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Sophie

Bewertungen

Insgesamt 167 Bewertungen
Bewertung vom 20.11.2022
Stahl, Karlotta

Verbrechen sind mein Job


sehr gut

Kurz und knapp, mit interessanten Einblicken

Für Krimi-Fans ist Karlotta Stahls Erfahrungsbericht „Verbrechen sind mein Job. Eine junge Staatsanwältin ermittelt“ ein gefundenes Fressen, denn hier wird authentisch und hautnah, dabei aber gut verständlich geschildert, wie Ermittlungen bei einer Straftat wirklich ablaufen – ein Geheimnis, das viele Krimis ja unter einer ordentlichen Portion Halbwissen verstecken. Das einzige Manko dieser hochinteressanten Darstellung ist die Kürze des Buchs.

Auf sehr persönliche und nahbare Weise schildert Staatsanwältin Karlotta Stahl ihren Weg in den Beruf, ihren Berufsalltag und die vielen Schwierigkeiten und Hürden, die es im Alltag zu überwinden gilt. Dabei gibt sie zugleich Einblicke in die polizeiliche Ermittlungsarbeit und den Ablauf im Justizapparat. Untermalt wird dies von ausführlich geschilderten Beispielfällen (natürlich verfremdet, aber authentisch nacherzählt) und Erläuterungen zur Rechtslage. Dabei wird der Tonfall nie dröge und die Erläuterungen nie allzu komplex, sodass man ihr gut folgen kann und am Ende wirklich das Gefühl hat, etwas gelernt zu haben.

„Verbrechen sind mein Job“ richtet sich sicher hauptsächlich an Krimi-Fans, die ihr literarisches Halbwissen überprüfen wollen. Und das schafft das Sachbuch wirklich ganz hervorragend! Auch die gewählten Fälle sind ganz gewiss aufgrund ihres Unterhaltungsfaktors ausgewählt, denn manch einer mutet geradezu absurd komisch an. Aufgrund seiner extremen Kürze (nur gut 200 Seiten bei großzügigem Druck) geht das Buch aber leider nirgends so richtig in die Tiefe. Wer also intensive Einblicke in das Berufsbild einer Staatsanwältin sucht, kommt hier nicht auf seine Kosten. Für einen unterhaltsamen kurzen Blick und die Möglichkeit, beim gemeinsamen Tatort-Gucken mit Insider-Wissen zu glänzen, eignet sich das Büchlein jedoch hervorragend.

Insgesamt ein Sachbuch, das sicher vor allem Krimi-Fans begeistern und unterhalten wird. Aufgrund seines lockeren und leichten Sprachstils mit vielen unterhaltsamen Fallbeispielen sowie der Kürze gut zum Schmökern zwischendurch geeignet.

Bewertung vom 20.11.2022
Häußler, Marcel

Kant und der Schachspieler / Kommissar Kant Bd.2


sehr gut

Ein Krimi mit Fokus auf echter Ermittlungsarbeit

Im Krimi-Genre überbieten sich aktuell Autor*innen gegenseitig mit den cleversten Verbrechen und den kaputtesten Charakteren. Da ist eine Krimireihe wie „Kant“ eine erfrischende Abwechslung: Im zweiten Band der Reihe, „Kant und der Schachspieler“, lässt Marcel Häußler sein Team der Münchner Kriminalpolizei auf authentische und spannende Weise Stück für Stück mit solider Polizeiarbeit die Puzzleteile zur Lösung eines rätselhaften jahrealten Mords zusammentragen.

Ein mysteriöser Leichenfund auf einem alten Fabrikgelände stellt das Ermittler-Team um Kant vor ein Rätsel, genauer genommen, die Frage, um wen es sich überhaupt handelt. Die Spur führt zum Schachgenie Jakob Holler – aber kann er wirklich der Tote sein? Die Identifizierung der Leiche erweist sich als schwieriger als gedacht und führt die Ermittler schließlich mitten in einen alten Betrugsfall. Mit Befragungen, Durchsuchungen und Aktenwälzen kämpft sich das Team mühsam Schritt für Schritt an des Rätsels Lösung heran.

