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LaberLili

Bewertungen

Insgesamt 162 Bewertungen
Bewertung vom 28.04.2022
Papyrus
Vallejo, Irene

Papyrus


ausgezeichnet

Der Untertitel „Die Geschichte der Welt in Büchern“ fuchst mich nach wie vor, geht es doch vielmehr um „die Weltgeschichte der Bücher“ und ihre Bedeutung bzw. Entwicklung im zeitgeschichtlichen Verlauf – und ist dabei äußerst interessant und recht unterhaltsam zu lesen, wobei sich der historische Bezug zudem allerdings weitgehend auf die westliche Welt konzentriert und hier z.B. selbst Exkursionen aus den europäischen Reichen in den nordafrikanischen Raum hauptsächlich dazu dienten, sich, auf die eine oder andere Weise, zu bereichern.
Aber da habe ich mich zu guter Letzt schon gefragt, wie sich Schrift(en) und Bücher auch auf die Politik und Gesellschaftsverhältnisse in Asien etc. ausgewirkt haben und hätte mir dazu auch noch mehr Informationen gewünscht.

Allerdings ist das Buch nun so schon ~750 Seiten dick, wobei ich es gar nicht als „dick“ bezeichnen möchte: ich war tatsächlich darauf eingestellt, hier letztlich quasi einen Ziegelstein in den Händen zu halten. „Papyrus“ entpuppte sich allerdings als überraschend leichtes und handliches Buch, in typischer Romangröße, während andere non-fiktionale Werke immerhin gerne auch etwas höher und breiter als belletristische Bücher sind. Meine Sehkraft ist miserabel, dass ich angesichts der Buchgröße zunächst einen Schriftgrad befürchtete, der mir definitiv regelmäßige Pausen ob der Anstrengung beim Lesen abverlangen würde – das war aber ebenfalls nicht so und ulkiger Zufall: grad, als ich zum letzten Drittel von „Papyrus“ dachte, dass ich dieses Buch auch körperlich sehr gut lesen könne und zum Glück auch kein strahlendweißes Papier verwendet worden war, ging es plötzlich um die Erfindung der Brille.

„Papyrus“ weist insgesamt einen sehr schönen Querschnitt auf; schlägt Bögen von Kopisten zu Buchdruckern, von Händlern zu Influencern, von Papierrollen zu eReadern, von ersten Schriftzeichen zu Graffiti…; und zeigt an so mancher Stelle den dauerhaft klassischen Status des Buches, indem klar darauf hingewiesen wird, dass so manche Gegebenheiten gar nicht so neuzeitlich und modern sind, wie man womöglich meinen möchte, sondern vor Jahrhunderten schon Thema waren. Manches hat mich wirklich verblüfft und einige Anekdoten haben es ganz definitiv auch in meinen „Wusstest du eigentlich, dass…“-Fundus an oft unnützem, aber immer gut zum Angeben geeigneten, Wissen geschafft.
Zudem wurde eben sehr schön deutlich gemacht, wie sehr Schriftsprache, und natürlich auch Übersetzungen, sich von jener auf die (internationale) Politik ausgewirkt haben und wie Literatur mehr und mehr „massentauglich“ wurde und auch die Gesellschaften veränderte.

Ich mochte ferner die Einteilung des Buchs sehr: die Kapitel sind wie gut verdauliche Häppchen, nur, dass man sie auch getrost mehrfach essen kann. Hier fand ich es wirklich schön, tagtäglich ein, zwei Kapitel zu lesen und mich so ganz geruhsam durch das Buch zu arbeiten; da ist „Papyrus“ definitiv ein Buch, das ich auch zukünftig immer mal gerne wieder aus dem Regal ziehen werde, einfach um nur „ein bisschen“ darin zu lesen.
Die Thematik ist definitiv schon ein wenig nerdy; jedem geschichtsbegeistertem Bücherwurm würde ich „Papyrus“ definitiv empfehlen; aber wie gesagt, ist es sehr verständlich und ohne große Fremdwörter geschrieben. Die größte Gefahr besteht meiner Meinung hier darin, dass man mitunter nicht unbedingt mit jedem der vorkommenden Namen etwas anfangen kann, und dann zusätzlich nachschlagen muss, wer jene Persönlichkeit überhaupt ist/war, wobei sich das im Groben und Ganzen häufig auch schon direkt aus dem Kontext erschließt.

Bewertung vom 16.04.2022
Das Loft (eBook, ePUB)
Geschke, Linus

Das Loft (eBook, ePUB)


sehr gut

Die ersten beiden Jan-Römer-Bände habe ich in der Vergangenheit bereits gelesen und jene Reihe danach zwar aus den Augen verloren, aber der Name „Linus Geschke“ ist mir als Autor in Erinnerung geblieben; aktuell des Reihenlesens ein wenig überdrüssig, nachdem ich kürzlich die Ben-Kitto-Reihe von Kate Penrose quasi am Stück gelesen habe, habe ich es doch sehr erfreut aufgenommen, dass Geschke mit „Das Loft“ nun einen Standalone-Roman vorgelegt hat.

