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Lörrach

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Insgesamt 57 Bewertungen
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Bewertung vom 27.09.2021
Schulman, Alex

Die Überlebenden


ausgezeichnet

Mit dem Schluss ist es bei Romanen ja so eine Sache, finde ich. Oft ist es so, dass ich am Ende die Sätze eher überfliege, weil die Handlung vorhersehbar und wenig überraschend, wenn nicht sogar langweilig, ist. Dies war jedoch bei „Die Überlebenden“ auf gar keinen Fall so. Hier hat mich das Ende völlig überraschend getroffen, fast so wie ein unerwarteter Schlag ins Gesicht (wenn man einen bildlichen Vergleich sucht). Das passiert mir beim Lesen sehr, sehr selten und ist ein Grund, warum ich von dem Buch so begeistert bin.
Der andere Grund ist die psychologische Raffinesse, mit der der Autor die Geschichte der drei Brüder Nils, Benjamin und Pierre erzählt. Die Handlung ist aufgeteilt in zwei Zeitstränge, die sich immer wieder abwechseln, so dass man Stück für Stück erfährt, wie die Ereignisse aus der Vergangenheit zu der Situation in der Gegenwart beigetragen haben.
Alex Schulman schafft es, durch eine dichte Erzählweise, die auf eine Art die Dinge eher nüchtern beschreibt, sehr reale Emotionen bei den Leser*innen zu wecken. So hatte ich beim Lesen durchgehend ein bedrückendes, beklemmendes Gefühl, da im Buch eine toxische Eltern-Kind-Beziehung beschrieben wird, geprägt von emotionaler Unreife der Eltern, psychischer und physischer Vernachlässigung und Alkoholismus. Am Ende wird diese depressive Grundstimmung meiner Meinung nach jedoch durch die überraschende Wendung etwas aufgelöst und man hat fast schon so etwas wie Hoffnung, dass doch noch alles gut wird.
Ein psychologisch vielschichtiger Roman, der mich begeistert, berührt und überrascht hat! Ich hoffe darauf, dass auch die anderen Bücher von Alex Schulman noch übersetzt werden!

Bewertung vom 25.08.2021
Rinke, Moritz

Der längste Tag im Leben des Pedro Fernández García


gut

Pedro, Postbote auf Lanzarote, lebt zusammen mit Sohn Miguel und Freundin Carlota ein beschauliches, zufriedenes, ja fast schon langweiliges Leben. Er fährt mit seiner Dienst-Honda quer über die Insel, obwohl er fast keine Briefe mehr auszutragen hat, holt seinen Sohn von der Schule ab und kümmert sich um ihn, während seine Freundin mit ihrem stressigen Job in einem Hotel vermeintlich kaum noch Zeit für ihr Privatleben hat. Auch kann er mit den Worten Digitalisierung und Fortschritt nicht viel anfangen und lebt somit ein bisschen in seiner eigenen Welt. Nach einem Ausflug auf die Nachbarinsel Fuerteventura, den er heimlich mit seinem Freund Tenaro und Miguel macht, überschlagen sich die Ereignisse und Carlota verlässt mit dem Sohn die Insel. Gemeinsam mit Tenaro und dem Flüchtling Amado schmiedet er einen irrwitzigen Plan, um Miguel zurückzuholen. In dem Buch spielen auch noch verschiedene andere Elemente eine Rolle, so dass dies dem im Umschlagtext erwähnten Feuerwerk an Geschichten vollkommen gerecht wird. Was hat es zum Beispiel mit dem marokkanischen Tisch aus deutscher Eiche, der im Postamt steht, auf sich, und was hat der portugiesische Schriftsteller und Nobelpreisträger José Saramago mit allem zu tun?
Die Geschichte liest sich auf Grund der vielen kurzen Kapitel (die übrigens sehr kreative Überschriften haben) sehr flüssig und schnell. Man kann sich dank der Beschreibungen die kanarische Insel sehr gut vorstellen und gedanklich dorthin reisen. Zudem lernt man einiges über die Geschichte der Insel und es werden immer wieder interessante Fakten erwähnt.
Trotzdem konnte mich das Buch nicht wirklich überzeugen. Manche Geschehnisse waren mir einfach zu skurril und zu überspitzt und Pedro und Tenaro waren mir so gar nicht sympathisch, ich konnte die Charaktere nicht wirklich greifen. Auch die immer wieder eingefügten Bilder und Skizzen hätten meiner Meinung nach nicht sein müssen, aber vielleicht hänge ich da zu sehr an einer konservativen Vorstellung.
Aber dies ist natürlich Geschmackssache und ich kann mir vorstellen, dass der Humor und die Einzigartigkeit des Romans viele Leser*innen begeistern wird.

