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melange
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Insgesamt 914 Bewertungen
Bewertung vom 28.12.2017
Beaton, M. C.

Hamish Macbeth und das Skelett im Moor / Hamish Macbeth Bd.3


sehr gut

Old School

Zum Inhalt:
Der Dorfpolizist Hamish Macbeth wird als Urlaubsvertretung nach Cnothan geschickt. Dort herrscht eine abweisende Stimmung vor, die sich nicht nur gegen ihn richtet, sondern hauptsächlich einem zugezogenen Engländer gilt. Mit schlechter Laune ist es jedoch nicht lange getan – kurze Zeit später sieht sich Hamish einem Skelett gegenüber, - und dieses Skelett hat ein englisches Gebiss….

Mein Eindruck:
Die Liebhaber der klassischen, britischen Krimis im Stil von Agatha Christie oder Caroline Graham kommen hier voll auf ihre Kosten. Denn auch wenn der dritte Teil aus der Hamish Macbeth Serie erst 2017 in Deutschland veröffentlicht wurde, hat das Buch bereits fast 30 Jahre auf dem schottischen Buckel. Dementsprechend sind die Mordfälle keinesfalls albtraumtauglich und die ermittelnden Beamten haben keine größeren Probleme als polizeilichen Ehrgeiz und Standesdünkel. Aber genau das macht den Charme der Geschichte aus. Der Protagonist ist liebenswert altmodisch (und denkt über einen Heiratsantrag nach, weil er mit einer hübschen Frau im Bett gelandet ist), das weitere Personal knorrig und drollig, der Fall mit Humor geschildert und der Schluss zeigt sich mit Emanzipation: Die holde Maid rettet den Helden und zwar nicht mit Pferd und Rüstung, sondern mit schickem Automobil.
Beaton orientiert sich bei ihrem Schreibstil am „Easy Writing“ der Grand Dame des Kriminalromans. Ihre Sätze sind kurz, aussagekräftig und lassen sich genießen, ohne Kapriolen in den Gehirnwindungen ihrer Leser zu schlagen. Leider kommt die Auflösung des Falls im Gegensatz zu den ersten beiden Hamish Macbeth Bänden zu plötzlich und nicht unbedingt folgerichtig daher: Bei „Hamish Macbeth fischt im Trüben“ und „… geht auf die Pirsch“ konnte man mit ein bisschen Nachdenken selber den Täter erraten, hier muss man sich auf Hamishs Spürnase verlassen. Das sollte aber nicht davon abhalten, sich auf die nächsten Fälle Macbeths zu freuen, - seine roten Haare bieten einen unterhaltsamen Kontrapunkt zum Einheitsgrau der modernen Ermittler.

Mein Fazit:
Leichte Unterhaltung in guter, britischer Tradition

2 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 27.12.2017
Hannig, Theresa

Die Optimierer


ausgezeichnet

Die Zukunft: Optimal optimiert!(?)

Zum Inhalt:
In einer nicht allzu fernen Zukunft wählt man seinen Beruf nicht mehr nach Neigung und Können, sondern bekommt ihn nach Passgenauigkeit zugewiesen. Eine der dafür zuständigen Personen ist Samson Freitag. Systemgläubig und angepasst führt er ein für ihn befriedigendes Leben. Doch dann gerät ein kleines Sandkorn in das optimierte Getriebe und Stück für Stück fällt Samsons Wohlfühl-Utopie in sich zusammen.

