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marcialoup

Bewertungen

Insgesamt 161 Bewertungen
Bewertung vom 20.12.2024
Engler, Michael

Meck und Schneck. Meck ist weg!


ausgezeichnet

Ausdrucksstarke Schnecke mit bezauberndem Blick

Super süße Illustrationen gehen mit einer liebevoll erzählten Geschichte einher, die sich prima vorlesen läßt. Nicht zu viel und nicht zu wenig Text, passend zu den Bildern, in denen man mit Schneck suchen kann, wo Meck steckt. Am Ende löst sich alles passend auf: Schneck war bei ihrer Suche auf der richtigen Fährte und an den richtigen Orten, nur scheinbar immer eine kleine Spur zu langsam. Dabei entstehen unterschiedliche Gefühle in Schneck, die mittels Schneck’s intensiven Augen-Blicken ausdrucksstark dargestellt sind. Und dann ist plötzlich Schneck weg…

An dem Cover kann man nicht vorbei gehen, wenn man Schneck einmal in die Augen geschaut hat... Das Buch hat ein handliches Format zu einem fairen Preis. Die Bilder sind einfach gehalten, vermitteln aber sehr viel und sind altersgerecht absolut zutreffend und leicht zu verstehen.

Bewertung vom 20.12.2024
Lunde, Maja

Für immer


ausgezeichnet

Außergewöhnliches Szenario einer Ewigkeit

Mit dem ersten Kapitel schon hat Maja Lunde dieses Buch großartig eröffnet und den Leser mit Spannung in die Geschichte hineingefesselt zu Christian und Jenny, die beinahe auf glatter Straße mit dem Auto den Abhang hinuntergestürtzt wären… und im zweiten Kapitel schon zu Tränen gerührt, verspricht dieser Roman intensiv zu werden. Maja Lunde streut Gefühle so gekonnt in die Szenen und haucht ihren Figuren von Beginn an Lebendigkeit ein, dass es ein Leichtes ist, in FÜR IMMER anzukommen.
Auch beeindruckende Sätze schimmern mit bleibenden Buchstaben:
„Es war anstrengend, einen neuen Menschen zu machen“, Worte einer Schwangeren.
„Bauchzwicken... so ist das eben, wenn man einen Körper hat“.
Und dann bleibt plötzlich alles stehen!
Alles, was mit dem körperlichen Wachstum oder Verfall zu tun hat. Menschen haben keine Schmerzen mehr, sie altern nicht mehr, sie werden nicht geboren, sie sterben nicht mehr, sie verspüren keinen Hunger mehr. Um sie herum geht das Leben weiter, Pflanzen und Tiere sind von diesem Stillstand ausgenommen. Die Zeit dreht sich um Montag, Dienstag, Mittwoch usw. weiter, nur der Mensch ist plötzlich in einer Blase gefangen, in der man zwar seinen Alltag weiter leben kann, aber das Leben an sich keine Veränderung mehr erfährt.

Wir verfolgen die Leben von Christian und Jenny mit ihren Kindern, von dem Rentnerpärchen Otto und Margo, die sich plötzlich ohne Gelenkschmerzen beinahe wie neugeboren fühlen, aber die beide sehr unterschiedlich mit der gewonnenen „Freiheit“ umgehen – von den zukünftigen Eltern Jakob und Lisa, deren Baby in Lisa’s Bauch aufhört zu wachsen, obwohl die Tage vergehen, eben weil durch den Stillstand das Wachstum aufgehört hat. Bleibt sie nun Dauerschwanger?
Wir bekommen Einblicke in Ellen’s Leben, die in einem Beerdigungsinstitut arbeitet und nun niemanden mehr zu beerdigen hat, ihre Freunde bei denen ein Unfall passiert, der im Normalfall zum Tode geführt hätte.
Plötzlich ist alles zeitlos ohne Veränderungen in einem Selbst.
Es ist spannend zu beobachten, wie die Protagonisten mit dieser Situation umgehen.
Auch hier gibt es Verschwörungstheoretiker wie in jeder Krise. Oder Menschen, die Veränderungen von Außen zuführen. Menschen, die etwas herbeizwingen und versuchen, einzugreifen. Menschen, die resignieren.

Das Thema ist außergewöhnlich und zeigt auf, dass auch in einem nicht alternden Prozess der Mensch nicht zufrieden wäre, einiges aus dem Ruder laufen würde und eine angespannte Hilflosigkeit Stimmunggeber wäre.

