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haberlei
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Wien
Über mich: 
Begeisterte Leserin von Krimis, Thrillern, Humorvollem, historischen (Frauen-)Romanen, Biografien

Bewertungen

Insgesamt 308 Bewertungen
Bewertung vom 01.11.2024
Tote singen selten schief
Nentwich, Vera

Tote singen selten schief


sehr gut

Unfall oder Mord?

„Tote singen selten schief“ von Vera Nentwich ist bereits der achte Band der unterhaltsamen Cosy-Krimi-Reihe mit Sabine (Biene) Hagen als Privatdetektivin.

Worum geht es?
Kaum hat sich Biene entschlossen, im Frauenchor mitzusingen, da kommt die Vorsitzende des Chors bei einem Unfall ums Leben. Die Chormitglieder bitten Biene um detektivische Unterstützung. Sie glauben im Gegensatz zur Polizei nicht an einen reinen Radunfall. Biene checkt das Umfeld des Opfers und stößt auf einige Motive: es gab Streitigkeiten, auch Eifersucht war im Spiel. Nebenbei begibt sich Biene noch auf die Suche nach Omas gestohlenem Fahrrad und auch der Jugendfreund ihres Kompagnons bringt Unruhe in ihr Leben.

Das frisch-fröhlich bunte Cover passt so richtig gut zum Genre Wohlfühlkrimi. Zudem passt es auch stilmäßig zu den Vorgängerbänden. Das Buch erschien 2024. Die Kapitel haben eine angenehme Länge, verfügen weder über Zeit- noch Ortsangaben. Die Handlung spielt in der nicht näher bestimmbaren Gegenwart in Grefrath, Nordrhein-Westfalen. Ich hätte gerne einen Ortsplan von Grefrath und Umgebung gehabt oder eine ungefähre Skizze, wo sich Biene bei ihren Recherchen bewegt. Immerhin sind ja stets genaue Straßennamen angegeben. Manchmal hätte ich die Route gerne verfolgt. Der Schreibstil ist flüssig, dialogreich und humorvoll.

Ich bin beim vorherigen Band neu in die Reihe eingestiegen. Somit war mir der relevante Personenkreis bereits vertraut. Es ist sicher für Quereinsteiger auch bei diesem Band kein Problem, in den Fall und Bienes Umfeld hineinzukommen. Um Sabines Entwicklung und Vorgeschichte wirklich nachvollziehen zu können, müsste man mit Band eins beginnen.

Die Spannung liegt, wie bei jedem Whodunit-Krimi primär in der Frage, wer die Tat beging und auch warum. Das Umfeld des Opfers bietet wenig Ansatzpunkte für Feindschaften. Die Ermittlungen gehen nur langsam voran, stützen sich zunächst auf fadenscheinige Informationen und Gerüchte. Zudem muss sich Biene auch noch so nebenbei um das gestohlene Fahrrad ihrer Oma kümmern. Der Kreis der Verdächtigen ist zwar überschaubar, doch relativ bald verdichten sich die Verdachtsmomente rund um eine bestimmte Person, die sich letztlich als gefährlicher entpuppt als zu erwarten war. Dank Bienes Hinweisen und einer geschickten Initiative des Chors kann die Polizei schließlich diese Person festnehmen.

Eigentlich besteht die Detektei aus zwei Personen, Jago und Sabine. Doch im Mittelpunkt des Romans steht eindeutig Sabine, aus deren Perspektive auch in Ich-Form erzählt wird. Man befindet sich somit mitten im Fall bzw. eigentlich in Bienes Leben. Man ist nicht nur Zeuge all ihrer Befragungen und Aktionen, sondern kann all ihre Gedankengänge mit verfolgen, auch ihre Fehleinschätzungen und Hoppalas, was erfrischend wirkt und oftmals einen zum Schmunzeln bringt. Denn Biene spricht und handelt vorrangig ohne viel nachzudenken und gerät durch ihre Impulsivität immer wieder in prekäre bis gefährliche Situationen.

Sehr im Vordergrund steht auch Sabines Privatleben. Neben den Ermittlungen liegt der Fokus des Romans nämlich auf den zwischenmenschlichen Beziehungen, auf Sabines wunderbarer, verständnisvoller Großmutter, ihrem Freundeskreis und ihren Beziehungen zu Männern. Da gibt es einerseits ihren langjährigen Ex-Freund Jochen, mit dem sie natürlich, da er bei der Polizei ist, im Zuge ihrer Ermittlungen immer wieder Kontakt hat, und andererseits ist da Chris, der attraktive Jugendfreund Jagos, der auf Besuch in Grefrath weilt.

„Tote singen selten schief“ ist ein Wohlfühl-Krimi mit liebenswürdigen Charakteren, spannend und vor allem vergnüglich zu lesen.

Bewertung vom 20.10.2024
Wenn die Welt nach Sommer riecht
Dutzler, Herbert

Wenn die Welt nach Sommer riecht


ausgezeichnet

Die Zeiten ändern sich – die 70er Jahre

Nach „Die Welt war eine Murmel“ und „Die Welt war voller Fragen“ nimmt Herbert Dutzler mit „Wenn die Welt nach Sommer riecht“ die Leser wiederum mit auf eine Zeitreise in die 70er-Jahre.

Worum geht es?
Der erwachsene Siegfried räumt nach dem Tod der Mutter das Elternhaus. Anhand von Fotos erinnert er sich an Begebenheiten aus seiner Teenager- bzw. Schulzeit, die technische Neuerungen, an Hits und Filme der damaligen Zeit, die Hippie-Bewegung und die erste Verliebtheit.

