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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
PeLi
Wohnort: 
Würzburg

Bewertungen

Insgesamt 120 Bewertungen
Bewertung vom 05.12.2021
Die Enkelin
Schlink, Bernhard

Die Enkelin


ausgezeichnet

Der Buchhändler Kaspar findet eines Abends, als er nachhause kommt, seine geliebte Frau Birgit tot in der Badewanne. Ob es ein Unfall war, oder Selbstmord, wird er nie erfahren. Das Zusammenleben mit Birgit war nie einfach, obwohl ihre Liebe sehr groß war und Birgit vor vielen Jahren für Kaspar aus der DDR in den Westen geflohen ist. Dass sie aber nie wirklich vollkommen in ihrer neuen Heimat angekommen ist und vor allem, was sie für das gemeinsame Leben mit Kaspar zurückgelassen hat, erfährt er erst nach Birgits Tod, durch ihre ganz persönlichen Aufzeichnungen, die sie vor ihm geheim hielt. So kommt Kaspar hinter ein großes Geheimnis in Birgits früherem Leben in der DDR, erfährt, dass sie damals ihr Baby zurückgelassen hat und nun wird auch verständlicher, weshalb Birgit nie ganz glücklich war und sich immer öfter in den Alkohol flüchtete. Ihr großer Wunsch war wohl immer, ihre verlorene Tochter eines Tages wieder zu finden, doch dazu kam es bis zu ihrem Tod nicht.

Kaspar reagiert erstaunlich cool auf dieses ungeheuerliche Geheimnis und er möchte Birgits Suche nach ihrer zurückgelassenen Tochter für sie übernehmen. Und es gelingt ihm auch tatsächlich, Birgits Tochter zu finden , die inzwischen selbst Mutter einer Tochter ist. Zu dieser Stiefenkelin möchte Kaspar gerne eine Beziehung aufbauen, was allerdings gar nicht so leicht ist, denn sie und ihre Eltern leben in einer völkischen Gemeinschaft, mit deren rechtsextremen Gedankengut Kaspar so gar nicht klarkommt. Trotzdem versucht, er, in dieser für ihn völlig fremden Welt, den Kontakt zur Enkelin zu vertiefen und ihr mit Hilfe der Musik und Literatur, auch andere Werte näherzubringen, was ihm zunächst auch gelingt. Doch ihrer Familie gefällt das gar nicht, dass Kaspar sich zu sehr in das Leben der Enkelin einmischt.

Bernhard Schlink hat einen ganz eigenen Schreibstil. In eher nüchternen und kurzen Sätzen erzählt er zunächst , wie alles begann zwischen Kaspar und Birgit. Das Kennenlernen, ihre Flucht in den Westen für ein gemeinsames Leben mit Kaspar. Ihre Alkoholsucht und schließlich ihr Tod, nach dem Kaspar hinter ihr großes Geheimnis kommt, das Birgit ihr Leben lang vor ihm verheimlicht hat und ihm wird nun erst nach ihrem Tod klar, was sie wirklich damals für ihn aufgegeben hat. Und dann begibt er sich auf die Suche nach ihrer Tochter und er lernt Menschen kennen, die eine völlig andere Lebensweise und völlig entgegengesetzte Weltanschauungen zu seiner eigenen haben. Und obwohl er diese Menschen, die so viel Hass ausstrahlen, überhaupt nicht verstehen kann, möchte er nicht aufgeben und irgendwie den Kampf um Birgits Enkelin, die sie selbst nie kennenlernen durfte, aufnehmen.

Ein Buch, das mich von der ersten Seite an gefesselt hat und das ich nicht mehr weglegen konnte. Man erfährt jede Menge über deutsche Gegenwartsgeschichte, völkische Gruppen, die voller Hass ihr rechtes Gedankengut verbreiten, aber es geht auch um Liebe, Trauer, Familie , eine vielschichtige , emotionale Geschichte, die sich sehr leicht lesen lässt und die einfach mitten aus dem Leben erzählt.

