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Urte Köhler

Bewertungen

Insgesamt 78 Bewertungen
Bewertung vom 22.08.2019
Die Wege der Liebe / Die Ärztin Bd.3
Sommerfeld, Helene

Die Wege der Liebe / Die Ärztin Bd.3


sehr gut

Dieser dritte Teil der Trilogie über die Ärztin Ricarda Thomasius hat auf 572 Seiten alles zu bieten, was in eine dramatische Saga hineingehört. Fortschrittsdenken und der Kampf gegen bornierte Männer, die das Wissen über - in diesem Falle Medizin - gepachtet zu haben scheinen, kennzeichnet hauptsächlich Ricardas Lebensweg und Karriere als Ärztin. Unbeirrt geht sie ihren Weg, mutig und stolz, zu ihren Prinzipien stehend, auch wenn sie damit aneckt und Menschen gegen sich aufbringt. Gegenüber ihrer Familie legt sie das gleiche Verhalten an den Tag, was ihr ebenfalls nicht nur Freunde einbringt. Sie steht abseits der allmächtigen Familie Kögler - die Familie ihres ersten Mannes.
Mit drei Kindern von drei verschiedenen Männern ist sie stets darauf bedacht, Familie und ihre Beziehung zu ihren Kindern als oberstes Ziel vor Augen zu haben. Ihr Beruf als Ärztin kommt aber gleich danach, was sie aber nicht daran hindert, ihn für ihre Familie aufs Spiel zu setzen. Am Ende ist es dann die Familie, die an erster Stelle in ihrem Leben steht.
Darum herum rangt sich die weitere Handlung gespickt mit Klischees wie Ehebruch, Homosexualität, Abtreibung, Vergewaltigung, Erpressung, Scheidung, Krankheit und Tod.
Ziemlich viel für ein Leben, das durch den Willen zu helfen und Leben zu bewahren geprägt ist. Ricarda ist stets auf der Suche nach dem Guten im Menschen, sieht sich aber konfrontiert mit den Abgründen der menschlichen Gesellschaft, die auch vor ihrer Familie nicht Halt machen.
Als unglaublich starke Frau schultert sie diese Abgründe erstaunlich kräftig und bewahrt in schwierigen Situationen einen kühlen, klaren Kopf.
Dennoch bin ich der Meinung, dass oben aufgezählte Klischees nicht in der Häufung während eines Menschenlebens auf ihn einstürzen.
Mal ganz ehrlich: Schon die Auseinandersetzung mit zwei der genannten Dinge, kann ein Leben gehörig aus den Fugen bringen und es so verändern, dass kein Stein mehr auf dem anderen steht. Und alle zusammen inklusive die Überwindung einer tödlichen Krankheit lassen die Heldin am Ende entspannt im Schoß der Familie glücklich sein?
Insgesamt aber eine wundervoll ausgedachte Geschichte, voller Dramatik, lebendiger Figuren und stringenter Handlungsweisen. Der Leser kann wunderbar mit fiebern und immer wieder verwundert erfahren, wie sich doch alles zum Guten wendet und die Dinge sich fügen.
Das stimmt den Leser sicher am Ende heiter und entlockt ihm ein Gefühl der Dankbarkeit, dass derart viel Dramatik nicht sein eigenes Leben ausmacht.

Bewertung vom 01.08.2019
Silberdrache Bd.1
Sage, Angie

Silberdrache Bd.1


gut

In diesem stellenweise grausamen Jugendroman stehen drei Erzählstränge nebeneinander, die nacheinander verbunden werden, wobei der Leser sich fragt, was es mit dem zuletzt verwobenen eigentlich auf sich hat. Er ist der kürzeste von allen und setzt der Geschichte ein etwas dürres, unverständliches Ende.
Insgesamt lässt sich der Leser auf eine spannende Geschichte ein, in der relativ wenig Handlung in eine umfangreiche Erzählwelt eingebettet ist. Die Handlungsweisen der Figuren sind folgerichtig und bringen den Ablauf gut voran, der auf ein aktiongeladenes Creszendo zusteuert: gut gegen böse. Und das Böse ist wirklich böse, sadistisch und unmenschlich. Manchmal wundert der Leser sich über solche Abgründe.
Die Drachen in der Geschichte sind wundervoll geschildert. Sie weisen menschliche Denkweisen und unterschiedliche Charaktere auf. Haben aber auch "drachentypisches" Verhalten und "exzentrische" Bedürfnisse. Ihre Hierarchie erinnert an militärische Ränge, ihre Kammern an royale Gemächer.
Die Bedeutung des Silberdrachen bezieht sich auf eine besondere Fähigkeit, ohne die das Ende der Geschichte nicht möglich wäre. Solange ist sie nur ein Streiflicht am Horizont.
Insgesamt ist die Story spannend ausgedacht und erschafft eine Fantasywelt voller Drachen, die menschlicher Grausamkeit ausgesetzt sind, die aber auch dem Guten Raum lässt, damit es sich behaupten kann.