Wie die Vorgängerbände ist auch dieses Buch eine edel ausgeführte Hardcover-Ausgabe mit Lesebändchen. Das Cover verströmt Sommerfeeling. Das Buch erschien 2024 und ist in elf kurze Kapitel mit Überschriften unterteilt. Der Schreibstil ist flüssig und humorvoll. Es wechseln sich die Erzählungen aus der Kindheit mit den Gedanken bzw. der heutigen Meinung des zurückblickenden erwachsenen Siegfried ab, letztere sind in Kursivschrift gehalten. Ich bin seit dem ersten Band ein Fan dieser Reihe, holt sie doch unzählige Erinnerungen an meine eigene Jugend ins Gedächtnis. Die Bücher sind jeweils unabhängig voneinander lesbar. Trotzdem, man sollte sich alle gönnen, nicht nur um den Reifeprozess des Jungen mitzuerleben, sondern insbesondere den Wandel der Zeit.

Der Gymnasiast Siegfried ist ein intelligenter Junge voller Wissensdurst, der lieber liest als Sport zu betreiben, der nicht nur gerne isst, sondern sich auch fürs Kochen interessiert, was dem damaligen Rollenbild so gar nicht entspricht. Er hinterfragt alles, was die Lehrer meist als vorlaut und frech empfinden. So kassiert er statt Anerkennung negative Klassenbucheintragungen. Nicht nur im Gymnasium gibt es Probleme, sondern auch im Elternhaus, wo die zunehmenden Eigenständigkeitsbestrebungen der Mutter – sie geht arbeiten, fährt Auto und geht im Urlaub eigenen Hobbys nach – zu Streitigkeiten führen.

Die handelnden Personen wirken generell sehr lebendig, gut vorstellbar und authentisch, auch Nebenfiguren wie Verwandte, Lehrkörper oder Schulkameraden. Sigi steht natürlich im Mittelpunkt. Er ist an allem interessiert, was in der Welt geschieht, schaut über die Grenzen des kleinen Ortes hinaus. Er erkennt, wie wichtig Fremdsprachen sind und lernt mit Begeisterung Englisch. Wie alle Teenager dieser Zeit würde er gerne Trends wie lange Haare und legere Kleidung mitmachen, stößt hier aber bei den konservativen Eltern auf Grenzen.

Was ich an dieser Reihe so liebe ist, dass sie so viele Erinnerungen an die eigene Jugend weckt. An das Umfeld, von Mode und Schlagern angefangen bis zu politischen Ereignissen und technischen Neuerungen. Wie sporadisch seinerzeit die Urlaubsquartiere waren! Ja, solche Urlaube erlebte ich auch. Keine üppigen Frühstücksbuffets, kein eigenes WC, selbst Warmwasser war keine Selbstverständlichkeit im Zimmer. Wie Sigi habe ich gerne gelesen, nicht nur ebenfalls Karl May, sondern auch die Bücher von Thor Heyerdahl und natürlich auch die Zeitschrift Bravo. Amüsiert las ich von Sigis Schokopudding mit Himbeersirup, denn das gab es auch bei uns daheim und ich habe es geliebt.

Mir hat der Roman großes Lesevergnügen bereitet, mich animiert, in den eignen Fotoalben von damals zu blättern und ein bisschen in der Nostalgie zu versinken. Ich empfehle dieses Buch nicht nur Gleichaltrigen. Es ist doch sicher auch für jüngere Leser interessant, ein wenig in das Leben ihrer Großeltern einzutauchen.
Eine unbedingte Leseempfehlung!

Bewertung vom 20.10.2024
Wintersonnenwende / Wolf und Berg ermitteln Bd.2
Engman, Pascal;Selåker, Johannes

Wintersonnenwende / Wolf und Berg ermitteln Bd.2


ausgezeichnet

Sehr spannend, aber keine Wohlfühlatmosphäre

„Wintersonnenwende“ von Pascal Engman & Johannes Selåker ist ein packender Kriminalroman, der zweite Band nach „Sommersonnenwende“ mit den Protagonistin Tomas Wolf und Lars Johansson (Zingo) sowie der Kriminaljournalisten Vera Berg.

Worum geht es?
Im Zuge eines Mordes im Rotlichtmilieu flieht eine nackte junge Frau. Sowohl die Polizei fahndet nach dieser Frau als auch die Journalistin Vera Berg. War sie Zeugin der Tat? Oder die Mörderin? Im Zuge ihrer Recherchen stoßen sie nicht nur auf weitere Mordopfer, der Fall nimmt ein ungeahntes Ausmaß an.

Das Cover stimmt gut auf die eisigkalte winterliche Atmosphäre in Schweden ein. Das Buch erschien 2023 unter dem Originaltitel „Skammens väg“ (Der Weg der Schande), die deutsche Ausgabe 2024, übersetzt von Ulla Ackermann. Die Handlung spielt im Jahr 1995, beginnend in der Silvesternacht, endend im März, abgesehen vom Prolog, der am 28. September 1994 (dem Tag, als die MS Estonia versank) stattfindet. Der Roman gliedert sich in Prolog, Epilog und fünf Teile. Der Schreibstil ist flüssig, atmosphärisch und mitreißend. Die Kapitel sind kurz, mit Zeitangaben versehen. Vorkommnisse jener Zeit sind hie und da eingestreut, auch der Stand der damaligen Technik, wie Nokia- und Motorola-Handys unterstreichen die Zeitepoche.

Grundsätzlich konnte ich der Handlung ohne Kenntnis des Vorgängerbandes problemlos folgen, auch dank diverser kurzer Hinweise auf vorherige Geschehnisse. Nichtsdestotrotz denke ich, dass man beide Bände in richtiger Reihenfolge lesen sollte, um den privaten Part der Protagonisten und deren Entwicklung noch besser zu verstehen.

