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WillyShrub
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St. Helier

Bewertungen

Insgesamt 62 Bewertungen
Bewertung vom 23.01.2023
Izquierdo, Andreas

Labyrinth der Freiheit / Wege der Zeit Bd.3


ausgezeichnet

Spannung im Berlin der goldenen 20er Jahre des 20. Jahrhunderts

Der Schriftsteller und Drehbuchautor Andreas Izqiuerdo begleitet 3 junge Freunde durch die Wirren der goldenen 20er Jahre des letzten Jahrhunderts. Die drei so unterschiedlichen Freunde Carl, Artur und Isi geraten dabei ins Visier von rechtsgerichteten Verschwörern. Izqiuerdo verfasst einen spannenden und informativen Abenteuer- und Geschichts-Roman. Dabei verwebt er die Geschichte der drei Freunde virtuos und unterhaltsam mit den Ereignissen dieser Zeit. Versailler Verträge, die Radikalisierung konservativer Kreise, das Erstarken der Nationalsozialisten und die Inflation des Jahres 1923 werden im Roman thematisiert. Die Gesellschaft ist tief gespalten in wohlhabende Kriegsgewinnler und hungernde Verlierer des ersten Weltriegs. Am Rande erfahren wir durch die Arbeit des Carl als Kameramann bei der UFA von der großen Zeit der deutschen Filmindustrie des Erich Pommer und Fritz Lang sowie von der revolutionären Wende vom Stumm- hin zum Tonfilm.
Trotz der Fülle der gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen historischen Hintergründe liest sich der Roman flüssig. Mir hat die Lektüre großes Vergnügen bereitet.

Bewertung vom 05.11.2022
Macintyre, Ben

Agent Sonja


sehr gut

Biographie einer Agentin
Ben Macintyre beschreibt das Leben der Ursula Kuczinski, der Agentin Sonja. Ursula lebte von 1907 - 2000. Ihr bewegtes Leben führt sie über China, Mandschurei, die Schweiz und England schließlich wieder nach Deutschland. In Schanghai wird sie als überzeugte Kommunistin zur russischen Agentin, die gegen den Nationalsozialismus kämpft. Dabei hat sie mehrere Liebesbeziehungen, zieht Kinder auf, schreibt Bücher und hat Russland bei der Beschaffung der Atombombe maßgeblich unterstützt, und damit großen Anteil am "Gleichgewicht des Schreckens" im kalten Krieg.
Macintyre hat das Buch sehr gut und tiefgehend recherchiert. Dabei schafft er es eine Distanz zu den Protagonisten aufzubauen, und bei dem turbulenten Zeiten eine recht distanzierte Sicht darzustellen. Die Motivation der Handelnden ist für jemanden, der weitgehend in friedlichen Zeiten lebte, schwer nachzuvollziehen.
Aufgrund der großen Anzahl der Protagonisten und großer Detailtreue hat der Bericht manchmal Längen, und ist dann nicht einfach zu lesen.
Für den historisch interessierten Leser ist das Buch jedoch sehr lesenswert.

Bewertung vom 30.10.2022
Naumann, Kati

Die Sehnsucht nach Licht


ausgezeichnet

Familiengeschichte im Bergbau des Erzgebirges
Thema des Romans ist die Geschichte einer Bergarbeiterfamilie im Lagerstättenrevier Schlema-Alberoda (Erzgebirge). Die fiktiven Geschehnisse erstrecken sich im Zeitraum 1908 bis 2019. In zwei Handlungssträngen wird die Geschichte der Familie Steiner erzählt, einer in der Vergangenheit und einer mehr in der Gegenwart, in der die Tochter Luisa die Umstände des Verschwindens ihres Urgroßonkels Rudolf ermitteln will.
Dabei gibt es sehr gut recherchierte Bezüge zu Alltag, Bräuchen und Traditionen im Schlemaer Revier. Auch die historischen Hintergründe in regionaler und überregionaler Politik (zwei Weltkriege, Besatzung, Uranbergbau, Wendezeit) werden anschaulich und spannend wiedergegeben.
Durch den empathischen Erzählstil von Kati Naumann war der Roman sehr spannend und flüssig zu lesen. Es ist eine lohnende und mitreißende Lektüre, in der ich mit den Protagonisten regelrecht mitgefühlt habe.