Bewertung vom 17.07.2019
Die Malerin des Nordlichts / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.10
Johannson, Lena

Die Malerin des Nordlichts / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.10


gut

Der Leser lernt die nicht mehr ganz junge Malerin Signe Munch kennen, die sich aus den Zwängen ihrer Ehe mit einem ignoranten, in überkommenen gesellschaftlichen Vorstellungen verfangenen Mann befreit hat. Nun kann sie ihre Malerei leben, alles, was sie je wollte.
In den Osloer Künstlerkreisen bringt sie es zu bescheidenem Erfolg, was sicher auch ihrem Onkel dem großen Edvard Munch zu verdanken ist. Sie hat vieles von ihm gelernt - nicht handwerklich sondern eine eigene Sicht auf Malerei.
Gleichzeitig findet sich der Leser aber auch einer Frau gegenüber, die zu tiefst unsicher und unendlich weich und freundlich ist. Das Sprichwort Sie kann keiner Fliege was zu Leide tun" trifft voll zu.
In ihrer Unsicherheit ist sie mit sich und ihren Bildern nicht zufrieden, ringt mit sich selbst um ihre Kunst.
Das ändert sich, als sie die Liebe ihres Lebens trifft und sie Fuß fassen lässt. In ihrer Welt fällt alles an seinen Platz und sie ist in der Lage, andersartige Kunstwerke zu erschaffen. Sie reift.
Doch das Schicksal hat für sie einiges in Petto. Der Zweite Weltkrieg nimmt Einfluss auf ihr Leben und bestimmt die weiteren Jahre erheblich.
Insgesamt ist es der Autorin wunderbar gelungen, das Lebensbild einer eher weniger bekannten Malerin zu zeichnen.
Ein Gesellschaftsroman mit biografischen Anteilen und einem Blick auf den Reifungsprozess einer Künstlerin, die ihr Leben in den Dienst der Kunst stellen kann und als eine gefestigte Persönlichkeit aus allem hervorgeht.

Bewertung vom 03.07.2019
Immer kommt mir das Leben dazwischen
Schrocke, Kathrin

Immer kommt mir das Leben dazwischen


sehr gut

"Pubertät ist, wenn die Eltern komisch werden" - an diesen Ausspruch unseres Kinderarztes musste ich die ganze Zeit denken, als ich das Buch von Kathrin Schrocke gelesen habe.
Die Welt von Karl steht Kopf. Und zwar seine Umwelt - nicht seine emotionale Welt, die im Moment eher erträglich ist und deren Fehler gegenüber dem Verhalten seiner Umwelt eher zu vernachlässigen sind.
Auf geschickte und auf "typisch Leben" Art taumelt Karl durch seinen Alltag bestehend aus Schule, Elternhaus, Oma und erster Liebe. Irgendwie schafft er den Drahtseilakt, alles miteinander zu verbinden und irgendwie unter einen Hut zu bekommen. Dabei bleibt zwar das Smartphone kurzzeitig auf der Strecke und er muss das Festnetztelefon benutzen - welch eine Schmach - doch irgendwie geht das Leben weiter und notfalls könnte man auf Vorgehensweisen der Steinzeit zurückgreifen und einen richtigen Brief schreiben (was man in der Schule gelernt hat!!!!). Doch bevor er auch nur zum Briefpapier greifen kann, haben die Eltern Mist gebaut und er findet sich in vertauschten Rollen wieder. Sein Vater braucht Geld und seine Mutter Nachhilfe in Sachen Playlist.
Doch auch wenn alles drunter und drüber geht, am Ende passt wieder alles und Karl darf in Ruhe pubertieren.
Ein wunderbar einfühlsamer Roman über die Zwänge und Nöte eines "Pubertiers" in einer aus den Fugen geratenen Welt.