Die Kurzbeschreibung sprach mich auf Anhieb an und ein kurzer Blick ins Buch verriet mir zumindest schonmal, dass ich die Erzählperspektive(n) auch mögen würde: Dieser Thriller, der insgesamt eher psychodramatisch wirkt, wird weithin abwechselnd von den Hauptfiguren Sarah und Marc erzählt, die quasi jeweils ihre persönliche Geschichte reflektieren und dabei zumeist den Anderen, in dessen Abwesenheit, ansprechen. Beide sind verdächtig, ihren Mitbewohner Henning umgebracht zu haben, den Marc zwar als seinen besten Freund bezeichnet, bei dem aber von Anfang an kein Zweifel daran besteht, dass Henning ein Musterbeispiel für „falscher Freundeskreis“ ist. Was zunächst gar nicht so klar ist, ist Hennings Tod, der durch Indizien festgestellt wird, denn statt einer Leiche wird nur jede Menge Blut gefunden, dessen Menge klar für einen Exitus sprach.
Zusätzlich gibt es immer wieder noch Einschübe, die die polizeilichen Ermittlungen beleuchten und sich sehr auf die erst kürzlich nach Hamburg versetzte Chefermittlerin konzentrieren.
Die Polizei glaubt eher an eine Gemeinschaftstat, während durch die Aussagen von Sarah bzw. Marc schnell klar wird, dass zwar beide etwas verheimlichen, aber sich selbst jeweils als unschuldig ansehen, wobei sich einige Szenen so lesen lassen, dass ich auch in Betracht gezogen habe, man würde sich einfach nur einzureden versuchen, nichts mit alledem zu tun zu haben.

Ich habe einige Tage für das Buch benötigt, obschon ich im Vorfeld erwartet hatte, ich würde es regelrecht fressen, aber während mich der Roman nun zwar nicht völlig gefesselt hat, hat er einfach eine grundsätzliche Faszination auf mich ausgeübt, die mich schon wissen lassen hat wollen, was nun hinter dem Ganzen steckt und ob überhaupt tatsächlich ein Mord stattgefunden hat.
Henning wurde eindeutig mehr als Täter denn als Opfer geschildert und so traf mich der Mord nicht wirklich, ferner waren auch weder Marc noch Sarah sonderlich sympathisch und ich habe da auch nicht die ganz große, romantische Liebe erkannt, die zwischen ihnen herrschen sollte; beide schilderten mir ihre Partnerschaft angesichts der ganzen Umstände viel zu verklärt. Für mich fehlte da die Spannung bzw. es war mir von Anfang an klar, dass ich mit keinem mitfiebern, mich auf keine Seite schlagen, konnte – nicht, weil das ganze Szenario bis fast zum Schluss völlig mysteriös blieb, sondern weil es mich nur wenig kümmerte, ob nun Sarah oder Marc oder Beide oder Keiner Henning abgemurkst hatte. Die Auflösung verblüffte mich letztlich zwar kurz, aber ein derartiges „Ha! Große Überraschung!“-Enden habe ich vor Allem in US-Thrillern schon häufiger gelesen, wobei es mir beim „Loft“ nun schon ein wenig übers Knie gebrochen vorkam und mir das tatsächliche Geschehen zu sehr runtergerattert wurde, während die Erzählweise zuvor eher vergleichsweise stockend war. Das war mir zu sehr Bruch im Stil; andererseits, während ich mir den Schluss etwas langsamer gewünscht haben würde, hätte ich mir die Erzählung bis dahin sonst etwas rasanter gewünscht.

Hm… letztlich habe ich „Das Loft“ nicht ungern gelesen und ich würde es auch empfehlen, aber ich hatte eingangs doch erwartet, dass dieser Roman sich als größeres Highlight entpuppen würde. Knapp vier Sterne (aufgerundet).

Bewertung vom 05.04.2022
Man muss sich nur trauen / Online-Omi Bd.16
Bergmann, Renate

Man muss sich nur trauen / Online-Omi Bd.16


sehr gut

Über das Erscheinen einer neuen Bergmann-„Episode“ habe ich mich sehr gefreut; ich bin Fan der Online-Oma, während ich dem ersten Auftritt des mutmaßlichen Online-Opas Günter Habichtletzthin ja doch eher verhalten gegenüberstand, und so war ich froh, dass statt eines weiteren Habicht-Bandes nun erneut ein Bergmann-Buch veröffentlicht wurde. An den Geschichten rund um Renate Bergmann schätze ich vor Allem, dass sie tatsächlich immer andere Themen haben und Frau Bergmann trotz ihres fortgeschrittenen Alters eben immer wieder völlig andere Dinge (neu) erlebt, wie nun eben eine im Rentenalter stattfindende Hochzeit, in deren Rahmen sie sich im Grunde genommen als Wedding Plannerin auslebt, um immer wieder zu betonen, dass Hochzeitsplaner eigentlich völlig überflüssig sind – tatsächlich war Renate Bergmanns Engagement hier für mich letztlich auch ein kleiner Wermutstropfen, denn ich habe mich schließlich tatsächlich zu wundern begonnen, ob Gertrud und Gunter überhaupt irgendetwas zum Ablauf ihrer eigenen Hochzeit wussten, da es hier kaum Unterhaltungen, insbesondere mit Gertrud (da war im Vergleich selbst Gunter dieses Mal schon fast geschwätzig), gab. Da hätte ich mir definitiv sehr viel mehr ganz explizites „Miteinander“ gewünscht.

Man kann nicht bezweifeln, dass Renate Bergmann angesichts ihrer mehrfachen Verwitwungen definitiv hochzeitserfahren ist, und ich fand es schön, dass in „Man muss sich nur trauen“ doch relativ viel aus der Vergangenheit erzählt wurde und wie Hochzeitsfeiern früher gemeinhin so abliefen und inwiefern sich das im Vergleich zu Heute doch, oder auch nicht, gewandelt hat. Allerdings hatte ich an zwei, drei Stellen auch das sichere Gefühl, dass die Online-Omi uns exakt das Gleiche schonmal einige Seiten zuvor erzählt hatte, so dass ich schon zu überlegen begonnen habe, ob da beim Lektorat geschludert wurde oder ob man die Fans subtil darauf vorbereiten möchte, dass Renate Bergmann allmählich doch ein wenig tattrig wird und es auf ein Ende der Serie zuläuft. Denn diese deutlichen Wiederholungen sind mir bislang in keiner anderen Bergmann-Geschichte aufgefallen.

