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Hoelzchen

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Insgesamt 144 Bewertungen
Bewertung vom 17.04.2025
Moore, Georgina

Die Garnett Girls (MP3-Download)


sehr gut

Margo hat ihre mittlerweile erwachsenen Töchter Rachel, Imogen und Sasha mehr oder weniger allein großgezogen. Ihre Jugendliebe und späterer Ehemann Richard hat sie verlassen, als die jüngste Tochter Sasha noch klein war. Richard war Alkoholiker. Sein Weggang hat Margo den Boden unter den Füssen weggerissen und sie ist danach nie wieder eine feste Bindung eingegangen. Diese Trennung schwebt auch Jahrzehnte später immer noch wie ein Damoklesschwert über die Familie. Rachel und Sasha sind verheiratet. Rachel bewohnt mit Mann und Töchter auf Margos Wunsch, das Haus ihrer Kindheit. Margo wohnt in der Nähe. Imogen hat sich verlobt und Margo ist glücklich, dass nun auch die letzte Tochter endlich heiraten wird. Doch Imogen plagen Zweifel, eigentlich möchte sie nicht heiraten. Sasha pflegt momentan kaum Kontakt zu Margo. Das Verhältnis ist schwierig.
Dieser Roman ist keine leichte Sommerkost. Komplizierte Mutter-Tochter-Beziehungen stehen im Vordergrund. Ich habe diese Geschichte als Hörbuch gehört. Die Sprecherin Yara Blümel ist mir aus anderen Produktionen bekannt und ich höre sie sehr gerne. Auch hier passt ihre Stimme wieder hervorragend. Der Einstieg gelang mir nicht so leicht. Es gibt immer wieder Rückblenden und die vielen Figuren mussten gedanklich zugeordnet werden. Vermutlich ist das Verständnis beim Lesen einfacher im Vergleich zum Hörbuch. Doch nachdem die erste Hürde überwunden war, hatte ich Freude an diesem Hörbuch. Im Vordergrund stehen die zwischenmenschlichen Beziehungen. Man sieht, wie viele Päckchen Menschen aus der Vergangenheit mit sich herumtragen und welchen Einfluss diese aufs gesamte Leben nehmen können. Schweigen ist kein guter Berater, das müssen auch Mutter und Töchter in diesem Buch erkennen. Der Autorin gelingt es gut, die vier Protagonistinnen zu beschreiben und Bilder entstanden vor meinen Augen. Auch die Örtlichkeiten sind gut dargestellt und ich konnte mir alles gut vorstellen. Normalerweise entwickle ich während des Lesens oder Hören Sympathien oder Antipathien gegenüber den Figuren. Diesen Effekt konnte ich dieses Mal nicht beobachten. Es stellte sich eine neutrale Distanz ein, die aber nicht negativ zu bewerten ist. Ich würde diesen Effekt eher im Schreibstil der Autorin vermuten, ist dieser doch eher nüchtern und beschreibend zu definieren. Der große Emotionsfunke sprang zwar nicht über, dennoch wird mich dieser Roman noch einige Zeit gedanklich beschäftigen, denn Georgina Moore hat mit ihrem Debütroman etwas zum Thema genommen, was wir alle haben oder hatten: eine Mutter-Kind-Beziehung. Darüber nachzudenken, ist es immer Wert.