Bewertung vom 17.06.2019
Mit Schirm, Charme und Karacho / Samantha Spinner Bd.1
Ginns, Russell

Mit Schirm, Charme und Karacho / Samantha Spinner Bd.1


sehr gut

Der Kinderroman beginnt gleich mit dem eigentlichen Thema: der Onkel ist verschwunden.
Das ist Anlass zur Besorgnis, doch erste Schritte in Richtung des Rätsels Lösung lassen in dem geneigten Leser den Eindruck entstehen, in einer Welt zu sein, die erheblich anders tickt und funktioniert als er es bis dahin gewohnt war.
Was sich dann im Folgenden vor den Augen des Leser entfaltet und für gewaltig-buntes Kopfkino sorgt, ist eine Geschichte von unwahrscheinlicher Fantastik.
Mit Hilfe eines Regenschirms, der sich als Wegweiser zu erkennen gibt, werden die Geschwister Samantha und Nipper auf abenteuerliche Art und Weise (hypermoderne, zukunftsweisende technische Entwicklungen) auf der Welt herumgeschickt - auf den Spuren des verschwundenen Onkels. Sie folgen seiner Fährte und lösen seine Rätsel - furchtlos und unerschrocken legen sie sich mit dem Bösen an, das sich jedoch als ziemlich dämlich entpuppt.
Schlau und listig kommen sie ihrem Ziel näher und lassen dabei ihre Eltern wie vertrottelte Wissenschaftler aussehen, die keine Zeit haben, sich für die Aufregungen im Alltag ihrer Kinder zu interessieren.
Wie so häufig in abenteuerlichen Kinderbüchern, die nur dann funktionieren, wenn die Eltern Randfiguren bleiben.
Insgesamt ist die Lektüre spannend und unterhaltsam, wenn auch stellenweise langatmig. Immer dann, wenn die aktuelle Dramatik zur Erhaltung des Spannungsbogens in die Länge gezogen wird. Weniger wäre manches Mal Mehr gewesen.
Für Kinder bis 10 Jahre ein idealer Unterhaltungsroman. Sie können sich wunderbar in die beiden Kinder hineinversetzen und deren Abenteuer life miterleben. Eine leicht verständliche Sprache ohne Schnörkel und endlos lange Sätze lassen Kinderaugen flüssig über den Text gleiten. Die Kapitel sind in überschaubarer Länge, ohne große Cliffhangar, die es erleichtern, eine Pause beim Lesen einzulegen. Es wird gerade so viel Spannung erhalten, dass der Neueinstieg mühelos möglich ist.

Bewertung vom 20.05.2019
Sich selbst vertrauen
Pépin, Charles

Sich selbst vertrauen


ausgezeichnet

Ein anspruchsvolles, gewinnbringendes Buch über Selbstvertrauen und damit auch über den Umgang mit sich selbst. Die Aufforderung, in sich selbst hineinzuhorchen und sich zu fragen: Wie steht es bei mir damit?
Das lässt sich hervorragend mit dem vorletzten Satz veranschaulichen: "Wer sich selbst vertraut, findet den Mut, sich dem Ungewissen zu stellen, statt vor ihm zu fliehen." (S. 198)
Pépin stellt die Frage nach dem Erlangen von Selbstvertrauen. Wo kommt es her? Niemand bringt es von Geburt an mit.
Er nähert sich der Antwort auf diese Frage von verschiedenen Seiten, kommt aber immer wieder auf den Kern der Sache, dass die Nutzung des eigenen Gehirns unabdingbar ist. Das Auseinandersetzen und Hinterfragen von Sachverhalten und Aufgabenstellungen, die Hinwendung zur eigenen Freiheit: der Fähigkeit sich selbst zu vertrauen. Die Akzeptanz der Ungewissheit, die jeder Entscheidung innewohnt. Das Üben von Entscheidungen und das damit stetig wachsende Vertrauen in uns selbst.
Es ist möglich, den Zauderer in uns zu besiegen, aber es ist ein schwieriger Weg, die Herausforderung des eigenen Verstandes anzunehmen, statt dem bequemen Weg der Vorurteile anderer zu folgen.
Dieses Buch ist eine Aufforderung aber auch eine Anleitung an und für den Leser, darüber nachzudenken, wie viel Selbstvertrauen im Leben ausmacht, welche Erleichterungen es mit sich bringt und wie hemmend und ausbremsend Zweifel sind.
Pépin zeigt dem Leser unterschiedliche Wege auf, die zielführend sind. Es ist an ihm, sich für einen davon zu entscheiden.