Der namensgebende Kommissar Kant steht erfreulicherweise nicht ganz so stark im Vordergrund, wie der Titel es vermuten lässt. Anders als in vielen anderen Büchern des Genres ist es nicht ein einzelgängerisches Genie, das den Fall löst, sondern ein ganzes Team, jedes Mitglied mit seinen eigenen Stärken und Schwächen und gleich wichtig, um das Puzzle zusammensetzen zu können. Mit jeder neuen Information, die sie dabei aufdecken, rückt man als Leser*in zusammen mit dem Team der Lösung des Falls näher, kann Vermutungen aufstellen und verwerfen, spekulieren und knobeln. Man ist quasi hautnah bei den Ermittlungen dabei und weiß nie mehr als die Ermittelnden, was das individuelle Mitermitteln, das man sich beim Krimilesen ja meist wünscht, sehr einfach macht. Diese Vorgehensweise ist eine große Stärke des Romans, der Fall selbst bleibt allerdings ein wenig blass. Einige Aspekte sind sehr clever konstruiert, aber ein richtiges Interesse an der Auflösung entwickelt sich nur teilweise, da die beteiligten Figuren wenig Identifikationspotenzial haben. Nichtsdestotrotz macht das gemeinsame Rätsellösen einfach Spaß!

Ein solider Kriminalroman, der vor allem für Rätselbegeisterte ein gefundenes Fressen sein dürfte. Mit etwas mehr emotionaler Gebundenheit an die Lösung des Falls könnte man sich sicher noch besser auf das Buch einlassen, aber wer vor allem selbst mitermitteln will, kommt hier voll auf seine Kosten.

Bewertung vom 06.11.2022
Geißler, Lutz

Süße Brote backen - einfach perfekt


sehr gut

Ein Backbuch für Geduldige und Perfektionist*innen

Wer schon immer auf der Suche nach einem echten Profi-Lehrwerk für Süßgebäck war, der ist bei Lutz Geißler an der richtigen Adresse: Mit „Süße Brote backen“ bietet er eine detaillierte Backanleitung für Hefezopf, Stollen und Co in Bäckerqualität. Dafür muss man jedoch ein wenig Geduld mitbringen.

„Süße Brote backen“ fällt zuallererst durch seine absolut hochwertige Ausstattung aus: Schön gebunden, mit Lesebändchen und haptisch angenehmem Einband sowie extrem vielen Farbfotos, sticht es positiv aus der Masse der Backbücher heraus. Hier dreht sich alles um langsam gehende Hefe- und Sauerteige, und der Umgang damit wird in einer ausführlichen und reich bebilderten Einleitung vermittelt. Für Unerfahrene sicher eine Herausforderung und möglicherweise etwas überfordernd, für fortgeschrittene Backfreudige jedoch eine sehr nützliche Informationsquelle, zu der man immer wieder zurückkehrt.

Die Besonderheit dieses Backbuchs liegt sicher in seiner Detailliertheit: Zutaten sind aufs Gramm genau (bis in die erste Nachkommastelle) angegeben, dazu gibt es genaue Anweisungen zur Reihenfolge und Dauer des Knetens und der Temperatur der Zutaten. Augenmaß hat in diesem Backbuch nichts zu suchen, hier wird alles ganz genau gemacht. Das erfordert Zeit und ein wenig Geduld, die Ergebnisse sprechen jedoch für sich. Folgt man den Anweisungen aufs Wort, erhält man wirklich ein ungewöhnlich gutes Ergebnis, das die Qualität der Backwaren regulärer Hobbybäcker*innen definitiv bei Weitem übersteigt. Ob dafür Zeit und Energie vorhanden sind, ist dann eine individuelle Frage. Die extrem detaillierten Anweisungen können ein wenig einschüchternd wirken und eignen sich bestimmt eher für Menschen mit etwas Erfahrung im Backen.

