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melange
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Bonn
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Insgesamt 922 Bewertungen
Bewertung vom 04.06.2017
Swann, Leonie

Gray


ausgezeichnet

Bad Romance

Nein, eine schlechte Romanze ist es ganz und gar nicht, welche Gray - einen Graupapagei - und sein neues Herrchen Augustus miteinander verbindet. Letzterer ist Dozent in Cambridge und war Tutor von Elliot, einem Studenten, der den Papagei für seine Studien beobachtete und beim Fassadenklettern abgestürzt ist. Durch das Geplapper von Gray und einiger Funde in Elliots Nachlass kommen Augustus Zweifel an der Unfalltheorie und er stürzt sich (von Gray unterstützt) in die Aufklärung des Todesfalls, immer mit dem Hit von Lady Gaga im und am Ohr.

Mein Eindruck:
Viele Kleinigkeiten führen zu einem großen Lesegenuss. Da ist zum Beispiel die liebevolle Gestaltung mit kleinen Illustrationen an den unteren Seitenrändern, welche sich als Daumenkino mit Papagei entpuppen. Aber auch inhaltlich hat das Buch Einiges zu bieten. Die Wahl des altehrwürdigen Cambridge als Schauplatz mit seinen Ritualen und Konventionen - dazu als Kontrapunkte das Fassadenklettern und der sprechende Papagei. Mittendrin mit Augustus ein Held, der mit einigen liebenswerten Macken ausgestattet ist, die er im Verlauf der Geschichte heldenhaft überwindet und – last but not least – Gray, immer einen flotten Spruch auf den Lippen und Zeuge der Vorgänge, die zum Ableben Elliots führten.
Vor allem die Sprüche und Eigenarten Grays, die völlig gegenläufig zu dem zwanghaft ordentlichen und um ein angemessenes Verhalten bemühten Augustus sind, bringen nicht nur die Leser zum Lachen, sondern die Geschichte voran und führen letztlich zur Aufklärung der Ereignisse. Es gefällt, dass der Papagei dabei nicht etwa menschlich agiert, sondern nur sehr intelligent die erlernten Sprüche an passender Position an den Professor bringt, der seinerseits das Puzzle um die ambivalente Person zusammensetzt. Swann hat sich sehr viel Mühe gegeben, um ihre Akteure ein ganzes Netz von Möglichkeiten an Motiven zu spinnen, in dem sich Elliot tödlich verfängt. Ihr Stil dabei ist sehr gut lesbar, wunderbar leicht und mit viel Humor ausgestattet, die Figuren sind komisch, jedoch nie lächerlich.

Mein Fazit:
Ein in jeder Beziehung sehr gefälliger (Todes)fall

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 28.05.2017
Ulrich, Stefan

Die Morde von Morcone / Robert Lichtenwald Bd.1


sehr gut

Göttliche Strafen

Zum Inhalt:
Der deutsche Anwalt Robert möchte sich in der Toskana von einer privaten Krise erholen, als er gemeinsam mit dem örtlichen Conte – seinem Vermieter – zufällig eine Leiche findet. Um den auf ihn fallenden Verdacht zu entkräften, macht Robert sich gemeinsam mit Giada, einer Reporterin, auf Tätersuche.
Bald wird klar, dass dieser Täter die sieben Todsünden bestraft und die Maremma verliert ihre Idylle.

