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SimoneF

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Insgesamt 518 Bewertungen
Bewertung vom 03.04.2025
Leonard, Maya G.;Sedgman, Sam

Abenteuer-Express (Band 3) - Entdeckung im Safari Star


ausgezeichnet

Die Abenteuer-Express-Reihe um den Hobbydetektiv Henry und seinen Onkel Nat gehört für uns zu den schönsten Kinderbuchreihen, und so konnten mein Sohn (11) und ich den dritten Band, „Entdeckung im Safari Star“, kaum erwarten.

In diese begeben sich Henry und sein Onkel Nathaniel auf eine ereignisreiche Zugreise mit einer historischen Dampflok quer durch Afrika, von Pretoria in Südafrika über den Krüger Nationalpark durch Simbabwe bis nach Sambia zu den Victoriafällen. Die Reisegesellschaft besteht aus interessanten, teils skurrilen Charakteren, und in Watson, dem Sohn der Reiseleiterin, findet Henry auch schnell einen Freund, dem sein Gelber Mungo Chippo nicht von der Seite weicht. Die unbeschwerte Reise nimmt eine unerwartete Wendung, als einer der Fahrgäste plötzlich tot in seinem Abteil liegt.

Das Grundprinzip der Reihe – innerhalb einer geschlossenen Gesellschaft geschieht ein Verbrechen – erinnert an klassische Detektivromane von Agatha Christie, und aufgrund des Zug-Settings natürlich vor allem an „Mord im Orientexpress“. Und ähnlich verzwickt sind auch die Fälle, die Henry lösen muss. Wie bei Christie stehen dabei nicht Action oder moderne Technik im Vordergrund, sondern Logik und Kombinationsgabe.

Während der Zugreise erfährt man zudem allerlei Wissenswertes über die Tierwelt, bedrohte Arten und Sehenswürdigkeiten. Uns ist auch Chippo sofort ans Herz gewachsen und hat uns dazu gebracht, noch etwas mehr über Gelbe Mungos nachzulesen.

Sehr schön dargestellt wird das vertrauensvolle Verhältnis zwischen Onkel Nat und Henry. Nat begegnet Henry auf Augenhöhe, nimmt seine Gedanken und Gefühle ernst und steht ihm jederzeit mit Rat und Tat zu Seite, ohne ihn zu bevormunden. Im Gegenzug ist Henry Onkel Nat gegenüber ehrlich und sucht seinen Rat, wenn er alleine nicht weiterkommt.

Wie bei den anderen Bänden dieser Reihe ist auch dieser wieder wunderschön mit einer Vielzahl an sehr detailliert und liebevoll ausgearbeiteten Schwarz-Weiß-Zeichnungen illustriert, die zum Großteil aus Henrys „Skizzenbuch“ stammen, da Henry ein begeisterter und begabter Zeichner ist und seine Eindrücke von der Reise und dem Fall mit Kohlestiften festhält.

Mein Sohn ist ein riesengroßer Fan dieser Reihe und stellt mit Begeisterung seine eigenen Überlegungen zur Lösung der Fälle an. Er fiebert richtig mit und findet es nach eigener Aussage besonders toll, dass die Bände in der realen Welt spielen und mal keinen Magie- oder Fantasy-Anteil haben. Angesichts des Booms magischer Welten im Kinderbuchsektor ist diese Reihe tatsächlich eine sehr willkommene Ausnahme. Auch als Erwachsene habe ich mit meinem Sohn bis zum Schluss gespannt mitgerätselt und tappte bezüglich der Auflösung im Dunkeln.

Wir freuen uns jetzt schon sehr auf den 4. Band, der im August 2025 erscheinen wird, und empfehlen diese Reihe rundum weiter!

Bewertung vom 02.04.2025
Bohlmann, Sabine

Freunde finden für Anfänger / Willkommen bei den Grauses Bd.2


ausgezeichnet

Mein Sohn (11) war schon nach Teil 1 so begeistert von den Grauses, dass er ständig nachgefragt hat, wann denn der zweite Teil erscheinen würde. Nun war es soweit, und wir sind innerhalb eines Nachmittags und Abends regelrecht durch das Buch geflogen.