Bewertung vom 25.08.2021
Stuart, Douglas

Shuggie Bain


ausgezeichnet

Schmerzhaft, tragisch, berührend, hoffnungsvoll – wie man an den Worten erkennen kann, mit denen ich das in Teilen autofiktionale Werk beschreiben würde, war die Lektüre von Douglas Stuarts Roman „Shuggie Bain“ für mich eine Achterbahnfahrt der Gefühle.
Hugh „Shuggie“ Bain wächst in den 80er Jahren in Glasgow auf, inmitten von Armut, Hoffnungslosigkeit, Massenarbeitslosigkeit und einer zerfallenden Stadt. Schon früh lässt ihn sein Umfeld wissen, dass er anders ist: er tanzt gerne und spielt lieber mit Puppen als mit den anderen Jungen Fußball. Sein Vater verlässt die Familie, als Shuggie fünf Jahre alt ist, und von da an sind er und sein Bruder Leek für ihre alkoholsüchtige Mutter Agnes verantwortlich. Es folgt ein ständiger Wechsel zwischen Verzweiflung und Hoffnung, Vernachlässigung und Fürsorge, Freundschaft und Ausgrenzung, Rausch und Entzug. Während Shuggie immer mehr in eine Art toxische Co-Abhängigkeit rutscht und zum Teil tagelang die Wohnung nicht verlässt, aus Angst, seine Mutter könnte sich etwas antun, entfernt sich sein Bruder psychisch und physisch aus dieser Beziehung.
Mir hat das Buch wahnsinnig gut gefallen, auch wenn es teilweise kaum auszuhalten war, über all die grausamen Facetten von Alkoholismus zu lesen. Douglas Stuart hat es mit seiner schonungslosen und nüchternen Schreibweise geschafft, mich emotional an die Lektüre zu fesseln und die Verhaltensweisen aller Protagonist*innen nachvollziehen zu können. Man leidet mit und man hofft mit und natürlich weint man auch mit.
Sprachlich bin ich am Anfang über das Wort „Glasweger*in“ gestolpert; bis jetzt kannte ich nur die Bezeichnung „Glasgower*in“ für das englische „Glaswegian“. Aber man lernt ja immer dazu! Und auch die Dialoge in der Umgangssprache haben den Lesefluss etwas gestört, wenngleich der Dialekt natürlich Authentizität in die Geschichte bringt.
Eine starke, tragische Geschichte, die mich tief berührt hat und die sicher noch lange nachhallt.