Das Buch ist ab der ersten Seite spannend. Man fühlt sofort Sympathie mit Ellen, die Hals über Kopf flieht, nachdem ihr Freier erschossen wurde. Sie lebt unter einem Decknamen. Welches Geheimnis umgibt sie? Sowohl die Ermittler Tomas Wolf und Zingo suchen fieberhaft nach ihr, als auch die Kriminaljournalistin Vera Berg, jeweils zunächst unabhängig voneinander, doch letztlich erkennen sie, dass sie nur durch Zusammenarbeit weiterkommen. Zwischendurch erfährt man auch, wie es Ellen schafft sich zu verbergen. Dadurch ergeben sich drei Handlungsstränge. Die daraus resultierenden Orts- und Perspektivenwechsel gestalten die Handlung tempo- und abwechslungsreich. Cliffhanger sorgen zudem dafür, dass man das Buch kaum zur Seite legen möchte, auch wenn ich manche Szene fast unerträglich menschenverachtend und brutal empfand, vor allem weil ich fürchte, dass das nicht völlig erfunden wurde. Die Handlung spielt nun einmal in keinem Wohlfühl-Milieu, sondern im Rotlichtmilieu, und dort auf unterster Ebene, u.a. auf der Straße der Schande. Die Recherchen entpuppen sich als einigermaßen gefährlich für die Ermittler, die Jagd nach dem Mörder erweist sich als mühsam, Spuren versiegen, unerwartete Wendungen eröffnen neue Perspektiven, bis sich alles auf einem Punkt fokussiert, wo in einem dramatischen Finale der Täter entlarvt und Ellens Geschichte sich völlig aufklärt.

Die beiden polizeilichen Ermittler Tomas und Zingo wirken beide psychisch schwer angeschlagen. Es ist einiges angedeutet, doch denke ich, dass mir zum völligen Verständnis ihrer Charaktere doch der erste Band fehlte. Die beiden bilden ein hervorragendes, eingespieltes Team, sind gute Freunde und wissen von den Problemen des anderen. Sie achten aufeinander, ohne zu sehr in den anderen eindringen zu wollen. Zingo konnte ich noch schwerer abschätzen als Tomas, der offensichtlich schon eine schwierige Kindheit und Jugend hinter sich hat und zudem bei einem Kriegseinsatz traumatisiert wurde. Seit der Scheidung tut er sich auch schwer, den Kontakt zu seinen Kindern zu halten. Auch Vera Bergs extensiver beruflicher Einsatz erschwert ihr die Obsorge für einen Jungen, den sie sehr liebt, den Sohn ihres Ex-Freundes. Auch hier fehlten mir die Details aus dem ersten Band.

„Wintersonnenwende“ war einerseits für mich ein Pageturner, spannungs- und actionreich, voller Überraschungen, und unerwarteter Wendungen, andererseits waren für mich die Einblicke ins unterste Prostituiertenmilieu schwer zu ertragen. Das Ende des Romans lässt auf eine Fortsetzung hoffen. Verbunden mit dem Ratschlag, unbedingt Band 1 vorher zu lesen, empfehle ich dieses Buch gerne weiter und vergebe 5 Sterne.

Bewertung vom 12.10.2024
Die toten Engel vom Montmartre
Laffite, René

Die toten Engel vom Montmartre


ausgezeichnet

Grausame, mysteriöse Morde und französisches Savoir vivre

„Die toten Engel vom Montmartre“ von René Laffite (alias Christian Schleifer), ist ein sowohl spannender wie unterhaltsamer Wohlfühlkrimi mit wunderbarem Pariser Flair und mit außergewöhnlichen Protagonisten.

Worum geht es?
Zwei abschreckend zugerichtete Leichen von Künstlerinnen geben Rätsel auf. Commissaire Geneviève Morel stößt bei ihren Ermittlungen auf geheim gehaltene Akten und Informationssperren. Auch ihre Großmutter Mamie heckt irgendetwas aus … Wird Geneviève alle Geheimnis lüften können?

Schon das Cover mit dem Moulin Rouge und dem typischen Pariser Straßenbild verbreitet wohliges französisches Flair. Das Buch erschien 2024. Die Handlung spielt in der nicht näher bestimmten Gegenwart. Der Schreibstil ist flüssig, sehr bildhaft, reich an Sehnsucht hervorrufendem Lokalkolorit, das durch französische Ausdrücke gut dosiert unterstrichen wird. Der Autor führt einen an versteckte Plätze und macht durch all die kulinarischen Genüsse Appetit und Lust auf eine Reise nach Paris. Die kleine Landkarte des 18. Arrondissement mit Sacré Coeur im Mittelpunkt bietet eine gute Übersicht über den Bereich, wo Geneviève lebt bzw. ermittelt. Die Kapitel sind angenehm kurz, tragen Überschriften, verfügen jedoch weder über Zeit- noch Ortsangaben.

Es handelt sich bereits um den zweiten Band dieser Reihe. Als Neueinsteigerin hatte ich grundsätzlich kein Problem, dem Fall an und für sich zu folgen. Auch den relevanten Personenkreis und deren Beziehungen überblickte ich rasch. Es sind auch ausreichend Anmerkungen und Hinweise zum Vorgängerband eingeflochten. Meine Neugier auf den ersten Fall wurde jedenfalls geweckt.

Die Ermittlungen bei diesem mysteriösen Fall gestalten sich für Geneviève und ihr Team als schwierig, da ihr selbst innerhalb des Polizeiapparates Informationen vorenthalten werden und die Pariser Spezialeinheit BRI den Fall an sich ziehen möchte. Geneviève tappt lange im Dunkeln, doch sie lässt nicht locker. Je mehr Informationen Geneviève zusammenträgt, desto überraschendere Zusammenhänge werden offenbar. Allerdings kommt sie dem Täter gefährlich nahe, sie entgeht nur knapp einem Anschlag. Letztendlich führen ihre Recherchen zum Erfolg. Nach einem dramatischen, actionreichen Finale ist alles schlüssig geklärt: Das Motiv, die Hintergründe für die Morde an den Künstlerinnen und die Täterschaft.