Mein Eindruck:
Die perfekte Lektüre für alle, die es schon immer geahnt haben: Das perfekte Leben ist die perfekte Illusion und hinter der perfekten Fassade lauert das perfekte Grauen.
Hannig spielt gekonnt mit den Möglichkeiten, die sich schon aus heutiger Sicht bieten und webt daraus maliziös ein Netz, in dem sich ihr Protagonist wie das Beutetier einer Spinne verfängt. Zuerst zappelt er nur ein bisschen, dann wickelt ihn die Staatsmacht immer fester ein und schließlich wird ein Entkommen so gut wie unmöglich. Ein schnörkelloser, aber absolut nicht langweiliger Schreibstil, eine fantasievolle, aber nicht unrealistische Erfindungsgabe und die perfekte Balance aus Spannung und Humor führen zu großem Lesevergnügen. Mit Samson hat die Autorin eine Figur erschaffen, die es dem Leser nicht allzu leicht macht. Einerseits möchte man ihn ob seiner Naivität verachten, andererseits wächst das Mitleid mit einem Helden, der unschuldig in große Not gerät und erkennen muss, dass er trotz aller Gesetzestreue zur Persona non Grata wird – einem Paria in einer Gesellschaft, die jeden mit einem einzigen Scan in eine Schublade stecken kann.
Diese Ausweglosigkeit zieht die Leser in einen Bann, eine Spirale, die sich immer schneller dreht und zum immer Weiterlesen verführt. Und zum Glück ist der Schluss des Buchs noch nicht das Ende und eine Fortsetzung angekündigt, die hoffentlich noch einige offene Fragen beantwortet.

Mein Fazit:
Wer jetzt noch sagt „Alles gut mit der gläsernen Persönlichkeit, ich habe doch nichts zu verbergen“, hat den Schuss nicht gehört

Bewertung vom 26.12.2017
Ware, Ruth

Woman in Cabin 10


sehr gut

Wahn oder Wirklichkeit?

Zum Inhalt:
Lo ist Journalistin eines Reisemagazins und erhält die große Chance, als Vertretung ihrer Chefin der Jungfernfahrt eines Luxus-Kreuzfahrtschiffs beizuwohnen. Durch dieses Erlebnis erhofft sich Lo, von der traumatischen Begegnung mit einem Einbrecher und den daraus folgenden Komplikationen in ihrer Beziehung abgelenkt zu werden. Aber dann wacht die labile Frau mitten in der Nacht auf und meint zu hören, dass in der Nebenkabine eine Frau über Bord geworfen wird. Als die alarmierte Besatzung eintrifft, gibt es weder Spuren eines Verbrechens noch weist irgendetwas darauf hin, dass die Kabine überhaupt bewohnt wurde. Verzweifelt versucht Lo zu beweisen, dass weder Alkohol noch Psychopharmaka ihre Wahrnehmung beeinträchtigt haben; sie betätigt sich als Hobbyermittlerin und bringt sich damit in große Gefahr.

Mein Eindruck:
Alfred Hitchcock trifft „Girl on the Train“, - deutlich sind die Anleihen Ruth Wares bei Regisseur und Bestseller: Eine verschwundene Frau und eine psychisch labile Protagonistin, die sich sehr am Hochprozentigen erfreut.
Das Gefühl eines Wellengangs ist während des Lesens dieses Krimis allgegenwärtig: Sehr oft meint man auf dem Wellenkamm zu reiten, die Spannung treibt das Adrenalin durch die Venen und man fühlt den Kick. Leider begibt man sich aber auch manchmal durch ein tiefes Wellental und fragt sich, ob der Alkohol nicht nur der Glaubwürdigkeit der Protagonistin schadet. Denn auch wenn man kein Anhänger der Prohibition ist, sind die Seiten füllenden Aufzählungen von verschiedenen Arten Alkoholika inklusive Genuss derselben ermüdend und fast schon verärgernd. Wie das Auf und Ab der Wellen gestaltet sich dadurch das Wohlwollen, dass man Lo entgegen bringt: Einerseits bangt man sehr mit ihr, andererseits möchte man sie schütteln, wenn sie sich wieder einmal selbst im Weg steht – und darauf das nächste Gläschen (oder zwei… oder drei) kippt. Auch wundert sich der geneigte Leser, wie es die Protagonistin so weit gebracht haben soll – Arbeit und Vorbereitung scheint ihr eher fremd.
Nichtsdestotrotz packt die Geschichte – wegen der immer vorhandenen Spannung, des schönen Schauplatzes, der interessanten Figuren und der nicht stringenten Erzählweise: Die Autorin springt in den Zeiten und sorgt mit Einschüben von Facebook-Einträgen und Meldungen für Unruhe.