Bewertung vom 27.10.2022
Saint, Jennifer

Elektra, die hell Leuchtende


sehr gut

Für Freunde der griechischen Mythologie

Der Roman erzählt die Geschichte um die mykenische Königsfamilie aus der griechischen Mythologie. Die klassische sophokleische Trägodie wird im Roman aus der Perspektive der Frauen, insbesondere der Mutter Klytämnestra und (ihrer Tochter) Elektra geschildert.
Dabei folgt Jennifer Saint recht genau der Handlung des ursprünglichen Mythos. Es geht wie hier um das Leid und dem daraus entstehenden Kreislauf der Rache. Nach dem Prinzip der Selbstjustiz wird Leid mit Leid beglichen, Tod durch Tod gerächt. Es stellt sich die Frage, ob diese Verhaltensweise gerechtfertigt ist.
Durfte Klytämnestra Agamemnon umbringen, da dieser doch ihre Tochter Iphigenie opferte? War Elektra dann nicht genauso im Recht, als sie Rache an Klytämnestra forderte, da sie den Tod ihres Vaters durch die Mutter erleben musste?
Diese Fragen stellen sich dem Leser, und führen zum Mitleid, der Empathie.
Interessanter Lesestoff für Freunde der griechischen Tragödie und der Mythologie.

Bewertung vom 28.09.2022
Aramburu, Fernando

Die Mauersegler


sehr gut

Lesenswert: Ein Leben in Madrid
Toni ist Philosophielehrer, Mitte 50 und will sich umbringen. Er plant seinem Leben in genau einem Jahr ein Ende zu setzen. Ab jetzt führt er Tagebuch und lässt darin sein Leben Revue passieren.
Die Geschichte wird durch Aramburo in Form von täglichen Tagebucheinträgen wieder gegeben. Sie spielt in Madrid, auch die neuere Historie Spaniens wird integriert. Aramburo beschreibt das Leben des Toni und seinen vielschichtigen Beziehungen zu seiner Familie, den Frauen, seinen Freunden und seiner Hündin Pepa.
Aramburo ist ein sehr guter Beobachter der Protagonisten. Humorvoll und tiefgründig rechnet er mit der Kommunikationsunfähigkeit und Oberflächlichkeit ab.
Nach einem etwas holprigen Anfang habe ich als jemand, der länger in Madrid gelebt hat, die Lektüre genossen, und an mancher Stelle herzlich gelacht.
Deshalb gebe ich an dieser Stelle eine klare Leseempfehlung.

Bewertung vom 03.09.2022
Brandner, Michael

Kerl aus Koks


sehr gut

Lebensgeschichte im Pott
Michael Brandner erzählt eine bewegte Lebensgeschichte mit autobiographischen Zügen.
Wir erfahren vom Leben von Paul, der früh aus Bayern in den Pott um Dortmund verfrachtet wird. Dabei ist unser Held ein genauer Beobachter seines Umfeldes, und angetrieben von großer Neugier betrachtet er dieses und die Menschen in ihm mit großem Interesse, aber stets mit grundsätzlichem Wohlwollen.
Die Geschichte spielt in den 50er bis in die 90er Jahre des letzten Jahrhunderts und weit zahlreiche Bezüge in die Geschichte dieser Jahre auf. Sie ist unterhaltsam und flüssig geschrieben, und ist dadurch gut lesbar.
Die letzten Seiten haben inhaltliche Längen. Als Pauls Leben als Schauspieler in ruhigeres Fahrwasser gelangt wird auch die Story gemächlicher.
Besonders gefallen hat mir im Buch die optimistische Grundeinstellung des Protagonisten. So geniesst er den Umgang mit allen Menschen, und gerade deren Fehler machen diese für ihn interessant. Paul ist ein mutiger und charmanter Mensch, der in der Gegenwart glücklich sein kann ohne sich durch Vergangenheit oder Zukunft einengen zu lassen.
Insgesamt ist es lesenswertes Buch, besonders auch für die Generation die denselben Zeitraum in Deutschlnd erlebt hat.