Wunderbar aufgelockert wird die polizeiliche Ermittlungsarbeit nicht nur durch die anschaulichen Streifzüge durch Paris, sondern auch durch Einblicke ins Privatleben von Geneviève. Insbesondere die Aktionen ihrer Großmutter Mamie amüsierten mich sehr. Sie ist einfach umwerfend, ob sie nun die reiche Lady hervorkehrt oder verkleidet ihre Kunstdiebstähle abwickelt. Eine wirklich originelle Idee des Autors: Geneviève als Kriminalbeamtin ist quasi das „schwarze“ Schaf innerhalb einer kriminellen Großfamilie.

Generell sind die Charaktere facettenreich und lebendig dargestellt, und zwar nicht nur Geneviève. So zeigt sich auch ihre intelligente, tüchtige Assistentin Lunette diesmal von einer Seite, die man nicht von ihr erwartet hätte. Geneviève weiß sich selbstbewusst durchzusetzen, liebt ihre Ungebundenheit, wodurch sie gewisse Probleme hat, ihr Verhältnis zu Dr. Henry Martel zu vertiefen. Es wird interessant, wie sich deren Liebesbeziehung weiter entwickeln wird. Mamie ist meine Lieblingsfigur in diesem Krimi. Sie ist unbestritten das Oberhaupt der Familie, zieht die Fäden, ist bestens vernetzt und verfügt über derart weitreichende Kontakte, dass sie sogar ihrer Enkelin bei den Ermittlungen Tipps geben kann. Ihre Pläne sind einfach genial, ihre raffinierten Aktionen haben mich köstlich unterhalten.

Mit einem Wort: Dieses Buch zu lesen, hat schlicht und einfach sehr viel Spaß gemacht. Und natürlich Lust auf weitere Pariser Kriminalfälle aus der Feder von René Laffite.
Unbedingte Leseempfehlung und 5 Sterne sowieso.

Bewertung vom 06.10.2024
Wer zu spät kommt, den belohnt das Leben
Günak, Kristina

Wer zu spät kommt, den belohnt das Leben


sehr gut

Vom Glück der Zufriedenheit

„Wer zu spät kommt, den belohnt das Leben“ von Kristina Günak ist ein lockerer, unterhaltsamer Roman, dessen Kernthema „Reduktion“ zum Nachdenken anregt.

Worum geht es?
Die Journalistin Ella Mohnbaum hat nach ihrer Scheidung das Haus verkauft, ihre erwachsenen Söhne sind in eine WG gezogen. Ihr Plan: sich total zu reduzieren, auf ein Jahr in ein Tiny House zu ziehen und darüber eine Doku zu drehen. Doch dann kommt alles ganz anders …

Das Cover ist unspektakulär, ganz schlicht gehalten, symbolisiert das einfache Leben in einem kleinen Häuschen mitten unter viel Natur. Das Buch erschien 2024. Die kurzen Kapitel tragen Überschriften, verfügen weder über Orts- noch über genauere Zeitangaben. Die Handlung spielt in der Gegenwart, man begleitet die Protagonistin ein Jahr lang bei ihrem Projekt. Der Schreibstil ist flüssig, locker und humorvoll. Die Kernthematik, mit so wenig materiellem Besitz wie möglich auszukommen, nachhaltiger zu leben, regt zum Nachdenken an. So nebenbei erfährt man so einiges über biologischen Obstanbau.

Sehr anschaulich erlebt man Ellas mutigen Umstieg mit. Trennen, Loslassen, Alleinsein, all das fällt ihr doch nicht so leicht, wie sie dachte. Im Laufe der Handlung macht sie eine Wandlung durch. Nach und nach findet sie zu sich selbst, was in ihrem bisherigen Leben, das geprägt war von beruflichem Stress und familiären Alltagsverpflichtungen, nicht möglich war. Anfangs fühlt sie sich manchmal einsam. Es dauert einige Zeit, bis sie in die kleine Gemeinschaft integriert ist. Sie findet letztlich nicht nur Hilfsbereitschaft, sondern wahre Freunde und eine neue Liebe. Somit läuft ihr Projekt darauf hinaus, dass es nicht so sehr um Verzicht geht, sondern eher darum Neues zu entdecken, vor allem den Wert von Gemeinschaft und Freundschaft. Denn das berührte mich an der Geschichte am meisten: der Zusammenhalt dieser kleinen Gruppe, die aus durchwegs unterschiedlichen Charakteren besteht. Man zeigt Verständnis füreinander, übt Toleranz, zeigt Mitgefühl, packt gemeinsam mit an und hält in Krisen fest zusammen.

Die Handlung verläuft anfangs eher ruhig. Ab etwa der Hälfte wird es abwechslungsreicher, weil einerseits die übrigen Bewohner der Tiny House-Siedlung anhand ihrer Lebensgeschichten an Struktur gewinnen, andererseits wird es emotioneller, weil Trauer und Liebe ins Spiel kommen und dramatische Ereignisse für Spannung sorgen. Vor allem das beschriebene Hochwasser war aufgrund der aktuellen Überschwemmungen in Österreich für mich sehr intensiv nachfühlbar.