Mein Fazit:
Zwar (zu) viel Schnaps, dennoch Unterhaltung, die mitfiebern lässt
4 Sterne

Bewertung vom 26.12.2017
Nixon, Keith

Totengrab (eBook, ePUB)


weniger gut

Biblisch

Zum Inhalt:
Zehn Jahre, nachdem der Polizist Solomon seinen Sohn auf dem Jahrmarkt verloren hat, wird er zu einer männlichen Leiche gerufen: Aus einem Hochhaus gefallen, etwa im Alter seines vermissten Sohnes und mit einem Handy, in dem die Nummer Solomons gespeichert ist.

Mein Eindruck:
Der Held trägt nicht umsonst einen biblisch anmutenden Namen. Fasst wie auf Hiob prasselt das Schicksal auf ihn ein - und das nicht nur in der Vergangenheit, auch die Gegenwart hält Einiges an Stress für ihn bereit. Zusätzlich wird er in seiner katholischen Umgebung mit nicht unbedingt wohlwollenden Kollegen, sehr gläubigen Bekannten und einem Priester mit Seelenqualen konfrontiert. Trotz der interessanten Eingangsthematik wendet sich der Leser irgendwann mit Grauen von der trostlosen Suppe ab und das auch deshalb, weil Toms Verschwinden bald nur noch eine untergeordnete Rolle spielt. Zwar wird die Thematik von Kindesmissbrauch angeschnitten, - verfolgt wird dieser Ansatz jedoch nur am Rande. Außerdem wird nicht klar, warum eigentlich jede Figur versucht, Solomon für sein Unglück nicht nur verantwortlich zu machen, sondern ihn noch zusätzlich damit zu quälen. Das führt zu dem ja immer wieder gerne genommenen Problem des Alkoholmissbrauchs und dementsprechenden negativen Ausfällen Solomons, - und das habe ich inzwischen dermaßen satt, dass alleine dieser Punkt schon zu Abzug in der B-Note führt.
Bei der Bewertung dieser Geschichte ist man hin- und hergerissen. Das vordergründige Thema ist wichtig, man möchte Solomon bedauern und in seinem Kampf unterstützen und deshalb das Buch gut finden. Aber dann kommt der Punkt, an dem die Schere zwischen angeblicher Thematik – von Klappentext und Cover suggeriert – und tatsächlicher Geschichte so weit auseinanderklafft, dass die Kluft nicht mehr zu ignorieren ist.
Ich habe letztendlich den Eindruck gewonnen, dass der Autor eine Serie anstrebt und deshalb viel zu viel im Unklaren lässt. Das mag bei anderen Lesern verfangen, mich verärgert es mehr.

Fazit:
Ein zu offenes Ende

2 Sterne

Bewertung vom 26.12.2017
Josefsson, Dan

Der Serienkiller, der keiner war


sehr gut

Schwierig und erschreckend

Zum Inhalt:
Einer der größten Justizskandale Schwedens ist die Geschichte um Sture Bergwall. Dieser wurde für viele Morde verurteilt, die er nicht begangen hatte, weil Psychotherapeuten ihm einredeten, verantwortlich zu sein und die Staatsanwaltschaften ihre Fälle abgeschlossen sehen wollten und deshalb schlampig arbeiteten.

Mein Eindruck:
Dan Josefsson führt mit diesem Buch das Lebenswerk eines verstorbenen Kollegen weiter und tut dieses in akribischer und ausführlicher Art und Weise - eine Form, die man sich für die Ermittlungen zu den von Sture Bergwall gestandenen Morden ebenfalls gewünscht hätte. Hunderte Fußnoten, dutzende Interviews zeugen von dem Wunsch, allen Seiten gerecht zu werden und die Gefährlichkeit zu entlarven, die von fanatischen Psychotherapeuten ausgehen kann. Es macht sprachlos, zu lesen, wie sich dieser Fanatismus Bahn brach und Polizisten und Justiz sich einlullen ließen und wider besseres Wissen und Arbeitsstrukturen auf eine sektenähnlich aufgebaute Psycho-Schar hineinfielen. Die Persönlichkeit im Mittelpunkt dieser Schar wird dabei von Josefsson gekonnt seziert, obwohl sie das Licht der Öffentlichkeit zeitlebens scheute.

