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melange
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Insgesamt 914 Bewertungen
Bewertung vom 30.10.2017
Zelazny, Roger

Die neun Prinzen von Amber / Die Chroniken von Amber Bd.1


gut

Schöne Umgebung, zu viel Kampf

Zum Inhalt:
Als er nach einem Krankenhausaufenthalt wegen eines Autounfalls erwacht, hat Corwin sein Gedächtnis verloren. Dieses taucht bruchstückhaft wieder auf, als er zuerst eine Schwester und dann einen Bruder wiedersieht, die bei ihm die Gedanken an Amber – sein Heimatuniversum – aufblitzen lassen. Er erinnert sich, dass er ein Prinz des Hauses Amber ist und will zurück, um seine Ansprüche auf den Thron geltend zu machen.

Mein Eindruck:
Familie kann man sich nicht aussuchen, und wenn man mit vielen Brüdern und Schwestern ausgestattet ist, kann es schon einmal größere Probleme mit der Erbfolge geben, insbesondere dann, wenn ein Vermögen oder ein Königreich auf dem Spiel stehen.
Dass es sich bei den Chroniken von Amber um eine Neuauflage eines Originals aus den 70er Jahren handelt, wird bei den eher farblosen weiblichen Figuren klar. Schon der Titel befasst sich nur mit den Prinzen von Amber (und nicht den Prinzessinnen), später beschreibt der Autor die durch ein Kartenspiel verbundenen Brüder ziemlich genau, die Damen werden erst danach und dann eindeutig schneller abgehandelt. Die sehr minutiös geschilderten Kämpfe strotzen nur so vor Blut und Pathos und brillieren weniger mit einfühlsamen Gedanken, so dass die Story ein wenig holzschnittartig wirkt.
Gut gefallen jedoch immer noch die fantastischen Ideen zu einer Mittelalter-Umgebung, die von Magie umgeben ist und zur Kommunikation Spielkarten nutzt. Eindeutig eine Inspirationsquelle für George R. R. Martin, der sich lobend über den Autor äußert.
Leider hat sich Zelazny in dem ersten Buch seiner Chroniken für meinen Geschmack zu sehr mit Gemetzeln im Großen und Kleinen befasst und außerdem keinen guten Grund dafür geliefert, dass ein besiegter Gegner nicht getötet wird, sondern weiterleben darf und damit weiteren Ärger verursachen kann. Da sonst für kleinere Delikte gröber gehandelt wird, ist das doppelt unverständlich, - das hat der Autor von Game of Thrones später besser gelöst.

Mein Fazit:
Eine wunderbar erdachte Welt für zu viel Blut verschenkt

Bewertung vom 28.10.2017
Blackhurst, Jenny

Die stille Kammer (eBook, ePUB)


gut

Kranke Charaktere

Zum Inhalt:
Susan Webster hat vor einigen Jahren ihr Kind in einem Anfall geistiger Umnachtung getötet und ist jetzt nach erfolgreicher Therapie wieder auf freiem Fuß, sicherheitshalber inkognito an unbekanntem Ort. Doch dann passieren merkwürdige Dinge und es häufen sich die Anzeichen dafür, dass ihr Sohn noch lebt und auch sonst nichts so ist, wie es deutlich schien. Gemeinsam mit dem Reporter Nick und ihrer Freundin Cassie macht sie sich auf, die Rätsel zu lösen.

Mein Eindruck:
Blackhurst hält zu Beginn des Buches ihrer Leserschaft gekonnt bei der Stange. Dazu gehören kurze Kapitel, eine gut komponierte Auswahl an Charakteren, die Verquickung von Vergangenheit und Gegenwart. Ihr Schreibstil ist eindringlich, die Geschichte gut durchdacht, Verzweiflung und Trauer zum Greifen. Aber dann kommen Momente, die so abstrus, aberwitzig und unglaubwürdig sind, dass dadurch das ganze wunderschöne Konstrukt ins Rutschen gerät. Erwachsene Menschen mit sehr viel Lebenserfahrung agieren so grenzenlos naiv und dämlich, dass der durchaus vorhandene Lesespaß immer weiter schrumpft. Hinzu kommen einige von den Toten Auferstandene, eine Handvoll Psychopathen und getroffene Entscheidungen, die für jeden mit einem halbwegs gesunden Menschenverstand nicht nachvollziehbar sind. Am wenigsten hat mir dabei das Frauenbild der Autorin gefallen: Gerade die Weiblichkeit zeichnet sich mit einem besonderen Mangel an Verstand, Herzensbildung und Willensstärke aus, wenn auch bei einigen Figuren Spuren davon vorhanden sind. Und so zerstört sich der gute Eindruck vom Beginn Stück für Stück.
Doch trotz aller Kritik würde ich Blackhurst nicht abschreiben wollen, - ihr Stil ist gut und ich könnte mir vorstellen, dass sie mit einer in jeder Hinsicht beschränkteren Geschichte (nicht ganz so viele alle in den Fall verstrickte Personen und nicht fast alle Psychos, nicht so viele miteinander verwobene Straftaten) einen spannenden UND glaubhaften Thriller zustande bringt. Denn schnell gelesen – ein untrügliches Zeichen für Spannung - ist das Buch.