Das Cover einer zerpflückten Blume die schwerelos zu schweben scheint passt in ein Stilleben und damit zum Inhalt des Romans, dem ich viele Leser/innen wünsche.

Bewertung vom 26.11.2024
Johnson, Arielle

Flavorama


ausgezeichnet

Geschmacksexplosiv

Ein üppiges Buch entführt uns in die Welt der komplexen Zusammenhänge von Geruch und Geschmack, die wissenschaftlich auseinandergepflückt und logisch und gut verständlich dargestellt werden. Wie werden Verknüpfungen von Geruch und Geschmack in unserem Gehirn erstellt und analysiert?
Salzig, süß, sauer, bitter und umami - man kennt sie, die fünf Geschmacksrichtungen, aber die unzähligen feintonigen Geruchsmomente, die den Geschmack erst richtig geschmackvoll machen sind ganz viel Biochemie des Körpers und der Lebensmittel selbst.
Wir erhalten einen spannenden Einblick in die kulinarische Chemie.
Die Kapitel sind gut aufeinander aufgebaut, informative Illustrationen und abgebildete Moleküle unterstützen die Beschreibungen. Mit leicht vertändlichen Worten stellt die Autorin Arielle Johnson diese "chemischen Reaktionen" dar und wirft neben wissenschaftlich fundierten locker-fluffigen Erklärungen auch raffinierte Rezepte zwischen die Seiten dieses außergewöhnlichen Koch-Buchs.

Wie hole ich z.B. aus einer Möhre, einem Kohl, einer Frucht das beste Aroma heraus und entwickele daraus den intensivsten Geschmack mit all seinen Untertönen?

Auch das Kulinarische kommt nicht zu kurz und führt allein schon beim Lesen zu intensiven Geschmackserlebnissen, denn die Art, wie Arielle manche Eigenschaften beschreibt ist bezaubernd:
... sauer belebt, frisch und direkt
... umami ummantelt es mit leichtgewichtiger Reichhaltigkeit
... ein flüchtiger Kuss verbrannter Bitterkeit

Kochen ist Chemie und wenn die Chemie stimmt, schmeckt's doppelt so gut!

Ein Buch für Hobby- und Sterne-Köche, nicht nur für die molekulare Küche, ein Buch für Liebhaber guten Geschmacks und für mich in erster Linie, weil ich mir eventuell neue Erkenntnisse wegen meiner Duftstoff-Allergie erhoffte...
Ich bin allergisch auf Terpene, was Aromastoffe sind, die zu den Duftstoffen zählen! Terpene sind u.a. in vielen Lebensmitteln enthalten, wie Kräuter, Gewürze, manche Gemüse und Obstsorten und diese kann ich nicht essen, weil allein schon deren Geruch, das terpenhaltige darin, die allergischen Symptome auslöst. Neue Erkenntnisse habe ich nicht erhalten, aber Aha-Erlebnisse, weil das Buch mir quasi bestätigte, ja, so ist es, auch wegen der chemischen Formeln, die die Zusammensetzung der "Inhaltsstoffe" einer z.B. Zitrusfrucht darstellen.

Das Cover ist dagegen leider irgendwie altbacken, die Farben eher krass, vielleicht dadurch ein Hingucker...
Der Titel... ein Wortspiel aus Flavor und Aroma, weil flavor Aroma bedeutet... nett durchdacht!

Bewertung vom 22.11.2024
Peck, Quentin

Minus 22 Grad / Johannsen Bd.1


gut

Tolle Idee, Spannung nicht ausreichend

Man hat so seine eiskalten Erlebnisse mit diesem Buch. Schon der Beginn läßt die Vostellungskraft mit dem Bild des Covers verschmelzen.
Das Cover und der Titel passen hervorragend zueinander und sind ein Hingucker, der sicher viele dazu auffordert, das Buch in die Hand zu nehmen.
Der Klappentext klingt spannend, rätselhaft und außergewöhnlich. So weit so gut.

Laura, eine junge Frau, wird entführt und findet sich in einem mit Plexiglas umschlossenen Raum wieder.
Ariane trifft auf merkwürdige Leute, die sie in ihrer Abgeschiedenheit mehr oder weniger zufällig aufsuchen.
Dann lernt man Laura’s Mutter kennen, als ihr vom Entführer eine Barbie-Puppe mit der Kleidung und der Miniatur-Ausgabe des Personalausweises ihrer Tochter mit Todesdatum zugeschickt wird.
Der Ermittler Lukas wird sich um diesen Fall kümmern.
Als Leser begegnet man jeder neuen Figur in dieser Geschichte erst einmal mit Skepsis… Wer mag das nun sein? In welchem Verhältnis steht er zu der entführten Laura oder gar dem Entführer?
Aufnahmen mehrerer Audiodateien aus vergangenen Zeiten werden zwischen die Kapitel gestreut.