Bewertung vom 17.04.2025
Winter, Claire

Die Erbin


ausgezeichnet

Der neue Roman von Claire Winter heißt „Die Erbin“ und ist, wie man es von der Autorin kennt, ein historischer Roman der Spitzenklasse. Die Protagonistin ist Cosima Liefenstein. Es ist das Jahr 1957 und Cosima beschließt, obwohl sie erst Anfang zwanzig ist, eine Stiftung zu gründen. Diese soll Kriegswitwen mit Kindern unterstützen, denn in der noch jungen Bundesrepublik haben es diese Frauen schwer. Cosima hingegen hatte nie finanzielle Probleme. Sie kommt aus einer einflussreichen Industriellenfamilie und nach wie vor ist ihre Familie sehr wohlhabend. Der Krieg hat dem Familienimperium nichts anhaben können. Cosima lernt den jungen Journalisten Leo Marktgraf kennen, man ist sich sympathisch und anfangs gibt er vor, an Cosimas Stiftung interessiert zu sein und will darüber berichten. Doch eigentlich ist er einer ganz anderen Sache auf der Spur und Cosimas Familie spielt dabei eine große Rolle. Der Roman ist in unterschiedlichen Zeitebenen geschrieben, so lernen wir in Rückblenden Cosimas Familie kennen und erfahren, wie diese der NS-Diktatur gegenüberstand. Ihr Großvater war ein Patriachat wie er im Buche steht. Seine zwei älteren Söhne Theodor und Albert führten das Unternehmen in seinem Sinne weiter. Lediglich Edmund Liefenstein, Cosimas Vater, welcher früh verstarb, hatte kein Verständnis für die Machenschaften der Nazis und verurteilte seine Familie aufs höchste, dass sie mit den Nazis gemeinsame Sache machten. Cosima gräbt in ihrer Familiengeschichte und ist entsetzt zu erfahren, dass ihre Onkel stets auf die eigenen Vorteile bedacht waren und somit die Nazis unterstützten. Aber Cosima deckt noch mehr auf. So erfährt sie, dass die Ehe ihrer Eltern keineswegs so gut funktionierte, wie ihre Mutter immer behauptet hat. Viele Wahrheiten kommen ans Licht, doch all dies macht Cosima stärker und ihr Leben wird durch neue Menschen bereichert.
Was für ein ergreifender Roman. Die Figuren sind fiktiv, doch das Gelesene könnte sich zugetragen haben. Die zahlreichen Industriellenfamilien gab es, und ja, sie sympathisierten mit den Nazis und waren auf ihren eigenen Profit gedacht. Claire Winter greift in ihrem Roman ein wichtiges Thema auf und es ist gut, dass darübergeschrieben wird. Denn diese Familien waren durch ihr Handeln maßgeblich an den Gräueltaten der Nazis beteiligt. Auch in den späteren Gerichtsprozessen fanden sie Schlupflöcher, um sich den Strafen zu entziehen. Theodor und Alber aus diesem Roman stehen also für viele Menschen und in der jungen Bundesrepublik waren immer noch viele vom alten System überzeugt. Ferner galt die landläufige Meinung, dass man nun vergessen sollte und ein neues Leben starten solle. Entschädigungen waren nicht vorgesehen. Auch heute, viele Jahrzehnte später, dürfen wir nicht vergessen. Romane wie dieser helfen uns, die Erinnerung zu wahren und wachsam zu sein. Claire Winter bringt uns diese Zeit näher und erläutert Hintergründe und die Vorgehensweise von Politik und Industrie. Während des Lesens stellte sich bei mir eine große Fassungslosigkeit ein. Damals galt mehr denn je, wer reich war, blieb reich oder wurde reicher und der Großteil der Bevölkerung musste leiden. Der knapp 600 Seiten starke Roman lässt sich einfach lesen, bei mir stellte sich sofort ein Lesefluss ein. Der moderne Schreibstil und die wechselnden Handlungsstränge beleben den Roman. Die Kapitellängen sind perfekt. Ich konnte dem Geschehen sehr gut folgen und der Romanaufbau ist sehr gelungen. Besonders gut gefallen, hat mir das vorangestellte Personenverzeichnis. Es erleichtert die Zuordnung der vielen Personen. So konnte ich gut den Überblick bewahren. Ich habe schon einige Romane von Claire Winter gelesen und auch dieses Buch hat mich wieder absolut überzeugt. Für Fans historischer Romane unbedingt ein Muss.

Bewertung vom 12.04.2025
Holland Moritz, Patricia

Drei Sommer lang Paris (eBook, ePUB)