Letztlich reicht es für mich zwar für knapp vier Sterne (leicht aufgerundet) in der Wertung, zumal Renate Bergmann sich hier auch wieder als Unikat positioniert, aber grad den letzten Band „Und fertig ist die Laube“ habe ich doch noch als deutlich heiterer und auch ein wenig kurzweiliger empfunden. Generell aber auch wieder ein sehr nettes Stück Online-Omi!

Bewertung vom 08.03.2022
Jeder Tag für dich
Greaves, Abbie

Jeder Tag für dich


schlecht

Den „unvergesslichsten Liebesroman des Jahres“ werde ich vermutlich deswegen nicht vergessen, weil er mich nach seinem Lesen völlig entgeistert zurückgelassen hat, denn hatte mich eine Leseprobe doch sehr von ihm überzeugt und absolut neugierig auf diese Geschichte gemacht, hat mich sein kompletter Rest doch völlig, nun ja, nicht abgeschreckt, aber absolut gelangweilt. Dies war für mich das ödeste Buch, das ich seit Langem gelesen habe.
Dass Mary seit sieben Jahren allabendlich, und zwar stundenlang, mit einem Schild, auf dem sie ihren verschwundenen Mann zur Heimkehr auffordert, am Bahnhof steht, klingt im ersten Moment wohl romantisch – kurz darauf begann ich aber zu denken, dass zum Einen dieses Schild keinen Sinn ergäbe (denn offensichtlich hielt sich Jim vermutlich ja eher nicht seit Jahren derart ortsnah auf, als dass sie sich nie wieder begegnet wären, und er würde das Schild von daher wahrscheinlich eher genau dann gesehen haben, wenn er eben bereits wieder auf dem Heimweg gewesen wäre) und dass es zum Anderen durchaus auffällig wäre, dass eine Frau in ihren Dreißigern jahrelang ein solches Ritual beibehält. Da begann ich mich alsbald doch auch zu fragen, ob Marys Engagement bei einer Hilfe-Hotline nicht auch eher fragwürdig war und ob sie aufgrund ihrer eigenen Situation da nicht viel mehr auch selbst hilfebedürftig war (was übrigens auch diverse ihrer dortigen Kolleg*innen zutraf). Insgesamt fiel da bald auf, dass in diesem Buch psychische Gesundheit sicherlich eine wesentliche Rolle spielen würde.
Generell ist übrigens alles, was in dieser Geschichte stattfindet, in meinen Augen daraufhin überdenkbar, ob es nicht von völliger Toxizität zeugt.

„Jeder Tag für dich“ ist achronologisch erzählt bzw. es gibt sehr häufig Rückblenden, in denen man erfährt, wie sich die Beziehung zwischen Mary und Jim überhaupt entwickelt hat; mit Alice kommt dann quasi noch eine zweite Protagonistin hinzu – und ich fand beide Frauen, ebenso wie Jim, völlig uninteressant und für mich blieb auch alles so farblos. Für mich kam auch an keiner Stelle rüber, dass das zwischen den Eheleuten überhaupt mal „die ganz große Liebe des Lebens“ gewesen sein sollte; für mich wirkte das eher wie eine schulterzuckend mit einem „das mit uns hat sich halt so ergeben“ abgetane Beziehung.
Das Spannungsfeld ergibt sich hier ausschließlich aus der Frage, warum/wohin Jim verschwunden ist, die auch sehr lange unbeantwortet bleibt, wobei mich diese Auflösung zum Schluss auch gar nicht mehr wirklich interessierte, obschon grade das es war, was ich nach der Leseprobe ganz unbedingt hatte wissen wollen. Da ging es für mich dann allerdings längst darum, dass Mary auch unabhängig von diesem Jim-Thema ihr Leben gestalten sollte.

Der Hintergrund von Jims Verschwinden ist übrigens durchaus ernst; es ist kein „ich hatte einfach spontan Lust, heimlich und alleine eine Weltreise zu unternehmen“-Grund; aber dass hier zuvor nie ein klarer Schnitt gemacht worden war (immerhin waren ja nun längst zig Jahre vergangen), hinterließ dann doch auch einen schalen Beigeschmack.
Insgesamt bin ich vom Romanende auch nicht so ganz überzeugt; irgendwie schrie das für mich alles zu sehr danach, dass „es ohne Mann halt gar nicht geht“.

Alles in Allem wirkte „Jeder Tag für dich“ auf mich schließlich wie ein grob ausgearbeitetes Manuskript, mit dem man Nicholas Sparks hat nacheifern wollen, wobei man aber auf jegliche (liebevollen) Gefühlsausdrücke verzichtet hat, wobei man die Thematik in diesem Fall ohnehin besser von jemandem wie Barbara Leciejewski hätte ausarbeiten lassen sollen, weil die Handlung auch für einen Sparks-Roman schon zu viel Tiefe gehabt hätte.
Ich finde das ursprüngliche Motiv nach wie vor spannend, aber in diesem Roman so miserabel umgesetzt, dass ich es wirklich kaum fassen kann, wie extrem für mich die Diskrepanz zwischen „Kennen der Leseprobe“ und „Kennen des kompletten Romans“ ist. Ich habe übrigens nun relativ lange überlegt, ob ich dem Roman dennoch zwei

Bewertung vom 10.01.2022
Nachts schweigt das Meer / Ben Kitto Bd.1 (eBook, ePUB)
Penrose, Kate