Worum geht`s? Die Grauses erhalten ein Schreiben von IFAW (Institut für andersartige Wesen): Sie müssen binnen 13 Tagen Freunde finden, für jedes Familienmitglied einen. Zum Glück steht Ottilie aus dem Nachbarhaus mit Rat und Tat zur Seite, denn es ist gar nicht so leicht, wenn man als Dilldapp, Schrat, Flaschengeist, Felfe, Geistermädchen oder Werwolf unter Menschen nicht auffallen und sich möglichst normal benehmen soll. Doch was ist schon normal?

Die einzelnen Familienmitglieder treten bei ihrer Freundschaftssuche treffsicher in die herrlichsten Fettnäpfchen, und wir haben beim Lesen bzw. Vorlesen wirklich viel gelacht. Es ist einfach zu komisch, und Sabine Bohlmann beschreibt die Charaktere und Situationen wunderbar liebenswert. Bei allem Spaß und Klamauk hat jedoch auch dieses Buch wieder eine ganz wichtige Botschaft: Jede und jeder von uns ist auf seine eigene Art seltsam oder ein bisschen komisch, und daher sollten wir auch mit Nachsicht auf die Eigenheiten unserer Mitmenschen blicken. Denn „normal“ gibt es im Grunde nicht. Und vielleicht bereichert ja gerade die kleine Marotte des anderen unser eigenes Leben und hilft uns, über unseren eigenen Tellerrand hinauszusehen? Die Geschichte ermutigt dazu, aufeinander unvoreingenommen zuzugehen und offen für Neues zu sein. Und oft hat man auf den zweiten Blick ja doch mehr gemeinsam, als zunächst gedacht.

Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass diese Reihe durch die vielen lustigen Szenen auch Kinder begeistert, die nicht so gerne lesen. Wir können „Willkommen bei den Grauses – Freunde finden für Anfänger“ auf jeden Fall rundum weiterempfehlen und hoffen sehr auf eine Fortsetzung!

Bewertung vom 29.03.2025
Vuckovic, Milica

Der tödliche Ausgang von Sportverletzungen


ausgezeichnet

Dieses Buch wäre beinahe an mir vorbeigegangen, weil ich anhand des Titels eine völlig andere Geschichte erwartet hatte. Doch zum Glück habe ich doch einen zweiten Blick darauf geworfen.

Eva wächst in einem kleinen Dorf bei Belgrad auf, die erste Ehe, aus der ihr kleiner Sohn Mario stammt, ist unglücklich und endet früh. Sie lernt Viktor kennen, verliebt sich in den athletischen jungen Mann, der wortgewandt ist und den intellektuellen Schriftsteller gibt, aufgeklärt, feministisch und modern. Doch hinter der Fassade steckt ein hoch manipulativer, zutiefst egoistischer Charakter, der es versteht, Eva klein zu halten, zu kontrollieren und ihr Schuldgefühle einzureden. Die Situation wird schlimmer, als die beiden gemeinsam nach Deutschland gehen. Eva kommt nicht von Viktor los, obwohl Körper und Psyche rebellieren, sie lässt sich immer wieder von seiner selbstmitleidigen Art einlullen und sich von ihm etwa durch Gaslighting manipulieren. Ihre Beziehung ist ein ständiges Auf und Ab und aus physischer und psychischer Gewalt und tränenreichen Versöhnungen, die Viktor zu inszenieren versteht.

Milica Vučković schreibt in der Ich-Perspektive, direkt und unmittelbar, so dass man als Leser:in ganz nahe an Eva dran ist, fast so, als säße sie neben einem und erzählte ihre Geschichte. Hierdurch habe ich Evas Leben ganz besonders intensiv wahrgenommen, und es hat mich richtig aufgewühlt. Ich war wütend auf Viktor, wollte ihm am liebsten mal so richtig die Meinung sagen, und gleichzeitig Eva bei den Schultern packen und sie aufrütteln.

Besonders erschüttert hat mich Milica Vučkovićs Bemerkung in der Danksagung, dass der Roman großteils auf dem Lebensweg einer Freundin von ihr beruht.