Es sind lauter sympathische Menschen, die diesen Roman bevölkern. Man fühlt sich beim Lesen in ihrer Gesellschaft auch sehr wohl, in all der Harmonie versinkt man in einer scheinbar heilen Welt, in der nach dem Motto „Alle für einen“ jede Krise bewältigt werden kann. Die Charaktere sind gut vorstellbar und lebendig gezeichnet, insbesondere die Hauptgestalten zeigen Stärken und Schwächen und Emotionen. Trotzdem wurde ich mit Ella nie richtig warm. Mich persönlich beeindruckte zwar die mutige Entscheidung der Protagonistin, identifizieren konnte ich mich jedoch weder mit der Person Ella noch mit der gesamten Handlung, mit diesem „einfachen“ Leben. Vermutlich weil es meinem Wesen so gar nicht entspricht. Auch die Entwicklung der Liebesbeziehung hat mich nicht völlig überzeugt. Dennoch kam letztlich die finale Aussage des Romans, dass man Glück und Zufriedenheit im Weniger findet (Seite 291), bei mir an.

Das Buch ist lesenswert und anregend, sich darüber Gedanken zu machen, wie viel überflüssige Dinge man eigentlich besitzt und ob man nicht mit weniger Kram besser leben könnte.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.10.2024
Der Tandler und der Tod
Reichmann, Eva

Der Tandler und der Tod


ausgezeichnet

Erben kann gefährlich sein

„Der Tandler und der Tod “ von Eva Reichmann ist ein spannender Regionalkrimi, der Auftakt zu einer neuen Krimireihe, mit einem Entrümpler als Protagonisten.

Worum geht es?
Sebastian Tandler erhält den Auftrag, ein Schloss zu entrümpeln und findet zufällig mysteriöse Briefe, die auf ein Verbrechen hindeuten. Je mehr er sich in die Sache vertieft, desto komplizierter wird nicht nur der Fall, sondern es wird sogar lebensgefährlich …

Das Cover mit der Silhouette der Linzer Kirche am Pöstlingberg ist durch den orangeroten Hintergrund nicht nur ein Eyecatcher, sondern die Farbe strahlt auch Fröhliches, Sonniges aus. Das Buch erschien 2023. Die Handlung spielt in der Gegenwart in Linz und Umgebung. Die Kapitel haben eine angenehme Länge, weisen weder Zeit- noch Ortsangaben auf. Der Schreibstil ist flüssig, leicht humorvoll, wobei die Autorin zu sehr detaillierten Beschreibungen neigt, was zwar durchaus informativ ist, doch etwas spannungsbremsend wirkt. Das Lokalkolorit ist gut dosiert mit der Handlung verwoben, hebt durchaus Besonderheiten der Stadt Linz bzw. der Region hervor, und wird durch die Verwendung österreichischer Begriffe unterstrichen. Als Wienerin habe ich mich von Beginn an sprachlich sehr wohl gefühlt. Für Nicht-Österreicher gibt es am Ende des Buches ein erklärendes Glossar.

Die Handlung entwickelt sich langsam. Zunächst lernt man relativ ausführlich die relevanten Personen kennen, insbesondere die Wesenszüge des Entrümplers, dessen Umfeld und Freunde, sowie seine Arbeitsweise. Als er in einem Möbelstück rätselhafte Briefe findet, beginnt er nachzuforschen. Seine Neugier und sein detektivischer Spürsinn sind geweckt. Je mehr er sich gemeinsam mit der ehemaligen Gesellschafterin der verstorbenen Schlossherrin in die Sache vertieft, desto komplexer wird der Fall. Die Spuren führen in die Vergangenheit, hängen mit den verworrenen Familienverhältnissen der früheren Schlossbesitzer zusammen. Was den umfangreichen Personenkreis anbelangt, noch dazu mit relativ komplizierten Namen, war ich sehr dankbar für das Personenverzeichnis am Beginn des Buches, wo man immer wieder zwischendurch nachschlagen konnte. Die Spannung steigert sich von Kapitel zu Kapitel, die Gefahrenmomente mehren sich. In einem actionreichen und dramatischen Finale klärt sich schließlich alles schlüssig und zufriedenstellend, der Täter landet hinter Schloss und Riegel.

Mit einem Entrümpler als Ermittler ist der Autorin etwas ganz Neues gelungen. Sebastian Tandler, genannt Sebo, personifiziert einen Hobbydetektiv mit gänzlich anderem Zugang zu Kriminalfällen: er ist Geheimnissen auf der Spur, die alte Möbel bzw. private Hinterlassenschaften in sich bergen. Ich mochte den Tandler von Beginn an. Er strahlt Kompetenz und Seriosität aus, verfügt über Fachwissen, schätzt alte Werte, ist verlässlich und verantwortungsvoll. Isis gegenüber ist er zurückhaltend, überstürzt nichts. Fast ist er mir ein bisschen zu fehlerlos. Mit Isis wurde ich noch nicht so richtig warm. Sie ist intelligent, einfallsreich, zickt nie herum, zeigt Mut und wirkt stets sehr vernünftig, mir ist sie fast etwas zu cool. Und ich frage mich, ob sie Sebos stille Zuneigung überhaupt spürt bzw. erwidert. Emotionen, wie Ängste oder Zuneigung, waren für mich nicht spürbar. Es gab zwar romantische Momente, aber es prickelte nicht. Es wird interessant, wie sich die Beziehung zwischen Sebo und Isis in Zukunft entwickeln wird.

Den Krimi bevölkern – signifikant für einen Wohlfühl-Krimi - primär sympathische, freundliche, hilfsbereite Menschen. Das Umfeld vom Tandler ist zudem von einem multi-kulti-Freundeskreis geprägt, von wahren Freunden, auf die er sich in jeder Situation verlassen kann. Im Großen und Ganzen sind die Personen lebendig gezeichnet, gut vorstellbar, nicht nur äußerlich, sondern auch bezüglich spezifischer Merkmale.

„Der Tandler und der Tod “ hat mir spannende Wohlfühl-Lesestunden beschert und Lust auf weitere Abenteuer von Isis und Sebo gemacht. Ich empfehle das Buch gerne weiter und vergebe 5 Punkte.