Nachts schweigt das Meer / Ben Kitto Bd.1 (eBook, ePUB)


sehr gut

Das Erste, was ich getan habe, nachdem ich „Nachts schweigt das Meer“ ausgelesen hatte, den nächsten Band anzuschaffen – und damit ist im Grunde genommen doch schon alles gesagt.
Bevor ich den Roman gelesen habe, wusste ich über die Scilly-Inseln nicht viel mehr, als dass sie zu Großbritannien gehören; gut, dunkel meinte ich mich zu erinnern, dass Prinz William und Herzogin Catherine mitsamt ihrer Kinder während der Corona-Pandemie da ihren Sommerurlaub verbracht hatten, weil die Inseln relativ abgeschottet lägen und ein Aufenthalt dort keiner auffälligen Sicherheitsvorkehrungen bedurft habe. Im Buch findet man nun, ehe die Geschichte losgeht, auch eine Karte, die der Leserschaft die Lage der einzelnen Inseln nochmals verdeutlichen soll: nette Idee, die mir allerdings gar nicht weiterhalf, da dieser Plan im eBook hauptsächlich wie ein Kaffeefleck ausschaut und er sich mit dem Paperwhite auch nicht heranzoomen ließ. Zunächst hatte ich es dabei belassen, mir aber später doch online eine Karte der Inseln angeschaut, da im Roman doch häufiger von Inselchen zu Inselchen übergesetzt wurde, mal privat, mal mit der Fähre, dann gab es noch das Flugzeug zum Festland und es mir ohne jegliche Ortskenntnisse schwerfiel, das alles nun auch von den Entfernungen her einzustufen.
Generell verströmte „Nachts schweigt das Meer“ aber doch sehr viel Lokalkolorit; von der Lage der einzelnen Inseln zueinander abgesehen habe ich mir die Scilly-Inseln auch ziemlich gut vorstellen können, obschon es mich eingangs irritierte, als beschrieben wurde, dass eine Insel an der breitesten Stelle nur 1km mäße, ehe erklärt wurde, welches Anwesen in einer Talsenke und sowieso läge: vor Allem in jener Szene hat mir die angeschaute Karte dann doch sehr geholfen, die räumlichen/geografischen Verhältnisse besser nachvollziehen zu können. Nach dem Lesen könnte ich mir nun auch gut vorstellen, selbst einmal auf den Scilly-Inseln Urlaub zu machen; im Roman kommen sie für mich wie eine rauhere Küstenregion rüber, die sich hervorragend zum Entschleunigen und Durchatmen eignet – sofern grad vor Ort kein*e Mörder*in gesucht wird, wovon im realen Leben doch eher auszugehen ist.
Auch „Nachts schweigt das Meer“ ist ein eher ruhiger Krimi, bei dem sehr viel befragt und rekonstruiert wird; großartige Action gibt es hier nicht. Da liegt der Fokus schon eher auf der Belastung, die Ben, der ohnehin daheim auf den Inseln eigentlich zu einem Entschluss kommen wollte, ob er die Polizeikarriere komplett an den Nagel hängt, dadurch erfährt, dass ihm völlig bewusst ist, dass er letztlich wen aus seinem eigenen Umfeld festnehmen werden muss, da ein*e auswärtige*r Täter*in nicht in Frage kommt. Hinzu kommt, dass einige Inselbewohner*innen ihn eher desillusioniert zurücklassen, da er ihre jetzige Persönlichkeit kaum mit dem Mensch in Einklang bringt, der ihm früher wohlvertraut war.
Die Darstellung der Figuren habe ich in diesem Fall übrigens sehr genossen, da ich mir prinzipiell alle Figuren sehr gut vorstellen konnte – da überraschte mich die Auflösung letztlich doch ein wenig; die Hintergründe habe ich nachvollziehen können, aber so ganz konnte ich zunächst nicht glauben, dass betreffende Person derart zielgerichtet hat zustechen können sollen.

Wie gesagt: Auf mich wartet nun bereits Band 2 und ich würde „Nachts schweigt das Meer“ nun nicht unbedingt dem Cozy-Crime-Genre zuordnen, obschon es doch deutlich behaglicher zugeht als in den eher Richtung Psychothriller gehenden Kriminalromanen, was einem vor der Lektüre doch bewusst sein sollte. Bildlich gesprochen würde ich diesen Roman als „Kuschelkrimi mit Gewitter“ bezeichnen; ich mochte ihn jedenfalls!

Bewertung vom 03.01.2022
Thirteen / Eddie Flynn Bd.4 (eBook, ePUB)
Cavanagh, Steve

Thirteen / Eddie Flynn Bd.4 (eBook, ePUB)


sehr gut

„Thirteen“ war tatsächlich mein erster Roman rund um Eddie Flynn: Dabei war ich eingangs echt überzeugt, mindestens einen Vorgänger gelesen zu haben, da mir vor Allem die Personenkombi Eddie/Harper so bekannt vorkam und mir auch Eddies privater Background diffus vertraut erschien. Irgendwann ist mir allerdings klargeworden, dass ich Eddie Flynn ganz einfach mit der Figur des Ted Conkaffey von Candice Fox verwechselt hatte; jetzt möchte ich doch behaupten, dass wer die Reihe um jenen Ermittler mochte, bestimmt auch was mit der Eddie-Flynn-Reihe anfangen kann (und umgekehrt).