Für mich war dieses Buch eine unverhoffte, aber sehr bewegende Entdeckung. Noch immer stecken sehr viele Frauen in toxischen Beziehungen, und Bücher wie dieses führen eindringlich deren Mechanismen vor Augen. Es bleibt zu hoffen, dass sie die Augen öffnen und dabei helfen, Alarmsignale frühzeitig zu erkennen und auszubrechen. Ich möchte Milica Vučkovićs Roman daher unbedingt weiterempfehlen. Gerade die Leser:innen von Lana Lux‘ „Geordnete Verhältnisse“ könnten auch „Der tödliche Ausgang von Sportverletzungen“ sehr schätzen.

Bewertung vom 28.03.2025
Levizzani, Vincenzo

Das Geheimnis der Wolken. Handbuch zum Lesen des Himmels


sehr gut

„Das Geheimnis der Wolken“ von Vincenzo Levizzani trägt den Untertitel „Handbuch zum Lesen des Himmels“, und aufgrund dessen hatte ich ein Buch erwartet, das leicht verständlich und prägnant in die Welt der Wolken einführt und auch als übersichtliches Nachschlagewerk dienen kann, wenn man Näheres über ein Himmelsphänomen wissen möchte. Diese Erwartung wurde nicht erfüllt.

Levizzani ist Wolkenphysiker, und dies merkt man seinem Buch auch deutlich an, da er sehr physikalisch-wissenschaftlich formuliert. Ob Sahara-Staub, Hagel, Gewitterzellen oder die Entstehung und Größe von Regentropfen - Levizzani erklärt fundiert, detailliert und ausführlich. Etwas trocken empfand ich seine Ausführungen zu den wichtigsten historischen Wolkenphysikern.

Positiv hervorheben möchte ich die zahlreichen Fotos, Diagramme und Illustrationen, die den Text sehr gut ergänzen und das Geschriebene veranschaulichen. Auch das kleine Glossar am Buchende ist hilfreich.

Wer sich eingehend mit Wolken und ihrer Physik auseinandersetzen möchte, findet hier das perfekte Buch. Wer das im Untertitel versprochene Handbuch mit Nachschlagwerkcharakter sucht, wird eher nicht fündig.

Bewertung vom 24.03.2025
Magoon, Kekla

Die Bibliothek der verborgenen Erinnerungen


gut

Delila „Dally“ Peteharrington ist 11 Jahre alt, POC und Tochter einer wohlhabenden Unternehmerfamilie in South Carolina. Ihr Vater ist bereits früh gestorben, und so lebt sie zusammen mit ihrer Mutter und ihrem Großvater auf einem herrschaftlichen Anwesen. Während ihre Mutter eine gestrenge Geschäftsfrau ist, die Dally mit Privatstunden in Wirtschaftslehre und einem straffen Tagesplan zu Disziplin erziehen will, damit sie später das Unternehmen leiten kann, erlebt sie mit ihrem lebensfrohen Großvater Abenteuer und schöne Stunden. Als ihr Großvater stirbt, hinterlässt er ihr eine Schatzkarte, die Dally zu einer magischen Bibliothek führt. Die Bücher dort ermöglichen den Besucher:innen Zeitreisen zu Geheimnissen aus ihrer Vergangenheit oder der Vergangenheit eines Familienangehörigen bzw. Vorfahren. Auf diese Weise begegnet Dally ihren jungen Eltern, segelt mit Urahnen auf einem Piratenschiff und erlebt Diskriminierung von POC.

Ich habe das Buch zusammen mit meinem Sohn (11) gelesen. Die Idee hinter dem Buch, durch Zeitreisen sich selbst, seine Familie und die Familiengeschichte besser zu verstehen, hat uns sehr gut gefallen. Leider empfanden wir die Umsetzung als weniger gelungen. Das erste Drittel des Buches zieht sich, und die ersten Zeitreisen sind eher langweilig, so dass die Gefahr besteht, dass die jungen Leser:innen die Lust verlieren und abbrechen. Erst mit der Fahrt auf dem Piratenschiff kommt etwas Abenteuer in die Geschichte, doch wirklich spannend wird es nicht.

