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haberlei
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Begeisterte Leserin von Krimis, Thrillern, Humorvollem, historischen (Frauen-)Romanen, Biografien

Bewertungen

Insgesamt 349 Bewertungen
Bewertung vom 18.02.2025
Zach, Bastian

Donaumelodien - Praterblut


ausgezeichnet

Unschuldig unter Mordverdacht

„Donaumelodien - Praterblut“ von Bastian Zach ist der Auftakt zu einer historischen Krimireihe, die Ende des 19. Jahrhunderts in Wien beheimatet ist.

Kurz zum Inhalt:
Im Prater werden drei junge Frauen ermordet, grausam zerstückelt. Hieronymus Holstein gerät in Verdacht und muss in nur sieben Tagen den wahren Mörder finden, um seine Unschuld zu beweisen. Sein Freund, der „bucklige Franz“ hilft ihm bei den Nachforschungen, vor allem bei der Suche nach jener unbekannten Frau, die Hieronymus in diese prekäre Situation gebracht hat. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt …

Das Cover stimmt ausgezeichnet auf die Epoche ein. Das Foto vermittelt den Eindruck, man befände sich mitten in dieser Menschenmenge, die da in den Prater spaziert. Das Buch erschien 2020, die Handlung spielt im Jahr 1876. Die Kapitel sind kurz gehalten, weisen weder Zeit- noch Ortsangaben auf. Der Schreibstil ist flüssig und bildhaft, ist sprachlich der Zeit angepasst, mit zahlreichen altösterreichischen Ausdrücken gespickt, die (für Nicht-Wiener) im Glossar erklärt werden. Das Lokalkolorit ist anschaulich beschrieben, seien es die prunkhaften Bauten sowie das Interieur bedeutender Gebäude, oder das Straßenbild und die Klassen- bzw. Milieuunterschiede, die Kluft zwischen Arm und Reich. Man bekommt ein sehr lebendiges Bild der Lebensumstände im sogenannten Alten Wien. Dass der Autor über Fachkenntnisse über diese Zeit verfügt und gut recherchiert hat, ist deutlich zu spüren. Geschickt vermengt er seine fiktive Kriminalgeschichte mit historisch belegten Personen und Ereignissen. Einen guten Überblick über das damalige Wien bietet auch der Orientierungsplan aus dem Jahr 1876 (für Details benötigt man allerdings eine Lupe).

Erzählt wird vorwiegend aus der Sicht von Hieronymus, dazwischen auch aus jener von Franz. Die beiden stehen im Mittelpunkt der Handlung. Sie sind durchaus sympathische Protagonisten mit einer positiven Ausstrahlung, sind hilfsbereit und freigiebig, empathisch, mutig und findig. Man merkt Hieronymus an, dass er früher in besseren Verhältnissen lebte, denn er bewegt sich problemlos in Adelskreisen ohne aufzufallen. Auch Franz ist bei weitem nicht so einfältig, wie er sich auf den ersten Blick gibt. Beide hatten schwere Schicksalsschläge und Bösartigkeit anderer Menschen erfahren, mussten ein neues Leben beginnen. Das hat sie zwar geprägt, doch weder Verbitterung noch Rachegelüste beherrschen ihre optimistische Lebenseinstellung.

Man ist von Beginn an mitten in der Geschichte, als Zeuge von Hieronymus Flucht, als er nicht wissend wie er dort gelandet ist, neben einer Leiche erwacht. Die Spannung lässt bis zum Schluss nicht nach, geraten doch die beiden Freunde bei ihren Nachforschungen immer wieder in prekäre Situationen, aus denen sie sich mit Geschick und Einfallsreichtum immer wieder hinaus lotsen können. Hieronymus und Franz sammeln eine Fülle von Informationen, doch lange Zeit erschließt sich ihnen kein Zusammenhang der drei Morde, kein verbindendes Motiv. Erst als Hieronymus ein winziges Detail auffällt, erkennt er den wahren Täter. Mit List und Risiko gelingt in einem dramatischen Finale die Überführung des Mörders. Letztlich verdankt es die Wiener Polizei ihnen, dass der wahre Täter entlarvt werden kann.

Dieser historische Kriminalroman beinhaltet alles, was ich persönlich bei diesem Genre sehr schätze: nämlich ein mit gut dosierten Details geschildertes Zeitbild, das sehr authentisch und atmosphärisch wirkt, sympathische Protagonisten und last but not least einen interessanten und spannend aufbereiteten Kriminalfall. Ich freue mich schon auf den nächsten Fall! Mit Freuden und Überzeugung empfehle ich dieses Buch und vergebe 5 Punkte.

Bewertung vom 13.02.2025
Kerwien, Bettina

Hochgeboxt


ausgezeichnet

Das zweigeteilte Berlin im Jahr 1984

„Hochgeboxt“ von Bettina Kerwien ist der mittlerweile 38. Band der Serie „Es geschah in Berlin“, wo beginnend im Jahr 1910 anhand von fiktiven Kriminalfällen die Geschichte der Stadt Berlin dokumentiert wird. Als Verfasser der Reihe agieren verschiedenen Autor*innen. Fünf Fälle stammen bislang aus Bettina Kerwiens Feder; nach „Tot im Teufelssee“, „Tiergarten-Blues“ und „Agentenfieber“ war dies mein viertes Buch von ihr.

Kurz zum Inhalt:
Bei einer ausgelassenen Feier im Partykeller des ehemaligen Profiboxers Hans-Jürgen „Kid“ Kilinek wird seine Ehefrau Elfriede erschossen. Kommissar Kappe und sein Team stoßen bei den Ermittlungen nicht nur auf Ungereimtheiten …

Das Cover im typischen Stil dieser Reihe, schwarzer Hintergrund, mit den ins Auge stechenden roten Boxhandschuhen, hat ausgezeichneten Wiedererkennungswert und harmoniert optimal mit dem Titel des Buches. Der Krimi erschien 2024. Die Handlung umfasst einen Zeitraum von rund zwei Wochen, vom 23. Juli bis 4. August 1984; die Kapitel sind datiert, pro Tag ein Kapitel.