Bereits die Kurzbeschreibung verrät dabei ja bereits das grundsätzliche Geheimnis des Romans: der Mörder sitzt in der Jury; worin besteht nun also eigentlich das Spannungsmoment dieser Geschichte? Zum Einen natürlich darin, dass man als Leser*in von Anfang an weiß, dass der Angeklagte in diesem Fall unschuldig ist, aber eben nicht, ob seine Unschuld letztlich bewiesen wird bzw. ob es dem wahren Täter gelingt, die anderen Jury-Mitglieder zu einer Verurteilung zu bewegen und zum Anderen weiß man aber auch nicht, welcher der Juroren genau der wahre Täter ist. Gleich eingangs erfährt man, dass und wie er in die Rolle eines der Juroren geschlüpft ist, aber es bleibt wirklich sehr lange unklar, welcher Juror hier ersetzt wurde. Das Einzige, was aufgrund der Erzählungen und letztlich auch der Fallrekonstruktionen definitiv ausgeschlossen scheint, ist, dass es sich beim Täter um eine Frau handelt.
Dabei gibt es in „Thirteen“ durchaus eine wechselnde Perspektive; mal wird aus der personalen Sicht Eddies erzählt und mal wird auktorial der Mörder „begleitet“, von dem man zwar sehr viel erfährt, bei dem es Cavanagh als Autor aber zugleich gelungen ist, ihn stets so detaillos zu umschreiben, dass man – aus Eddies Sicht betrachtet – tatsächlich auch spekulieren muss, wer von den Juroren ein falsches Spiel treibt. Immer wieder gibt es kleinere Hinweise, die einen zu erkennen meinen lassen, als welcher Juror sich der echte Täter ausgibt, und die dann wieder derart über den Haufen geworfen werden, dass ich letztlich bereit war, die Buchbeschreibung anzuzweifeln: Säße der Täter wirklich in der Jury oder wäre er stattdessen einfach nur im engsten Umfeld der Jury zu finden? Zudem wird, aus sämtlichen Perspektiven, bald ersichtlich, dass der Täter über Insiderwissen verfügt und einen Kontakt in die Ermittlerreihen pflegen muss. Die Identität des „Maulwurfs“ hat mich letztlich übrigens weniger überrascht, mir allenfalls einen leichten „Aha“-Moment beschert, denn relativ weit vorne in der Geschichte gab es eine, in meinen Augen ganz seltsame, Szene, die für mich keinen rechten Sinn ergab und die hier dann aber später auch im Sinne der Beweisführung genannt wird, in der jener Vorfall plötzlich sehr viel Sinn ergab. Wer ganz aufmerksam liest, dürfte zumindest den Maulwurf von daher bereits vor dem letzten Drittel der Geschichte ausgemacht haben.

Was mich allerdings doch störte: Beim Mord, der hier verhandelt wurde, gab es ein ganz besonderes Merkmal, das sofort hätte auffallen müssen, aber das FBI wurde dann eher zufällig via Eddies persönlicher Kontakte hierauf aufmerksam, obschon das FBI bzgl. einer Mordserie quer durch diverse Bundesstaaten ermittelte, die sich durch exakt dieses Merkmal auszeichnete. Ich habe es absolut nicht verstanden, wieso das FBI sich nicht sofort eingeschaltet hatte und jetzt erst noch die Datenbank nach weiteren Taten mit diesem sehr spezifischen Merkmal durchsuchen musste: Wieso hatte das FBI in der Hinsicht nicht einen ständigen Alert geschaltet?
So spannend ich „Thirteen“ auch fand: Mir war da bald überhaupt nicht klar, wieso dieser Prozess grundsätzlich hatte beginnen können, und generell wirkte das FBI hier auf mich wie ein Haufen Ermittler, dem beim gemütlichen Kaffeetrinken ganz plötzlich und siedend heiß eingefallen war, dass er ja noch in einer mutmaßlichen Mordserie zu ermitteln hatte – oder als wäre Cavanagh irgendwann doch noch in den

Bewertung vom 29.12.2021
Reality Show (eBook, ePUB)
Freytag, Anne

Reality Show (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Dieser Roman entpuppte sich für mich als echter Pageturner: Ich war mit so hohen Erwartungen an die vielversprechend klingende Handlung herangegangen, dass ich im Vorfeld bereits damit rechnete, dass diese nicht erfüllt werden würden können. Doch: konnten sie. Und wurden sie.
Dabei wechselt in „Reality Show“, abgesehen davon, dass der Roman achronologisch erzählt wird und immer wieder eingeschoben wird, wie die titelgebende Reality Show überhaupt vorbereitet wurde, quasi Kapitel um Kapitel die Perspektive und hier wird sich nicht nur auf die Leute hinter und die (unfreiwillig) Teilnehmenden der Show beschränkt, sondern es werden auch Zuschauer*innen vor den Bildschirmen beleuchtet.
Letztere werden an Heiligabend plötzlich mit einer auf allen Kanälen laufenden Live-Show konfrontiert, in der eine Auswahl der Reichsten der Reichen präsentiert wird, deren häufig zwar legalen, aber moralisch doch zumindest zweifelhaften und oft auch unethischen, Vorgehensweisen vorgeführt werden, woraufhin die Zuschauer*innen per Voting über Schuld/Unschuld dieser Personen und sogar über ihre Strafen abstimmen dürfen. Generell fallen die Geiseln wohl unter die Kategorie „schwerreiche Lobbyisten“, die die Politik zu ihren Gunsten steuern, und die ganze Sendung könnte statt „Reality Show“ auch „Eat the Rich“ heißen.

Was mir dabei gut gefallen hat, ist, dass besagte Geiseln durchaus Gelegenheit erhielten, zu „gestehen“ bzw. sich zu verteidigen und letztlich auch die „Normalos“ vor den Bildschirmen gezwungen waren, ihr eigenes Verhalten zu reflektieren, wenn es z.B. darum geht, dass darauf hingewiesen wird, dass auch ihnen längst klar sein müsste, dass die T-Shirts, für die sie nicht mehr als 5€ ausgeben, nicht aus Bio-Baumwolle unter Fairtrade-Bedingungen von gutbezahltem Fachpersonal handgenäht werden. Neben der Kapitalismuskritik kommt hier also durchaus auch Konsumkritik vor.