Die Beispiele, anhand derer die Autorin Kekla Magoon die Diskriminierung Schwarzer Menschen zeigen möchte, fand ich für die Altersgruppe nicht gut gewählt. Ich hatte erwartet, dass eine Zeitreise auf eine Baumwollplantage führen würde oder Dally in den 50er und 60er Jahren Zeugin von Segregation im öffentlichen Nahverkehr, den Schulen, Wohngegenden, Restaurants etc. werden würde. Stattdessen wurde hauptsächlich über Rassismus gesprochen, aber keine konkrete Situation kreiert, in der eine Figur eine rassistische Erfahrung macht. Letzteres wäre für Kinder besser nachzuvollziehen.

Als sehr problematisch empfand ich, dass im Buch immer wieder das N-Wort verwendet wird. In der jeweiligen Erzählzeit wurde dieses Wort zwar im Alltag noch benutzt, dennoch sehe ich es kritisch, wenn es in einem Kinderbuch ohne weitere Erläuterung Verwendung findet. Erklärende Fußnoten oder eine Vorbemerkung bzw. ein Nachwort hätte ich mindestens erwartet, um die Kinder hier zu sensibilisieren.

Sehr konstruiert und zu bemüht wirken die erzählerischen Klimmzüge, die die Autorin macht, um auch noch LGBTQIA+-Themen unterzubringen wie Homosexualität, Transgender und Dritte Pronomen. Das erschien doch sehr aufgesetzt und mein Sohn wusste damit auch noch nichts anzufangen.
Positiv bewertet hat mein Sohn, dass das Buch immer wieder reale Alltagssituationen enthält, was er als angenehme Abwechslung zu vielen aktuellen Kinderbüchern empfand, die in einer reinen Abenteuer-Fantasywelt spielen.

Insgesamt wirkte das gesamte Buch sehr bemüht und etwas hölzern, die Geschichte kommt nicht richtig in Schwung und die Figuren bleiben blass. Das im Verhältnis zum langatmigen Beginn eher abrupte Ende empfand ich als recht unbefriedigend, zumal es zu einem Logikproblem im Zeitreisekontext führt.

Bewertung vom 24.03.2025
Kopetzky, Steffen

Atom


gut

Simon Batley spionierte ab 1927 während seines Physikstudiums in Berlin mehrere Jahre für den MI5. Dieser endete in einem Desaster, und er musste Hals über Kopf Deutschland verlassen und damit auch seine große Liebe, die Mathematikerin Hedi. Hierauf quittierte er seinen Dienst. Ein paar Jahre später, zu Beginn des zweiten Weltkrieges, kontaktiert ihn sein früherer Führungsoffizier und will ihn erneut rekrutieren. Als Physiker und Raketenspezialist soll er bei der Aufklärung des deutschen Geheimwaffenprogramms helfen. Da Simon die Chance wittert, Hedi wiederzusehen, sagt er zu und begibt sich auf die Jagd nach der deutschen Superwaffe. Doch nicht nur die Briten, sondern auch die Amerikaner und die Russen sind hinter dem deutschen Atomprogramm her…

Als Naturwissenschaftlerin und Fan von Spionage-Thrillern hat mich „Atom“ von Steffen Kopetzky sofort angesprochen. Kopetzky verbindet in seinem Roman historische Figuren und Begebenheiten gekonnt mit fiktiven Charakteren. Man spürt beim Lesen, dass Kopetzky sorgfältig recherchiert hat, und erfährt Interessantes über das damalige Atomwaffenprogramm. Insbesondere die Geschichte um dessen Leiter Hans Kammler, General der Waffen-SS und widerwärtigen Kriegsverbrecher, war mir bisher nicht bekannt. Auch die Rivalität zwischen den Alliierten und ihren Spionageabteilungen wird eindrücklich beschrieben, von denen insbesondere gegen Kriegsende jeder seine eigenen Ziele verfolgt.