Bewertung vom 25.08.2021
Minor, Caroline Albertine

Der Panzer des Hummers


gut

Der Roman „Der Panzer des Hummers“ der dänischen Autorin Caroline Albertine Minor erzählt in kurzen Episoden aus dem Leben der drei Geschwister Ea, Sidsel und Niels, die sich nach dem Tod der Eltern auseinandergelebt und auch räumlich voneinander entfernt haben. So versucht Ea, die in Kalifornien lebt, mit Hilfe einer Seherin Kontakt zur Mutter aufzunehmen, was jedoch zuerst nicht gelingt. Niels, freiheitsliebend und ruhelos, schlägt sich mit Gelegenheitsjobs durch. Und Sidsel, alleinerziehend und in einem Kopenhagener Museum angestellt, versucht, während einer Arbeitsreise nach London, den Gefühlen für den Vater ihrer Tochter nachzuspüren.
Neben den drei Geschwistern spielen auch andere Personen, etwa die Seherin Bee oder Eas Partner Hector, eine Rolle und man bekommt immer wieder Einblicke in deren Gefühlswelt. Am Anfang des Buches sind die wichtigsten Personen aufgeführt, so dass man nachschauen kann, wer zu wem gehört, was ich als sehr hilfreich empfunden habe.
Im Großen und Ganzen habe ich den Roman gerne gelesen, vor allem, weil mir die einzelnen Lebensgeschichten gut gefallen haben und die Autorin einen ruhigen und klaren Schreibstil hat. Ich fand es interessant, Einblicke in Lebensentwürfe, die sich mit den unterschiedlichsten Themen wie zum Beispiel Elternsein oder Alleinsein beschäftigen, zu bekommen.
Jedoch haben mich auch einige Dinge gestört, die meinen Gesamteindruck des Romans eher ins Negative beeinflusst haben. Je länger ich gelesen habe, desto mehr hat mir der „Rote Faden“ in der Geschichte gefehlt. Man lernt zwar jede Person für sich kennen, die Gemeinsamkeiten – oder eben auch die Dinge, die letztendlich zum Auseinanderdriften geführt haben – haben sich mir jedoch nicht immer erschlossen. So sind manche Personen eher oberflächlich geblieben. Vor allem hat mir die „Auflösung“ am Schluss gefehlt. Beim Lesen des Titels habe ich mir vorgestellt, dass alte Hüllen abgestreift werden, um Veränderungen Raum zu geben, aber dies war mir am Ende nicht deutlich genug dargestellt. So werden die einzelnen Geschichten meiner Meinung nach nur angerissen und vage aufgelöst und man bleibt als Leser*in mit einem unbefriedigenden Gefühl der Unvollständigkeit zurück.

Bewertung vom 24.07.2021
Rietzschel, Lukas

Raumfahrer


weniger gut

Hoffnungslosigkeit – das war das vorherrschende Gefühl, das ich nach der Lektüre von Lukas Rietzschels zweitem Roman hatte. Hoffnungslos ist die Geschichte von Jan, dessen Leben sich zwischen dem Krankenhaus, in dem er noch arbeitet, das jedoch bald schließt, und der Kellerwohnung im Haus seines Vaters, eingerahmt von Plattenbauten und leerstehenden Gebäuden, abspielt. Parallel dazu wird die Familiengeschichte des Künstlers Georg Baselitz erzählt, der noch vor dem Bau der Mauer nach West-Berlin übergesiedelt ist, während seine Eltern und sein Bruder in seinem Heimatort in Sachsen geblieben sind. Nach und nach erfahren die Leser*innen, wie die beiden Geschichten, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben, zusammenhängen und wie Jan – so wie alle Protagonisten des Romans – zum Raumfahrer wird, weder der Gegenwart noch der Vergangenheit zugehörig.
Der Schreibstil des Autors ist schnörkellos und eher beschreibend-nüchtern. Dies hat es mir sehr schwer gemacht, Zugang zu den Emotionen der Charaktere zu finden und ich konnte mich nicht richtig in sie hineinversetzen. Hinzu kommt, dass die Wechsel zwischen den Zeitebenen nicht gekennzeichnet sind, so dass ich irgendwann den Faden verloren habe und mein Lesefluss immer wieder unterbrochen wurde. Es werden einige interessante Themen aufgegriffen (z.B. Stasi, Beziehung zur alkoholkranken Mutter), jedoch werden diese meiner Meinung nach zu oberflächlich abgehandelt.
Interessant fand ich wiederum, wie der Autor mit seinem Stil das oben schon erwähnte Gefühl der Hoffnungslosigkeit und den depressiven Grundtenor erzeugt, aber letztendlich konnte mich die Geschichte nicht wirklich überzeugen und hat mich verwirrt -schwebend als Raumfahrer*in- zurückgelassen, vor allem, da auch das Ende offen ist.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.07.2021
Nunez, Sigrid