Wie erwähnt, wechselt hier ständig die Perspektive und nach den ersten vier Kapiteln war ich definitiv kurz besorgt, ob ich die Figuren weiterhin differenzieren würde können, zumal ich durch das Inhaltsverzeichnis bereits wusste, dass hier im weiteren Verlauf noch mehr Personen fokussiert werden würden; ebenso wie ich überlegte, ob die Geschichte letztlich überhaupt rund und nicht doch eher fragmentarisch sein würde, da ich mir nicht vorstellen konnte, wie „Reality Show“ intensiv wirken können sollte, wenn jeder in fünf Sätzen abgefrühstückt wäre. Was dann übrigens niemand war.
Kleinere Schwierigkeiten hatte ich zunächst lediglich damit, die Mitglieder des Teams hinter der ganzen Aktion auseinanderzuhalten, die zudem dann alsbald auch noch Codenamen erhielten ohne dass explizit gesagt wurde, wer jetzt welchen Namen „angenommen“ hatte, so dass man noch auseinanderklamüsern musste, wer da eben nun wie genannt wurde. Allerdings war das Team auch gar nicht so wesentlich; da ging es definitiv mehr um die Aktion der „Reality Show“ und deren Thematik und eben auch absolut nicht darum, sich in irgendeiner Form zu profilieren, von daher passte es ganz gut, dass die Team-Mitglieder als Individuen eher in der Masse untergegangen sind.

Ich habe diesen Roman ungemein gerne gelesen; für mich zählt er zu meinen ganz großen Jahreshighlights, von denen ich 2021 eher wenig hatte; es hat mich auch verblüfft, wie hier so viel Inhalt in einen nicht auffällig langen Roman gepackt werden hatte können und dabei wurde auch sehr deutlich gemacht, dass die titelgebende Live-Show bis ins kleinste Detail hinein durchorchestriert war: Man musste sich nicht groß fragen, wie das kleine Team es geschafft hatte, diese Show aufzuziehen, durch die Rückblenden sowie Blicke hinter die Kulissen während der Übertragung war es nachvollziehbar – so dass man im Nachhall noch überlegen konnte, ob diese Show so auch in unserer Realität durchgeführt werden könnte. Generell gab es aufgrund der angesprochenen Vergehen relativ viel zum (weiteren) Nachdenken und insgesamt war die „Reality Show“ sowohl die im Roman

Bewertung vom 11.12.2021
Barbara stirbt nicht (eBook, ePUB)
Bronsky, Alina

Barbara stirbt nicht (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Dass Barbara nicht stirbt, steht für Walter zweifelsfrei fest: Da erkundigt er sich auch gar nicht weiter nach einer genaueren Diagnose, nachdem ihre Kinder darauf bestanden haben, sie zu einer fachärztlichen Untersuchung zu bringen. Barbara bleibt nun halt einfach liegen, isst kaum mehr, nimmt ihre Umwelt immer weniger wahr… aber während immer mehr Bekannte der einst sehr umtriebigen und engagierten Barbara vorbeikommen, um diese „noch einmal zu sehen“, bleibt Walter weiterhin überzeugt, dass Barbara eben nicht stirbt und dass er auch es auch alleine schaffen kann, sowohl Barbara zu versorgen wie auch sich um Haushalt, Garten und Hund zu kümmern.
In „Barbara stirbt nicht“ bleibt man perspektivisch dicht an Walter, wobei der Erzähler faktenbasiert bleibt und neutral beobachtet; Einblicke in Walters Gefühlsleben erhält man kaum. Er ist eher von der Fraktion „oller Grantelkopf“; seine Kinder können ihm generell nichts richtig machen und ohnehin drängen sie sich Barbara und ihm für sein Empfinden nun zu sehr auf: Während er noch behauptet, alles im Griff zu haben und keine Probleme sieht, reagiert vor Allem seine Tochter entsetzt auf „Ordnung und Sauberkeit“ im Haushalt und dass sich die Wäsche längst türmt, ist Walter noch gar nicht aufgefallen, denn schließlich lägen noch genug Klamotten im Schrank.
Häufig erkennt man nur durch diese Scharmützel, wie überfordert Walter mit der Situation tatsächlich ist – das Einzige, bei dem er wirklich heraussticht, ist beim Kochen und Backen. Ausgerechnet er, der zunächst nicht einmal Kaffee kochen kann und sich in der nächstgelegenen Bäckerei von einer Mitarbeiterin erklären lässt, wie man das eigentlich macht – und besagte Mitarbeiterin kurzerhand als eine Art persönlichen Erklärbär anerkennt, an die er sich in Sachen Haushaltsfragen fortan regelmäßig wendet. Mittels Barbaras Facebook-Konto, in dem sie auf ihrem PC immer noch eingeloggt ist und das er kurzerhand okkupiert, dringt er in die Community rund um einen Fernsehkoch ein, dessen Rezepte für ihn völlig klar und verständlich sind, weswegen er sie gerne nachbereitet und wird da als „Herr Barbara“ , von dem sich niemand sicher zu sein scheint, ob er nicht bloß ein Troll ist, zu einer kleinen Kultfigur ohne dass es Walter bewusst wird. Denn auch das Internet ist für ihn Neuland; Walter ist eine Figur, die auf sehr (wirklich seeeeehr!) brummige Weise ihren ganz ureigenen Charme besitzt; er nimmt kein Blatt vor den Mund und prinzipiell stellt sich hier beim Lesen ständig die Frage, wen er wohl als Nächstes brüskieren wird.
Es gibt bislang wenig derart unsympathische Protagonisten, von denen ich so gerne wie von Walter gelesen habe. Dieser eher kurze Roman ist so wunderbar tragikomisch, da sich der Ernst der Situation auch erst im Verlauf Stück für Stück enthüllt, während Walter zum Beispiel immer wieder verblüfft feststellt, wie alt auch die Kinder seiner gleichaltrigen Freunde bereits sind und dass sogar jene teils schon stark ergraut sind, und wie doch mehr und mehr helfende Hände ins Haus gelangen.