Dieses Sachbuch ist kein leichter Text, - man benötigt Wochen, um sich durch das Buch zu arbeiten. Das liegt an den für Laien komplizierten Zusammenhängen und an dem mit Fachbegriffen gespickten Text, aber auch an der Fassungslosigkeit, wenn man begreift, wie mächtig und manipulativ Menschen agieren können und wie einfach es zu sein scheint, gesunden Menschen krankhafte Erinnerungen einzutrichtern.

Obwohl ich mit dem Text kämpfen musste, bin ich dankbar, das Buch gelesen zu haben, denn ich vertraue auf die Ansicht, Einflüsterern jeder Couleur jetzt mit mehr Widerstand begegnen zu können.

Mein Fazit:
Schwere Kost, die sich lohnt
4 Sterne

Bewertung vom 02.12.2017
Ryan, Anthony

Das Erwachen des Feuers / Draconis Memoria Bd.1


ausgezeichnet

Meisterwerk

Zum Inhalt:
Mandinorien kämpft an allen Fronten. Der Angriff des benachbarten Kaiserreichs ist zu befürchten, außerdem wird der Vorrat an Drachenblut knapp. Mit diesem Produkt können besondere Menschen - die Gesegneten - übermenschliche Kräfte entwickeln, je nachdem, welche Art von Blut sie zu sich nehmen. Um sich einen Vorteil zu verschaffen, wird eine Expedition ins Landesinnere geschickt, die erforschen soll, ob es den legendären weißen Drachen gibt, dessen Blut in die Zukunft blicken lässt.

Mein Eindruck:
Mit dem ersten Buch seiner Trilogie "Draconis Memoria" ist Ryan ein großer Wurf gelungen. Geschickt vermischt er dabei fantastische Elemente wie Drachen und die Superkräfte, die deren Blut verleiht, mit der Abenteuersehnsucht von Jungen (Seefahrerromantik, Piraten, Eisenbahnen) und weiblicher Emanzipation. So kann jeder Liebhaber von Fantasy seinen Honig saugen: Kampfgetümmel und Herzensangelegenheiten, Verrat und technische Erfindungen, - alles im Überfluss vorhanden und detailliert beschrieben.
Ryan konzentriert sich auf drei Hauptpersonen: Eine Agentin, einen Dieb und einen Offizier eines Schiffs. Diese lässt er zumeist jeden für sich an der gewählten Stelle kämpfen, - und das ist für mich der einzige Wermutstropfen bei diesem Buch. Es wird sehr viel gekämpft und gestorben, für meinen Geschmack etwas zu viel. Besser finde ich, dass der Autor Fantasie bei der Wahl seiner Schauplätze beweist: Bunt gemischt vom Armenviertel bis zur Residenz eines Adligen, vom Piratennest bis zum Tempel in einem Dschungel. Ein weiterer Aspekt, der den Leser bei der Stange hält, ist die Idee, jedes Kapitel aus Sicht einer der drei Hauptpersonen zu schildern und meistens mit einem Cliffhanger zu enden. Das verführt zum Weiterlesen, die Spannung bleibt zu jedem Zeitpunkt gegeben und lässt den Leser nach dem Erscheinungsdatum des zweiten Bandes googeln.
Gut gefällt, dass man sein Herz an keine Figur hängen sollte - sie könnte sich als Verräter entpuppen oder ihr Leben verlieren.

Mein Fazit:
Fulminant

5 Sterne

Bewertung vom 24.11.2017
Nesser, Hakan

Der Fall Kallmann


weniger gut

Ein Roman, kein Krimi

Zum Inhalt:
Kallmann ist tot - der Lehrer einer schwedischen Kleinstadt starb bei einem Sturz in einem unbewohnten Haus. Sein Nachfolger findet die Tagebücher Kallmanns, arbeitet sich mit zwei weiteren Kollegen an den verschwurbelten Texten ab und versucht, das Rätsel um die Umstände dieses Todes zu lösen.

Mein Eindruck:
Ja, es steht Roman auf dem Titel und ja, warum sollte ein Schriftsteller, der sich normalerweise mit Krimis befasst, nicht einfach einmal in einem anderen Revier wildern? Trotzdem ergeben Autor und Klappentext eine gewisse Erwartungshaltung, die die Geschichte nicht erfüllt.