Bewertung vom 18.10.2021
Betongold
Weber, Tanja

Betongold


sehr gut

Joseph Frey war viele Jahre Mordermittler in München. Doch dann kam die Krankheit Morbus Bechterew und die bereitet ihm ziemliche Schmerzen, deshalb hat er vor 5 Jahren seinen Job bei der Polizei aufgegeben und versucht nun , auch mit Hilfe von Cannabiszigaretten, möglichst schmerzfrei zu leben und sich durch lange Spaziergänge durch München-Giesing etwas fit zu halten. Seine besondere Medizin bringt ihm bei seinen beiden alten Freunden Moni und Schani den Spitznamen "Smokey" ein. Die drei Freunde kennen sich schon seit ihrer Kindheit und haben immer noch ganz engen Kontakt zueinander.
Doch nun liegt Schani tot in seiner eigenen Baugrube und Smokey , der sich ja eigentlich aus polizeilichen Ermittlungen völlig raushalten wollte, glaubt nicht an einen Unfall, also fängt er doch an, zu ermitteln. Und je mehr er erfährt über seinen alten Freund, umso mehr lässt er sich auf diesen Fall ein . Das findet allerdings nicht jeder gut und am Ende denkt sogar Smokey selbst, dass es eventuell besser gewesen wäre, er hätte Ruhe gegeben und Schanis Tod nicht untersucht.

Ich fand "Betongold" ganz gut, der Schreibstil ist eingängig und auch der Dialekt nicht zu stark, so dass es bestimmt auch für Nichtbayern leicht zu lesen ist Einige humorvolle Stellen gab es auch und ich fand auch den kleinen Einblick in die Münchner Immobilienbranche ganz interessant. Einen spannenden Krimi darf man allerdings nicht erwarten, die Geschichte um Smokey und seine Freunde, ist eher gemächlich und ruhig, der Kriminalfall wird schon fast zur Nebensache.
Mich persönlich störte das nicht und ich habe mich gut unterhalten gefühlt und würde das Buch auch weiterempfehlen.

Bewertung vom 04.10.2021
Das Flüstern der Puppen (Thriller)
Schwarz, Gunnar

Das Flüstern der Puppen (Thriller)


gut

Das gruselige Cover und der Klappentext haben mich total neugierig auf dieses Buch gemacht. Auch die ersten Kapitel fand ich extrem spannend . Der Schreibstil des Autors ist leicht zu lesen, die Morde werden sehr detailliert beschrieben und ich fand auch die Idee , die Morde nach Vorbild bestimmter Märchen auszuführen, so schön schaurig und konnte das Buch anfangs gar nicht weglegen.
Leider ließ bei mir diese Begeisterung im Laufe der Geschichte immer mehr nach. Die beiden Hauptermittler Lena und Henning waren eigentlich die beiden einzigen sympathischen Personen und mir gefiel einfach nicht, dass alle anderen so negativ dargestellt wurden. Dass der Chef so viel Druck machte, fand ich völlig unverständlich, denn dafür gab es doch gar keinen Grund , seit dem ersten Mord war ja noch gar nicht viel Zeit vergangen. Dann fand ich auch den Charakter von Lena, trotz aller Sympathie nicht so ganz überzeugend. Einerseits fast heldenhaft und mutig in ihrem Job, andererseits lässt sie sich aber von ihrem Freund und von ihrem Vater so klein halten und traut sich ewig nicht, sich mal durchzusetzen.
Und dann die Auflösung der Serienmorde, da hat mir auch einiges nicht gefallen. Es war zu früh klar, warum jemand diese Personen umbringt und vor allem wusste man schon zu schnell wer die nächsten Opfer sein würden. Das hat mir einen Großteil der Spannung genommen. Und auch die Geschichte mit dem Maulwurf und das etwas zu spektakuläre Finale konnten mich nicht ganz überzeugen, für mich war das etwas zu überzogen und unrealistisch. Hier wäre weniger einfach mehr gewesen.
Trotzdem war das Buch gut zu lesen, es gab durchaus sehr spannende Passagen, die Morde waren sehr fantasievoll und gruselig und der detailreiche Schreibstil des Autors gefällt mir.