Mein Eindruck:
Stefan Ulrich fängt den Zauber dieses Landstrichs gekonnt ein, die Schönheit der Landschaft, die Vielfalt der Charaktere – vom einfachen Kommunisten bis hin zur Aristokratie. Die Verquickung von Kunst, Religion und Morden gelingt ihm dabei glaubhafter als so manchem Bestseller-Schriftsteller, weil er eben nicht in das esoterische abdriftet und seinem Helden keine hochintelligente Sexbombe zur Seite stellt, sondern eine schlagfertige und bodenständige Gefährtin. Hintergründe und Motiv von Opfern, Ermittlern und Tätern werden beleuchtet, aber so geschickt getarnt, dass man doch sehr lange im Ungewissen über den Ausgang des Krimis bleibt. Gut hat mir gefallen, dass auch liebgewonnenes Personal nicht vor dem Ableben sicher war, was der Spannung bis zum Schluss förderlich war.
Ein weiterer Pluspunkt besteht in der Wahl der Hauptperson Robert, dessen Probleme den Grund für seinen Aufenthalt in der Toskana darstellen, jedoch nicht nervtötend im Fokus des Lesers stehen.
Der Schreibstil ist eingängig, nicht einfach und nicht zu gestelzt, der Aufbau des Romans animiert zum Weiterlesen. Die Morde sind zwar gewalttätig, die Blutrünstigkeit und Detailverliebtheit des Autors bleibt jedoch im Rahmen, so dass schlaflose Nächte nicht zu erwarten sind. Alles in allem also kein nervenaufreibender Thriller, aber ein gutes Stück Krimiunterhaltung. Da nicht alle privaten Verwicklungen geklärt sind, ist wohl eine Fortsetzung möglich, - vielleicht besinnt sich Robert auf seine anwaltlichen Fähigkeiten und Giada wird Detektivin.

Fazit:
Gute Unterhaltung

Bewertung vom 07.05.2017
Heib, Marina

Drei Meter unter Null (Restauflage)


gut

Die Wölfin reißt das Rudel

Zum Inhalt:
Eine Frau erfährt ein furchtbares Geheimnis und beschließt, die verantwortlichen Personen zur ultimativen Rechenschaft zu ziehen. Sie lässt sich zur Kampfmaschine ausbilden und verfolgt kaltblütig ihren Plan.

Mein Eindruck:
Eine Ich-Erzählerin, die sehr lange das Motiv für ihr Tun für sich behält und damit das Page-Turning forciert. So sitzt man und liest und wundert sich, wie ein so geliebtes Kind in ein Raubtier mutieren kann. Die Brüche in der Persönlichkeit ihrer Protagonistin weiß Marina Heib sehr intensiv darzustellen. Zuerst als Kind und Jugendliche einerseits Pippi Langstrumpf und Tarzan, andererseits werden andere misshandelt und schwer verletzt – immer ohne Folgen für die Hauptfigur. Dann wird aus dem fantasiebegabten Wesen plötzlich eine analytische, kühle Frau, die erst nach reiflicher Überlegung heiraten möchte, um nach überraschenden Informationen praktisch wieder ihr ganzes Leben auf den Kopf zu stellen und zur Mörderin zu werden, große darstellerische Fähigkeiten inklusive.
Das ist dann der Moment, an dem man der Geschichte und den Beweggründen der Protagonistin nur noch schwer zu folgen vermag, diese durchlebt fast zu viele Metamorphosen.
Allerdings – und das ist das große Plus von Heib – spannend ist ihre Geschichte und es ist ein Genuss, sich in der wohlgeformten Sprache zu verlieren, obwohl einem die Ich-Erzählerin fern bleibt und der Twist zum Schluss nicht unbedingt gefallen muss.

Aber das ist ja möglicherweise genau so gewollt!

Bewertung vom 07.05.2017
Kidd, Jess

Der Freund der Toten


ausgezeichnet

Ein wunderbares Märchen

Zum Inhalt:
Mahony wächst im Waisenhaus auf und erhält einen Brief, der ihn zurück nach Mulderrig führt. In dem irischen Dorf ist man über sein Erscheinen nicht erfreut, - hängt doch ein gewisser Verdacht zum Verschwinden seiner minderjährigen Mutter und seiner Herkunft wie ein Damoklesschwert über dem ganzen Ort. Aber er findet auch - vor allem weibliche - Mitstreiter, die ihm helfen wollen, das Geheimnis zu lüften ... lebende und tote...

