide in der ersten Person erzählen zu lassen, ist nicht nur gewagt, sondern auch in der Umsetzung gelungen. Beide Stränge geraten äußerst stimmig! In Beths Teilen spürt der Lesende überdeutlich die Verzweiflung, aber auch die Hoffnung auf ein Wiedersehen, in Carmels Teil das Bemühen, die eigene Identität zu bewahren und trotz aller widrigen Umstände nie den Mut zu verlieren.
Erzählerisch auf hohem Niveau stören einige Lücken in der Geschichte um so mehr (kleinere inhaltliche Spoiler): Wieso bewohnen die Entführer ein großes Haus, zu dem sie augenscheinlich sogar Schlüssel besitzen, aber ein "ordentliches" Zimmer für Carmel ist nicht möglich ("das geht nicht, Liebes"). Wie schaffen es die beiden, Carmel nach Amerika zu verschleppen (bewusstlos!!), ohne dass es den Behörden auffällt, - schließlich wird ein Mädchen in ihrem Alter gesucht und die Fluggesellschaften sind sensibilisiert. Dadurch manifestiert sich der Eindruck, dass die Autorin schwierige Umstände einfach ausklammert, statt sie zu erklären. Auch das Verhalten der Komplizin ist nicht schlüssig. Schließlich liebt sie ihre Kinder über alles und nachdem sie durch Carmels Hilfe ihre eigenen Träume erfüllt sieht, hätte sie auch die Polizei anonym informieren können, um der Entführung ein Ende zu machen.
Trotz dieser kleinen Ärgernisse ist die Geschichte wunderschön geschrieben, sie geht an Herz und Nieren und man kann der Autorin (und ihrer Leserschaft) nur wünschen, dass sie ihrem Beruf treu bleibt.

Fazit:
Kleine Mängel, aber eine große Geschichte über Glaube, Liebe und Hoffnung

4 Sterne

Bewertung vom 06.04.2015
Paris, Gilles

Der Glühwürmchensommer


gut

Magische Momente

Zum Inhalt:
Der neunjährige Victor erzählt die Vorkommnisse eines Sommers, in dem sich seine Familie neu sortierte, er unerwartete Freundschaften schloss und die Weichen für die Zukunft stellte.

Zum Cover:
Stimmungsvoll wie der Inhalt zwischen den Buchdeckeln präsentiert sich das Äußere.

Mein Eindruck:
Wenn man sich darauf einlassen kann, dass dieses Buch die selbstverfasste Geschichte eines Neunjährigen ist, bekommt man eine wirklich magische Story voller kindlicher Phantasie und Ausdruckskraft zu lesen. Leider scheitert der Autor des Öfteren bei dem Versuch, den Sprachduktus eines Grundschulkindes zu treffen (oder der Übersetzende versagt). Beispiel Seite 149: "... der Geschmack der verbotenen Frucht ist in ihrem Mund explodiert..." Ich möchte das Kind sehen bzw. hören, welches über eine "verbotene Frucht" sinniert und dabei etwas Anderes als Obst meint.
Besser gefallen die Passagen, in denen Victor seine Umgebung oder seine Mitmenschen betrachtet. Diese geraten immer sehr liebevoll und außerordentlich bildhaft, so dass sich der Lesende gut in die Szenerie oder die handelnden Figuren einfühlen kann.
Die fantastischen Elemente dabei sollten jedoch für sich stehen und nicht von den Erwachsenen kommentiert und erlebt werden, - die Geschichte hätte dadurch an Glaubwürdigkeit gewinnen können.
Außerdem sind in diesem doch recht kurzen Buch einige Sachen sehr lang geraten, obwohl sie eher als Lückenfüller anzusehen sind (zum Beispiel die Einkaufsreise nach Italien), anderes, was einer genaueren Betrachtung wert gewesen wäre, wird dafür nur angerissen. Hier ist als Beispiel der Grund zu nennen, warum Pilar (die schließlich sehr in Victors Mutter verliebt zu sein scheint) praktisch ohne größeres Federlesen ihre Zelte in Frankreich abbricht, um nach Argentinien zurückzukehren und dadurch erst die Möglichkeit für eine Zusammenführung der ursprünglichen Familie ohne Widerstände bietet. Oder die Abneigung Pilars gegen Schmetterlinge. Andauernd erwartet man eine Erklärung, die nicht kommt, - obwohl ein paar Seiten mehr nicht den Rahmen einer Erzählung gesprengt hätten.
So bleibt die Erinnerung an einen Sommer, der eine Familie wieder zusammenführte und an ein Buch, welches stellenweise glänzend unterhält, da es kindliche Freuden, große Momente, spannende Entdeckungen und die Wunder der Natur und der Liebe zusammenbringt, leider oft ohne aufzuklären.