Bewertung vom 29.09.2021
Mein erstes großes Wörterbuch
Dierks, Hannelore

Mein erstes großes Wörterbuch


ausgezeichnet

Ein sehr schön gestaltetes und farbenfrohes ministeps Buch für Kinder ab 12 Monaten. Schon das Cover ist total niedlich mit einer süßen Ente und einem Frosch. Außen ist das Buch gepolstert und die einzelnen Seiten sind ebenfalls sehr stabil und dick, lässt sich also auch mit kleinen Kinderhändchen leicht greifen und umblättern. Im Buch sind dann mehrere Kategorien, zum Beispiel "Was ziehen wir an", "In unserer Kita"", "Was esse ich gern" , die Kleinen können mit dem Buch die verschiedenen Farben lernen, es gibt eine Doppelseite mit Bildern, von Dingen, die Geräusche machen, Dinge, die man einkauft, verschiedene Feste, Zahlen, Tiere und vieles mehr. Also alles Situationen aus dem ganz normalen Alltag und jeder der zahlreichen Begriffe wird durch eine wunderschöne , kindgerechte Illustration dargestellt. Ich habe das Buch jetzt schon sehr oft mit meinem Enkel angeschaut und er findet die niedlichen Bilder immer wieder toll und freut sich jedes Mal total darüber, wenn er etwas entdeckt, das er schon kennt.
Ein wirklich ganz tolles Kinderbuch!

Bewertung vom 29.09.2021
Der Sucher
French, Tana

Der Sucher


ausgezeichnet

Cal Hooper war lange Zeit Polizist in Chicago. Nach der Trennung von seiner Frau möchte er nochmal neu anfangen und er möchte vor allem ein ruhigeres Leben führen.
Dafür kauft er sich ein altes, ziemlich renovierungsbedürftiges Haus in einem kleinen Dorf in Irland. Einige Nachbarn wirken zwar etwas schrullig und wortkarg, doch im Großen und Ganzen nimmt man ihn freundlich auf und er fühlt sich in seinem neuen Zuhause eigentlich ganz wohl..
Eines Tages allerdings springt sein innerer Polizisten-Alarm an, er spürt, dass er beobachtet wird und ihm fällt ein Kind auf, das sich immer wieder in der Nähe seines Hauses aufhält. Gleichzeitig kommen auf den umliegenden Farmen Tiere auf grausame und seltsame Weise zu Tode.

Und dann bittet das Kind, das sich immer wieder in der Nähe seines Hauses aufhält, Cal um Hilfe, seinen verschwundenen Bruder zu suchen, denn der ist wie vom Erdboden verschluckt und keiner scheint Interesse dran zu haben, herauszufinden, was mit ihm passiert ist..
Cal lässt sich überreden ein paar Nachforschungen anzustellen und das scheint einigen seiner Nachbarn gar nicht zu gefallen. Und schon ist Schluss mit dem beschaulichen und ungefährlichen Leben in Irland.

Ich finde die Bücher von Tana French alle sehr gut und auch "Der Sucher" hat mich wieder sehr begeistert. Den Schreibstil dieser Autorin mag ich sehr gern, er ist fesselnd und die Spannung wird von Anfang bis Ende hoch gehalten. Die düstere Atmosphäre in dem kleinen irischen Ort und vor allem die, zum Teil sehr wortkargen und grummeligen Bewohner, konnte man sich so richtig bildlich vorstellen und auch die Landschaft hat die Autorin sehr detailreich und gut beschrieben, so dass es mir wirklich leicht fiel, ganz in die Geschichte einzutauchen. Ich fand die Story sehr mitreißend und mir fiel es sehr schwer, das Buch zwischendurch mal wegzulegen. Auch das Cover passt perfekt zur Geschichte, es wirkt düster und beklemmend.
Von mir gibt es eine uneingeschränkte Leseempfehlung!