Als Österreicherin bin ich mit der Geschichte Berlins zwangsläufig nicht sehr vertraut. Gerade deswegen schätze ich die Zeitreise, auf die die Autorin einen mitnimmt. Für mich fühlen sich ihre Geschichten, so auch diese, stets sehr gut recherchiert und authentisch an. Die Atmosphäre im geteilten Berlin ist ausgezeichnet zu spüren, auch die Einschränkungen, von denen die Menschen im Westteil von Berlin ebenfalls betroffen sind. Das wird durch Peter Kappes verwandtschaftliche Beziehungen zur DDR zusätzlich unterstrichen. Der Schreibstil ist flüssig, der gut dosiert eingesetzte Berliner Dialekt trägt zur Lebendigkeit der Szenerie bei.

Wenn auch die vorliegende Geschichte und die darin vorkommenden Personen an und für sich fiktiv sind, so basiert der Krimi dennoch auf Fakten. Als Basis diente der sogenannte Bubi-Scholz-Mord. Scholz erschoss am 22. Juli 1984 im Vollrausch seine Frau Helga. Da ihm kein Tötungsvorsatz nachgewiesen werden konnte, wurde er letztlich wegen fahrlässiger Tötung zu drei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.

Dadurch dass das Buch im Präsens geschrieben ist, fühlt man sich mitten im Geschehen, mitten in den Ermittlungen. Peter Kappe und sein Team sind voll gefordert. Was auf den ersten Blick einwandfrei nach Mord aussieht, mit einem eindeutigen Täter, entpuppt sich nach und nach als nebulös. Es steckt mehr dahinter. Im Prominentenmilieu nachzuforschen, erweist sich als mühsam. Dennoch, Kappe, Rosi und Landsberger kommen nicht nur immer mehr Geheimnissen auf die Spur, es tun sich regelrechte Abgründe auf. Die Spannung steigt kontinuierlich. Puzzlesteinchen für Puzzlesteinchen verdichten sich die Informationen bis in einem dramatischen Showdown sich alles klärt, sich alles findet – überraschend und packend.

Zwischengeschaltet ist ein zweiter Handlungsstrang über einen jungen Burschen in der DDR, der verhaftet wird, weil er eingeschmuggelte, verbotene westliche Bücher liest. Man gewinnt einen guten, wenn auch beklemmenden Eindruck, welchen Restriktionen die Menschen damals ausgesetzt waren.

Die Charaktere, sowohl des Ermittlerteams als auch der Verdächtigen, fand ich gut vorstellbar beschrieben. Gut dosiert eingeflochten ist das Privatleben von Kappe und seinem Team: die sich immer mehr festigende Beziehung zwischen Kappe und Rosi, ebenso wie die zwar legale, aber nach wie vor vielfach nicht akzeptierte Homosexualität Landsbergers. Besonders gefiel mir Kappes „Familienzuwachs“, der Schäferhund Rocky.

Seit Generationen sind Mitglieder der Familie Kappe (sowohl im Westen als auch im Osten) im Polizeiapparat tätig. Es ist sicher interessant, diese Entwicklung ab 1910 zu verfolgen. Doch auch wenn man irgendwann quer einsteigt, kommt man problemlos in den jeweiligen Fall hinein. Was den roten Faden anbelangt, gibt es, soweit erforderlich, entsprechende Erklärungen oder Hinweise.

Wiederum hat ein Band dieser Krimireihe mich sehr lebendig und anschaulich in eine Zeitspanne der Stadt Berlin entführt, und Erinnerungen an einen spektakulären Kriminalfall geweckt, den ich seinerzeit nur am Rande wahrgenommen habe. Das Buch war informativ, spannend und unterhaltsam. Gerne empfehle ich es weiter. Ich finde, diese Reihe ist wirklich lesenswert.

Bewertung vom 13.02.2025
Manz, Eric

Tödlicher Steinschlag


sehr gut

Major Höfers 3. Fall

„Tödlicher Steinschlag“ von Eric Manz ist der dritte Band der Regionalkrimireihe mit dem Ermittler-Duo Major Höfer und Abteilungsinspektor Kerbl.

Kurz zum Inhalt:
Bei einem Spaziergang findet Major Höfer einen am Kletterfelsen hängenden verletzten Mann. Er wurde von einem herabfallenden Stein getroffen. Unfall oder Mordanschlag? Höfer vermutet letzteres, da er meint, hoch oben ein Gesicht gesehen zu haben. Inspektor Kerbl ist allerdings erst bereit zu ermitteln, als auf den Kletterer im Krankenhaus ein weiterer Anschlag verübt wird.

Diese Krimireihe spielt in Mödling. Dazu passt der am Cover abgebildete Schwarze Turm, er ist ein markantes Mödlinger Ausflugsziel. Das Buch erschien 2024. Die Kapitel sind kurz gehalten, ohne Orts- oder Zeitangaben. Die Handlung spielt in der Gegenwart. Der Schreibstil ist flüssig, sprachlich typisch österreichisch gefärbt, mit amüsanten Dialogen, die die Handlung auflockern. Beschauliche Landschaftsbeschreibungen ergänzen die Krimihandlung. Der Fall ist in sich abgeschlossen, Kenntnis der Vorgängerbände ist nicht erforderlich.