sehr gut

Im Sommer 1989 wird der Ausreiseantrag aus der DDR der 21jährigen Ulrike bewilligt. Ihr Weg in den Westen führt sie nach Paris. Dort lebt bereits seit einigen Jahren Ulrikes Mutter mit Ulrikes Stiefvater. Obwohl Ulrike kein Französisch spricht, ist ihr nicht bange. Mit ihrer Kamera begibt sie sich im Sommer 1989 durch Paris, entdeckt die Stadt durch ihre Augen, weit ab vom Touristenblick. Sie ist neugierig und auf ihren Streifzügen lernt sie Menschen mit besonderen Lebenseinstellungen kennen. Gedanklich immer dabei, sind viele Berühmtheiten, welche einige Zeit in Paris lebten. Ulrike begibt sich auf Spurensuche. Ulrike weiß, um anzukommen, muss sie die Sprache erlernen und einen Job finden. Mit der Leichtigkeit der Jugend gelingt ihr das auch sehr schnell und ein neues Leben beginnt.
Was für ein wundervoller Roman. Ich bin ein großer Paris Fan und dieses Buch zu lesen und rückblickend in das Jahr 1989 zu reisen ist einfach toll. Es ist das Jahr in dem ich 22 Jahre alt war, also im ähnlichen Alter wie die Protagonistin Ulrike. Vielleicht sprang auch deshalb gleich der Funke über, eine Zeitreise in meine Jugend. Eine Leichtigkeit, die man nur in jungen Jahren spürt. Der Autorin ist es sehr gut gelungen, dieses Lebensgefühl zu übermitteln. Sie trifft genau den damaligen Zeitgeist. Ohne Internet und Social Media gelingt es Ulrike den Alltag zu meistern und ihre Ziele zu erreichen. Heutzutage kaum noch vorstellbar. In der Buchmitte hat der Roman seine Längen und verlor sich etwas, doch zum Ende hin, hatte die Geschichte wieder meine volle Aufmerksamkeit und auch bis zur Titelerklärung muss man bis zum Schluss warten. Wie ich im Porträt der Autorin nachlesen konnte, sind Ähnlichkeiten ihrer Vita, mit der ihrer Protagonistin Ulrike zu erkennen und so vermute ich einige reale Bezüge, was den Roman noch interessanter erscheinen lässt. Auch gibt es bereits einen Vorgängerroman von Patricia Holland Moritz. In diesem ist Ulrike eine Jugendliche und lebt mit ihrem Vater in der DDR. Dieser Roman kommt nun auf meine Wunschliste, denn mit ihren Themen und Schreibstil trifft die Autorin genau meinen Nerv. „Drei Sommer lang Paris“ ist ein in sich geschlossener Roman und kann ohne Kenntnis der Vorgeschichte gelesen werden. Gern spreche ich eine Leseempfehlung aus.

Bewertung vom 12.04.2025
Lloyd, Josie

Der Bright-Side-Running-Club (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Nachdem mir schon „Der Brighton Schwimm Club“ von Josie Lloyd so gut gefallen hat, war ich sehr neugierig auf ihren neuen Roman: „Der Bright Side Running Club“. Auch hier treffen wieder Frauen aufeinander, die sich bislang nicht kannten, aber etwas haben, was sie eint. In diesem Roman leider die Diagnose Brustkrebs. Die Protagonistin Keira erhält mit Ende vierzig diese Diagnose. Natürlich zieht ihr diese Nachricht den Boden unter den Füssen weg, aber dank ihrer neuen Frauenfreundschaften, schafft sie es, das Beste aus dieser Situation zu machen. Die Frauen sind füreinander da und unterstützen sich wo es nur geht. Das Verständnis untereinander ist groß, denn die Behandlung verlangt den Patientinnen einiges ab. Josie Lloyd benennt die Dinge beim Namen, nichts wird schöngeredet, wie zum Beispiel der Verlust der Haare oder das vermeintliche Loch im Oberkörper. Die Autorin weiß, wovon sie schreibt, denn 2017 bekam auch sie die Diagnose Brustkrebs. Das Laufen entdeckte sie, wie auch ihre Protagonistin, während der Therapie. Beim Lesen habe ich geradezu mitgelitten und oft kam mir der Gedanke, dass es gut ist, nicht zu wissen, was das Leben für uns bereithält. Keira erweist Stärke und Zuversicht. Einen großen Anteil daran haben ihre neuen Freundinnen von dem neu gegründeten Laufclub. Man stelle sich vor: Keira nimmt während der Chemotherapie an einem 10 km langen Benefizlauf teil. Doch es gibt auch Baustellen in Keiras Leben, denn ihr familiäres und berufliches Umfeld nimmt nur bedingt Rücksicht auf ihre Krankheit. So tobt zuhause weiterhin der Alltagstrubel mit drei Kindern im Alter von Grundschule bis Pubertät und das unmögliche Verhalten ihrer Geschäftspartnerin setzen ihr ganz schön zu. Ihr Ehemann scheint sich von ihr zu distanzieren. Aber Keira lässt sich zu keiner Zeit die Butter vom Brot nehmen und weiß sich zu behaupten. Josie Lloyd hat dieses ernste und berührende Thema in einem wunderbaren Unterhaltungsroman umgesetzt und es wird zu keiner Zeit kitschig. Die Ernsthaftigkeit verliert sie nie aus den Augen und auch die Realität wird klar benannt, wie wir am Ende des Romans mitfühlen können. Der moderne, lockere und flüssige Schreibstil haben mich schnell durchs Buch getragen und Keira und ihre Freundinnen sind mir sehr ans Herz gewachsen. Ihr Mut, ihre Zuversicht und ihre Stärke haben mich sehr beeindruckt. Es ist ein lebensbejahender Roman und absolut lebenswert.