Mein Eindruck:
Dieses Debüt von Jess Kidd überzeugt nicht nur durch eine wunderbar versponnene Geschichte, sondern vor allem mit dem Humor, der dieses Gespinst wie ein dünner roter Faden zusammenhält. Das hat sich Kidd meisterhaft bei Derek Landy oder Shane Hegarty abgeguckt, sie fügt jedoch eine etwas "erwachsenere" Sicht der Dinge hinzu mit einem Helden, der sehr verführerisch auf die Damenwelt wirkt. Dem Protagonisten stellt die Autorin eine ganze Schar skurriler Personen zur Seite, die für sich alleine schon für einige Schmunzler gut wäre. Dazu gesellen sich mehrere Verstorbene, deren Anwesenheit zwar von vielen verspürt wird, - sehen kann sie jedoch nur Mahony. Hier gefällt, dass die Toten nur ein Abglanz ihrer früheren Existenz sind. Sie verschönern die Geschichte, ohne die Story zu sehr zu beeinflussen, - die Lebenden müssen alleine für Aufklärung sorgen beziehungsweise diese zu verhindern suchen.
Ein weiterer interessanter Aspekt der Geschichte ist die Verwendung dreier Zeitebenen, die munter miteinander vermischt werden. So muss sich die Leserschaft konzentrieren und kann sich nicht nur von der irischen Landschaft, den Geistern und den Menschen verzaubern lassen. Doch diese Konzentration macht Spaß und führt trotz aller Grausamkeiten, die thematisiert werden, zu einem Lächeln auf dem Gesicht… der Lebenden… und der Toten.

Fazit:
Einfach nur schön

5 Sterne

Bewertung vom 22.04.2017
MacMillan, Gilly

Perfect Girl - Nur du kennst die Wahrheit


gut

Familiendrama

Zum Inhalt:
Als 15jährige verursachte Zoe einen Autounfall, bei dem drei Jugendliche ums Leben kamen. Die Ehe ihrer Eltern zerbrach daran, die Mutter heiratete erneut, jedoch ohne ihren Ehemann Chris von dem Vorfall in Kenntnis zu setzen. Jetzt hat Zoe den Jugendarrest hinter sich und gibt zusammen mit ihrem Stiefbruder Lucas ein Klavierkonzert, welches durch einen Opfervater rüde unterbrochen wird. Das Schicksal nimmt seinen Lauf und am nächsten Morgen wird Zoes Mutter tot aufgefunden, und die Umstände lassen auf Mord schließen.

Mein Eindruck:
Für mich ist dieses Buch kein Thriller, denn Spannung kommt nicht auf. Es ist ein Familiendrama in einer sehr schönen, bildhaften Sprache über unangenehme Menschen.

Aus verschiedenen Blickwinkeln werden die Vorkommnisse des Konzertabends und des Tages danach geschildert, außerdem gibt es über Erinnerungen und ein autobiographisches Drehbuch Einblicke in die Vergangenheit der handelnden Personen. Aber obwohl die Kapitel alle jeweils in der ersten Person geschildert werden, bleiben einem die erzählenden Menschen fremd, ihre Gefühle wirken eher aufgesetzt denn echt, jeder belügt bzw. betrügt mindestens eine andere Person – mancher auch sich selbst. So vermag man schwer Sympathien aufzubringen für das „perfekte Mädchen“, welches kaum Gedanken an die toten Jugendlichen verschwendet, sondern sich selbst als Opfer sieht und kühl ihren Verstand einsetzt, um das gewünschte Resultat zu erlangen. Aber auch der Rest handelt selbstherrlich und egozentrisch, Tode und Krankheiten – ach egal, Hauptsache uns geht’s gut und wir machen, was uns Spaß bringt. Schließlich muss man noch vorne schauen, was kümmert uns die Vergangenheit.
Diese Einstellung der Figuren zu ihren Taten und den Geschehnissen hat mir den Lesegenuss geschmälert, da ich sie abstoßend und unverständlich finde und befürchte, dass die Autorin das noch nicht einmal beabsichtigt hat.