Bewertung vom 13.05.2019
Crazy Rich Asians
Kwan, Kevin

Crazy Rich Asians


ausgezeichnet

Die Welt der Superreichen. Was ist das für eine Welt? In erster Linie eine menschliche, die extrem stark auf die Familie fixiert ist. Das sieht auf den ersten Blick sehr schön aus, denkt der Leser doch an Gemeinschaft, Unterstützung, Familienfeiern und normalen Alltag - mal stressig, mal nicht.
Doch die Bedeutung von Familie in Kwans Roman "Crazy Rich Asians" geht sehr viel weiter. Und der maßlose Überfluss an Geld und allem Skurrilen, was man damit machen kann, bringt viel Überheblichkeit und Gehässigkeit aber auch Druck und Zwänge mit sich.
Der Alltag der Superreichen in Singapur ist angereichert mit Bedürfnissen, bei denen sich der geneigte Leser fragt: Brauchen Menschen das wirklich? Sind es nicht eher Bedürfnisse aus der Not heraus geboren, über das "Normale", "Alltägliche" des Durchschnitts herauszuragen? Einfach auch, weil die Bedürfnisse des Durchschnitts keinen für die Reichen messbaren "Wert" haben?
In dem Buch von Kevin Kwan messen die Protagonisten den ideellen Wert einer Sache an seinem Preis, seinem Label oder einfach an der Tatsache, dass diese Sache machbar ist, egal was sie kostet.
Geld ist nur dazu da, allen Launen sofort nachzugeben, ohne wenn und aber, ohne Zwänge. Die Frage der Notwendigkeit oder eines effektiven Nutzen braucht nicht gestellt zu werden. Da diese Menschen sowieso alles haben, was man zum Leben braucht, besteht eigentlich keine Notwendigkeit, ein achtes Auto zu kaufen. Es wird aber dennoch gekauft, weil Menschen mal etwas Neues haben möchten, keine Lust auf den ewig alten Kram haben.
Vor diesem Hintergrund stellt sich dem Leser die Frage, wie hier Familie und Geld zusammengehören.
Er trifft auf unterschiedliche Charaktere: geldgierige, intrigante Jetset-Girls, die sich auf Labels und verschwenderische Vergnügungen beschränken und mit einer auf Geld begründeten Überheblichkeit daherkommen, die andere in die Knie zwingt.
Er trifft auch solche, die ihren Reichtum als selbstverständlich betrachten, ihr Leben leben, ohne zu protzen und einfach durch ihre Persönlichkeit gern gemocht werden.
Dann gibt es noch die Charaktere, die die Familie über alles heben und deswegen über "Leichen" gehen. Alle die, die nicht mindestens altes Geld sind und schon in der Vergangenheit adlige Verbindungen hatten, zählen nicht und sind deswegen automatisch ihrer unwürdig. Auf dem Menschen selber wird nicht geschaut, nur die Herkunft zählt.
Und dann gibt es noch die, die außerhalb der Familien aufwachsen, oder im Ausland leben und Kontakt zu "normalen" Menschen haben. Sie sind bodenständig, ehrlich, frei von Konventionen und Traditionen. Sie sehen den Menschen und seinen Charakter.
Hat der Leser schließlich die 570 Seiten verschlungen, macht sich Schadenfreude breit. Zurecht, sage ich, denn ich habe mich die ganze Zeit gefragt, was diese Menschen eigentlich glauben, wer sie sind und welche Rechte sie meinen zu haben, selbstgerecht über andere zu richten.
Sie werden - Gott sei Dank - von den Folgen ihres Tuns eingeholt und damit wird sehr gut deutlich, dass Menschen unabhängig von Geld gut und schlecht sein können; doch unermesslich viel Geld und schlechte Menschen sind eine gefährliche Kombination.
Insgesamt ist der Roman eine wunderschöne Reise durch eine Welt, in der die meisten nicht leben und vielleicht nicht leben wollen, aber es ist doch mal eine Erfahrung wert, hinter die goldene und diamantenbesetzte Fassade zu schauen. Auch dort tun sich Abgründe auf.