Mein Fazit:
Irgendwie zu viel gewollt und die Glaubwürdigkeit auf der Strecke gelassen. Da mich das Buch jedoch trotzdem gefesselt hat

3 Sterne

Bewertung vom 01.10.2017
Baum, Beate

Mycrofts Auftrag


weniger gut

Gut geklaut

Zum Inhalt:
Sherlock Holmes lebt - eine gute Nachricht, die Dr. Watson zuerst nicht wirklich zu würdigen weiß. Aber dann stürzt er sich doch wieder mit dem Freund in ein Abenteuer um Drogenhandel, Geldwäsche und Waffen.

Mein Eindruck:
Der Krimi verbeugt sich nicht nur vor Sir Arthur Conan Doyle, sondern bückt sich sogar noch tiefer vor Steven Moffat und Mark Gatiss, den Autoren, die Sherlock fernsehtechnisch in unsere Zeit portiert haben. Baum kopiert dabei so schamlos den Stil der Briten, dass man während des Lesens praktisch ununterbrochen Cumberbatch, Freeman und den Rest der Truppe im Kopf hat. Da nützt es auch nichts, der verliebten Gerichtsmedizinerin einen anderen Namen zu geben.
Aber weil die Autorin für ihre Kopie eine glänzende Vorlage nutzt, hat diese den gleichen Effekt wie das Original: Man amüsiert sich an vielen Stellen sehr über die Schrullen des Detektivs und des hilflosen Umfelds. Trotzdem möchte ich bezweifeln, dass ohne diese Grundlage ein einigermaßen gutes Buch zustande gekommen wäre. Zu blass sind die „eigenen“ Charaktere, zu verworren und überfrachtet die Gemengelage um den Antagonisten. Außerdem verzweifelt man bei der Suche für den Grund, dass Mycroft überhaupt Sherlocks Hilfe benötigt. Ganz im Gegenteil hat man bei der Story oft das Gefühl, dass der ältere Bruder den Überblick behält und sein Wissen um die Umstände nur häppchenweise weitergibt. Und dann kommt das große Finale mit Pauken, Trompeten und einer Fernsehcrew und plötzlich ist die kurze Geschichte schon wieder vorbei und wenn man überlegt, was eigentlich bleibt, ist es nicht viel…

Mein Fazit:
Ein Buch wie Fastfood – ganz lecker während man isst, aber kurz danach hat man schon wieder Hunger

Bewertung vom 01.10.2017
Pérez-Reverte, Arturo

Der Preis, den man zahlt / Lorenzo Falcó Bd.1


weniger gut

Dreckig

Zum Inhalt:
Lorenzo Falco, ein Söldner, erhält 1936 in Spanien den Auftrag, einen politischen Gefangenen zu befreien. Im Zuge dessen macht er nicht nur die Bekanntschaft einer undurchsichtigen Frau, sondern zeigt dem Leser deutlich die dreckigen Seiten eines Bürgerkrieges, bei dem es nur Verlierer gibt.

Mein Eindruck:
Die Lobeshymnen in den spanischen Zeitungen verwundern mich oder lassen auf eine tiefe Machismo-Leidenschaft schließen. Denn dieses Buch ist vor allen Dingen altbacken und frauenfeindlich, es erinnert an einen englischen Film-Spion zu Zeiten eines Sean Connery. Die Herren eloquent und ihren Zielen verpflichtet, die Damen allzeit bereit, für den Helden die Kleidung abzulegen – egal, ob verheiratet, verbandelt oder gerade erst bekannt. Leider fehlt jedoch der feine britische Humor – hier wird brutal gemordet, hintergangen, gefoltert ohne jeden Funken von Gefühl und Augenzwinkern, ein schlechtes Gewissen ob der Bauernopfer ist höchstens noch in fast nicht messbaren Spuren vorhanden.
Ein Fehler liegt aber auch in dem Cover, das an Carlos Ruis Zafon erinnert und eine dementsprechende Erwartungshaltung an eine Story mit Gefühl und Herz aufbaut, die „Der Preis, den man zahlt“ nicht einmal ansatzweise erfüllt. Ein zweiter in der Vorstellung vieler Figuren, die dem Helden möglicherweise in späteren Bänden über den Weg laufen werden, deren Rollen hier aber nicht über die des Lückenbüßers hinausgehen. Bei einem Buch, das sowieso nicht gerade mit seiner Länge beeindruckt, bleibt dadurch nicht mehr viel für den suggerierten Kern übrig – eine Gefangenenbefreiung, die letztendlich nur ein paar Zeilen beansprucht.
Ein Ärgernis noch zum Schluss: Ich mag es einfach nicht, wenn „ziemlich schmutzig“ mit „typisch deutsch“ betitelt wird. Nirgendwo.