Wer hohe Ansprüche hat und mit Zeit, Geduld und ordentlich Perfektionismus ans Backen herangeht, wird mit diesem Buch traumhafte Ergebnisse erzielen. Auch alle anderen können aber vor allem aus dem Grundlagenkapitel des Buchs eine Menge lernen.

Bewertung vom 06.11.2022
Gerlach, Katharina; Krüger, Mika M.; Oltersdorff, Jana; Michaelis, Divina; Pawn, David; Strunk, Patricia; Hühn, Martin; Tietgen, Florian; Reuter, Lisa-Marie; Bauer, Martina

Bloody Qindie präsentiert: Dunkle Wasser (eBook, ePUB)


sehr gut

Teils schauerlich, teils tragisch – eine gute Mischung

Unter dem Titel „Dunkle Wasser“ hat die Selfpublisher-Plattform Qindie eine bunte Mischung aus 13 teils gruseligen, teils düster-emotionalen Kurzgeschichten versammelt, die sich auf ganz unterschiedliche Weisen mit dem Element Wasser und seinem Horrorpotenzial auseinandersetzen. Dabei sind Geschichten unterschiedlicher Qualität herausgekommen, insgesamt jedoch mit einem hohen Niveau.

Eine Anthologie in Gänze zu bewerten, ist nie ganz einfach, da jede Geschichte für sich genommen ja eine Rezension verdienen würde. Die Bandbreite der vertretenen Themen – von einem modernen Spin der Nessie-Legende bis zu japanischen Kappas und übers Wasser verbreiteten Bakterien – sorgt dafür, dass sich sicher viele unterschiedliche Lesende in der ein oder anderen Geschichte wiederfinden können. Deshalb seien hier nur die Highlights der Anthologie hervorgehoben: Der Ehrenplatz gebührt sicher Lisa-Marie Reuters Geschichte „Ewiges Eis“, die einfach in einer anderen Liga spielt als die übrigen Beiträge (wenngleich diese meist ebenfalls von hoher Qualität sind!). Ihr fiktiver Tagebuchbericht einer Arktisforscherin Ende des 19. Jahrhunderts, die im Eismeer auf etwas sehr Altes stößt, vereint kosmischen Horror mit Klimakritik, und das in einer literarisch so ansprechenden und authentischen Form, dass man jedes Wort glaubt. Meisterhaft gelingt es ihr, einen Ton zu treffen, der die Leserschaft geradezu in den Wettlauf an der Arktis vor über 120 Jahren zurückversetzen kann, ohne altertümelnd zu wirken.

Die zweite positiv hervorstechende Geschichte ist „Der zehnte Kreis“ von Martina Bauer. Hier scheint zunächst typischer Teenie-Horror vorzuherrschen – eine Wandergruppe, die unerlaubterweise auf einem Privatgrundstück rastet und dabei merkwürdige Entdeckungen macht –, die übernatürlichen Vorkommnisse sind jedoch äußerst originell und berühren tiefe menschliche Ängste, denn sie spielen mit dem Wissen, das man über die eigene Umwelt zu haben glaubt.

Insgesamt eine lohnenswerte Anthologie für Horror-Fans, die zwischendurch auch mal eher nachdenklich wird, insgesamt aber durchaus Grusel mitbringt. Allein für „Ewiges Eis“ lohnt es sich definitiv, zuzuschlagen!

Bewertung vom 06.11.2022
Eilinger, Phillip

Nach dir der Tod


sehr gut

Ein Buch, das Paranoia schürt – superspannend!

Wer Serienkiller-Literatur mag, kommt bei Phillip Eilingers Psychothriller „Nach dir der Tod“ voll auf seine Kosten. In einem cleveren Hin und Her zwischen der Protagonistin Hanna und einem skrupellosen Serienkiller erzählt der Roman eine psychologische Verfolgungsjagd, die einem einen Schauer über den Rücken laufen lässt. Dass es dabei sprachlich hier und da noch etwas holpert, kann man dabei wohlwollend übergehen.