Leider konnte mich der Roman trotz allem nicht recht fesseln. Merkwürdigerweise kommt zu keinem Zeitpunkt echte Spannung auf, die Geschichte wirkt zuweilen zäh und langatmig erzählt und die Figuren bleiben seltsam blass, so dass ich das Buch immer wieder für ein paar Tage zur Seite legte. Die private Liebesgeschichte zwischen Simon und Hedi empfand ich als eher störend und unglaubwürdig, so wie mir die gesamte Figur der Hedi recht künstlich erschien. Teilweise wunderte ich mich über kleine Ungenauigkeiten. So wird der Siren Suit von Winston Churchill im Buch als kragenlos und mit Knopfleiste beschrieben (Teil 3, Kapitel 2), während alle bekannten Bilder Churchills berühmten Sirenenanzug mit Kragen und Reißverschluss zeigen. Auch die Beschreibung des Abschusses einer Aggregat4-Rakete ist in meinen Augen weniger gelungen. Um dem Leser ein Bild davon zu vermitteln, hätte der Antrieb etwas genauer erläutert werden müssen, was in zwei bis drei zusätzlichen Sätzen allgemeinverständlich möglich gewesen wäre. Insbesondere dürfte vielen nicht geläufig sein, dass es sich beim „T-Stoff“ um den damals verwendeten Begriff für Wasserstoffperoxid handelt.

Insgesamt hatte ich mir von diesem Roman etwas mehr versprochen.

Bewertung vom 22.03.2025
Tordasi, Kathrin

Birds of Paris - Der verborgene Turm / Vögel von Paris Bd.2


ausgezeichnet

Nachdem mein Sohn (11) und ich Band 1 und die kostenlose Prequel verschlungen hatten, warteten wir mit großer Vorfreude auf Band 2. Léa und ihre Federsucher-Freunde, die Straßenkinder Roux, Ari, Alex und Coralie, liefern sich mit den Vogelfängern einen spannenden Wettlauf bei der Suche nach dem Markt der Wunder. Zudem wartet auf Léa eine große Herausforderung, die sie mitten ins Hauptquartier der Vogelfänger bringt…

Da Band 2 nahtlos an den ersten Band anschließt, sollte man diesen unbedingt zuvor gelesen haben, auch wenn die Autorin geschickt immer wieder erklärende Rückgriffe auf Teil 1 einstreut. Gerade, wenn man diesen schon vor etwas längerer Zeit gelesen hat, sind diese kleinen Erinnerungshilfen sehr praktisch. Kathrin Tordasi erzählt lebendig und sprachgewandt, und mein Sohn und ich konnten sofort wieder in das magische und geheimnisvolle Paris der Schimmervögel und Glanzwerker abtauchen.

Während in Band 1 Erwachsene kaum eine Rolle spielten, so wird nun das Vertrauensverhältnis zwischen Eltern und Kindern näher thematisiert. Kathrin Tordasi schreibt hierbei sehr einfühlsam und glaubwürdig und zeigt, dass es auch bei besten Absichten auf beiden Seiten zu schmerzhaften Missverständnissen kommen kann. Generell kommt der Gefühlsebene der Charaktere bei „Birds of Paris“ eine sehr große Bedeutung zu: Was bedeutet es, als Straßenkind zu leben, früh, zu früh, Verantwortung übernehmen zu müssen? Und wie wirkt es sich auf ein Kind aus, wenn es nirgendwo verwurzelt ist und nie gelernt hat, Freundschaften zu schließen? Selbstzweifel, Unsicherheit, die Suche nach der eigenen Identität, Freundschaft, Verantwortung, der Wunsch nach Zugehörigkeit und die Angst vor Zurückweisung spielen daher für Léa und die Federsucher-Kinder eine zentrale Rolle, die sehr tiefgründig und glaubwürdig ausgearbeitet ist. Man spürt, dass diese Thematik der Autorin ein wichtiges Anliegen ist, und gerade sehr stille und introvertierte Kinder dürften sich hier wiederfinden.

Die Kernhandlung von Band 2 findet ein abgeschlossenes Ende, und doch schließt das Buch mit einem Cliffhanger, der neugierig auf die Fortsetzung macht.

Fazit: Die Reihe „Birds of Paris“ gehört für uns zu besten Kinderbuchreihen ab 10 Jahren, und wir empfehlen sie rundum weiter!