Bewertung vom 01.10.2017
Lemaître, Pierre

Drei Tage und ein Leben


sehr gut

Drama in drei Akten

Zum Inhalt:
Der zwölfjährige Antoine lebt 1999 zusammen mit seiner Mutter in einem französischen Dorf. Kurz vor Weihnachten erschlägt er mehr zufällig einen Nachbarsjungen im Wald, wird jedoch durch die großen Stürme und die dadurch angerichteten Verwüstungen vor der Entdeckung geschützt. Trotzdem bleibt seine Tat nicht ohne Folgen für ihn und sein Leben.

Mein Eindruck:
… und die Moral von der Geschichte: Du kannst deinem Schicksal nicht entfliehen. Das gilt nicht nur für Antoine, sondern auch für einige der Nebenfiguren in diesem Lehrstück um Schuld und Sühne. Zwar spielt sich die Story in der jüngeren Vergangenheit ab, sie wirkt aber relativ zeitlos und teilweise hätte sie sogar eher in die Vergangenheit gepasst: Das Dorfleben, die Heimlichkeiten, das bigotte Verhalten und auch das Obrigkeitsdenken und das Gottvertrauen sind wie aus der Zeit gefallen geschildert. Und diese Beschreibungen gelingen Lemaitre großartig. Wie die heimlichen Verbündeten Antoines leidet man mit ihm – totes Kind hin oder her – so eindrucksvoll wird Antoines Angst, Selbstmitleid und Verzweiflung geschildert. Gut gefällt, wie der Protagonist immer wieder vor die Wahl gestellt wird, sich seiner Verantwortung zu stellen und dieser reagiert und versucht, sich aus der Bedrängung zu lösen, um sich dann nur noch tiefer in einem verpfuschten Leben zu verstricken.
Dabei stehen die drei Kapitel (1999, 2011 und 2015) für die Scheidepunkte Antoines, wobei die immer kürzer werdenden Kapitel auch für die Abnahme der Möglichkeiten Antoines zu sehen sind.
Diese komplette Tragödie fesselt in ihrer Vollkommenheit und ihrem Ausmaß den Leser total und lässt einen traurig zurück, - keine Chance für niemanden – episch.

Mein Fazit:
Großartig geschrieben, unendlich traurig, passend für die Herbstdepression

4 Sterne

Bewertung vom 10.09.2017
Hurwitz, Gregg

Projekt Orphan / Evan Smoak Bd.2


sehr gut

Schall und Rauch

Zum Inhalt:
Evan Smoak war Teil des Orphan Projekts der amerikanischen Regierung – ein Killer ohne Vergangenheit. Er hat sich entschieden, dieser Aufgabe den Rücken zu kehren und mit seiner Begabung als „Nowhere Man“ Opfern zu helfen. Nach seinem letzten Auftrag fällt er jedoch in die Hände eines Verbrechers und muss um seine eigene Freiheit kämpfen, immer auf der Flucht vor den anderen Orphans, - schließlich ist ein Abgang in ein bürgerliches Leben nicht vorgesehen und wird mit dem Tod bestraft.