Hanna ist keine sympathische Protagonistin: Dank ihres Alkoholproblems hat sie sich von der Familie entfremdet und befindet sich jetzt in einem Sorgerechtsstreit mit ihrem Ex David, der ihren gemeinsamen Kindern zwar ein guter Vater ist, sie jedoch auch bewusst auf Abstand hält. Um sie auf andere Gedanken zu bringen, nimmt ihr bester Freund Roland sie eines Abends mit auf eine extravagante Party … und das Unheil nimmt seinen Lauf. Denn jemand scheint ein Auge auf Hanna geworfen zu haben und scheint wild entschlossen, ihr Leben zur Hölle zu machen. Kann der charismatische Martin etwas damit zu tun haben, der kürzlich in ihr Leben getreten ist? Hanna weiß nicht mehr, wem sie trauen kann, und sucht verzweifelt nach Antworten, während der geheimnisvolle Fremde ihr immer dichter auf den Leib rückt …

Typisch fürs Genre, kommt auch der Killer immer wieder in mysteriösen Zwischenkapiteln zu Wort und offenbart seine Intentionen. Das sorgt dafür, dass man Hanna nonstop Warnungen zurufen möchte, aber zugleich macht sie es einem nicht leicht, mit ihr zu sympathisieren. Ein durchaus interessanter Kniff! Die Spannung ist kontinuierlich hoch, was das Buch zu einem echten Pageturner macht, jedoch ist es sprachlich leider noch nicht ganz ausgereift. Immer wieder verirren sich holprige Ausdrucksweisen in die Schilderung der Ereignisse, und der Stil wirkt mitunter hölzern. Hier gäbe es noch Luft nach oben, was den Spaß an der rasanten und packenden Geschichte jedoch glücklicherweise nur ein wenig eindämmt.

Ein echter Pageturner, der einen zweimal überprüfen lassen wird, ob die Haustür wirklich abgeschlossen ist.

Bewertung vom 06.11.2022
Fehringer, Andrea;Köpf, Thomas

Die Perspektive des Zwielichts


weniger gut

Tolles Konzept, leider nichtssagend umgesetzt

Die Kurzgeschichtensammlung „Die Perspektive des Zwielichts“ von Andrea Fehringer und Thomas Kopf hat eigentlich eine sehr reizvolle Grundidee: fünf Szenarien, die einmal als Horrorstory und einmal aus humorvoller Perspektive erzählt werden. Dass das Duo jedoch weder in der einen noch der anderen Sparte brilliert, macht das Buch leider schnell eintönig und dröge.

Gerade das erste Szenario des Buchs bietet eigentlich sehr viel Raum für Grusel und schwarzen Humor: Eine Frau kommt zu einem Tierpräparator und möchte ihren Mann ausstopfen lassen. Die Horrorgeschichte verkommt leider schnell zu einem eher mittelprächtigen Krimi, die humorvolle Variante zeigt sich erschreckend humorbefreit und ohne rechte Aussage. Insgesamt ist die schriftstellerische Qualität bei den Horrorgeschichten etwas höher: Sie brillieren zwar auch nicht gerade durch Einfallsreichtum und Atmosphäre, sind aber stilistisch durchaus flüssig zu lesen. Interessant für Horrorfans sicher auch diese Information: Es geht hier fast nie übernatürlich zu, meist handelt es sich um härtere Kriminalgeschichten. Im Humorsegment fehlt hingegen nicht nur der Witz, sondern vor allem das Gespür für Timing und Struktur. Die Geschichten dümpeln ohne rechten roten Faden dahin und bleiben vor allem nichtssagend.

Eine positive Ausnahme bei dieser insgesamt leider enttäuschenden Leseerfahrung bildet die titelgebende letzte Horrorgeschichte „Eine Perspektive des Zwielichts“. Hier kommt tatsächlich Atmosphäre und so etwas wie Gänsehaut auf, wenn wir die junge Austauschschülerin Vicky auf einem Horrortrip zu ihrer US-amerikanischen Gastfamilie begleiten. Einzig diese (erfreulicherweise recht lange) Geschichte rettet dem Buch zumindest zwei Sterne.