Bis man jedoch endlich ein bißchen Rätsel-Lösen bekommt, wie es im Klappentext beschrieben ist, muß man sich über 100 Seiten vorarbeiten. Laura muß erst einmal auf die Idee kommen, dass es ein Rätsel zu lösen gibt. Der Plexiglaskäfig ist gefüllt mit Regalen voller Bücher. Verbirgt sich dort irgendwo die Lösung?

Das Ende … das hat niemand so erwartet!

Es ist ein Psychothriller. Aber man hätte mehr aus ihm herausholen können. Es fehlt subtile Spannung, die Schreibweise ist nüchtern, auch wenn das Ende überraschend ist.

Bewertung vom 21.11.2024
Kestrel, James

Bis in alle Endlichkeit


weniger gut

Falsch gedacht
Das düstere Cover im Nebel mit roter großer Schrift im Vordergrund hat mich neugierig gemacht und die Story im Klappentext hat viel versprochen.
Doch falsch gedacht!
Leider kam ich nie in diesem Thriller an. Die Geschichte blieb mir fremd aufgrund mehrerer Faktoren:
die Figuren sind mir charakterlich zu wenig ausgebaut und purzelten nach und nach in die Geschichte hinein ohne großen Eindruck zu hinterlassen. Dadurch war es schwierig, einen Faden zu finden, den man als Leser verfolgen konnte und der einen mitziehen würde.
Ich quälte mich durch die Sprache, deren Sätze mir zu sehr aneinandergereiht erscheinen. Manchmal fehlte mir der Zusammenhang und auch die Dialoge wirken wenig lebendig.

Ich legte das Buch immer wieder beiseite, nahm es am nächsten Tag nochmal in die Hand und las ein paar Seiten, habe auch ein paar langatmige Stellen übersprungen, doch wirklich erreicht hat es mich zu keiner Zeit. Schade!

Einzig das Cover ist ein Hingucker...

Bewertung vom 10.11.2024
Reilly, K. J.

Das Verhalten ziemlich normaler Menschen


sehr gut

Beispiellos traurig, ehrlich und humorvoll zugleich

Asher hat seine Mutter verloren. Sie ist bei einem tragischen Autounfall gestorben, als sie ihm neue Fußballschuhe kaufen wollte und ein betrunkener Lastwagenfahrer mit ihrem Auto kollidierte...
Mit Wucht erzählt sich Asher in kindlicher, fast ironischer, krass-ehrlicher Weise, gespickt mit trockenem Humor und ganz viel Gefühl, in die Herzen der Leser/innen. Man begleitet ihn durch die Zeit danach, wie sein Leben sich verändert und wie er versucht, sich selbst wiederzufinden, den Schmerz zu verarbeiten, die eigene Schuld zu verkraften und das Leben wieder anzunehmen.
Dabei trifft er in Therapiegruppen auf neuen Freunde und entwickelt einen Plan, den sie zusammen ausführen wollen. Dabei geschieht ganz viel, innerlich wie äußerlich, mit jedem von ihnen. Die Tragik ihrer Schicksale schwebt über ihnen allen, aber gemeinsam sind sie stärker.
Spannend ist der Moment, in dem Asher klar wird, was wirklich im Moment des Todes seiner Mutter passiert ist!
Der Erzählton ist herzergreifend und tiefgängig und driftet immer wieder ins Komische ab, sodaß manch traurige Träne von Lachfalten umschmeichelt wird.

Ein Roman, der das Leben in der Trauer um geliebte Personen umfasst und auf wunderbare Weise Licht ins Dunkel bringt.

Das Cover ist interessant gestaltet und nach der Lektüre besser zu interpretieren.

Bewertung vom 03.11.2024
Ota, Shiori

Das kleine Café der zweiten Chancen


weniger gut

Liegt es an der Übersetzung?

Die Enttäuschung ist groß, denn der Sprachstil in diesem Roman ist sehr einfach, manchmal unpassend übersetzt … „die Sonne strahlte gewalttätig ins Gesicht“ … und oft mit negativen Worten bestückt, die deplatziert wirken.
Dagegen ist das Cover hinreißend und ansprechend, auch wenn es an andere japanische Romane erinnert, die aktuell immer wieder erscheinen und sich damit in diese Reihe eingliedert.