Mein Eindruck:
Der Name Smoak erinnert nicht umsonst an Rauch – denn genauso unfassbar bleibt Evan für seine Verfolger. In Zeiten der fast absoluten Überwachung mutet so ein Szenario zwar immer unwahrscheinlicher an (unbegrenzte Möglichkeiten des Datenchecks inklusive Gesichtserkennung und trotzdem wird ein reicher Typ, der seinen Vornamen behalten hat und durchaus vor die Tür geht, nicht aufgestöbert); wie Collins seinen Helden und dessen Leben in Szene gesetzt hat, ist trotzdem sehr gelungen. Man merkt der Geschichte an, dass viele Experten befragt wurden und deren Wissen eingeflossen ist. Bei den Kampfszenen ist es jedoch schon fast zuviel an Information und wird trotz aller brechenden Knochen, abgerissenen Gliedmaßen und spritzendem Blut eher langweilig.
Des Weiteren gefallen die Nebenfiguren, allen voran der Antagonist, der bei allem Egoismus und Bosheit fast schon Mitleid erweckt – das perfekte Beispiel für eine verkorkste Familiengeschichte. Auch die weiblichen Charaktere bieten ein ausgeglichenes Maß an Stärke und Verletzlichkeit in einer Person und damit eine gerade in Thrillern eher seltene Ambivalenz.
Perfekt das Ende – abgeschlossen und doch mit Ausblick auf ein mögliches, neues Buch, die eingeführten Figuren sind dafür eine interessante und gut gemischte Gruppe, so dass man sich darauf auch freuen kann.

Mein Fazit:
Gerne mehr von dem Nirgendwo

Bewertung vom 03.09.2017
Jensen, Jens Henrik

Das erste Opfer / Oxen Bd.1


sehr gut

Es ist etwas faul im Staate Dänemark

Zum Inhalt:
Niels Oxen ist der höchstdekorierte Soldat Dänemarks, aber genauso schwer wie seine Orden wiegen seine Traumata. Deshalb zieht er sich gemeinsam mit seinem Hund in die Wälder zurück – abseits von Menschen – auf das Grundstück eines Ex-Diplomaten. Als dieser ermordet wird, gerät Oxen ins Visier der Geheimdienste, wird von deren Chef engagiert und deckt gemeinsam mit Franck, einer Mitarbeiterin, eine Verschwörung auf, die in die höchsten Kreise Dänemarks reicht.

Mein Eindruck:
Hier kein Polizist, sondern ein Soldat mit Problemen, der zusätzlich eine Dame mit amputiertem Unterschenkel zur Seite gestellt bekommt – so weit, so typisch nordisch. Wenigstens kann man diese Probleme nachvollziehen und es handelt sich nicht nur um Eheschwierigkeiten wegen des Jobs und der daraus resultierenden Alkoholsucht.
Glücklicherweise gibt es aber einige Lichtblicke in der Geschichte. Die Personen haben ihren wenn auch schwarzen Humor nicht gänzlich verloren, sie sind vielschichtig angelegt und die Story um Mord, Verschwörung und einen alten Geheimbund kann auch noch für weitere Bände tragen. Es gefällt, dass man nie sicher sein kann, wer jetzt gut, wer böse und wer irgendetwas dazwischen ist und der Leser irrt genauso durch die Fallstricke wie Oxen, verläuft sich ebenso im Labyrinth der falschen Spuren und Janus-Gesichtern. Zwar fehlt dem Schreibstil zu Beginn ein wenig die wörtliche Rede, da der Autor jedoch relativ früh klarstellt, dass sein Protagonist maulfaul aus Menschenscheu ist, gewöhnt man sich schnell an diese Art der Erzählung. Überhaupt fühlt man sich sehr gut mitgenommen, kein seltsam anmutendes Verhalten bleibt gänzlich unerklärt, die Bröckchen aus Oxens Vergangenheit fügen sich – wenn auch langsam – zu einem guten Bild dieser gesprungenen Person.
Der Schluss ist ein perfekter Kompromiss zwischen Aufklärung der Morde einerseits und Cliffhanger – die große dänische Verschwörung – andererseits. Glücklicherweise liegen die beiden Folgebände der Trilogie schon vor und warten nur noch auf ihre Übersetzung – die hoffentlich bald erfolgt.

Fazit:
Eine echte, wenn auch sehr spröde, Bereicherung der Thrillerlandschaft

Bewertung vom 21.08.2017
Thiesler, Sabine

Und draußen stirbt ein Vogel


weniger gut

Nicht mein Fall

Zum Inhalt:
Rina ist eine gefeierte Schriftstellerin - zu Unrecht, wie ihr Stalker Manuel findet. Denn eigentlich sind es seine Gedanken, die sie zu Papier bringt und so macht sich Manuel in die malerische Toskana auf - um Rina zu stoppen und seine Schreibblockade zu überwinden. Koste es, was es wolle.

Mein Eindruck:
Frau Thiesler ist eine gefeierte Schriftstellerin – wahrscheinlich nicht ganz zu Unrecht, wie die Bestsellerlisten finden. Und es sind bestimmt ihre Gedanken, die sie zu Papier bringt – möglicherweise in der Toskana oder an einer sonst sehr hübschen Stelle – richtig gepackt hat mich dieser Krimi jedoch nicht.