Fazit:
Wie das Leuchten von Glühwürmchen: Kurz, aber herzerwärmend und nicht unbedingt selbsterklärend

3 Sterne

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.03.2015
Beverly-Whittemore, Miranda

Bittersweet (Restauflage)


gut

Das verlorene Paradies

Zum Inhalt:
Die Ich-Erzählerin Mabel wird von ihrer reichen Zimmernachbarin Ev auf den Stammsitz von Evs Familie eingeladen, um dort den Sommer zu verbringen.
Zuerst kommt es Mabel wie ein Aufenthalt im Paradies vor, bis sie vom Baum der Erkenntnis isst und die Schlangen der Vergangenheit und Gegenwart ihre Köpfe erheben.

Zum Cover:
Genau so muss ein verwunschener Ort wirken: Eine Villa, einsam gelegen am Ufer eines Sees. Bittersüße Romantik in Reinkultur!

Mein Eindruck:
Schwer zu beschreiben. Teilweise nimmt einen die Geschichte total gefangen, teilweise sitzt man fassungslos vor dem Buch und denkt sich "Was will mir die Autorin jetzt damit wohl sagen?". Zur ersten Kategorie gehören die Landschaftsbeschreibungen, die dem Leser die wunderschön anmutende Umgebung sehr nahe bringen. Hier wird geschwelgt, - gleichgültig ob Gewitter oder dunkler Wald. Ein Beispiel für die zweite Kategorie würde ich mit "Mabel und der Sex" überschreiben. Einerseits beklagt sie sich, dass sie bei der Selbstbefriedigung beobachtet wird, andererseits spannt sie selber, - und nicht nur einmal. Diese Teile bringen die Geschichte nicht voran, kommen aus heiterem Himmel und überraschten zumindest mich eher negativ.
Auch der Fortgang der Story lässt mich zwiegespalten zurück: Manchmal kreist die Geschichte so lang im Irrgarten, dass ich ihr gerne eine Bresche in das Dickicht geschlagen hätte, dann überschlägt sie sich plötzlich: Menschen sterben, Allianzen werden geschmiedet, Schicksale entscheiden sich.
Hätte die Autorin ihre Einfälle vom Schluss ein bisschen besser verteilt, wäre es insgesamt spannender gewesen.
So bleibt die Erinnerung an ein dahinplätscherndes Flüsschen, welches auf einmal in einen Wasserfall mündet und sich letztendlich in einem diffusen See mit einem seltsamen und unbestimmten Ende wiederfindet.

Fazit:
Manchmal schön, manchmal langweilig, manchmal aufreibend, manchmal entspannt
Als goldene Mitte: 3 Sterne

Bewertung vom 22.03.2015
Gerling, V. S.

Das Programm / Nicolas Eichborn und Helen Wagner Bd.1


ausgezeichnet

Militärische Altlasten

Zum Inhalt:
Nach einigen sehr bestialischen Morden führt die Spur zu einer sektenähnlichen Organisation, die ihre Mitglieder zwecks Bewusstseinserweiterung umprogrammiert. Ein Zielfahnder des BKA und seine neue - psychologisch ausgebildete - Kollegin versuchen das Morden zu stoppen, geraten jedoch in einen Sumpf, der bis zu den Zeiten des kalten Krieges zurückreicht.

Das Cover:
Wirkt durch das übergroße, schmerzverzerrte Gesicht eher vom Kauf abschreckend, auch wenn viel Wahres gezeigt wird.

Mein Eindruck:
Ein Thriller, der begeistert. V.S. Gerling versieht seine Geschichte mit viel Spannung, einigem Humor und einer Reihe von interessanten Charakteren. Dabei wechselt er in der Erzählung zwischen der dritten Person und dem Ich-Erzähler Nicholas. Dieser BKA-Beamte hat - genau wie seine Kollegin Helen Wagner - zwar einige Probleme und eine schwierige Vergangenheit, geht aber nonchalant und gekonnt damit um. Diesem Paar stellt der Autor viele Figuren zur Seite, die sich zum Teil erst nach und nach als gut, böse oder irgendetwas dazwischen entpuppen. Die daraus resultierende Ungewissheit verursacht beim Lesenden ein Gefühl des Dauerunbehagens, welches er mit Nicholas und Helen teilt.
Aber nicht nur Hintergrund und Aktivitäten der Figuren halten einen bei der Stange, sondern zusätzlich erfindet Gerling eine Handlung, die geradezu nach unkonventionellen Ermittlungsmethoden schreit. Ich fühlte mich öfter an zwei von mir sehr gern gesehene Fernsehserien erinnert. Wie in "24" und "Luther" agiert der Held haarscharf am Rande der Legalität (oder manchmal auch eine Spur daneben), bleibt sich aber immer treu dabei.
Erschreckend ist insbesondere, dass die Handlung nicht ausschließlich aus den Fingern eines begabten Schreiberlings gesogen ist, sondern in Grundzügen auf realen Abscheulichkeiten auf höchsten Ebenen beruht, - daher billigt meine Leserseele wohl auch den Zweck, der fast jedes Mittel heiligt.

Fazit:
Nach diesem Thriller benötigt man eine Fingernagelmodellage

5 Sterne