Bewertung vom 27.09.2024
Unendlicher Friede
Poniewaz, Edward

Unendlicher Friede


sehr gut

Beängstigende Thematik

„Unendlicher Friede“ von Edward Poniewaz ist ein packender Psychothriller, der stellenweise nicht für empfindliche Gemüter geeignet ist.

Kurz zum Inhalt:
Der Psychologe Dr. Stefan Heimer wird von einer jungen schwangeren Frau kontaktiert, die auf Verlangen des Mannes abtreiben soll, weil er die fixe Idee hat, am Tag der Geburt seines Kindes sterben zu müssen. Dr. Heimer gerät beim Versuch, seiner Patientin zu helfen, nicht nur in einen Strudel von undurchschaubaren Verschwörungen, sondern sogar in tödliche Gefahr.

Das Cover mit der romantischen Abendstimmung wirkt auf den ersten Blick anheimelnd, doch das Bild ist von unzähligen Sprüngen überzogen, wie dünnes Eis auf einer Wasserfläche. Denn die Stimmung trügt: Wer sich aufs Eis wagt, droht einzubrechen. Symbolhaft für die Situation des Protagonisten. Irgendwie wagt er sich auch auf sehr, sehr dünnes Eis …

Das Buch erschien 2024. Die kurz gehaltenen Kapitel verfügen weder über Orts- noch Zeitangaben, was beides durchaus begrüßenswert wäre, insbesondere lässt sich die Chronologie schwer nachvollziehen, vor allem auch bei Perspektivenwechsel. Die Handlung spielt in der Gegenwart. Schauplatz ist vorwiegend die Schweiz.

Der Schreibstil ist flüssig, bildhaft, detailreich. Die Handlung ist durch stetige Perspektiven- und Ortswechsel abwechslungsreich und lebendig gestaltet, stellenweise jedoch zu sehr gestrafft. Cliffhanger steigern durchaus die Spannung, allerdings irritierten mich nicht ausreichend erklärte Situationen, wie z.B. von wem und warum jemand entführt wurde, wie und wann die Person wieder frei kam; dies bleibt der Fantasie des Lesers überlassen.

Die Kernthematik des Buches, nämlich die Manipulation des Gedächtnisses, das Verändern von Erinnerungen ist natürlich (noch?) Fiktion, aber dennoch im Zeitalter von KI durchaus beängstigend. Im Übrigen seien eher zart besaitete Leser vorgewarnt. Das Buch enthält einige brutale und verstörende Szenen. Die Handlung ist spannend aufgebaut, vieles ist und bleibt undurchsichtig, man kann oft nicht mehr erkennen, wer die Wahrheit sagt und wer lügt, wer auf Dr. Heimers Seite ist und wer seine Gegner sind. Immer wieder ergeben sich unerwartete Wendungen. Und letztlich ist auch das Ende überraschend und gewissermaßen offen. Es schreit regelrecht nach einer Fortsetzung, macht neugierig auf die weiteren Ereignisse, darauf, wie das Leben von Dr. Heimer weitergeht.

Es ist reichlich psychologisches Fachwissen in die Handlung mit hinein verwoben, ohne zu wissenschaftlich und für Laien unverständlich zu werden, gut dosiert und Interesse weckend. Alles wirkt seriös recherchiert, irgendwo verschwimmen dann die Grenzen vom Realen zum Fiktiven. Ich habe mich immer wieder gefragt, was davon tatsächlich machbar ist/wäre.

Was die Charaktere anbelangt, so hatte ich mit dem Protagonisten Dr. Heimer so meine Probleme. Er war mir von Beginn an sympathisch. Er wirkte seriös, ehrlich und anständig, von hehren Ambitionen beseelt, doch als er diese besondere Patientin kennenlernt, geht seine Professionalität irgendwie verloren. Und für mich seine Glaubwürdigkeit. Er ist über 30 und renommierter Psychologe. Trotzdem lässt er plötzlich sein vorheriges Leben hinter sich, ohne Rücksicht auf Verluste. Er überlässt die gut gehende Praxis seinem Kompagnon. Er agiert wie fremdbestimmt, ist schwer verliebt in seine Patientin und reist ihr hinterher, weil sie seiner Meinung nach in Not ist und seiner Hilfe bedarf. Erstaunlicherweise ist er hart im Nehmen. Er ist wahrlich kein Held-Typ, wächst aber auch körperlich durch die Aufgabe über sich hinaus.
Die anderen handelnden Personen sind durchaus gut vorstellbar und facettenreich gezeichnet, sie zeigen positive und negative Wesenszüge und sind oft nicht durchschaubar.

„Unendlicher Friede“ ist ein packender Thriller, mit einer Thematik, die nachdenklich stimmt. Wer kann denn erahnen, was in Zukunft nicht alles möglich sein könnte!? Das Buch hat mir im Großen und Ganzen gefallen. Nun bin ich gespannt, wie sich die Story weiterentwickeln wird.

Bewertung vom 25.09.2024
Letzte Lese
Ittensohn, Uwe

Letzte Lese


ausgezeichnet

Zweifelhafte Unfälle

„Letzte Lese“ von Uwe Ittensohn ist bereits der 6. Fall, den André Sartorius, Irina Worobjowa und das polizeiliche Ermittler-Duo Frank Achill und Verena Bertling gemeinsam lösen.

Worum geht es?
In einem kleinen pfälzischen Weinort ereignen sich seltsame Unfälle: ein Weinbauer verunglückt beim nächtlichen Lesen, gerät unter seinen Traubenvollernter, und ein Polizist wird unter rätselhaften Umständen überfahren.