Bewertung vom 22.03.2025
Poletto, Cornelia

Schnell mal Pasta (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

„Schnell mal Pasta“ von Cornelia Poletto bietet flott zubereitete Pastagerichte mit unkomplizierten, vorwiegend leicht erhältlichen Zutaten, deren Raffinesse oft in kleinen Details liegt. So bringen beispielweise bei der „Tagliatelle mit Steinpilzen“ die in Olivenöl frittierten Kräuter einen besonderen Pep. Das Buch beginnt mit selbstgemachten Pestovarianten, die gut auf Vorrat zubereitet werden können und so für extraschnellen Pastagenuss zur Verfügung stehen. Neben recht simplen Gerichten wie „Rigatoni cacio e pepe“ oder „Spaghettini al pomodoro crudo“ und Klassikern wie all‘arrabiata, carbonara oder alla puttanesca finden sich auch etwas pfiffigere Rezepte wie „Mezze maniche mit Lammragoù und Pimientos“ oder eine Wildbolognese. Vegetarische Gerichte sind durch ein Blatt-Symbol gekennzeichnet, so dass man sie schnell finden kann. Was mir negativ auffällt ist, dass die Autorin gepökelte Fleischprodukte wie Guanciale oder die Rohwurst Salsiccia in der Pfanne kräftig anbrät; zum Teil explizit bei großer Hitze. Dass hierbei krebserregende Nitrosamine frei werden und derartige Wurstwaren daher niemals gebraten werden sollten, sollte ihr bekannt sein. Hierfür ziehe ich einen Stern ab.
Die Einordnung der Gerichte ist teilweise etwas merkwürdig: Warum die „Tagliatelle mit Steinpilzen“ und die „Linguine mit Gorgonzola und Pistazien“ unter „Pasta mit Gemüse“ firmieren, ist mir nicht klar. Auch vermisse ich ein Register, das zumindest im ebook fehlt. Ich habe durch das Buch durchaus interessante Anregungen erhalten, und insbesondere das Rezept zum „Tomatensugo“ ist sehr lecker. Auch die Pestovarianten und das ein oder andere Gericht werde ich sicher noch nachkochen. Da ich keine Meeresfrüchte esse, fällt einiges für mich vornherein weg. Insgesamt hatte ich mir mehr Rezepte mit Gemüse erhofft, und Gerichte mit Schweine- oder Rindfleisch fehlen völlig (abgesehen von den Rezepten mit Wurstwaren). Die meisten Klassiker waren mir bereits bekannt. Ich würde das Buch daher eher Kochanfänger:innen empfehlen.

Bewertung vom 18.03.2025
Rifaat, Laila

Aliya und die Unendliche Stadt 1


ausgezeichnet

Aliya hat bereits früh ihre Eltern verloren und lebt zusammen mit ihrem Großvater in Kairo. Seit einiger Zeit verhält sich dieser jedoch merkwürdig, und auch ein seltsamer Butler ist seit Kurzem im Haus. An ihrem 11. Geburtstag erhält Aliya ein seltsames Amulett, und erfährt eher zufällig, dass sie aus einer Familie von Zeitreisenden stammt. Für ihre Zeitreiseausbildung kommt Aliya durch ein Portal in die Unendliche Stadt und wohnt dort in einer Schülerherberge, die von einer Ghulin als Hausmutter geleitet wird und in der sie auf andere Zeitreiseschüler trifft. Bevor sie in die Schule aufgenommen wird, muss sie zwei Prüfungen bestehen. Doch gleichzeitig warten gefährliche Herausforderungen auf sie, denn der dunkle Magier Dorian Darke hat seine ganz eigenen Pläne mit Aliya…

Ich habe das Buch zusammen mit meinem Sohn (11) gelesen, und wir waren beide von Anfang an von der Geschichte fasziniert. Das Setting im Orient ist eine erfrischende Abwechslung zu den sonst meist in der westlichen Welt angesiedelten Kinderbüchern, und mit Aliya reist man beim Lesen durch verschiedene Jahrhunderte der ägyptischen Geschichte. Auch wenn die Historie nur angerissen wird, lädt sie dennoch dazu ein, sich näher mit ägyptischer Geschichte zu befassen. Auch die fantastischen Wesen entstammen dem orientalischen Raum: Es gibt Spinxe, Dschinns und Ghule, auch Baraka spielt eine Rolle und das Ouroboros-Symbol (auch wenn dieses nicht so benannt wird).