Insgesamt leider eine wenig überzeugende Umsetzung eines eigentlich sehr reizvollen Konzepts, die weder Grusel noch Gelächter aufkommen lässt. Abgesehen von der letzten Horrorgeschichte keine lesenswerte Kurzgeschichtensammlung.

Bewertung vom 06.11.2022
Friend, Natasha

NO GAME - Jetzt ist Schluss mit Schweigen!


gut

Ein extrem wichtiges Thema, jedoch ein wenig aussagekräftiges Buch

Das Thema sexuelle Gewalt ist spätestens seit der #MeToo-Debatte gesellschaftlich deutlich präsenter geworden, jedoch hapert es trotzdem noch an allen Ecken und Enden an Aufklärung und öffentlicher Wahrnehmung. „#NoGame – jetzt ist Schluss mit Schweigen“ möchte diese Lücke schließen und Jugendlichen den Mut geben, das Thema sexuelle Gewalt offen anzusprechen – eine wichtige Botschaft, die jedoch im Roman leider in allzu sachlicher und künstlerisch wenig anspruchsvoller Weise verarbeitet wird.

Die Highschool-Schülerin Nora wacht nach einer College-Party mit heruntergezogenem Slip auf einem Golfplatz auf und kann sich an kaum etwas erinnern. Ihr Mitschüler Adam, der Zeuge des Übergriffs wurde, konnte ihre Angreifer zwar noch rechtzeitig in die Flucht schlagen, aber Nora ist traumatisiert. Da hilft auch ihre Freundin Cam nicht, die in wildem Aktionismus versucht, Beweise zu sichern und Nora zu einer Anzeige zu überreden. Nora will einfach nur vergessen. Also stellt Cam gemeinsam mit Adam auf eigene Faust Nachforschungen an und entdeckt bald, dass Übergriffe dieser Art System in dem kleinen Städtchen haben. Wer wusste davon? Wer ist alles betroffen? Wie gebietet man dem Einhalt?

„#NoGame“ stellt all die richtigen Fragen und spricht all die richtigen Themen an, jedoch geschieht das leider auf etwas nichtssagende Weise. Dem Buch gelingt es trotz des wichtigen und brisanten Themas nicht so recht, seine Leserschaft mitzureißen. Die Figuren bleiben trotz der intensiven Einblicke in ihre Innenleben immer auf Distanz – das mag an den vielen, ständig wechselnden Erzählperspektiven liegen, die ein echtes Einlassen auf einen Charakter kaum zulassen. Insgesamt bleibt der Roman also leider ein wenig blutleer und weniger emotional, als sein drastisches Thema es zulassen würde. Für junge Menschen kann es sicher trotzdem ein hilfreiches Buch und vor allem ein Denkanstoß dazu sein, wie man mit sexueller Gewalt umgehen kann.

Ein pädagogischer Roman, der ein äußerst wichtiges Thema behandelt, jedoch in puncto literarische Qualitäten hinter den Erwartungen zurückbleibt.

Bewertung vom 06.11.2022
Bugnyar, Thomas

Raben


sehr gut

Hochinteressante Einblicke in aktuelle Forschung

Thomas Bugnyar ist ein renommierter österreichischer Verhaltensforscher, der sich mit den Verhaltensweisen von Raben beschäftigt. In diesem außergewöhnlich schön gestalteten Sachbuch präsentiert er seine aktuelle Forschung und vermittelt auf verständliche Art und Weise hochinteressante Informationen über extrem intelligente und soziale Tiere.