Vielleicht ist die Erwartungshaltung schuld, die durch die ganzen Lobeshymnen geweckt wurde, aber nach dem Buch bin ich tatsächlich ein bisschen sprachlos vor Enttäuschung. Viel zu viele Figuren, dann auch noch Gegenwart und Zukunft, an keiner Stelle geht das Buch in die Tiefe. Eine Unterteilung in drei Kapitel (warum?) mit Überschriften, die auch nach längerer Überlegung nicht sinnig erscheinen. Jede Menge große und kleine Delikte bis hin zu einem Mord – aber keine Sonderkommission wird gebildet, ganz im Gegenteil, die Polizei in der Toskana schläft in großen Teilen selig vor sich hin, weil sie glaubt, einen möglichen Verdächtigen zu kennen. Da wird nicht hektisch gehandelt, da ist Siesta angesagt.
Und dieses seltsame Verhalten ist fast bei jeder Figur zu sehen: Eine Mutter, die befürchtet, dass ihr Hund vom Untermieter getötet wurde – geht sie zur Polizei, als ihr Kind verschwindet oder lässt den dubiosen Untermieter durchleuchten? Aber nein, das könnte doch tatsächlich zielführend sein, da mache ich doch lieber etwas Dummes – schließlich handelt es sich um einen Thriller.
Dazu jede Menge sonstiges Drama: Untreue, (zum Teil tödliche) Unfälle, Fahrerflucht, Roma, Einbrüche, Alkoholismus, Kindesmissbrauch, Altenheime – man hat das Gefühl, alles muss irgendwie angeschnitten werden.
Bei diesem Buch fühlte ich mich wie im Kino in einem schlechten Horrorfilm, in dem man der hübschen Maid zurufen möchte „nein, geh nicht in den Keller, wenn es dort rumpelt – du weißt doch, dass schon drei andere Mädchen erwürgt wurden“.

Leider gab es aber kein Eis in der Pause

Mein Fazit:
Das Beste war das Ende – und das meine ich nicht nur doppeldeutig

Bewertung vom 18.08.2017
Paasilinna, Arto

Weltretten für Anfänger


gut

Falsche Erwartungen geweckt

Zum Inhalt:
Surunen - Hochschullehrer aus Finnland - hat ein großes Ziel: Er will nicht länger nur darüber reden, sondern ganz konkret ein Opfer einer südamerikanischen Diktatur aus der Haft befreien. Etwas blauäugig geht er frisch ans Werk und nach Kalmanien, aber der Weg zum Weltenretter ist mit einigen Dornen gepflastert.

Mein Eindruck:
Vor allem der Sprecher rettet dieses Hörbuch, - ohne Jürgen von der Lippe würde jeder, der sich von dem doch recht witzigen Cover zum Kauf inspirieren ließ, noch tiefer in Trübsal verfallen. Denn Trübsal bestimmt leider – nach einer schwungvollen und (schwarz)humorigen Eingangssequenz in Russland – die erste Hälfte des Hörbuchs. Es wird gelitten, gefoltert, getötet und viel zu viel getrunken (ein Aspekt, der beim Verstehen des Buchs den Hörer teilweise vor große Herausforderungen stellt) und man muss aufpassen, dass man nicht in einem Meer von Depression und Mutlosigkeit versinkt.
Glücklicherweise verändert sich die Stimmung im zweiten Teil. Endlich bestimmen die erhoffte Schlitzohrigkeit und eine tiefgründiger und dunkel eingefärbter Humor große Teile der Geschichte. Dazu erscheinen die Figuren viel besser herausgearbeitet: Im ersten Teil lallten sie oder wurden sehr oft in der dritten Person abgehandelt und kamen einem nicht besonders nahe – schweres Schicksal hin oder her. Schön auch die Idee, diesen Teil in einem (fiktiven) kommunistischen Land zu platzieren – als Gegenpart zur Diktatur – und zu zeigen, dass diese Form die gleichen Repressalien auf ihre Gegner ausübt. Politische Korrektheit auf hohem Niveau und mit nur mäßig erhobenem Zeigefinger – das gefällt!
Das Ende mutet fast märchenhaft schön an, versöhnt jedoch nicht ganz mit dem über viel zu weite Strecken sehr ernsthaften Tönen. Die Geschichte ist nicht schlecht, passt aber nicht in das optische und werbetechnische Konzept, in dass sie gepresst wurde.