Ich fand es wunderbar, wie wenig schwermütig dieser Roman trotz des bedrückenden Hintergrundes doch blieb und wie immer wieder auch ein „Walter kommt klar“ durchblitzte. „Barbara stirbt nicht“ zeigt auf eindrückliche Weise, wie sehr sich der Alltag verändern kann, wenn der Partner oder in diesem Fall eben die Partnerin, nach Jahren plötzlich nicht mehr präsent ist und man sich plötzlich auch mit Aufgaben und Tätigkeitsfeldern konfrontiert sieht, an die man selbst zuvor womöglich seit Jahrzehnten keinen einzigen Gedanken verschwendet hat, weil da im gemeinsamen Haushalt die Aufteilung so klar und strikt war. Da spiegelt der Inhalt sehr schön wider, wie bewundernswert es eigentlich ist, wenn alte Menschen, die plötzlich keinen mehr neben sich haben, sich doch noch wieder in einen eigenen, geregelten Alltag hineinfinden können und sich selbst ebenfalls nicht einfach aufgeben.

Dieses Buch hat mir wirklich sehr gut gefallen, mich nachdenk

Bewertung vom 28.11.2021
Böse (eBook, ePUB)
Wagner, Jonas

Böse (eBook, ePUB)


gut

Was mich eingangs völlig verwirrte: Dieser Roman startet fettgedruckt; Fettschrift symbolisiert hier die Szenen, in denen die verschwundene Fenja im Mittelpunkt steht. Aber als ich das eBook aufrief und mich prompt mit dieser fetten Schrift konfrontiert sah, da habe ich tatsächlich erst nachgeschaut, ob in meinen Einstellungen etwas verstellt wäre, und als Nächstes in ein späteres Kapitel geklickt, um zu prüfen, ob die komplette Datei fett gestaltet sei. Im Nachhinein ist diese Fettschrift zwar ein geeignetes Mittel, um die Fenja-Szenen klar abzugrenzen, aber dass die Handlung direkt so beginnt, empfand ich doch als etwas unglücklich.
Insgesamt gibt es hier mehrere Personen, die abwechselnd fokussiert werden (Katharina, der Bürgermeister Armin Hutter sowie dessen Sohn Karl und eben Fenja), und die Handlung ist insofern minimal achronologisch als sich die erste „fette Fenja-Szene“ eigentlich erst im späteren Verlauf der Geschichte, die ansonsten mit dem Zuzug Fenjas und ihrer Mutter in das beschauliche Dörfchen Hussfeld beginnt, ereignet.
Ich fand es allerdings nicht sonderlich schwer, mich hier perspektivisch reinzufuchsen; hätte mich diese anfängliche Fettschrift nicht direkt völlig konfus gemacht, würde ich da sicherlich absolut gar kein Problem gehabt haben.

Das idyllische Hussfeld wirkt von Anfang an sehr trügerisch; die Leute scheinen dort generell eher konservativ zu sein, der Bürgermeister wirkt wie ein Puppenspieler, der alle Fäden in der Hand hält und einfach nur auf „Friede, Freude, Eierkuchen“ bedacht ist und darauf, dass in Hussfeld alles sehr harmonisch und „gesittet“ zugeht, so dass die geschiedene, alleinerziehende Katharina mitsamt ihrer selbstbewussten Tochter von Anfang an argwöhnisch betrachtet werden – allerdings ahnt man, dass es unter der Oberfläche in diesem Ort vermutlich brodeln muss, sofern sich die Bürger*innen nicht ganz in ihr, vom Bürgermeister vorgegebenes, Schicksal fügen: So begegnet Katharina später auch Leuten, die Hussfeld bewusst den Rücken gekehrt haben, weil ihnen dort alles zu sehr auf „perfekt“ getrimmt war. Hier gelang es dem Autor, die Atmosphäre des Ortes authentisch widerzuspiegeln: Man kann dieses Dorf von vornherein eigentlich nicht guten Gewissens mögen. Ich fand hier tatsächlich die Schilderung des Umfelds sehr gruselig; für mich verströmte Hussfeld da äußerst unangenehme Stepford-Vibes, und ich habe zwischendrin tatsächlich auch mal pausieren müssen, einfach weil ich die Vorstellung des Ortes nicht mehr aushielt.

Generell fand ich „Böse“ von der Erzählung her wirklich eindringlich; leider begann sich ab der Mitte zunächst sehr viel zu wiederholen (Katharina gab ihre erbitterte Suche nach Fenja nicht auf und stieß immer wieder auf die gleichen Widerstände) und hier wurde auch relativ offensichtlich, wer hinter Fenjas Verschwinden steckte, auch wenn es nicht klar kommuniziert wurde, doch die diffusen Äußerungen und Anspielungen waren ziemlich eindeutig. Da zog sich die Handlung bis zum furiosen Showdown, bei dem die Fassade des ganzen Ortes buchstäblich zu bröckeln beginnt (ein gelungenes Sinnbild), doch etwas in die Länge und ich war froh, als sich die Ereignisse in besagtem Finale zu überschlagen begannen und hier nun wirklich etwas passierte.