„Raben“ stellt keine allgemeine Übersicht über den Stand der Forschung zu Raben dar, sondern beschäftigt sich vielmehr gezielt mit aktuellen Forschungsprojekten, die versuchen, das Sozialverhalten und die „Persönlichkeit“ dieser faszinierenden Vögel näher zu ergründen. Vom Rufverhalten bis zur Gruppen- oder Paardynamik werden hier viele Aspekte des Rabenlebens angesprochen und erläutert, sodass ein beeindruckend komplexes Bild der Fähigkeiten dieser Vögel entsteht und auch mit einigen Mythen aufgeräumt wird. Besonders interessant dabei ist, dass Bugnyar auch sehr konkret auf die Forschungsmethoden eingeht und Schritt für Schritt schildert, wie sich eine These durch Versuche überprüfen lässt und wie solche Versuchsanordnungen auszusehen haben, um aussagekräftige Ergebnisse daraus zu ziehen.

Der Stil des Sachbuchs ist auch für Laien gut verständlich, nur bekommt man hin und wieder das Gefühl, dass der Verfasser es mit der einfachen Verständlichkeit etwas übertrieben hat: Häufig werden bereits zuvor erläuterte Informationen, etwa zu den Gegebenheiten in der Rabenvoliere, wiederholt und Begriffe erläutert, die eigentlich keiner Erläuterung bedürfen (etwa „valide“ oder „interdisziplinär“). Das hemmt den Lesefluss ein wenig, macht das Buch aber inhaltlich kein Stück weniger faszinierend. Positiv hervorzuheben ist auch noch die ausnehmend schöne optische Gestaltung des Buchs mit Farbdruck, Lesebändchen und kleinen Illustrationen.

Insgesamt ein hochinformatives und gut verständliches Sachbuch, das nicht nur Wissen über Raben, sondern auch über die Vorgehensweise in der Verhaltensforschung vermittelt.

Bewertung vom 17.10.2022
Dutzler, Herbert

In der Schlinge des Hasses


ausgezeichnet

Ein beklemmender Blick in ein wahnhaftes Hirn in einer Abwärtsspirale

Mit „In der Schlinge des Hasses“ gelingt Herbert Dutzler ein literarisches Kunststück, das seinesgleichen sucht: Zugleich authentisch, zutiefst verstörend und emotional mitreißend gewährt er einen tiefen Einblick in die Gedankenwelt eines rechtsextremen Mörders während seines Abstiegs in die vollständige Verblendung. Ein Sog, dem man sich nicht entziehen kann!

Leo ist Mitglied einer rechten Burschenschaft, studiert Jura und lebt bei seiner alkoholkranken Mutter, die er verabscheut. Den verstorbenen Vater, der ihn zu einem strammen Neonazi zu erziehen versuchte, himmelt er an, trotz des Missbrauchs, den er als Kind durch ihn erfuhr – physische und psychische „Disziplinierung“ waren für ihn und seine Mutter an der Tagesordnung. Als erwachsener Mann sucht Leo ein Ventil für die aufgestauten Emotionen und findet es in einem stetig zunehmenden wahnhaften Hass auf Menschen anderer Herkunft, gepaart mit einer Art verklemmter Misogynie. Tiefer und tiefer rutscht Leo in eine Abwärtsspirale aus Hass, Gewalt und Paranoia, verbunden mit einem bizarren Überlegenheitsgefühl gegenüber der Welt um ihn herum und der Polizei. Als seine kroatischstämmige Kommilitonin Marinca beginnt, sich für ihn zu interessieren, bekommt er die Chance, sich daraus zu befreien, aber ist es dafür nicht schon zu spät?