Was fehlt dir


sehr gut

Wer gerne klassische Romane mit einem geradlinigen Plot und einer zusammenhängenden Handlung liest, wird von Sigrid Nunez‘ neuestem Buch sicher enttäuscht sein. Wer jedoch offen für ungewöhnliche Herangehensweisen an ein Thema ist und wer Essays mag, wird Freude an dem Buch haben.
Die Rahmenhandlung bildet die Interaktion der namenlosen Ich-Erzählerin mit ihrer Freundin, die an Krebs im Endstadium leidet. In drei Teilen, welche jeweils an einem anderen Ort angesiedelt sind – im Krankenhaus, in einem angemieteten Haus an der Küste und letztendlich in der Wohnung der Freundin –, setzt sich die Ich-Erzählerin mit den schwierigen Themen Tod und Verlust auseinander. Daneben werden, in Form scheinbar unzusammenhängender Gedanken und fragmentarisch eingestreuter kurzer Geschichten, auch noch andere Themen, die die Menschen im 21. Jahrhundert beschäftigen (z.B. Klimawandel, #metoo, Körperkult und Älterwerden), angesprochen und auf höchst unterhaltsame Weise den Lesern*innen nähergebracht.
Ich hatte zuerst Mühe, in die Erzählweise hineinzufinden, weil mir alles etwas chaotisch erschien. Betrachtet man jedoch die unterschiedlichen Geschichten als eigenständige kleine Essays, dann haben diese durchaus ihren Reiz. Die Erzählstimme des Buches erinnert mich zum Teil sehr an Rachel Cusk; auch hier kommen neben der Ich-Erzählerin diverse andere Stimmen zu Wort, die vielfältige Meinungen kundtun. Sigrid Nunez schreibt klar und schnörkellos und gerade das macht den Roman für mich interessant, da es dies ermöglicht, die schwierigen Themen aus einer gewissen Distanz zu betrachten.
Insgesamt hat mir das Buch gut gefallen, wobei ich auf Grund des Klappentextes andere Erwartungen hatte und sich mir die Zusammenhänge nicht immer ganz erschlossen haben. Den zweiten Teil fand ich persönlich am stärksten, da er es am ehesten erlaubt, sich mit den Protagonisten zu identifizieren.

Bewertung vom 06.06.2021
Juli, Hannah

Liebe, lavendelblau


sehr gut

Provence – sobald ich das Wort höre, denke ich an weite Lavendelfelder, laue Sommerabende und an die wunderbaren provenzalischen Märkte. Und genau diese Bilder sind auch beim Lesen von Hannah Julis Roman „Liebe, lavendelblau“ vor meinem inneren Auge entstanden und konnten mich zumindest kurzzeitig in Urlaubserinnerungen schwelgen lassen.
Sarah, die in Hamburg ein beschauliches und nahezu perfektes Leben führt, verliert von jetzt auf gleich ihren Job und wird auch noch mit einem doppelten Betrug ihres Partners Tobias, der für ein Praktikum in Kalifornien weilt, konfrontiert. Hals über Kopf flüchtet sie zu ihrer ehemaligen Schulfreundin Cleo in die Provence, um sich zu sammeln und um darüber nachzudenken, wie es in ihrem Leben weitergehen soll. Im Laufe der Geschichte lernt sie, auf ihre innere Stimme zu hören und das zu tun, was ihr Herz sagt, wobei der Winzer Lucien, auf dessen Weingut sie wohnt, natürlich auch eine Rolle spielt…

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