Mein Fazit:
Guter Stil, fragwürdige Einstellung zum Miteinander

3 Sterne

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 22.04.2017
Katzenbach, John

Die Grausamen


sehr gut

Zwei Loser bieten dem System die Stirn

Zum Inhalt:
Eigentlich ist sie als Müllhalde für gescheiterte polizeiliche Existenzen gedacht, für die man noch einen Grund zur Entlassung sucht: Die neu gegründete Einheit für Cold Cases. Marta hat bei einem Einsatz aus Versehen ihren Partner erschossen, Gabe wurde nach einem Unglück von Frau und Sohn verlassen und sucht sein Heil überdeutlich im Alkohol. Aber vor allem Marta hat ihren Spürsinn nicht verloren, findet Ungereimtheiten in vier Mordfällen und bringt diese mit dem Verschwinden einer Schülerin in Verbindung. Durch ihre Beharrlichkeit zieht sie Gabe mit und beide in einen Strudel, der sie zu verschlingen droht.

Mein Eindruck:
Kannte ich bis jetzt Katzenbach eher von unglaubwürdigen Krimis, in denen „normale“ Menschen mit Psychopathen aneinander geraten und danach – insbesondere waffentechnisch – über sich hinauswachsen, so hat er mich dieses Mal äußerst positiv überrascht. Seine Protagonisten sind hier Polizisten, denen ganz im Gegenteil zu seinen sonstigen Figuren nichts Übermenschliches anhaftet. Vom Schicksal geschlagen, von Selbstzweifeln geplagt, dennoch akribisch handelnd und – trotz aller Widerstände – stur der Wahrheit verhaftet. Es gefällt, dass sie sich nicht von falschen Freunden einwickeln lassen und auch den vermeintlichen Feinden eine Chance geben.
Der Schreibstil von Katzenbach ist wunderbar beschreibend, ohne zu blumig zu sein, - das Kopfkino läuft somit perfekt. Der Fall selbst ist gut entwickelt, es bleiben keine größeren Fragen ungeklärt und bei dem (leicht offenen) Ende kann man sogar auf eine Fortsetzung mit dem Team hoffen; etwas, was Katzenbach seiner Leserschaft sonst nicht bietet. Der einzige inhaltliche Wermutstropfen ist für mich die Reaktion zweier Personen auf die Nachforschungen Martas und Gabes, die mir auch nach großer Grübelei nicht stimmig erscheint.

Mein Fazit:
Gerne mehr von diesem Team

Bewertung vom 17.04.2017
Reichs, Kathy

Die Knochenjägerin


sehr gut

Vier Stories für ein Halleluja

Zum Inhalt:
In vier Kurzgeschichten bewährt sich die Forensikerin Tempe in ihrem Beruf. Drei davon sind als E-Book erschienen, die vierte klärt die Leserschaft darüber auf, wie die Anthropologin zur Gerichtsmedizin gekommen ist.

Mein Eindruck:
Natürlich können Kurzgeschichten nicht die gleiche Intensität und Tiefe eines Romans erreichen. Höchst positiv ist aber zu vermerken, dass sie eben auch nicht den Müll eines Romans mit sich herumschleppen müssen – beispielsweise ein ausuferndes Privatleben und/oder Probleme persönlicher Art. Negativ ist – für Leser, die gerne mitknobeln – der Punkt, dass nicht besonders viele verdächtige Personen auf dem Schirm erscheinen können und die Auswahl an möglichen Tätern sehr begrenzt ist. Trotzdem vermag es die Autorin, glaubhaft Motive und Verdächtige zu verstricken und so für einen kurzweiligen Lesespaß zu sorgen. Besonders gefällt dabei die zweite Hälfte des Buches, welche einen sehr elegant konstruierten Fall und die Anfänge von Tempe in der Gerichtsmedizin zum Thema hat. Diesen Start ins Forensikerinnen-Dasein verwebt Kathy Reichs mit einer Rahmenhandlung, bei der um das Leben einer Bezugsperson Tempes gekämpft wird, die sie von Anbeginn begleitet hat. So ergibt sich eine Spannung, die der geringen Seitenanzahl trotzt und – bei aller Dramatik – zeigt sich der Humor, der sie insbesondere im Zusammenspiel mit einigen Polizeibeamten immer wieder begleitet.