Grundsätzlich endete „Böse“ nun nicht unbedingt vollkommen offen, wenn es da doch auch einen kleinen Kniff gab, der doch etwas, wenn auch nicht für den Lesenden, ungeklärt ließ und es prinzipiell ermöglicht, dass es hier noch einen Anschlussband geben könnte. Das Ende ist also nicht komplett geschlossen und man kann seine eigene Vorstellung hier zunächst noch etwas weiterspielen lassen. Das war okay, obschon ich einen glasklaren Schluss vorgezogen haben würde.
„Böse“ hat mir letztlich zwar gefallen, wenn mich auch nicht vollends überzeugt; ich würde jedoch definitiv noch weitere Bücher des Autors lesen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 27.11.2021
Wo kommen wir denn da hin / Offline-Opa Bd.1 (eBook, ePUB)
Habicht, Günter

Wo kommen wir denn da hin / Offline-Opa Bd.1 (eBook, ePUB)


gut

Tja, mit dem Busfahrer Günter Habicht kommt man eher nirgends mehr hin, ist er doch, wenn auch eher widerwillig, in den Vorruhestand versetzt worden. In Renate Bergmanns „Ans Vorzelt kommen Geranien dran“ war man ihm allerdings schon auf dem Campingplatz begegnet, um später in „Und fertig ist die Laube“ erneut auf ihn zu treffen: Letzterem stand ich bereits reichlich gleichgültig gegenüber, da er mich im erstgenanntem Werk als Nebenfigur nicht so recht zu überzeugen vermocht hatte; da wusste ich weder, wieso er im Schrebergarten plötzlich erneut auftauchen musste noch wieso ausgerechnet er nun seine eigene Reihe bekommen sollte. Von daher stand ich diesem ersten Band zwar aufgeschlossen (ich liebe Renate Bergmann), aber doch auch indifferent gegenüber (Günter Habicht war mir bestenfalls egal).
Der Auftaktband startet nun mit dem Ausscheiden Günters aus dem Arbeitsleben und erklärt letztlich vor Allem, wie er zunächst auf den Campingplatz und später in die Kleingartenkolonie gelangte bzw. welche Schnittpunkte es insgesamt in seinem Leben mit Renate Bergmann gibt, die, für mich irritierenderweise, von ihm mal als Frau Bergmann, mal als Renate Bergmann und stellenweise sehr persönlich als Oma Bergmann benannt wird, ohne dass ich ein Schema hätte erkennen können, in welchem Zusammenhang eine neutralere und wann eine intimere Bezeichnung gewählt wurde.
Stellenweise konnte ich den hier beschriebenen Günter auch gar nicht so recht mit der Vorstellung in Einklang bringen, die ich mir beim Lesen/Hören der Bergmann-Bücher mit ihm von ihm gemacht hatte. Für mich war zunächst auch unklar, dass „Wo kommen wir denn da hin?“ zeitlich noch deutlich vor „Ans Vorzelt kommen Geranien dran“ spielte.

Günter Habicht ist der Proto-Typ des gelangweilten Rentners, der sich nun als Straßensheriff inszeniert, und damit und mit seinen, in ihre Richtung gehenden Belehrungen, auch seine Ehefrau auf die Palme bringt: Sehr deutlich wird, dass Günter schon immer ein ziemlicher Korinthenkacker gewesen ist, aber seine Berentung scheint ihm da noch Dünnpfiff verschafft zu haben.
Leider wurde er mir hier auch nicht weiter sympathisch; ich empfand ihn hauptsächlich als anstrengend. Gut, ich würde auch nicht im selben Haus wie Renate Bergmann leben wollen, aber sie empfinde ich zumindest als sehr vorwitzig und zudem umgibt sie sich mit einigen anderen schrägen Charakteren, ob es nun „die Gläsers“ oder ihre beste Freundin Gertrud mit ihrem Ungetüm von Hund sind. Von einem abgehalfterten Schlagersänger, von dem in diesem Buch zwar häufig die Rede ist, der aber eigentlich nie selbst in Erscheinung tritt, abgesehen, sind die Leute in Günter Habichts Umfeld eher „Durchschnitt“; mir hat da nun doch eine Figur gefehlt, die seine Extreme etwas ausbalancierte.
Zugegeben fühlte ich mich zwei, drei Mal auch ertappt, als Günter Habicht sich über Zustände/Verhaltensweisen echauffierte, über die ich mich ebenso aufregen könnte, wenn auch wohl nicht ganz so „intensiv“ wie er das tut.

Generell hat mir aber gefallen, dass man hier nun auch mal etwas über die Eindrücke erfuhr, die man ihrer eigenen Nachbarschaft von Renate Bergmann hat, und auch etwas mehr über von Frau Bergmann eher ungeliebte Nachbarinnen lernte; das fand ich perspektivisch eine schöne Abwechslung; allerdings hatte ich ab ca. Mitte des Buchs das Gefühl, dass der echte Autor hinter Habicht auch nicht mehr so recht weiterwusste, was er mit dieser Figur nun anstellen sollte, denn plötzlich ging es ständig um (vermiedene) Treffen mit Renate Bergmann und darum, was irgendwer aus deren Nachbarschaft nun wieder von der alten Dame zu berichten wusste…
Insgesamt fand ich „Wo kommen wir denn da hin?“ ein recht interessantes Buch, das Renate-Bergmann-Fans etwas mehr von ihrer „Außenwirkung“ und den Verhältnissen in ihrem Haus, wie sie von den Nachbarn gesehen werden, vermittelt, aber Günter Habicht ist mir immer noch schnurzpiepegal und ich bräuchte nun auch keinen weiteren Band, der sich um ihn dreht, obschon ich