Bewertung vom 30.03.2025
Durand, Catherine

Die tausend Farben von Paris


ausgezeichnet

„Die tausend Farben von Paris“, schon alleine der Titel und das bezaubernde Cover machen neugierig auf das Buch. Catherine Durant ist ein Pseudonym und dahinter verbirgt sich die Autorin Petra Mattfeldt, auch bekannt unter Caren Benedict und Elin Carsta.
Wir tauchen ein ins Jahr 1951. Viele Amerikaner wollen, nach den Schrecken des 2. Weltkriegs, ein neues Leben beginnen und es zieht sie nach Paris. Darunter befindet sich auch Frank Levant, ein Sänger und Entertainer, der im Pariser Lido große Erfolge feiert. Sein wahres ich hält er zunächst unter Verschluss. In Paris freundet er sich mich dem Amerikaner Jack an. Im Rahmen eines US-Army Programms ist auch er nach Paris gekommen, um sich hier ein neues Leben aufzubauen. Er versucht sich als Maler, doch die Erfolge bleiben aus und chronischer Geldmangel ist seine tägliche Sorge. Frank greift ihm unter die Arme soweit Jack es zulässt. Schon bald verlieben sich Frank und Jack in zwei bezaubernde Französinnen. Frank trifft auf Amelie, ihre Einstellung zum Leben imponiert ihn und schon nach kurzer Zeit stellt sich zwischen den beiden eine innige Vertrautheit ein. Jack hat in Rose seine Herzensfrau gefunden, doch die beiden müssen einige brenzlige Situationen überwinden bis sie ein Paar werden. Was auf den ersten Blick wie ein Liebesroman klingen mag, entwickelt sich sehr schnell zu einem Spionageroman. Denn Jack und Rose sind unwissentlich in eine hochbrisante, politische Angelegenheit hineingeraten, die, wie wir im Nachwort erfahren, sich an historische Begebenheiten orientiert. Das zeichnet diesen Roman aus. Die Autorin hat, wie man es von ihr aus anderen Romanen kennt, eine umfassende Recherche betrieben und ihre Figuren an wahrhaftige Personen angelehnt. Einige dieser Charaktere erkennt man beim Lesen sofort. Der Roman lässt sich leicht und flüssig lesen und die Kapitel haben eine perfekte Länge. Die Überschriften zeigen den Ort der Handlung und die im Mittelpunkt stehende Figur. Somit kann man der Geschichte sehr gut folgen. Die Ortsbeschreibungen sind wunderbar und sehr genau formuliert. Vor meinen Augen zeichnete sich Paris ganz deutlich ab. Einzig ein Stadtplan im Buchumschlag wäre wünschenswert gewesen, um die Wege der Protagonisten noch besser nachvollziehen zu können. Die beiden Paare waren mir sehr sympathisch und ich hatte eine gute Lesezeit.
Ein absolut glaubwürdiger Roman mit spannenden Krimielementen.

Bewertung vom 27.03.2025
Clarke, Lucy

The Surf House (MP3-Download)