Mit Leo hat Herbert Dutzler einen durch und durch unsympathischen Charakter erschaffen. Dadurch wird es umso beeindruckender, dass es ihm im Laufe des Romans gelingt, so etwas wie Mitgefühl für ihn bei der Leserschaft zu erzeugen. Die Rückblenden in Leos Kindheit zeigen deutlich die vielen Kreuzungen, an denen etwas anders hätte laufen können, an denen jemand hätte eingreifen und Leo unter Umständen retten können – und thematisieren damit auch die gesellschaftliche Verantwortung für eine solche Radikalisierung. „In der Schlinge des Hasses“ ist ein Buch, das man aushalten muss, denn man kommt nicht weg aus der Innenperspektive von Leo, muss sich mit seinen irrsinnigen Gedankengängen auseinandersetzen. Der Roman liefert keine Entschuldigungen oder Ausflüchte, aber Erklärungen. Er nimmt seinen radikalen Protagonisten nicht aus der Verantwortung, zeigt aber das gesamte Bild, in dem deutlich wird, dass eine Radikalisierung nicht ohne das Zutun anderer stattfindet. All das gelingt Dutzler, ohne auf graphische Schockmomente zu setzen, denn das Schockierende ist nicht die stattfindende Gewalt, sondern das, was im Kopf des Protagonisten vorgeht. Trotz dieser strikten Innenperspektive bleibt die Spannung kontinuierlich erhalten, und der Text entwickelt eine regelrechte Sogwirkung, der man sich nicht entziehen kann.

Eine beeindruckende, emotional fordernde und betroffen machende Charakterstudie, die tief berührt und aufwühlt. Dieses Buch lässt sich nicht so einfach vergessen!

Bewertung vom 17.10.2022
Fusco, Antonio

Schatten der Vergangenheit


weniger gut

Ein aus der Zeit gefallener italienischer Krimi – Chauvinismus pur!

Mit Commissario Casabona schickt Antonio Fusco in „Schatten der Vergangenheit“ einen Protagonisten ins Rennen, der leider schnell zum Stereotyp eines italienischen Machos verkommt. Zwar kann der Krimi durchaus mit einer interessanten Kriminalhandlung punkten, die platten Figuren und das hochproblematische Frauenbild des Romans zerstören jedoch jegliche aufkommende Atmosphäre.

Casabona wird verdächtigt, den Liebhaber seiner Ex-Frau ermordet zu haben und muss daher vor der Justiz fliehen – was gar nicht so einfach ist, denn es handelt sich um seine eigenen Freunde und Kollegen. Um seinen guten Namen reinzuwaschen, stellt er auf eigene Faust Ermittlungen an und muss gleichzeitig versuchen, seinen Kollegen immer einen Schritt voraus zu sein. Auf der Suche nach der Wahrheit und Unterstützung von Menschen, denen er vertrauen kann, muss er rasch feststellen, dass die italienische Unterwelt ihre Finger im Spiel hat.

Trotz der Kürze des Romans hat dieser Krimi auf Handlungsebene durchaus einiges zu bieten. Vor allem zu Beginn macht es großen Spaß, Casabona dabei zu begleiten, wie er seine Kollegen bei der Polizei an der Nase herumführt, um sich der Verhaftung zu entziehen. Der Lesespaß wird aber leider bald ruiniert von dem desaströsen Frauenbild, das nicht nur in Casabonas Perspektive, sondern auf jeder Seite durchschimmert – man hätte eigentlich hoffen dürfen, dass Haltungen wie „Ich verstehe die Frauen nicht, und sie sind alle gleich“ irgendwann mal aus der Literatur verschwinden würden, aber weit gefehlt. Frauen tauchen bei Fusco nur als (betrügerische) Geliebte auf, die den tiefgründigen Herzschmerz des tragischen Helden zu verantworten haben. Persönlichkeit oder Charakter gönnt er keiner der spärlich gesäten Frauenfiguren. Stattdessen ergeht sich Casabona regelmäßig in ausführlichen melodramatischen Ergüssen über die Härten des Lebens. Das ist vor allem insofern schade, als es dem Autor durchaus gelingt, mit einem flüssigen Schreibstil Spannung aufzubauen, jedoch kann man seine stereotypen Figuren leider einfach nicht ernst nehmen.

Ein Krimi, der sich leider liest, als wäre er vor mindestens sechzig Jahren geschrieben worden und hätte das Gesellschaftsbild dieser Zeit mitgebracht. Trotz Potenzial in der Handlung eine enttäuschende Lektüre.