Obwohl Major Höfer sofort einen Mordanschlag wittert, sieht es für die Polizei anfangs lediglich nach einem Unfall eines leichtsinnigen Kletterers aus. Nach einer weiteren Attacke auf den Verletzten schaltet sich auch Inspektor Kerbl in die Ermittlungen ein. Der Kreis der Verdächtigen ist zwar überschaubar, doch bei allen fehlt auf den ersten Blick das Mordmotiv. Die Ermittler kommen nur mühsam voran, es gibt keine wirklich hilfreichen Hinweise. Erst als bei einem weiteren Mord dem Täter ein maßgeblicher Fehler unterläuft, erkennen Höfer und Kerbl, wer hinter den Anschlägen steckt, doch es fehlt nach wie vor an stichhaltigen Beweisen. So beschließen sie ein riskantes Manöver: sie stellen dem Täter eine Falle. Es kommt zu einem dramatisches Finale, im Zuge dessen der Täter überwältigt und schließlich festgenommen werden kann.

Primär agieren sympathische Menschen in diesem Krimi, die Nebenfiguren sind ebenso wie die Hauptakteure gut vorstellbar beschrieben. Die lockeren Dialoge sind unterhaltsam, Major Höfers Privatleben ist geschickt mit der Handlung verwoben und gut dosiert. Die beiden Ermittler ergänzen einander recht gut, Abt.Insp. Kerbl ist der ruhigere Typ, geduldig und höflich, während Major Höfer engagierter wirkt, aber auch cholerisch und unduldsam ist. Die beiden liebenswerten Krimidamen bilden ein gutes Pendant zu Kerbl und Höfer.

„Tödlicher Steinschlag“ ist ein ruhiger, unterhaltsam-spannender Krimi, in solider Whodunit-Krimi, den man locker in wenigen Stunden auslesen kann. Gerne empfehle ich das Buch weiter.

Bewertung vom 11.02.2025
Ægisdóttir, Eva Björg

Verlassen / Mörderisches Island Bd.4


ausgezeichnet

Die Menschen sind nicht immer, was sie scheinen, aber selten etwas Besseres (G.E. Lessing)

„Verlassen“ von Eva Björg Ægisdóttir ist der vierte Band dieser Reihe, ein spannender Kriminalroman mit packender isländischer Atmosphäre.

Kurz zum Inhalt:
In einem einsam gelegenen Hotel im Westen Islands versammelt sich die schwerreiche Familie Snaeberg zu einer Geburtstagsfeier. Was auf den ersten Blick nach fröhlichem Beisammensein aussieht, offenbart bei näherem Hinsehen wenig Herzlichkeit und eine Menge Aversionen. Hinter der Fassade brodeln allerlei Heimlichkeiten. Und dann wird plötzlich ein Gast vermisst …

Das Cover mit der in Schwarz-Weiß gehaltenen isländischen Landschaftsdarstellung unterstreicht das mystische Flair dieser Insel mit der einmaligen Lavalandschaft. Stilistisch ist es den Vorgängerbänden angepasst, wodurch sich ein eindeutiger Wiedererkennungswert ergibt. Bei „Verlassen“ handelt es sich um einen Folgeband einer Reihe. Ich hatte als Quereinsteiger nicht das Gefühl, dass mir Vorkenntnisse gefehlt hätten. Es handelt sich um einen eigenständigen Fall.

Die Originalausgabe kam 2021 unter dem Titel „þú sérð mig ekki“ (Du siehst mich nicht) heraus und wurde von Freyja Melsted übersetzt. Die deutsche Fassung erschien 2025 im Verlag Kiepenheuer & Wisch. Die Kapitel sind datiert, wodurch man sich gut chronologisch orientieren kann. Die untergeordneten Abschnitte sind mit Namen übertitelt. Der Schreibstil ist flüssig und gut beschreibend. Als Island-Fan begeisterten mich die Landschaftsbeschreibungen. Die tiefe Dunkelheit, der unwirtliche Schneesturm, die schroffen Klippen und die klirrende Kälte verdeutlichen die unwirtliche Natur Islands, insbesondere im Winter. Geschichten über Elfen und Trolle unterstreichen das Mystische. Eigene Reiseerinnerungen belebten mein Kopfkino – ich besichtigte u.a. die Holzkirche von Búðir und den Strand Djúpalónssandur.

Die Handlung spielt Anfang November 2017, umfasst die Geschehnisse eines Wochenendes. Im Hinblick auf den umfangreichen Personenkreis erweist sich der am Beginn des Buches befindliche Stammbaum der Großfamilie als sehr hilfreich.

Der Handlung ist raffiniert aufgebaut. Obwohl bereits nach wenigen Seiten feststeht, dass eine Leiche am Fuß der Klippen liegt, weiß man bis zuletzt nicht, wer das Opfer ist, bzw. ob es ein Unfall oder Mord war. Insbesondere die Perspektivenwechsel gestalten die Handlung so spannend. Die Protagonisten geraten immer wieder in prekäre Situationen, es gibt unheimliche Szenen. Oft enden die Abschnitte noch dazu mit einem Cliffhanger, wodurch man das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen will. Es ist ein stetiges Hin und Her zwischen dem Jetzt – den eher kurz gehaltenen Ermittlungen der Polizei – und den Ereignissen davor, die abwechselnd aus Sicht von vier Personen geschildert werden. Auch der Erzählstil unterscheidet sich. Während die Abschnitte mit den Kriminalkommissaren in der Mitvergangenheit verfasst sind, sind die der Protagonisten im Präsens und in Ich-Form gehalten. Im Mittelpunkt stehen Petra und ihre Tochter Lea, Tryggvi, der Lebensabschnittspartner von Petras Tante, und Irma, eine Hotelangestellte. Die Vier beobachten nicht nur die anderen während des Treffens oder agieren mit verschiedenen Familienmitgliedern, sondern ihre Gedanken schweifen auch in die Vergangenheit, u.a. werden Kindheitserinnerungen geweckt. Von Beginn an spürt man, dass diese Schlüsselpersonen irgendein Geheimnis mit sich herumtragen, sei es ein traumatisches Erlebnis oder Schuldgefühle, auf jeden Fall etwas, das sie belastet, das niemand wissen darf, auch nahe Verwandte nicht. Je mehr man hinter die Fassade dieser Menschen blickt, desto offenbarer wird es, das dies keine herzliche, emphatische Familie ist. Sie wirken kaum sympathisch, sondern ichbezogen, oberflächlich, überheblich; sie kümmern sich nicht umeinander. Nach außen wahren sie den Schein der Reichen und Schönen. Im Grunde sind sie alle seelisch vereinsamt, im tiefsten Inneren eigentlich unglücklich. Sie ertränken ihre Probleme in Alkohol, auch Drogen sind im Spiel. Die Charaktere sind sehr gut vorstellbar gezeichnet.