ausgezeichnet

Auf der Suche nach einem neuen Hörbuch bin ich wieder bei Lucy Clarke gelandet. „The Surf House“ ist für mich bereits das fünfte Hörbuch von ihr. Die Muster ihrer Romane sind immer ähnlich, was mich aber nicht stört. Es ist ein bisschen wie nach Hause kommen. Die Protagonisten, in diesem Roman die Protagonistin Bea, kommen immer aus Großbritannien und werden während eines Auslandsaufenthaltes immer in ein Unglück verwickelt. Bea ist ein Modell und während eines Fotoshootings in Marokko beschließt sie, diesen Job zu schmeißen und ganz aufzuhören. Sie besucht die Medina in Marrakesch und gerät sofort in Not. Zum Glück wird sie von Marnie gerettet. Dieser Vorfall verbindet die beiden und Marnie lädt Bea ein, mit nach Mala zu kommen. Mala ist ein Surfhotspot und Marnie betreibt dort ein Hostel. Dort kann Bea wohnen und arbeiten. Bea gewinnt Gefallen daran und lernt Marnies Freunde kennen. Der Amerikaner Seth ist Gast dort. Er ist auf der Suche nach seiner verschwundenen Schwester Savannah. Ihr letzter Aufenthaltsort vor über einem Jahr war das Hostel von Marnie. Bea unterstützt Seth bei der Suche nach Savannah, doch die Verstrickungen die sich auftun sind immer verworrener.
„The Surf House“ ist ein typischer Lucy Clarke Roman. Wer, wie ich, ihre Romane liebt, wird auch hier wieder voll auf seine Kosten kommen. Das Genre liegt, wie immer, zwischen Krimi und Thriller. Der Spannungsbogen wird langsam aufgebaut und es gibt viele Wendungen. Das Böse ist am Ende gut und das Gute am Ende böse. Lucy Clarke ist gut darin, komplexe Handlungsgerüste zu entwickeln, es kommt keine Langeweile auf und die Leserschaft/Hörerschaft bleibt am Ball. Auch die Hörbuchsprecherauswahl war wieder perfekt. Ich hatte eine gute Zeit, diesem 9 Stunden umfassenden Hörbuch zu lauschen. Das Cover hat einen großen Wiedererkennungswert zu den bereits erschienen Romanen der Autorin. Von mir gibt es 5 Sterne.

Bewertung vom 27.03.2025
Jakob, Valerie

Frag nicht nach Agnes (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Das Verhältnis zwischen Lilo und ihrer Mutter Monika ist geprägt von Distanz und Schweigen. Aber warum? Immer wieder versucht Lilo ihrer Mutter näher zu kommen, doch diese wehrt ab. Auch über die Vergangenheit wird nicht gesprochen. Dieser emotionale Roman von Valerie Jakob ist in zwei Zeitebenen geschrieben. Im Vergangenheitsstrang lernen wir Agnes, Monikas Mutter, kennen. Im 2. Weltkrieg verliert sie ihre Eltern und kommt als junge Frau bei der Familie Steiner unter. Als der Sohn des Hauses aus der Kriegsgefangenschaft heimkehrt, heiratet sie ihn. Die 50iger Jahre sind immer noch geprägt von den Kriegsgeschehnissen, von der Aufarbeitung und dem Vergessen und Verdrängen dieser Zeit. Die Stellung der Frau entwickelt sich zu den konservativen Moralvorstellungen zurück. Agnes hat es nicht leicht, sie will sich nicht unterordnen und stellt Fragen. Ihr Verlangen nach Gerechtigkeit wird am Ende ihr Verhängnis und das Leben weiterer Generationen beeinflussen. Viele Jahrzehnte später wird Agnes Enkelin Lilo die Ereignisse aufdecken und somit auch einen Weg zu ihrer Mutter Monika finden. Doch auch bei Lilo läuft nicht alles rund, wie wir im Gegenwartsstrang erfahren. Sie ist Goldschmiedin und nach dem Verlust ihres Freundes muss sie ihr Leben neu planen. Beruflich werden ihr, durch einen neuen Kollegen, viele Steine in den Weg gelegt. Somit hat sie nicht nur die Vergangenheit zu verarbeiten, sondern muss auch um ihre Stellung im hier und jetzt kämpfen.
„Frag nicht nach Agnes“ ist für mich der erste Roman, den ich von Valerie Jakob gelesen haben und es wird bestimmt nicht der einzige sein. Sie versteht es, ihre Leserschaft von Beginn an zu fesseln. Sie schreibt flüssig, klar strukturiert und modern. Ich bin eine begeisterte Leserin von Romanen mit unterschiedlichen Zeitebenen und bin hier voll auf meine Kosten gekommen. Ganz geschmeidig setzt die Autorin dieses Stilmittel in diesem Roman um. Es war mir eine große Freude, diesen Roman zu lesen. Die Geschichte um Agnes herum, hat mir am Anfang ein wenig besser gefallen. Lilo konnte ich nicht sofort einordnen und es brauchte ein bisschen, um mich auf sie einzulassen. Doch irgendwann platzte der Knoten und mir wurde klar, was Valeri Jakob uns aufzeigen will. Die Traumata der Kriegsgeneration werden auf die nachfolgenden Generationen weitervererbt. Der Name dafür: transgenerationale Traumata. Vermutlich haben wir alle unser Päckchen zu tragen, die einen mehr, die anderen weniger. Dieser tief berührende Roman lässt mich meine eigene Familiengeschichte hinterfragen und wir mich noch einige Zeit beschäftigten.
Von mir ganz klar eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 20.03.2025
Dicker, Joël