Bewertung vom 11.09.2021
Junge mit schwarzem Hahn
vor Schulte, Stefanie

Junge mit schwarzem Hahn


sehr gut

Aus dem Diogenes Verlag gab es schon so einige Lesehighlights für mich, deshalb habe ich mich auch sehr auf dieses Buch gefreut.
"Junge mit schwarzem Hahn" lässt sich nur sehr schwer in eine passende Kategorie stecken, ich würde die Geschichte noch am ehesten als Märchen für Erwachsene bezeichnen. Hauptperson ist Martin, ein 11-jähriger Junge, der vor 8 Jahren als einziger eine schlimme Familientragödie überlebt hat.
Und mit ihm ein schwarzer Hahn, der den Jungen seither immer begleitet und mit dem er sogar kommunizieren kann. Die Dorfbewohner ( außer einem Mädchen, das als einzige gut zu Martin ist) behandeln Martin allerdings richtig böse, sie halten ihn und den Hahn für Unglücksbringer und finden die beiden geradezu teuflisch . Sie sind bösartig und gemein , nutzen den Jungen aus und sind alle auch noch strohdumm.
Doch obwohl Martin in seinem jungen Leben schon so viel Bosheit erfahren hat, ist er selbst die Güte in Person und zu seinen Mitmenschen immer freundlich und hilfsbereit.
Nun kommt ein Maler ins Dorf, der den Auftrag bekommt, ein Altarbild zu malen. Er erkennt sofort Martins reine Seele und seine Intelligenz und gibt ihm die Möglichkeit, ihn zu begleiten. Martin ergreift die Chance und reist von nun an mit dem Maler von Ort zu Ort. Dabei spürt er zum ersten Mal in seinem Leben, dass die Liebe zu jemandem auch Schmerz und Angst bedeuten kann. Doch Martin geht seinen Weg und dank seines Mitgefühls und Verstandes gelingt es ihm sogar noch, zum Retter für diejenigen zu werden, die genauso unschuldig sind wie er und seine Hilfe dringend nötig haben.

Diese Geschichte ist wirklich ungewöhnlich und es hat eine Weile gedauert, bis ich mit dem märchenhaften Schreibstil warm wurde. Lag vielleicht aber auch daran, dass ich einfach etwas ganz anderes erwartet hatte. Doch, als ich mich dann an den Schreibstil gewöhnt hatte und mich einfach auf diese Geschichte eingelassen hatte, gefiel sie mir immer besser und ich habe sie dann in einem Rutsch durchgelesen. Dieses Debüt der Autorin Stefanie vor Schulte ist ungewöhnlich und lässt sich nur schwer in eine Kategorie stecken, eher Märchen als Roman düster und trotzdem auch voller Hoffnung darauf, dass das Gute, am Ende siegen wird. Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung!

Bewertung vom 07.09.2021
Die letzten Romantiker
Conklin, Tara

Die letzten Romantiker


ausgezeichnet

Im Frühling 1981, verlieren die Geschwister Renee, Caroline, Joe und Fiona ganz plötzlich ihren Vater. Und statt ihren Kindern, die plötzlich ohne Vater dastehen, Halt und Trost zu geben, fällt die junge Witwe nach dem Tod ihres Mannes in eine tiefe Depression und verlässt mehrere Jahre lang ihr Schlafzimmer kaum noch. Die Kinder werden sich selbst überlassen, stromern durch die Gegend, versorgen sich so gut es geht selbst und kümmern sich umeinander. Diese schwierigen Jahre schweißen die vier Geschwister, die zu dem Zeitpunkt zwischen 4 und 11 Jahre alt sind, eng zusammen und später erinnern sie sich an diese , für alle sehr schwere Zeit, nur noch als "die große Pause"

Die Jahre vergehen, aus Kindern werden Erwachsene , die Berufe ergreifen, Familie gründen,teilweise auch vom Heimatort wegziehen. Und obwohl sie es, während ihrer Kindheit nie für möglich hielten, wird der Kontakt zwischen ihnen mit den Jahren immer weniger , denn jeder der vier ist mit seinem eigenem Leben beschäftigt.