Das Buch ist vom Anfang bis zum Ende fesselnd geschrieben. Die Autorin führt die Leserschaft geschickt in die Irre. Man vermutet mal dieses, mal jenes Familienmitglied als Opfer, sieht verschiedene Personen als Täter. Immer wieder überrascht eine unerwartete Wendung, bis letztlich nach einem dramatischen Finale alle Fäden zueinander finden, sich alles klärt.

Mir hat „Verlassen“ sehr spannende Lesestunden bereitet und Lust auf weitere Bände dieser Autorin gemacht. Eine Leseempfehlung mit 5 Sternen.

Bewertung vom 04.02.2025
Gun, Ben B.

Kom.Ba. / Kommissar Bambus


ausgezeichnet

Es ist der Mut, weiterzumachen, der zählt

Mit „KOM.BA. Kommissar Bambus – Band 1 Phönix“ hat Ben B. Gun ein neues Genre geschaffen, den Poetry Crime, den poetischen Krimi. Der Autor kombiniert das Lösen von Kriminalfällen, also Spannung, einerseits mit Lyrik, mit tiefgründigen Gedichten, andererseits mit sehr stimmungsvollen und menschlich einfühlsamen Szenen. Es handelt sich um den vielversprechenden Debutroman des Autors und stellt den Auftakt einer Trilogie dar.

Kurz zum Inhalt:
Im Mittelpunkt steht Hauptkommissar Gabriel Landgraf, der bei einem Einsatz nicht nur körperlich schwer verletzt, sondern vor allem traumatisiert wird. Im Zuge der Therapie erkennt er, dass er sein Leben ändern muss. Der Neuanfang erweist sich als schwierig, doch er kämpft sich durch und verwandelt sich – wie Phönix aus der Asche – in einen neuen Menschen.

Das in pastellartigen Farben gehaltene Cover wirkt fast etwas zu lieblich für einen Kriminalroman, doch es passt zum Schreibstil des Autors und verstärkt das Kopfkino den Schauplatz betreffend, wo Gabriel letztlich sein Glück findet, in der kleine Villa an der Donau. Zum Titel „Kom.Ba“ bzw. „Kommissar Bambus“ möchte ich lediglich verraten, dass Freunde Gabriel diesen Spitznamen gaben.

Das Buch erschien 2024. Die Handlung spielt im Jahr 2015, kurz in Hamburg, aber großteils in Deggendorf, Bayern. Die Kapitel haben eine angenehme Länge, sind übertitelt, jedoch weder mit Zeit- noch Ortsangaben versehen. Zu jedem Kapitel gibt es am Anfang ein Gedicht, das wunderbar auf die kommenden Ereignisse einstimmt. Der Prosa-Erzählstil ist flüssig, es gibt wunderbare Landschaftsbeschreibungen und stimmungsvolle Szenarien, die animieren, diese Gegenden zu bereisen. Andererseits gibt es auch sachliche Passagen, die Wissenswertes vermitteln, gut recherchiert wirken, die zwar den Rahmen eines Kriminalromans zu sprengen scheinen, aber sich doch harmonisch in die Handlung einfügen. Auch wenn es ruhigere Passagen in diesem Roman gibt, so fehlt es dennoch nicht an Spannung und Action. Primär wird die Geschichte aus Gabriels Sichtweise erzählt, doch vereinzelte Perspektivenwechsel offenbaren Aktionen oder Gedanken von Menschen aus Gabriels Umkreis oder von Tätern.

Durch den hochdramatischen Beginn wurde ich nicht nur sofort in die Handlung hinein gesogen, sondern Gabriels körperliche und vor allem seelische Verletzungen gingen mir nahe. Voll Sympathie und Mitgefühl durchlebte ich mit ihm eine Achterbahn der Gefühle, litt mit ihm in seiner traumatisierten und depressiven Phase, freute mich mit ihm als es ihm gelang, sich aus dem Tief herauszukämpfen, teilte seine Zuversicht beim Neubeginn, um dann wie er zwischen Glücksmomenten und Frustration hin- und hergerissen zu werden.

Das Buch begeisterte mich durch seine Vielschichtigkeit, durch die so andere Herangehensweise. Im Unterschied zu herkömmlichen Krimis steht hier der Mensch im Mittelpunkt, der Ermittler als Mensch. Als Mensch, der zwar Kriminalfälle zu lösen hat, wo aber diesmal das Privatleben nicht nur am Rande gestreift wird, sondern wo der Schwerpunkt des Romans darin liegt zu zeigen, wie es einem Kommissar als Mensch geht. Wenn er Schlimmes in seinem Beruf erfährt, wenn es durch die Anforderungen seines Berufes zu Beziehungsproblemen kommt, wenn es zwischenmenschlich mit Kollegen nicht stimmt, wenn er sich trotz dringender Arbeit um kranke Verwandte kümmern möchte, wie wichtig es für ihn ist, Freunde zu finden und zu haben.