Ein ungezähmtes Tier


ausgezeichnet

„Ein ungezähmtes Tier“ von Joel Dicker ist ein Roman vieler Wendungen und mit einem unerwarteten Ende. Von mir als Hörbuch gehört, sind die vielen verschiedenen Zeitebenen eine Herausforderung gewesen. Vermutlich kann man dem beim geschriebenen Roman besser folgen. Aber mit ein bisschen Konzentration funktioniert auch das und der Sprecher Torben Kessler erzählt spannend und fesselnd.
Die Protagonisten sind zwei Ehepaar aus der Schweiz. Sophie und Arpad Braun, sie ist Rechtsanwältin, er Investmentbanker. Mit ihren zwei Kindern leben sie in einem schicken Haus in einem Vorort von Genf. Dort wohnen auch Karine und Greg mit ihren beiden Kindern. Allerdings in einem Reihenhaus. Karine arbeitet in einer Boutique, Greg bei der Polizei. Die beiden Ehepaare freunden sich an. Greg ist von Anfang an von Sophie fasziniert, er spioniert sie sogar aus. Sowohl Greg wie auch Karine bewundern die Brauns, auch Neid kommt auf. Der Lebensstil der Brauns ist beeindruckend. Geld scheint keine Rolle zu spielen. Doch dann läuft alles, aber auch wirklich alles aus dem Ruder. Greg handelt unüberlegt und bringt seinen Job in Gefahr. Dann taucht ein alter Freund von Sophie und Arpad auf und nach und nach erfährt man mehr über das Vorleben der Brauns. Auch Karine merkt, dass da etwas im Busch ist und reimt sich etwas zusammen, doch das ganze Ausmaß von Verwicklungen wird sie nicht ermessen.
Mich hat diese Geschichte von Beginn an fasziniert und ich spreche dem Autor meine Hochachtung aus. Diese vielen Handlungsstränge sind einfach hervorragend miteinander verknüpft. Hier stimmt einfach alles. Sowohl sprachlich, modern und flüssig geschrieben, wie auch das komplexe Gerüst der gesamten Handlung. Das ist wirklich ganz großes Kino.
Das Cover ist toll gewählt und auch der Titel erschließt sich zum Ende. Mehr geht nicht. Von mir gibt es eine 5 Sterne Leseempfehlung.