Bewertung vom 07.05.2019
Das Versprechen der Islandschwestern
Baldvinsson, Karin

Das Versprechen der Islandschwestern


gut

In diesem Gesellschaftsroman wird der Leser in einem leicht und flüssig zu lesenden Schreibstil angenehm durch die Geschichte geführt. Diese spaltet sich in zwei Teile auf - einen, der in der Zeit unmittelbar nach Kriegsende spielt und einen Teil, der in der Gegenwart angesiedelt ist.
Zwei junge Schwestern ohne nennenswerte Zukunftsaussichten im Nachkriegsdeutschland 1949 verpflichten sich für ein Jahr als Landwirtschaftsgehilfinnen auf abgelegenen Bauernhöfen auf Island. Dort werden sie in die Familien integriert und arbeiten von früh bis spät. Ein endlos langer Winter in überwiegend eiskalter Dunkelheit und primitive Lebensverhältnisse ohne Strom und fließend Wasser, lassen die beiden Schwestern die kleinen Freuden zwischendurch umso herzhafter genießen. Das bleibt nicht ohne Folgen, was viel Trauer und vor allem verletzten Stolz hervorbringt.
Die Gegenwartsgeschichte erzählt die Entwicklung der Enkelin einer der Schwestern. Als alleinerziehende Mutter mit Teenagertochter fährt sie mit ihrer Oma zu deren Schwester nach Island einen runden Geburtstag zu feiern. Doch die Liebe schleicht sich heimlich dazwischen und sorgt für einige kleinere Turbulenzen.
Die an sich gut erzählte Geschichte erfährt jedoch einen herben Dämpfer, weil arg strapazierte Klischees angewendet werden, bevor alle glücklich ins Happy End schweben. Und dieses Happy End ist im Verlauf der Lektüre ziemlich offensichtlich, weil die Bausteine dafür vorher schon fast plakativ konstruiert wurden.
Dem Ganzen wird noch die Krone aufgesetzt, in dem ein persönliches Drama eines Protagonisten zu seiner Entscheidungsfindung noch schnell in die Geschichte montiert wird, wenn sie eigentlich den Scheitelpunkt der Spannung schon eine Weile überschritten hat. Das ist schade und macht das Ende pseudodramatisch, weil der Erkenntnisprozess für den Leser unsichtbar bleibt und nur als Information mitgeteilt wird.
Insgesamt eine flüssig erzählte Geschichte in schöner Landschaft, die aber unter den faden Klischees zu einer langweiligen Story verkommt.

Bewertung vom 04.05.2019
Marina, Marina
Landau, Grit

Marina, Marina


gut

Eine Liebeserklärung an Italien und "La dolce vita" in einem kleinen Dorf an der Riviera westlich von Genua Anfang der 1960er Jahre.
Das Leben plätschert beschaulich im banalen Alltag vor sich hin zwischen Friseur, Olivenhain, Werkstatt und Strand. Kleine Sorgen und Nöte der Kinder verlieren sich im Familienleben, die großen Sorgen und Nöte der Erwachsenen werden angedeutet, bleiben den Kindern jedoch verborgen.
Deswegen ist der Spannungsbogen von Anfang an auf konstant niedriger Höhe. Der Schreibstil liest sich flüssig, verliert sich gerne in landschaftlichen Beschreibungen, die den Leser am Ort des Geschehens eintreffen lassen. Er steht neben den Figuren und "lebt" mit. Fast ist es so, als würde der Leser die Sonne Italiens auf der Haut fühlen.
Pro Kapitel findet sich ein "Arm" des Handlungsstranges, der sich immer irgendwie um die Figur der Marina dreht, deren Leben im Dorf einen sozialen Aufstieg aus den ärmeren Gassen ihrer Kindheit in Rom bedeutet. Als Frau des Dorffriseurs ist sie stets bestens über den örtlichen Klatsch und Tratsch informiert. Ihre Intimfeindin macht ihr das Leben nicht immer leicht.
Doch die Zeit vergeht, die Kinder werden erwachsen und gehen ihren eigenen Weg, der so gar nichts mehr mit dem ihrer Eltern gemein hat, geschweige denn bei ihnen Zustimmung findet.
So ganz nebenbei verketten sich die einzelnen "Arme" des Handlungsstranges und offenbaren Zusammenhänge, die schlussendlich den Spannungsbogen in die Höhe schnellen lassen und zu ungeahnter Dramatik auflaufen.
Diese Dramatik findet sich in einer zeitlichen Rückblende in das vorletzte Kriegsjahr 1944. Danach fällt sie Spannung im Jahr 1980 schlagartig auf das Niveau von vorher zurück und die Story löst sich einfach auf.
Plötzlich sind Dinge möglich, die erst nach so langer Zeit möglich sind; so als hätte sie allein die Fäden in der Hand, an der die Menschen als ihre Marionetten tanzen.