Sicher ist es nicht einfach, aus dem Japanischen zu übersetzen und vielleicht haben japanische Romane auch im Original einen anderen Klang, der sich ungewohnt präsentiert, das zu verurteilen wäre falsch. Aber die Geschichte hätte ein Wohlfühlroman werden können, wenn meiner Meinung nach die Übersetzung besser wäre.

Da ich selbst auch ein kleines Café habe, kann ich mich sehr gut hineinversetzen, Gäste glücklich sehen zu wollen, während sie eine Auszeit im Café verbringen. Dies schafft die Besitzerin Hayari mit ihrem Café, indem sie neben bzw. durch besonders gebrühte Kaffeespezialitäten zweite Chancen anbietet.
Himari wird auf dieses Café aufmerksam und obwohl sie keinen Kaffee mag, weil er ihr zu bitter ist, findet sie ihren Lieblingskaffee – Caramel-Kaffee. Was ich ganz besonders entzückend finde, denn auch in meinem Café gibt es Caramel-Kaffee aus handgebrühtem gutem Kaffee mit cremigem Milchschaum und selbsgemachtem Salz-Caramel. Dafür würde ich gern Hayari’s Öffnungszeiten übernehmen, die mit dem Sonnenuntergang enden.

Das Ende bleibt offen und läßt auf einen Fortsetzungsroman schließen.

Ja, irgendetwas Faszinierendes hat dieser Roman, und wenn man über die sprachliche Qualität hinwegsieht, kann man sich doch ein bißchen verzaubern lassen und dabei einen richtig guten Kaffee trinken…

Ein Stern fürs Cover! Ein Stern für die Geschichte, die das Besondere ergreift! Und drei Abzugsterne für die schlechte Umsetzung...

Bewertung vom 02.11.2024
Parker, Claire

Tee auf Windsor Castle


sehr gut

Royale Begegnung zu Lebensthemen

Das Cover ist bezaubernd in Gestaltung und Haptik. Es passt hervorragend zum Inhalt und verführt dazu, sich einen schwarzen Tee zuzubereiten und damit in die Lektüre einzutauchen.
Mein erster Eindruck war dann etwas holprig, da mich die lockere Schreibweise zunächst überrascht hatte. Vielleicht auch nur weil ich etwas anderes erwartet habe.
Man ist jedoch schnell drin in der Handlung:
Die junge Frau Kate verläuft sich während eines Rundgangs auf Windsor Castle und landet in einem der vielen Räume dort, wo sie auf die alte Dame Betty trifft. Die beiden nähern sich durch Gespräche und Tee vorsichtig an und verbringen lange Stunden gemeinsam. Ihre Sympathie läßt Thema um Thema aufgreifen und nimmt auch den Leser gut darin mit. Sie beleuchten gegenseitig ihre Leben und zerpflücken Lebensweisheiten, um daraus das Bestmöglichste herauszuholen. Interessante Theorien und logische Folgerungen entstehen.
Erst am Ende sorgt bei Kate etwas für Überraschung, das sie von vornherein hätte gewußt haben können.

Vielleicht erfährt man etwas über die royalen Gegebenheiten und Gepflogenheiten, vielleicht ist dieser Roman auch nur ein netter Zeitvertreib durch wenige Seiten, vielleicht ist es genau das Richtige für eine kleine Auszeit mit einer heißen Tasse Tee an grauen Herbsttagen.
Das kann jeder für sich selbst herausfinden.
Ich bin am Ende auch immer noch begeistert von dem Cover, das ich sehr gern anschaue.

Bewertung vom 30.10.2024
Malye, Julia

La Louisiane


gut

Paris - Louisiana - und viel historisches Drama dazwischen

Ein historisches Drama erzählt die Geschichten um Geneviève, Étiennette, Pétronille und Charlotte die im Pariser Hospital La Salpêtrière aufgewachsen oder eingesperrt waren. Die alte Marguerite, Leiterin der La Salpêtrière, darf über verschiedene Schicksale der Insassinnen entscheiden und schickt sie in die französische Kolonie La Louisiane, wo heiratswillige Männer auf Frauen warten, da dort zu wenig Frauen angesiedelt sind.
Die Zeitreise ins Jahr um 1700 erscheint zunächst intensiv geschrieben, doch die Charaktere bleiben mir zu unlebendig, zu schwach und farblos. Dem ganzen Roman hätten ein paar mehr Farbnuancen gut getan. Ich habe mich durch die Seiten gequält und auch ein paar Passagen übersprungen. Fand trotzdem wieder gut ins Geschehen hinein, aber es hat mich insgesamt überhaupt nicht mitgerissen. Die Leserprobe und der Klappentext hatten mir mehr versprochen.