Im Original heißt das Buch „Kallmanns Augen“ und – dazu passend - aus der Sicht einiger Personen (immer gut in der Kapitelüberschrift zu lesen) schildert Nesser Begebenheiten, die mehr oder weniger mit Kallmanns Tod zu tun haben; zusätzlich gibt es Zeitsprünge und Einschübe durch Texte des Tagebuchs. Ein Aufbau, der für Dramatik und Unruhe sorgen und zum Weiterlesen verlocken könnte, wenn die Charaktere zu fesseln vermögen. Leider sind es zu viele Personen, um sich wirklich verbunden zu fühlen und dieses Personal ist zusätzlich mit so vielen anderen Problemen belastet, dass Kallmanns geschlossene Augen zur Nebensache werden. Ausschließlich kaputte Ehen und Familienprobleme, Krankheit, Tod und last but not least rechtsradikale Vollidioten, die anscheinend momentan in einem Buch dringend Erwähnung finden müssen, da es sonst kein gutes ist. Dieser Nebenstrang war nicht nur völlig unerheblich für die Story, sondern zeigte auch noch ein sprachliches Problem auf: Niemand sagte in den 80er Jahren politisch korrekt "Migrationshintergrund", das ist eine Vokabel heutiger Zeit.
Und so quält man sich durch endlose Seiten mit Kleinstadtmief und traurigen Gestalten, um endlich Gewissheit über ein paar Tote zu erhalten (der Mord, das Opfer und der Täter, den Kallmann an seinen Augen erkannte, waren sehr einfach zu erraten) und dann wird relativ lapidar ein Tod nach dem anderen der verantwortlichen Person zugeschrieben.
Die zwei Sterne vergebe ich für den Stil Nessers, welcher der Geschichte letztendlich eine gewisse Güte abringt.

Mein Fazit:
Langeweile pur

Bewertung vom 23.11.2017
Persson Giolito, Malin

Im Traum kannst du nicht lügen


gut

Mit den Augen einer Mörderin (?)

Zum Inhalt:
Eigentlich war Maja eine brave Schülerin. Aber dann wird sie festgenommen - mit der Waffe in der Hand, umgeben von toten Mitschülern. Aus Majas Sicht schildert das Buch, wie es zu dem Blutbad kommen konnte und warum die Frage von Schuld oder Unschuld doch nicht so klar ist, wie es am Anfang scheint.

Mein Eindruck:
Malin Persson Giolito zeigt, dass sie sich als Anwältin mit den Vorgängen vor Gericht bestens auskennt. Doch nicht nur dort spielt sie dermaßen gekonnt mit den Worten, dass die Leser auf dem Glatteis der Spitzfindigkeiten ein ums andere Mal ausrutschen und zurückblättern müssen. Aber obwohl Maja als Ich-Erzählerin ihre Sicht der Dinge schildert, tut sie dieses so abgeklärt und distanziert, dass es schwer fällt, eine Verbindung zu ihr aufzubauen. Dass sie sich oft gehässig über alle Personen in ihrem Umfeld äußert – ihre kleine Schwester ausgenommen – macht sie sehr unsympathisch; ebenso der Umstand, dass sie keinerlei Trauer für die Opfer des Amoklaufes aufzubringen scheint, und das, obwohl ihr Freund und ihre beste Freundin unter den Toten sind. Und so gelingt es kaum, diese Geschichte – gut aufgebaut, interessante Charaktere, schöner Stil – zu mögen, da die Fassungslosigkeit über Plot und Hauptperson überwiegen. Aber genau diese Fassungslosigkeit über asoziales Verhalten in vielen Formen führt dazu, dass man diesen Roman verschlingt.

Mein Fazit:
Nordisch by nature - eiskalt

Bewertung vom 30.10.2017
Hay, Mavis Doriel

Geheimnis in Rot


gut

Angestaubt, aber charmant

Zum Inhalt:
Ein Patriarch feiert mit seiner gesamten Familie, einigen Freunden und Angestellten Weihnachten. Kurz nach der Bescherung wird er tot aufgefunden und fast jeder der Anwesenden hat ein Motiv für den Mord.