Bewertung vom 29.04.2019
Dein Herz vergisst nicht
Perry, Jodi

Dein Herz vergisst nicht


weniger gut

Ein Roman zum Schmelzen - so könnte der geneigte Leser meinen, wenn er den Titel liest. Auch das Cover zieht ihn in diese sicherlich gewünschte Richtung, nicht umsonst wurde das Herz aus Vergissmeinnicht gelegt und die übrigen Farben dem Blau der Blüten angepasst.
Ganz so wie Eis in der Sonne schmilzt der Leser allerdings nicht, auch wenn einige Episoden sehr zu Herzen gehen. Besonders die Briefe, die Braxton an seine Frau schreibt, um ihrer Erinnerung auf die Sprünge zu helfen und sie vielleicht wieder in einem gemeinsamen Leben willkommen heißen zu können.
Die übrige Handlung, die sich um diese Briefe rankt, ist von nüchternem Alltag geprägt, Jemmas Versuch, in diesem Alltag Fuß zu fassen und sich im Leben einzufinden. Dabei helfen die Menschen, die ihre Familie und Freunde sind/waren.
Auf unterschiedlich treffende Weise gelingt es der Autorin diese Personen mit Leben zu füllen. Einige davon bleiben wenig belebte Hüllen, Staffage.
Bei Braxton schafft sie das ziemlich gut, auch wenn seine innere Reflexion manchmal oberflächlich bleibt, und er die doch schweren Schicksalsschläge scheinbar einfach wegsteckt. Da wünschte man sich eine tiefergehende, emotionale Auseinandersetzung.
Jemmas Mutter, die auch für Braxton einige Jahre Mutterersatz war, kommt mir vor wie das ungeliebte Stiefkind der Autorin. Zu diesem Charakter fehlt mir jeder emotionale Bezug, er handelt stereotyp und gestelzt, gefangen in einmal gefassten moralischen Vorstellungen und Verhaltensmustern. Echte Gefühle bleiben oberflächlich und wirken unecht. Lebensuntüchtig - so kann man sagen. Außerdem voller Wut.
Jemmas Vater ist eine unscheinbare Randfigur, die für einen Fehler lebenslang mit dem Hass seiner Exfrau bestraft wird. Was die Situation für Jemma verschärft, weil die Welt dort mit Fettnäpfchen gepflastert ist.
Rachel, Jemmas Freundin, ist eine resolute junge Frau, die die Dinge beim Namen nennt und Jemma schonungslos mit der Wahrheit konfrontiert, wenn es nötig ist.
Und dann das Ende! Enttäuschend und konstruiert. Zu Herzen gehend und unendlich happy, ist der Leser geblendet von soviel positiven Entwicklungen, als müsse das durchlebte Leid noch nachträglich einen auf die Mütze kriegen.

Insgesamt ein Roman für Leser, die Liebesgeschichten mögen und denen das Leben noch nicht wirklich vielschichtige Lebenserfahrungen aufdrücken konnte; andernfalls kommt einem das Verhalten der beiden Verheirateten oberflächlich und sexuell gefühlsorientiert vor. Auch wenn ihre Ehe nur kurz war, kennen sie sich von Kindesbeinen an. Insofern ist das Datum der Eheschließung unerheblich. Sie leben schon ein Leben lang "zusammen".