Was die Personen anbelangt, so steht Gabriels charakterliche Entwicklung eindeutig im Mittelpunkt. Aber die Charaktere sind generell lebendig, vorwiegend liebenswürdig und gut vorstellbar gezeichnet. Ich habe etliche Personen aus Gabriels Umfeld regelrecht ins Herz geschlossen. Nicht nur Gabriel zeigt Stärken und Schwächen sowie Emotionen. Aber natürlich kristallisieren sich vor allem die vielen Facetten von Gabriels Wesen heraus. Gabriel ist ein Kämpfertyp. Er gibt nie auf. Sein Durchhaltevermögen zeigt sich nicht nur in der Therapie, sondern auch, als er in Deggendorf an seiner neuen Dienststelle auf Ablehnung stößt, geschnitten wird. Seiner Beharrlichkeit verdankt er letztlich auch seine Ermittlungserfolge bei den alten, drei Jahre zurückliegenden Fällen, aber auch seinen unkonventionellen Methoden. Er ist primär ein freundlicher, hilfsbereiter Mensch mit einer positiven Lebenseinstellung, mutig und zupackend, der vorurteilsfrei und verständnisvoll seinen Mitmenschen begegnet, was sich u.a. im Umgang mit den jungen Asylanten zeigt.

Dieses Buch ist ein Kriminalroman, der einen ganz besonderen Eindruck hinterlässt, einerseits einen bewegten Lebensabschnitt eines Kriminalkommissars zeigt, reich an Problemen, andererseits durch die verschiedenen Themen, die dessen Leben streifen, zum Nachdenken anregt, auch informativ ist. Mir hat dieser ungewöhnliche Krimi ausgesprochen gut gefallen und Lust auf die Fortsetzung gemacht.

Eine unbedingte Leseempfehlung mit 5 Sternen!

Bewertung vom 31.01.2025
Pfolz, Karina; Holzmair, Eva; Hlavin, Silvia; Durrani, Katharina; Appelshäuser, Gerhard; Fenz, Wolfgang; Ferchländer, Beate; Grausgruber, Gabriele; Fröhlich, Leopold; Gungl, Petra K.

MordsZeit 3


ausgezeichnet

Gelungene und fehlgeschlagene Morde

„MordsZeit“ beinhaltet auf rund 100 Seiten 22 abgeschlossene mörderische Geschichten für zwischendurch, verfasst von folgenden österreichischen KrimiautorInnen (in alphabetischer Reihenfolge): Gerhard Appelshäuser, Katharina Durani, Wolfgang Fenz, Beate Ferchländer, Leopold Fröhlich, Gabriele Grausgruber, Petra K. Gungl alias Petra Liebkind, Silvia Hlavin, Eva Holzmair, Alexander Kautz, Eric Manz, Ulrike Moshammer, Karina Pfolz, Franz Preitler, Ernst Schmid, Jenna Theiss, Gert Weihsmann, Gudrun Wieser, Lotte R. Wöss und Bastian Zach. Es ist dies bereits der dritte Band dieser Reihe.

Das Büchlein erschien 2024. Es verfügt über eine Inhaltsangabe am Anfang und ausführliche Informationen zu den Autor*innen samt Foto am Ende. Zudem ist es optisch sehr ansprechend gestaltet mit wunderschönen Illustrationen von Karina Pfolz. Interessant ist, wie diese Reihe entstand. Der erste Band erschien 2022, basierend auf den für die BuchWien verfassten „FünfMinutenKrimis“. Seither erscheint jedes Jahr ein Büchlein, das nicht nur die Leserschaft unterhält, sondern mit dem auch Gutes getan wird. Denn der Erlös aus diesem Werk geht an die Kinderkrebshilfe.

Zwanzig verschiedene Autor*innen bieten abwechslungsreiche Mordideen und –motive, natürlich auch ganz unterschiedliche Szenarien. Manche sinnen auf Rache, andere wollen sich einfach nur bereichern oder einen lästig gewordenen oder bösartigen Mitmenschen loswerden. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Die Opfer werden vergiftet, erschlagen, betrogen, es werden Alibis gefälscht, Unfälle herbeigeführt oder Selbstmorde inszeniert. Oft denkt man zu wissen, worauf die Story hinausläuft, doch dann endet es ganz anders. Und nicht immer bedauert man das Opfer. Es gibt durchaus Fälle, wo man sich sehr gut in die Täter*innen hineinversetzen kann, dann freut man sich, wenn quasi ein perfektes Verbrechen gelingt. Nachdem Schadenfreude die schönste Freude ist, amüsierten mich immer jene Geschichten am meisten, wo sich das Blatt gegen den Täter wendet, die Tat nicht wie geplant gelingt, ihn entweder die verdiente Strafe ereilt oder der Täter zum Opfer wird. Somit ist für jeden Geschmack etwas darunter. Auch ich hatte einige Favoriten.

In diesem Sinne empfehle ich dieses Büchlein gerne weiter – es ist ideal für unterwegs oder z.B. für Wartezeiten beim Arzt.

Bewertung vom 25.01.2025
Ruhrhofer, Norbert

Bad Vöslau in Flammen


ausgezeichnet

Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, …

„Bad Vöslau in Flammen“ von Norbert Ruhrhofer ist ein ebenso unterhaltsamer wie spannender Regionalkrimi.