Bewertung vom 22.08.2022
vor Schulte, Stefanie

Schlangen im Garten


ausgezeichnet

Eine Familie trauert

Das Thema von Stefanie vor Schulte in ihrem Buch "Schlangen im Garten" ist die Trauer. Die Mutter der Familie Mohn, Johanne, ist verstorben. Der Vater Adam, der älteste Sohn Steve, die Tochter Linne und der Jüngste, Micha, haben ihre eigene Art mit dem Tod der Mutter umzugehen.
In der Nachbarschaft und auch beim "Traueramt" stößt die Familie durch ihre Art zu trauern auf Argwohn und Ablehnung.
Sie möchten Johanne in Form von, vielleicht nicht realen, Geschichten in Erinnerung behalten.
Eigenwillig, sympathisch und sehr individuell gehen die Handelnden mit ihrer Situation um. Dabei erzählt die Autorin die Geschichte aus unterschiedlichen Perspektiven, sowohl aus der Sicht der Hinterbliebenen als auch der Sicht der Kndheit der Mutter.
In meist knappen Sätzen schreibt die Autorin die Geschichten des Romans. In kurzen Kapiteln werden die Verhältnisse der einzelnen Personen zueinander analysiert. Der Text ist in kräftig bildhafter, oft metaphorischer Sprache verfaßt.
Die Familie lernt mit der Trauer umzugehen, und findet einen gemeinsamen Weg zurück in das Leben in der Gegenwart und der Zukunft.
Der Roman hat mich emotional berührt, und die Lektüre war ein Genuß. Ich habe eine Vielzahl von Anregungen und Denkanstößen zum Thema erhalten.

Bewertung vom 15.08.2022
Storm, Andreas

Das neunte Gemälde / Lennard Lomberg Bd.1


sehr gut

Thema Beutekunst
Mit Andreas Storms Roman "Das neunte Gemälde" beginnt die Krimireihe um den Kunstexperten Lennard Lohberg. Die Handlung ist über drei Zeitschienen verteilt, den 2. Welkrieg in Paris, die 60er Jahre des Wirtschaftswunders und die Gegenwart. Storm verknüpft diese Ebenen virtuos, und schafft so insgesamt einen spannenden Handlungablauf des Kunstraubes.
Der Roman liefert eine anschauliche Einführung in das Thema Beutekunst mit solider kunstgeschichtlicher Basis. Auch die geschichtlichen Aspekte der Zeitläufte in Deutschland / der Bundesrepublik werden fundiert wiedergegeben.
Interessant sind auch die Bescheibungen von Charakter und Motivation der handelnden Personen.
Etwas anstrengend ist stellenweise der journalistische Stil der geschilderten Abläufe. Dieser dient jedoch gleichzeitig der guten Verständlichkeit der Zusammenhänge der Handlungs- und Zeitebenen.
Insgesamt stellt das Buch eine lohnende Lektüre für Freunde des Kunst-Kriminalromanes dar, die neugierig auf weitere Lennard Lomberg Krimis macht.

Bewertung vom 06.08.2022
Bernard, Caroline

Die Wagemutige


ausgezeichnet

Widerstandskämpferin im Exil
Caroline Bernhard verarbeitet Teile der Biographie der historischen Lisa Fittko, einer Widerstandskämpferin gegen die nationalsozialistische Diktatur in Deutschland.
Dabei konzentriert C. Bernhard sich auf die Jahre 1940 unf 1941 der Lisa in Südfrankreich. Mutig und zupackend unterstützt die Heldin des Romans die SchicksalsgenossInnen ihrer Umgebung im Exil. Schließlich setzt sie ihren Kampf gegen das Regime fort indem sie als Fluchthelferin zur Rettung zahlreicher Menschenleben beitragen kann.
Der Charakter der Lisa im Romanes wird im Spannungsumfeld des Einsatzes für Andere und dem Wunsch ein normales Leben führen zu wollen packend dargestellt. In die historischen Ereignisse ist eine Liebesgeschichte so integriert worden, das sie nicht nur nicht stört, sondern an der guten Lesbarkeit des Romanes großen Anteil hat.
Gefallen hat mir besonders auch die Beschreibung der landschaftlichen Umgebung in den Pyrenäen und von Marseille.
Ich habe das Buch in einem Zug gelesen und stufe es als lesenswert ein.

Bewertung vom 24.07.2022
Capus, Alex

Susanna


ausgezeichnet

Fesselnde Auswanderergeschichte
Die Brooklyn Bridge auf dem Titel versinnbildlicht als damals revolutionäres Ingenieursmeisterwerk die Wandlungen der in dem Roman beschriebenen Umgebung sowie der Romanhandlung recht gut.
Immer nah an den historischen Ereignissen wird das Leben der aus Basel stammenden Susanna beschrieben. Mutig und neugierig erobert die Auswanderin ihre neue Umgebung in Amerika. Die Abenteuer der Romanheldin sind fesselnd und unterhaltend. In bildhaft schöner und eindrücklicher Weise werden die tiefgreifenden technischen, wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen der Epoche der Industrialisierung und technischen Erfindungen (Elektrizität) von Alex Capus wieder gegeben.
Ein zentrales Thema wird im Verlauf des Buches der Gegensatz zwischen dem Luxus in den Städten und dem Leben der Ureinwohner, für die sich Susanna schließlich einsetzt.
Ein Lesevergnügen besonders für historisch interessierte Leser.