Ich bin bereits seit Band vier Fan dieser Reihe. Daher waren mir die Protagonisten bereits vertraut, aber man kommt als Quereinsteiger jederzeit problemlos in die jeweilige Geschichte hinein. Zudem ist das Personenverzeichnis sehr hilfreich, um auch die zahlreichen Nebenfiguren zuordnen zu können. Das Buch erschien 2024. Es ist sehr übersichtlich in angenehm kurze Kapitel unterteilt, jeweils mit Titel, Datums- und Zeitangaben versehen. Letztere sind im Hinblick auf diverse Rückblenden sehr hilfreich. Das Buch spielt im Jahr 2022.

Der Schreibstil ist flüssig, gut beschreibend. Immer wieder sind regionale Besonderheiten in die Handlung mit eingewoben, wie z.B. der Bezug der Region zum Bauernkrieg im 16. Jahrhundert. Das Lokalkolorit wird sprachlich durch den breiten pfälzischen Dialekt der Winzer unterstrichen – durchaus auch für mich als Österreicherin gut verständlich. Einen humorvollen Touch bringen die Dialoge zwischen André und seiner Mitbewohnerin, der jungen Studentin Irina, hinein. Das Cover unterstreicht das Kernthema des Buches, denn der Autor erweist sich sehr versiert in punkto Weinanbau. Dieses Fachwissen fließt jedoch so gut dosiert in die Handlung mit hinein, dass dadurch nie Längen entstehen.

Es beginnt einigermaßen rätselhaft. Welche Verbindung besteht zwischen den Unfällen in dem pfälzischen Weinort und einem Gefangenenaustausch irgendwo im Schwarzen Meer? Sehr vage sind anfangs die Gründe, die André bewegen, die Umstände der angeblichen Unfälle näher zu prüfen. Natürlich wieder mit Hilfe von Irina, die jedoch durch ihre Nachforschungen immer mehr in Schwierigkeiten gerät. Insbesondere der neue zuständige Staatsanwalt hegt Vorurteile gegenüber der gebürtigen Russin und äußert einen schwerwiegenden Verdacht. Lange Zeit rätselt man als Leser einerseits, was tatsächlich hinter den Unfällen steckt, andererseits leidet man mit Irina, der ziemlich schlimm mitgespielt wird. Die stetigen Perspektivenwechsel, unerwartete Wendungen, die Kürze der Kapitel, immer wieder mit einem Cliffhanger endend, erzeugen nicht nur eine temporeiche Handlung, sondern heizen die Spannung an und lassen einen das Buch kaum aus der Hand legen. So nach und nach fügt sich Puzzleteil zu Puzzleteil bis sich letztendlich der Tathergang schlüssig klärt.

Die Protagonisten wirken lebendig und empathisch, zeigen nicht nur Stärken, sondern auch Schwächen und spontane Emotionen. Die fruchtbringende Zusammenarbeit der beiden Kriminalbeamten mit dem privaten Ermittler-Duo basiert auf einer langjährigen Freundschaft, ist geprägt von Vertrauen und Offenheit. Auch die Nebenfiguren sind so anschaulich beschrieben, dass man sich die Personen gut vorstellen kann.

Mir hat „Letzte Lese“ spannende Lesestunden beschert. Ich habe das Miträtseln genossen. Das Buch bietet alles, was ein ausgezeichneter Regionalkrimi beinhalten sollte: sympathische Protagonisten, regionales Flair, einen Schuss Humor und natürlich Spannung und Action. Mit Vorfreude auf den nächsten Fall empfehle ich das Buch gerne weiter und vergebe 5 Sterne.

Bewertung vom 23.09.2024
Abgrundtiefer Hass
Falk, Helene

Abgrundtiefer Hass


ausgezeichnet

Gruseliger Blick in menschliche Abgründe

„Abgrundtiefer Hass“ von Helene Falk ist nach „Seele voll Zorn“ der zweite Band mit Hauptkommissar Mik Kohonen als Ermittler, wiederum ein packender Thriller.

Kurz zum Inhalt:
Am helllichten Tag wird der fünfjährige Yanis entführt. Mit Hilfe Mik Kohonens kann das Kind rasch gefunden werden, doch am Fundort wird auch noch ein Kinderskelett entdeckt. Yanis ist verstört. Er zeichnet Bilder eines schwarzen Vogels. Langsam gelingt es der Psychologin Sofia das Vertrauen des Jungen zu gewinnen, da verschwindet ein weiteres Kind …

Das Cover zieht in erster Linie mit dem groß blutrotgedruckten Titel den Blick auf sich, wirkt ansonsten eher unscheinbar. Die schwarze zerschnittene Feder symbolisiert das Rätsel um den schwarzen Vogel, das sich bis zum Ende durch den Roman zieht. Das Buch erschien 2024. Die kurz gehaltenen Kapitel sind datiert, wodurch in Bezug auf die Rückblenden auf das Jahr 1985 sich die Chronologie sehr gut nachvollziehen lässt und man die Übersicht über gegenwärtige und vergangene Ereignisse behält. Die Handlung spielt im Jahr 2015 und erstreckt sich über rund zwei Wochen. Schauplatz ist Finnland. Der Schreibstil ist flüssig, bildhaft, detailreich. Die Handlung ist durch stetige Perspektiven- und Ortswechsel abwechslungsreich und lebendig gestaltet. Durch die Kürze der Kapitel fliegen die Seiten nur so dahin, man will das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Im Übrigen ist jeder Band für sich abgeschlossen. Soweit erforderlich gibt es Hinweise auf die Vorgeschichte.