Worum geht es?
Der Abendspaziergang des Ehepaars Pokorny endet abrupt, als direkt vor ihnen ein leer stehendes Hotel lichterloh zu brennen beginnt. Ein Mann flieht, ein zweiter wir tot aufgefunden. Offensichtlich Brandstiftung. Wer steckt dahinter? Der Hoteleigentümer? Willi und Toni können es nicht lassen, sie beginnen zu ermitteln …

Das Cover mit dem blutroten Himmel und dem Jubiläumskreuz bei der Vöslauerhütte im Vordergrund ist ein Eyecatcher und harmoniert ausgezeichnet mit dem Buchtitel. Das 2024 erschienene Buch ist bereits der vierte Band dieser Reihe. Die Kapitel haben eine angenehme Länge, sie sind mit Zeitangaben versehen, was ich stets sehr schätze, weil man chronologisch besser durchblickt. Die Handlung spielt in der Gegenwart vorwiegend in Bad Vöslau, mit Abstechern nach Graz und München, und umfasst einen Zeitraum von 13 Tagen. Der Schreibstil ist flüssig, sprachlich sehr authentisch durch typisch österreichische Ausdrücke. Das jeweilige Lokalkolorit ist anschaulich beschrieben, macht Lust auf Erkundigungstouren. Orts- und Perspektivenwechsel gestalten die Handlung abwechslungsreich, immer wieder eingesetzte Cliffhanger steigern die Spannungsmomente. Das Privatleben ist gut dosiert mit Fallrelevantem verwoben.

Für mich war es das zweite Buch der Reihe. Auch wenn man die Serie nicht kontinuierlich liest, überblickt man den relevanten Personenkreis problemlos. Noch dazu verfügt das Buch über eine mit Anmerkungen versehene Personenliste. Soweit erforderlich, sind in die Handlung immer wieder Hinweise auf Geschehnisse in den Vorgängerbänden vorhanden. Die Kriminalfälle sind jeweils in sich abgeschlossen. Am besten ist es natürlich, die Bände in richtiger Reihenfolge zu lesen – des roten Fadens wegen.

Was den Handlungsablauf anbelangt, so beginnt es, abgesehen vom Miterleben des Hotelbrandes eher heiter mit Situationskomik bzw. beschaulich mit privatem Geplänkel. Doch je mehr sich das Ehepaar in die Ermittlungen vertieft, desto interessanter und abwechslungsreicher wird es. Denn sie verfolgen die Hauptverdächtigen nicht nur bis nach Graz, sondern sogar bis nach München. Stets zum Missfallen der Chefinspektorin der Polizeiinspektion von Bad Vöslau. Alibinachweisen und DNA Checks belegen den ersten Verdacht nicht, dann wird auch noch eine Nachbarin ermordet. Es wird immer verwickelter, das Ehepaar Pokorny lässt nicht locker. Durch ihre nachdrücklichen Befragungen und aufmerksamen Beobachtungen liefern sie der Polizei immer wieder wertvolle Hinweise. Aber sie kommen dem Täter auch gefährlich nahe. Im dramatischen Finale löst sich der Fall in überraschender Art und Weise.

Normalerweise agieren in einem Cosy-Krimi primär sympathische, freundliche Menschen. Das trifft natürlich auch hier wieder auf die Hauptakteure zu, doch das Umfeld, in dem die Pokornys diesmal recherchieren, besteht diesmal aus einer Gruppe boshafter, streitsüchtiger und missgünstiger Nachbarn, allesamt sehr lebendig beschrieben. Toni und Willy Pokorny sind ein liebenswürdiges Paar, harmonieren trotz gewisser charakterlicher Unterschiede und Lebenseinstellungen. Das Ehepaar Pokorny ist im Ort gut vernetzt, geschickt im Ausfragen der Leute und die beiden sind exzellente Beobachter. Im Plauderton erfahren sie so mancherlei, was die Menschen Polizeibeamten nicht erzählen. Eine ihrer Informationsquellen ist die schrullige Frau Katzinger, deren familiäre Angelegenheiten sogar in die Ermittlungen hineinspielen.

„Bad Vöslau in Flammen“ hat mir nicht nur spannende Lesestunden beschert, sondern mich auch gut unterhalten. So manche Szene voller Situationskomik hat mich zum Schmunzeln gebracht. Ich empfehle nicht nur diesen Band, sondern die gesamte Reihe gerne weiter.

Bewertung vom 25.01.2025
Zellner, Ingrid

Viel Tod um nichts


ausgezeichnet

Mordsg’schiss wega nix

„Viel Tod um nichts“ von Ingrid Zellner ist ein Krimi mit Theaterflair, spannend, überraschend; es ist der vierte Band der Reihe mit dem sehr sympathischen Ermittler mit indischen Wurzeln, mit Surendra Sinha.

Kurz zum Inhalt:
Bei der Premiere einer Laien-Theatervorstellung auf einer Freilichtbühne verunglückt einer der Hauptdarsteller tödlich. Als man im darauffolgenden Jahr mit den Proben desselben Stücks beginnen will, gibt es eine anonyme Warnung, auch dem diesjährigen Darsteller von Don Pedro könnte etwas zustoßen. Die Kripo schleust den kürzlich aus dem Beruf ausgeschiedenen Kommissar Surendra Sinha Undercover ins Theaterensemble ein. Er übernimmt die Rolle des Don Pedro. Wird es ihm gelingen, den Täter vor der Premiere zu entlarven?