Mein Fazit:
Zwar kein opulentes Menü für den Reichs-Fan, aber durchaus leckere Appetithäppchen für Zwischendurch

Bewertung vom 14.04.2017
Cole, Daniel

Ragdoll - Dein letzter Tag / New-Scotland-Yard-Thriller Bd.1 (2 MP3-CDs)


weniger gut

Eine Enttäuschung

Diese Rezension befasst sich mit dem Hörbuch

Zum Inhalt:
Vier Jahre, nachdem er einen freigesprochenen Mörder niedergeschlagen hat und dafür suspendiert wurde, ist Wolf wieder als Polizist tätig. Doch nun droht ihm besonderes Ungemach: Eine aus verschiedenen Leichen zusammengesetzte Figur wird gefunden, - und ihr Finger weist auf ihn.

Mein Eindruck:
Was hätte aus dieser Grundidee alles werden können, - zuallererst ein gutes Buch. Leider ist nach meinem Dafürhalten jedoch sehr viel verschenkt worden und das hat einige Gründe.
Der erste ist der Sprecher: Ich schätze Herrn Koch als Schauspieler. In Filmen agiert er überzeugend und souverän, - hier achtet er vor allen Dingen auf eine sehr deutliche Aussprache. Das wirkt gekünstelt und führt dazu, dass man die handelnden Personen nicht unterscheiden kann und die Emotionen auf der Strecke bleiben. Aber wenigstens versteht man jedes Wort des lieblosen Textes in aller Klarheit!
Der zweite ist der Protagonist – wobei noch nicht einmal klar ist, wer eigentlich die Hauptperson sein soll – Wolf? Oder eher doch einer seiner Kollegen?? Aber wer auch immer dem Autor vorschwebte – er ist zu wenig präsent, um die Geschichte zu tragen. Die andere Möglichkeit wäre eine Ensemble-Geschichte, aber dafür agieren die Figuren zu neben- statt miteinander.
Der dritte Kritikpunkt ist die verworrene Story: Möglicherweise auch dem Sprecher geschuldet verliert man sehr oft den Faden und überlegt, ob jetzt ein Stück der Vergangenheit beschrieben oder doch in der Gegenwart agiert wird. Die Geschichte springt von einem Schauplatz und einer Zeit zur nächsten und der Leser/Hörer hechelt hinterher – zumeist ohne Überblick. Tja, und dann gibt es noch Sequenzen von unbeschreiblicher Brutalität - unterkühlt vorgetragen - und häuslichem Drama inklusive schwangerer Gattin und Kind in Gefahr. Diese Teilstücke sollten wohl Spannung erzeugen, - aber der echte Nervenkitzel fehlt, nur das Genervtsein bleibt.
Das Finale ist dann der reinste Hohn, wenn auch mit kleiner Überraschung.

Mein Fazit:
Viele grausame Morde, trotzdem irgendwie blutleer, für die interessante Thematik 2 Sterne

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.04.2017
Tuil, Karine

Die Zeit der Ruhelosen


ausgezeichnet

Ein Spinnennetz

Zum Inhalt:
Drei Männer in Frankreich befinden sich an ihrem persönlichen Scheideweg:


Francois - ein erfolgreicher Manager, begeht einen Fauxpas, der die Inquisition der politischen Korrektheit auf den Plan ruft. Seine Frau Marion hat ein Verhältnis mit


Romain - Afghanistan-Heimkehrer, traumatisiert von den Erlebnissen dort und zu einem normalen Leben in Paris unfähig, immer noch befreundet mit

Osman - ein französischer Farbiger, der es in den Dunstkreis des Präsidenten gebracht hat, nur um dort umso schmerzhafter auf den Boden der Tatsachen zurückzufallen, dass in der Politik keine Freundschaften, sondern Seilschaften zählen. Deshalb bemüht er sich um

Francois - und der Kreis schließt sich.