Bereits der Prolog jagt einen den Schauer über den Rücken. Gleich auf den nächsten Seiten erlebt man hautnah den Alptraum einer jeden Mutter mit: ihr Kind ist verschwunden, wurde entführt! Man wird somit von Beginn an in den Fall hineingesogen. In mehreren Handlungssträngen entwickelt sich die Geschichte. Die Zusammenhänge scheinen nebulös, vieles ist mysteriös, unheimlich und bedrohlich. Sukzessive mehren sich die Informationen zu jenem Jungen, dessen Skelett im Brunnen lag, doch seine verschlüsselten Tagebucheintragungen geben den Ermittlern lange Rätsel auf. Wie stets lässt Mik Kohonen nicht locker, setzt sich sogar über so manche Vorschriften hinweg. So nach und nach laufen die einzelnen Handlungsfäden ineinander über, unerwartete Wendungen bringen überraschende Erkenntnisse. Ein Verdacht verdichtet sich. Die Spannung steigert sich zunehmend. Die Jagd auf den Bösewicht wird zu einem höchst dramatischen Wettlauf gegen die Zeit. In einem dramatischen Finale klärt sich der Fall völlig überraschend, jedoch schlüssig.

Die Charaktere sowohl des polizeilichen Teams als auch der diversen Nebenfiguren sind gut vorstellbar und lebendig gezeichnet, zeigen Stärken und Schwächen, Emotionen. Im Mittelpunkt steht Mik Kohonen. Er ist nicht nur ein ambitionierter, hartnäckiger und kompetenter Ermittler, sondern verfügt darüber hinaus über einen sechsten Sinn, der ihn sensibilisiert, den rechten Weg weist. Nach wie vor ist er traumatisiert – als Folge eines dienstlichen Autounfalls, bei dem sein Partner schwer verletzt wurde -, doch er bekommt das immer mehr in den Griff. Er fühlt sich immer mehr zu der Psychologin Sofia hingezogen. Es wird interessant, wie sich deren Beziehung weiter entwickelt.

„Abrundtiefer Hass“ ist ein packender Thriller, für mich war es ein richtiger Pageturner. Mit großem Interesse und mit Vorfreude sehe ich weiteren Fällen mit Mik Kohonen entgegen. Unbedingte Leseempfehlung und 5 Sterne!

Bewertung vom 21.09.2024
Kein Tag ohne Luzie
Büchel, Karin

Kein Tag ohne Luzie


ausgezeichnet

Ohne Luzie. Das Leben geht weiter. Anders.

Der Roman „Kein Tag ohne Luzie“ von Karin Büchel basiert auf einer wahren Geschichte. Es wird sehr berührend das Leben einer jungen Frau geschildert, die unter rätselhaften Umständen zu Tode kommt, und wie deren Familie mit diesem Schicksalsschlag zurechtkommt.

Das Cover stellt mit dem groß gedruckten Buchtitel, quasi das Mantra der Familie des Mädchens in den Mittelpunkt. Der Schattenriss einer Sängerin symbolisiert Luzie. Das Buch erschien 2023. Die Kapitel sind kurz, sind mit auf den Inhalt der jeweiligen Abschnitte bezogenen Überschriften versehen. Der Schreibstil ist flüssig. Sehr einfühlsam und lebendig schildert die Autorin das Leben einer Ostberliner Familie, beginnend Ende der 70er Jahre, mit dem Kennenlernen des Elternpaares, als noch die Mauer stand. Die Handlung entwickelt sich weiter, zeigt die glücklichen Jahre, voller Zufriedenheit. Sie führen eine harmonische Ehe, das Leben einer Durchschnittsfamilie mit vier Kindern, geprägt von Arbeit und familiären Alltag. Eine Familie, die stets füreinander da ist. Dieser Zusammenhalt erweist sich als tragende Säule, als das Unglück über die Familie hereinbricht. Als die älteste Tochter Suzie, die als Sängerin in Griechenland ihr Glück suchte, unter mysteriösen Umständen ums Leben kommt. Angeblich Selbstmord beging. Nicht nur, dass der Tod eines geliebten Kindes schon schlimm genug ist, haben die Eltern noch mit allerlei bürokratischen Blockaden und Verschleierung der wahren Todesursache zu kämpfen. Es ist unmöglich, wenn man liest, was diese Familie durchmachen musste, nicht davon betroffen zu sein. Man leidet unweigerlich mit.

Das Hauptaugenmerk des Buches liegt letztlich auf der Offenlegung, wie schwierig es für die Angehörigen ist, mit solchen Schicksalsschlägen fertig zu werden, psychisch natürlich, aber auch, welche behördlichen Hürden zu meistern sind, wie wenig Außenstehende, Menschen, die Ähnliches nicht erlebt haben, sich hineinfühlen können in die seelische Not der Betroffenen. Das Leben geht zwar weiter. Aber das Unaufgeklärte, die offenen Fragen, ungelösten Probleme beschäftigen und beeinflussen die betroffenen Menschen unaufhörlich. Und es fehlen meist die richtigen Gesprächspartner und die kompetenten Stellen, wohin man sich um Hilfe wenden kann und diese auch erhält. Aufgrund der eigenen Erfahrungen und aus Selbsthilfe gründete Luzies Mutter schließlich eine Selbsthilfegruppe, die ANUAS e.V.

Auf der Webseite findet sich folgende Definition: „ANUAS e. V. wurde im November 2008 von der Betroffenen Marion Waade gegründet, da sie feststellen musste, dass es im Fall eines Tötungsdeliktes, eines Angehörigen im Ausland oder auch im Inland, staatliche „Grenzen“ bei Hilfen gibt. Es wird den betroffenen Angehörigen nicht leicht gemacht. Sie werden ausgegrenzt, diskriminiert und stigmatisiert.“

Mich hat das Buch unheimlich bewegt. Einerseits hat mich die Leidensgeschichte dieser Familie betroffen gemacht, andererseits beeindruckte mich der Mut und die Energie von Marion Waade, ein solches Projekt in Angriff zu nehmen und durchzuziehen.

Von mir gibt es eine unbedingte Leseempfehlung und 5 Sterne.