Das Cover vermittelt eine Ahnung des Schauplatzes, der Freilichtbühne; der Blick durch das Herz gibt dem Foto einerseits einen ländlichen Touch, andererseits assoziiert man damit, dass auch Liebe im Spiel ist. Das Buch erschien 2024. Die Handlung spielt in der Gegenwart und umfasst ungefähr einen Ermittlungs-Zeitraum von einem Dreivierteljahr. Die Kapitel in angenehmer Länge, verfügen weder über Zeit- noch Ortsangaben. Der Schreibstil ist flüssig und bildhaft. Das Lokalkolorit ist gut eingefangen, sowohl landschaftlich als auch sprachlich durch vereinzelte Worte und Sätze im schwäbischen Dialekt, was zum Schmunzeln anregt. Auch das Bühnenleben ist sehr stimmig eingefangen. Man merkt, dass die Autorin selbst in einer solchen Truppe engagiert ist. Es fließen auch immer wieder Zitate aus der Shakespeare-Komödie in alltägliche Dialoge hinein. Im Hinblick auf die zahlreichen Mitwirkenden im Theaterstück empfand ich die im Anhang befindliche Liste der Darsteller als sehr hilfreich, ebenso die kurze Inhaltsangabe von „Viel Lärm um nichts“. Dass dies bereits der vierte Band der Reihe ist, war für mich als Quereinsteigerin kein Problem. Soweit erforderlich gibt es Hinweise auf die Vorgeschichte des Kommissars.

Die Handlung wird primär aus Sicht des Ermittlers geschildert, sodass man sich wie ein stiller Zuhörer mit eingebunden fühlt. Surendra Sinha verwickelt die Mitglieder der Schauspieltruppe geschickt in Gespräche und holt im Plauderton Hintergrundinformationen und subjektive Eindrücke der Beteiligten ein. Er entwickelt zwar etliche Theorien, stellt Überlegungen über mögliche Motive einiger Verdächtiger an, doch irgendwie kristallisiert sich wochenlang nichts Konkretes heraus, auch nicht, als ein weiterer Mord passiert. Das gibt einem als Leser viel Spielraum zum Mitraten. Man tappt jedoch bis zuletzt im Dunkeln, wird immer wieder von unerwarteten Wendungen überrascht, und von so manchen prekären bis gefährlichen Situationen geschockt. Bis letztlich Surendra die richtige Eingebung hat, den wahren Täter erkennt und diesen in einem spektakulären Auftritt stellt. Die Motivation und der Tathergang erweisen sich als schlüssig und nachvollziehbar.

Was die Charaktere anbelangt, so ist das Theaterensemble mit seinen verschiedenartigsten Typen facettenreich gezeichnet, ebenso das polizeiliche Ermittlerteam, die Menschen wirken authentisch, lebendig und zeigen Emotionen. Natürlich steht Surendra Sinha im Mittelpunkt. Er meistert die ungewöhnliche Aufgabe, eine Rolle zu übernehmen, mit Bravour, obwohl er noch nicht als Schauspieler auf der Bühne stand, letztlich auch mit Durchhaltevermögen. So wie ihn die Autorin beschrieben hat, äußerllch und vor allem auch im Wesen, nämlich ruhig und besonnen, verlässlich, ernsthaft, liebenswürdig, bescheiden und zurückhaltend, klug und in sich ruhend, kann ich nur jener Dame aus dem Theaterpublikum beipflichten und zitieren: „D’r neie Don Pedro isch abr an echt’s Sahneschtüggle!“ (S. 235). Mich hat er als Fan gewonnen. Ich bin schon gespannt, wie sein Leben – er hat ja beschlossen, sich in der Schwäbischen Alb niederzulassen – weitergeht, ob als Privatermittler oder wieder als Kriminalkommissar.

„Viel Tod um nichts“ hat mir erbauliche Lesestunden beschert, war spannend und unterhaltsam, abwechslungsreich und vermittelte trotz Mördersuche eine Wohlfühl-Atmosphäre. Mich hat Surendra Sinha (bzw. die Autorin) als Fan gewonnen. Ich freue mich schon auf weitere Fälle und empfehle dieses Buch mit Freuden weiter. 5 Sterne.

Bewertung vom 15.01.2025
Lange, Kerstin

Die Sehnsucht, die bleibt


ausgezeichnet

Saudade – die Sehnsucht nach Portugal

Kerstin Langes Roman „Die Sehnsucht, die bleibt“ basiert auf Erzählungen einer Zeitzeugin, die als Kind nach Ende des Zweiten Weltkriegs durch die Caritas nach Portugal auf Erholung geschickt wurde. Es handelt sich um fiktive Charaktere und eine erfundene Lebensgeschichte.

Kurzer Inhalt:
Reni, ein armes, kränkliches Wiener Mädchen, wird von der Caritas nach Portugal zu einer wohlhabenden Familie vermittelt, die eine Tochter im selben Alter hat. So glücklich sich Reni dort fühlt, sie muss schließlich wieder zurück nach Wien, wo ihr bewegtes Leben seinen Lauf nimmt, mit Zeiten von Wut, Sorge und Trauer, ebenso wie der Freude, Zufriedenheit und des Glücks - stets auch mit einem Gefühl von Sehnsucht.

Das Cover ist ansprechend, wenn auch schlicht und einfach gehalten. Mit den Orangenbäumen und dem Mädchen mit der Reisetasche passt es wunderbar zur Thematik. Das Buch erschien 2024 und gliedert sich in angenehm kurze Kapitel, die jeweils mit Orts- und Zeitangaben versehen sind, was ich stets besonders schätze. Die Handlung umfasst (abgesehen vom Prolog aus 1948) den Zeitraum von 1953 bis 1983. Der Schreibstil ist flüssig und bildhaft. Sowohl das jeweilige Milieu als auch Stimmungen, Zeitgeist und historische Ereignisse sind gut vorstellbar beschrieben. Man erfährt so einiges über Portugals politische und gesellschaftliche Situation nach dem Krieg bis in die späten 70er Jahre.