Mein Eindruck:
Wie ein Spinnennetz hat die Autorin ihre Geschichte gewoben, - so exakt, so fein, so präzise und so tödlich. Ihr Buch teilt sie in vier große Abschnitte, welche ihrerseits Kapitel von zumeist relativ wenigen Seiten enthalten. Diese Kapitel schildern die Sicht einer der drei Hauptpersonen, auch dann, wenn mehrere der Männer in ihnen agieren. So bleibt das Buch immer spannend, immer in Bewegung, selbst, wenn gar nicht so viel passiert.
Ein weiteres Plus ist die Fähigkeit von Tuil, Sympathien für ihre Figuren zu wecken. Egal wie schäbig sich einer der drei verhält, - immer kann man ihn verstehen bzw. steht fassungslos vor der Wucht der Ereignisse, die ihn treffen und hat danach zumindest Mitleid. Die starken Nebencharaktere sind nie nur Staffage, sondern bringen die Geschichte voran, schenken neue Perspektiven und zeigen echte Persönlichkeit – im Guten wie im Schlechten.
Zu guter Letzt sei noch der Schreibstil Tuils gelobt. Sie weiß, die Wörter zu setzen, - ohne zu langweilen, aber auch nicht zu überfordern. So fliegt man förmlich durch die Geschichte und ist trotz der vielen Seiten überrascht, wie schnell sie ihr differenziertes Ende findet.

Mein Fazit:
Großartig! Ohne Wenn und Aber!

Bewertung vom 09.04.2017
Winters, Nathan

Das Geheimnis der Madame Yin


sehr gut

Ehre und Verbrechen

Zum Inhalt:
Celeste – Mitarbeiterin der amerikanischen Detektei Pinkerton – wird als Begleitung der jungen Dorothea nach London engagiert. Dort stellt sie fest, dass Dorothea und ihre Mädchenclique in Machenschaften rund um Opium und Pornographie verwickelt sind, die schon mehreren Frauen das Leben und/oder den guten Ruf gekostet haben. Um ihren Schützling vor der Gefahr für Leben und gesellschaftliche Stellung zu bewahren, mischt sich Celeste in die Ermittlungen von Scotland Yard ein, - zuerst zum Verdruss, später aber auch zur Freude von Inspector Edwards, dem verantwortlichen Beamten.

Mein Eindruck:
Insbesondere die sehr humorvollen Beschreibungen der kleinen Scharmützel zwischen Celeste und Edwards sind das Lesen des Krimis wert. Aber auch die Beschreibungen des viktorianischen Londons wissen den Leser zu vereinnahmen. Kutschen, schöne Kleider, Armut, Spelunken und Verbrecher werden so deutlich geschildert, dass man das Hufgetrappel hören, den Dreck sehen und die Angst spüren kann. Standesdünkel und die Stellung der Frauen, die noch sehr vom guten Willen der Männer – sei es Väter, Vorgesetzte oder Gatten – abhängig sind und wozu diese Abhängigkeit im schlimmsten Falle führen kann, nehmen ebenfalls einen großen Raum in diesem Roman ein.
Mir hat gefallen, dass die Menschen in diesem Buch – gute wie böse – echte Typen sind, die Frauen ihren Mann stehen und die Männer das verkraften können.
Eines ist jedoch zu bekritteln: Die titelgebende Madame Yin spielt eine eher untergeordnete Rolle in dem ganzen Drama. Dafür wird man – hoffentlich – noch Einiges von Edwards und Celeste hören, in London oder in Amerika…

Mein Fazit:
Ein schönes Setting und gut eingeführte Charaktere bereiten einigen Spaß