Bewertung vom 20.03.2025
Fuchs, Katharina

Vor hundert Sommern


ausgezeichnet

Der neue Roman von Katharina Fuchs „Vor hundert Sommern“ hat mich, wie erwartet, wieder tief berührt und beschäftigt mich nach Beendigung des Buches immer noch. Die Protagonistinnen sind vier Frauen unterschiedlicher Generationen. Der Roman spielt in zwei Zeitebenen, die sich fortlaufend abwechseln. Ein Handlungsstrang beginnt im Jahr 1925, also vor einhundert Jahren, dem Titel gerecht werdend. Die 19jährige Clara wächst mit vier Geschwistern in ärmlichen Verhältnissen in Berlin auf. Schon als 14jährige muss sie, wie damals in der Arbeiterschicht üblich, arbeiten gehen. Selbstbewusst geht sie durchs Leben, lässt sich nie die Butter vom Brot nehmen und schafft den Sprung in die Selbstständigkeit. Doch der 2. Weltkrieg hinterlässt tiefe Spuren im Leben ihrer Familie. Der zweite Handlungsstrang spielt in der Gegenwart. Elisabeth ist Claras Nichte und mittlerweile 94 Jahre alt. Gerade ist sie aus ihrer Berliner Wohnung nach Hamburg in ein Seniorenheim gezogen, um in der Nähe ihrer Tochter Anja (57) zu sein. Ihre Enkelin Lena (19) studiert in Berlin und unterstützt die Familie beim Ausräumen von Elisabeths Wohnung. Dabei findet Lena viele alte Dinge und Fotos und Fragen kommen auf. Viele Jahrzehnte hat Elisabeth geschwiegen, doch sie erkennt, dass die Zeit gekommen ist, um die Familiengeschichte ans Licht zu bringen. Anja und Lena sind fassungslos, denn das was sie hören, beeinflusst auch ihr Leben.
Aktueller kann ein Roman, der im März 2025 erscheint, nicht sein. Denn endet der Roman doch erst im Dezember 2024. Katharina Fuchs hat mich wieder mit ihrem modernen und flüssigen Schreibstil überzeug. Ihre Bücher zu lesen bereitet mir jedes Mal eine große Freude. Sie schreibt so authentisch, der Funke springt sofort über und auch hier hat mich die Geschichte sofort wieder in den Bann gezogen. Es gelingt ihr sensationell gut, Vergangenheit und Gegenwart miteinander zu verknüpfen. Sehr gut gefallen mir auch die vielen politischen Verweise auf unsere gegenwärtige Situation und die vielen aktuellen Themen, die uns momentan beschäftigen, wie Nachhaltigkeit, Social Media etc. Sie geben dem Roman einen besonderen Impuls. Ferner werden wir daran erinnert, die Zeiten der NS-Diktatur nicht zu vergessen und zeigen uns Parallelen zu damals und jetzt.
Die Protagonistinnen sind mir im Laufe des Romans sehr ans Herz gewachsen. Speziell Anja ist wie eine Freundin für mich geworden, das mag am selben Alter liegen, denn ich kann sämtliche Gedanken und Entscheidungen gut nachvollziehen, auch sind meine Töchter im ähnlichen Alter wie ihre. Das verbindet. Das Nachwort hat mich sehr berührt, denn wie wir erfahren, sind nicht alle Figuren der Fantasie entsprungen. So gab es Clara wirklich. Mit diesem Hintergrund sieht man die Geschichte zusätzlich mit anderen Augen. Das Buchcover gefällt mir auch sehr gut. Ich vermute es zeigt Lena beim Stöbern in alten Dokumenten.
Von mir gibt es ganz klar 5 Sterne Weiterempfehlung.

Bewertung vom 13.03.2025
Crouch, Sarah

Middletide - Was die Gezeiten verbergen


ausgezeichnet

Der Roman ist das Debüt von Sarah Crouch, einer Profi-Marathonläuferin aus den USA. Der Klappentext, sowie das atmosphärische Buchcover haben mich neugierig auf das Buch gemacht. Der Roman ist in unterschiedlichen Zeitebenen geschrieben und man sollte konzentriert lesen, um der Handlung folgen zu können. Mich hat die Geschichte von Beginn an gefesselt und ich hatte keine Probleme mit den wechselnden Perspektiven, die wunderbar miteinander verknüpft werden.
Elijah und Nakita verbindet eine Jugendliebe. Sie leben in einer Kleinstadt an der amerikanischen Pazifikküste. Doch dann trennen sich ihre Wege für viele Jahre, bis Elijah nach dem Tod seines Vaters zurückkehrt. Er kämpft um Nakitas Liebe, doch diese weist ihn zunächst ab. Zu groß sind die Wunden der Vergangenheit. Dann erschüttert ein Mord die Küstenstadt und Elijah gerät ins Visier der Sheriffs. Die Beweislage ist erdrückend, denn die Vorgehensweise des Mordes erinnert an Elijahs einzig geschriebenen Buch: Middeltide. Die Zeit rennt dahin und Elijah versucht mit Hilfe von Nakita seine Unschuld zu beweisen.
Tatsächlich vermutete ich anfangs eine Liebesgeschichte, doch diese gerät in den Hintergrund und der Roman entwickelte sich zu einem Krimi. Dies Kombination gefällt mir sehr gut, doch sollte man wissen, auf was man sich einlässt. Die Leserschaft von reinen Liebesromanen oder Krimis könnte enttäuscht werden. Sehr gelungen sind die wunderschönen Landschaftsbeschreibungen und sprachlich bewegt sich Sarah Crouch auf hoher Ebene. Kaum zu glauben, dass dies ihr erster Roman ist. Mich hat dieser Roman komplett abgeholt, auch über einige Ermittlungsfehler kann ich hinwegsehen. Der Roman endet im Jahr 1994 und kriminaltechnisch lässt sich diese Zeit nicht mit unserem heutigen Stand vergleichen, zumal das Setting in einer Kleinstadt angedacht ist.
Ich hatte ein Wochenende lang eine hervorragende Lesezeit und vergebe 5 Sterne.