Im Mittelpunkt der Handlung steht Verena Jelinek, genannt Reni. Sie lebt in Wien in ärmlichen Verhältnissen, versorgt von ihrer Großmutter, die ihr als einzige Zuneigung entgegenbringt. Die Mutter ist krank, die wesentlich älteren Brüder verhalten sich lieblos ihr gegenüber. Für Reni ändert sich das Leben schlagartig, als sie mit zehn Jahren aus gesundheitlichen Gründen nach Lissabon kommt. Nicht nur, dass sie bei der reichen Familie Figueiro ausreichend zu essen bekommt und neu eingekleidet wird, sie wird wie ein eigenes Kind in die Familie integriert, voller Liebe und Herzlichkeit. Vor allem mit der gleichaltrigen Marissa fühlt sie sich sehr verbunden, sie verstehen einander wie Schwestern. Doch das Glück währt nicht ewig. Reni muss nach Wien zurück, die Großmutter ist verstorben, die kränkliche Mutter benötigt Pflege. Reni, noch nicht großjährig, muss sich dem Zwang beugen. Schließlich findet sie Arbeit, verliebt sich, heiratet. Doch auch über dieses Glück werfen sich Schatten. Sowohl in glücklichen wie auch in düsteren Zeiten verspürt sie stets Sehnsucht nach Portugal. All die Jahre steht sie brieflich mit Marissa in Kontakt, hoffend, sie irgendwann einmal wiederzusehen. Renis Geschichte berührt. Dieser Wechsel von Höhen und Tiefen. Man leidet und freut sich mit ihr. Und manchmal ist man richtig wütend auf die Menschen in ihrem Umfeld, die sie ausnützen und unterdrücken. Ihr Schicksal ist von vielen Zwängen beherrscht, vieles ist dem Zeitgeist geschuldet, der sozialen Stellung, dem damaligen Frauenbild. Erst mit den Jahren gewinnt Reni an Selbstvertrauen, findet ihren Platz im Leben, Zufriedenheit und Glück.

Was die Charaktere anbelangt, lernt man natürlich in erster Linie sämtliche Facetten von Renis Wesenszügen kennen. Ihre Gedanken, wie sie ihre Umwelt wahrnimmt, ihre Wünsche, Ängste, Enttäuschungen, ihre Sehnsucht, Liebe für andere. Sie verfügt über Stärken und Schwächen. Sie ist anpassungsfähig, erträgt jahrelang Dinge, die sie nicht ändern kann, bis sie aus dem Gleichmut erwacht und sich durchsetzt. Auch die Menschen rund um sie sind gut vorstellbar gezeichnet, geprägt vom jeweiligen Milieu und Umfeld, sie wirken lebendig und authentisch, wenn auch nicht unbedingt jeder sympathisch.

Nach „Eine Ahnung von Glück“ war dies mein zweites Buch dieser Autorin. Es hat mich wieder genauso begeistert. Für diese bewegende Geschichte gibt es von mir eine unbedingte Leseempfehlung und 5 Sterne.

Bewertung vom 11.01.2025
Wilson, Anna

Paddington in Peru - Das Buch zum Film


ausgezeichnet

Paddington zurück im Dschungel

„Paddington in Peru“ von Anna Wilson ist das Buch zum demnächst in die Kinos kommenden Film. Es ist ein Kinderbuch.

Worum geht es?
Paddington reist mit der Familie Brown nach Peru, um seine Tante Lucy zu besuchen. Doch als sie dort ankommen, ist Lucy verschwunden. Paddington und die Browns begeben sich auf eine abenteuerliche und gefährliche Suchaktion.

Das Cover hatte mich sofort angesprochen. Paddington treibt auf einem reißenden Fluss. Wirkt schon mal abenteuerlich und spannend. Ich bin ein langjähriger Fan dieses putzigen Bären, in Plüsch sitzt er bei uns im Regal. Somit war es klar, dass ich dieses Buch lesen musste.

Das Buch erschien 2025. Der Originaltitel lautet: Paddington in Peru: The Story oft he Movie. Ins Deutsche übersetzt wurde es von Heide Lutosch. Das Buch gliedert sich in 23 mit Titeln versehene kurze Kapitel. Der Kapitelbeginn ist zusätzlich mit einer zum jeweiligen Text passenden Zeichnung geschmückt. Die Schriftgröße ist kindergerecht, auch die Sprache. In der Mitte des Buches befinden sich einige Fotos von Filmszenen. Mir persönlich hätte es besser gefallen, wenn das Buch nicht nur mehr Fotos beinhalten würde, sondern diese mit dem Text verbunden wären, also zu jedem Kapitel auch ein besonders eindrucksvolles Foto.

Was die Handlung anbelangt, so ist sie abwechslungsreich, überrascht immer wieder durch unerwartete Wendungen. Sie verfügt sowohl über amüsante Szenen, Situationskomik, als auch über etliche Spannungsmomente, auch ein bisschen Gruseliges, Geheimnisvolles und Action. Ich schmunzelte und lachte über den süßen Bären und seine Hoppalas, ebenso wie ich in bedrohlichen Situationen mit ihm bangte. Nichts kann ihn aufhalten, um seine geliebte Tante Lucy zu finden. Familie bedeutet ihm viel. Vor allem seine Worte am Ende sind so berührend, Paddingtons Bekenntnis zur Familie. Ende gut, alles gut. Die Lektüre macht richtig Lust auf den Film, auch für mich als Erwachsene.

Die Charaktere sind gut vorstellbar gezeichnet, sowohl die Mitglieder der Familie Brown, als auch die Nonnen und Hunter mit Tochter Lisa, wobei sich so manche Figur im Laufe der Story ganz anders entwickelt als man voraussieht. Der Star ist natürlich Paddington, seine liebenswerte Art, seine Tollpatschigkeit einerseits, andererseits sein Einfallsreichtum, um aus verfahrenen Situationen wieder heil heraus zu kommen.

Es hat einfach riesigen Spaß gemacht, dieses Buch zu lesen. Den Film möchte ich unbedingt auch sehen.