Für Liebhaber historischer Romane eventuell ein gutes Stück Literatur.
Für Leser*innen wie mich, die historische Romane normalerweise meiden, ist dieser Roman nicht für den Einstieg gedacht.

Bewertung vom 23.10.2024
Lind, Hera

Im Namen der Barmherzigkeit


ausgezeichnet

Mitreißende, unfassbare Lebensgeschichte

Puh! Was für ein Buch! Ich tauche auf aus der erschütternden, sehr bewegenden, gewaltsam-grausamen Lebensgeschichte von Steffi, dem in Wien geborenen Mädchen, das von ihrer Mutter direkt nach der Geburt ungeliebt ins Heim geschickt wurde und von dort von der Fürsorge auf einen Bauernhof in der Steiermark in eine Pflegefamilie vermittelt wurde, die ihre Pflegekinder als Arbeitskräfte, ja Sklaven, hielt. Die Fürsorge ließ sich unkompliziert mit einem großen Präsentkorb höfischer Lebensmittel abspeisen, und alle Unwägbarkeiten und blauen Flecke an den Pflegekindern waren ihnen selbst zuzuschreiben, so sagte Frau Kellerknecht stets.
Unfassbar, dass das Gelesene in den 70er/80er Jahren stattfand, eine Zeit, die nahe meiner eigenen Kindheit liegt. Man hat das Gefühl, man liest einen Roman der Hunderte Jahre zuvor spielt…
Doch es ist ein Tatsachenbericht von vor gar nicht allzu langer Zeit! Unglaubliche Taten, das Gefühl, „nur“ zweite Wahl zu sein, weil man ja Pflegekind ist und nicht die echten Kinder, gewaltsame Schläge ohne Grund bis hin zu Vergewaltigung – ohne Ausweg, ohne Lichtblick, ohne selbst zu wissen, dass es auch andere Zustände auf der Welt gibt! Völlig verloren und vergessen taumelt Steffi durch ihr Leben, bleibt tapfer, geht unter, kämpft immer weiter.
Ein Zitat von Seite 93 zeigt auf, wie wertlos die Pflegekinder runtergemacht wurden, da ähnliche Sätze immer wieder in sie eingepflanzt wurden:
„Die echten Kinder hatten je ein gekochtes Ei bekommen. Es war mir völlig klar, dass wir Pflegekinder keinen Anspruch ein ein eigenes Ei hatten.“

Hera Lind hat ein unglaublich mitreißendes Buch geschrieben. Man meint, als stiller Beobachter im Bauernhaus der Familie Kellerknecht zu lauschen. Eindrücke und Szenarien sind so lebendig dargestellt, dass man den Gestank aus dem Schweinestall riechen kann, der nach einer dort verbrachten Nacht an Steffi haftet, man hört die Stimme der „Mutti“, die Anweisungen zur Arbeit gibt, man leidet mit jedem Peitschenhieb mit, spürt die Schmerzen der barfüßig arbeitenden Pflegekinder und röchelt mit Steffi um Atem, wenn sie bei der Heu-Ernte fast an einem Asthma-Anfall erstickt.

Atem holen mußte ich nach Beendigung der Lektüre auch, um die tiefgreifend bewegenden Ereignisse zu verarbeiten.
Ohne vorweg greifen zu wollen, erlebt Steffi noch weitere Niederschläge und Katastrophen auf ihrem Weg zum Erwachsenwerden, hat aber auch Chancen, Vertrauen in wenige ausgewählte Menschen zu fassen. Steffi ist ein unglaublich starker Mensch!
Die Nachworte von Hera Lind und Frau Dr. Winkler, der behandelnden Ärztin und Psychotherapeutin von Steffi, läßt noch einmal mehr verstehen, dass das, was man gerade gelesen hat, nicht fiktiv ist und echte Menschen dies alles in echt erlebt haben (auch wenn sie keine „echten“ Kinder waren)!
Das Nachwort von Steffi läßt endgültig den Tränen freien Lauf!
Dieses Buch ist so wichtig, es klingt lange nach – DANKE dafür!