Das Buch ist sprachlich abwechslungsreich geschrieben, die Handlung ist temporeich und spannend bis zur letzten Seite. Die Romanwelt hat viel Potential und steckt voller kreativer Einfälle, so dass wir sehr viel Freude beim Lesen hatten. Aliya ist eine sehr sympathische Protagonistin, die sich im Laufe der Geschichte Gewissensfragen stellen muss, auch mal strauchelt und zweifelt. Das macht sie nahbar und zu einer guten Identifikationsfigur für die Zielgruppe ab 11 Jahren. Die Altersempfehlung ist unserer Meinung nach sehr passend.

Die Geschichte um Aliya ist als Trilogie angelegt, und dementsprechend bleiben nach Band 1 noch Fragen offen, auch wenn der maßgebliche Handlungsstrang der Geschichte einen (vorläufigen) Abschluss findet. Wir sind sehr gespannt, wie es in der Unendlichen Stadt mit Aliya weitergeht und freuen uns schon auf die beiden Folgebände!

Bewertung vom 18.03.2025
Green, John

Tuberkulose


ausgezeichnet

John Green kannte ich bisher vor allem als Jugendbuchautor, etwa von „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“, und war zunächst überrascht, dass er nun ein Sachbuch zum Thema Tuberkulose veröffentlicht. Tuberkulose – ist das nicht eine Krankheit aus längst vergangenen Zeiten, damals, als sie noch Schwindsucht genannt wurde?

John Green zeigt in seinem Buch auf eindrückliche Weise, wie hochaktuell Tuberkulose (TBC) auch heute noch ist. Mit 1,25 Millionen Toten pro Jahr ist TBC bis heute die weltweit tödlichste Infektionskrankheit, die aber leider in der westlichen Welt aus dem Fokus gerückt ist, weil die meisten Krankheitsfälle in ärmeren Ländern auftreten. Green erklärt, wie Diskriminierung, Rassismus, Mangelernährung, fehlende Infrastruktur und unzureichender Zugang zu sauberem Wasser, Nahrung und Hygiene die Ausbreitung von TBC begünstigen und die Behandlung und Heilung der Patienten verzögern oder verhindern. Aufgrund zuverlässiger Tests und wirksamer Medikamente könnte nahezu jeder TBC-Kranke geheilt werden – doch, so schreibt Green, „Die Medikamente sind da, wo die Krankheit nicht ist, und die Krankheit ist da, wo die Medikamente nicht sind.“ So ist TBC nicht nur eine Krankheit, die durch ein Bakterium hervorgerufen wird, sondern wesentlich durch soziologische und ökonomische Faktoren bestimmt wird und an der kurzsichtige Kosten-Nutzen-Analysen einen entscheidenden Anteil haben.

Neben der hochaktuellen Problematik wirft Green auch einem historischen Blick auf TBC, auf die romantische Verklärung im 19. Jahrhundert, die maßgeblich das damalige Schönheitsideal beeinflusst hat, auf die Sanatorien zu Beginn des 20. Jahrhunderts und die Stigmatisierung TBC-Kranker. Auch auf die medizinischen Aspekte geht Green näher ein, von der Identifizierung des Bakteriums M. tuberculosis als Erreger der Krankheit über die Suche nach Heilmitteln und Impfungen bis hin zu den ersten wirksamen Therapien ab 1944 und den aktuellen Therapierichtlinien.

John Green hat zu diesem Buch umfangreich recherchiert, wie immer wieder aus dem Text selbst sowie aus dem Nachwort und der umfangreichen kommentierten Literaturliste hervorgeht, und man spürt beim Lesen, dass ihm dieses Thema eine echte Herzensangelegenheit ist. Green ist kein Mediziner, und so ist sein Buch auch keine trockene medizinische Abhandlung, sondern ein eindringlicher Appell an uns, die Mechanismen der globalen Gesundheitsfürsorge und des Medikamentenzugangs zu hinterfragen und die Infektionskrankheit, die Jahr für Jahr in den Schwellen- und Entwicklungsländern die meisten Todesopfer fordert, wieder ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken. Sehr lesenwert!