Mein Eindruck:
Die Autorin, schon 1979 verstorben, lässt ihren Krimi während der 20er Jahre im ländlichen England spielen - ganz in der Tradition einer Agatha Christie: Ein relativ unblutiger Mord, viele Verdächtige und Polizeiarbeit, die sich mehr auf das Denken als auf forensische Beweise bezieht.
Schön die Idee, die in der Länge angenehmen Kapitel aus Sicht einer beteiligten Person zu schildern, schade, dass es im zweiten Teil fast nur noch der ermittelnde Beamte ist, der seine Gedanken mitteilt.
Schwer fällt einem Kind der heutigen Zeit zu verstehen, welche Gegebenheiten früher in Stein gehauen waren: Die Hochzeiten waren arrangiert, Pflicht wichtiger als Gefühl, der älteste Sohn bekam das größte Erbe, eine Tochter war dazu verdammt, beim Vater zu bleiben - eigenes Glück zählte nicht. Die Autorin zeigt jedoch in der Beschreibung ihrer Figuren, dass die Frauen sehr wohl Stärke zeigen konnten, - ihre weiblichen Charaktere beweisen mehr Tiefe als die männlichen. Die meisten Figuren sind jedoch nur grob gezeichnet, der schieren Menge an Personen (fünf Geschwister mit Anhang, Kindern, diversen Freunden und das Personal) auf nur 300 Seiten geschuldet.
Weiterer Platz wird verschwendet für Nichtigkeiten, die immer wieder thematisiert werden (z.B. Kleiderwahl bei einem Todesfall, wer betreut Papa?), so dass die mordende Person ein bisschen überstürzt aus dem Hut gezaubert wird, - wenn auch mit einer Aufklärung, die als Hommage an Hercule Poirot zu sehen ist.

Positiv sind ein angenehmer Stil zu vermelden, der einem das Lesen einfach macht und eine letztendlich stimmige Aufklärung.

Mein Eindruck:
Eine schöne Unterhaltung, aber kein fulminanter Start einer Reihe, - dafür sind die Figuren zu farblos

Bewertung vom 30.10.2017
Tielcke, Natalie

Mordsmäuschenstill


sehr gut

Nicht verschlafen

Zum Inhalt:
Die Psychologin Hannah hat sich auf Schlafstörungen spezialisiert. Eines Abends erhält sie einen Schlag mit einem Golfschläger auf den Kopf und fällt ins Koma. Vier ihrer Patienten wollen diesen Anschlag aufklären und kommen dabei der Polizei in die Quere.

Mein Eindruck:
Kurze Kapitel, die sich jeweils mit der Sicht einer beteiligten Person befassen, lassen den Leser nur so durch die Seiten fliegen. Dazu bedient sich die Autorin einer guten Spritze dunkelgrauen Humors und sehr spezieller Charaktere. Sicher ist diese kurze Schnurre kein großes Kriminal-Kino, aber für den Preis eines E-Book absolut empfehlenswert und sehr amüsant geschrieben. Denn auch wenn die wenigen Seiten keinen Platz für tiefschürfende Charakterstudien bieten, sind die Figuren doch gelungen gezeichnet und nutzen den geringen Raum optimal für ihre unterschiedlichen Spleens und Störungen aus. Leider wird für mein Dafürhalten ein wenig zu viel Platz auf das Nackt-Schlafwandeln von zwei Figuren verschwendet, das sich nur mit Sex behandeln lässt. Welche Finger sich an welchen Stellen zu welcher Zeit befinden, steht zeitweise sehr im Vordergrund und wirkt damit eher deplatziert, weil es die Krimihandlung nicht wirklich voranbringt und eher nach „huch, ich brauche noch einen skandalträchtigen Moment“ riecht.
Allerdings gefällt, dass Motiv und Täter nicht vom Himmel fallen, sondern schlüssig erscheinen und in glaubwürdiger Manier ermittelt werden. Das Ende bietet noch einen zusätzlichen Aha-Effekt und erinnert ein bisschen an Agatha Christie Romane: Sehr versöhnlich trotz aller Verbrechen und traurigen Momente und so klappt der Leser seinen Reader mit einem Lächeln zu.

Mein Fazit:
Guter Appetithappen, der Lust auf mehr von Frau Tielcke macht.

4 Sterne, da für den günstigen Preis die Erwartungshaltung auf jeden Fall voll erfüllt wird.

… und das meine ich nur positiv!