Bis zu dem Tag, als die Familie von einer weiteren Tragödie getroffen wird. Eine Tragödie, die sich schon lange vorher ankündigte, die aber leider keiner so wirklich ernstgenommen hat. Und nun müssen sie mit diesem Schicksalsschlag fertig werden, was jeder wieder auf seine ganz eigene Weise tut. Ob die Geschwister durch dieses schlimme Ereignis wieder enger zueinander finden, oder ob die Familienbande dadurch ganz zerschnitten werden, muss sich nun zeigen.

"Die letzten Romantiker" beginnt sehr ungewöhnlich, denn wir befinden uns im Jahre 2079 auf der Lesung von Fiona, der jüngsten der vier Skinner- Geschwister , inzwischen 102 Jahre alt und eine berühmte Dichterin. Am Ende der Lesung dürfen vom Publikum Fragen gestellt werden und ein junges Mädchen stellt ihr eine sehr persönliche Frage, die sie im ersten Moment aus dem Konzept bringt. Zuerst versucht Fiona der Frage geschickt auszuweichen, doch die Fragestellerin lässt nicht locker und so fängt Fiona an zu erzählen und sie beantwortet nicht nur eine kurze Frage, sondern holt weit aus und beginnt nun ihre gesamte Familiengeschichte zu erzählen. Los gehts mit der "großen Pause" und sie beschönigt nichts und lässt nichts aus, auch wenn ihr das ziemlich schwerfällt, denn leicht war ihr Leben nicht und es gab so einige Schicksalsschläge in ihrem langen Leben.

Ein großartiges und sehr emotionales Familienepos, über die Liebe, familiären Zusammenhalt, Trauer, Schuld, dieses Buch enthält einfach alles, was ich mir von einem Buch wünsche und es gehört auf jeden Fall zu meinen diesjährigen Lesehighlights.

Bewertung vom 25.08.2021
Der Kolibri - Premio Strega 2020
Veronesi, Sandro

Der Kolibri - Premio Strega 2020


schlecht

Das Cover von Sandro Veronesis Roman "Der Kolibri" gefällt mir sehr gut. Ganz in grün gehalten, mit einem Kolibri, der gerade in Bewegung ist, das passt zu dieser Geschichte und vor allem zum Hauptprotagonisten , dem Augenarzt Marco Carrera, denn der ist auch immerzu in Bewegung, wie ein flatternder Vogel und mir persönlich ist es sehr schwer gefallen, ihm zu folgen.

Die Geschichte beginnt damit, dass der Augenarzt vom Psychoanalytiker seiner Frau darüber informiert wird, dass die von einem deutschen Piloten schwanger ist und plant, mit ihm durchzubrennen. Und der Grund, warum der Psychoanalytiker überhaupt seine Schweigepflicht bricht, ist der, dass er überzeugt ist, dass Marcos Leben in Gefahr ist und er ihn einfach darüber informieren müsste.

Diesen Einstieg in die Geschichte fand ich noch richtig gut und ich dachte, mich erwartet nun eine spannende Geschichte über das Leben des Ehepaares Carrera, in der man erfährt, wie es soweit kommen konnte. Doch ich habe mich leider getäuscht, an diesem Buch fand ich bedauerlicherweise überhaupt nichts spannend. Erzählt wird über das Leben von Marco in einer rasanten Weise und mit immer wechselnden Handlungsorten und großen Zeitsprüngen. Immer kreuz und quer. Mal sind es Briefe an die Frau, die er schon ewig liebt, beim nächsten Mal Briefe an seinen Bruder, in denen es um Erbstücke des Vaters geht, dann wieder beschreibt er das Verhältnis zu seiner Tochter, oder die Probleme, die er als Kind hatte, über die Ehe seiner Eltern, sein Verhältnis zu seinen Geschwistern oder er berichtet über die Zeit mit seinem Freund und erinnert sich an dessen Probleme.

Ich habe mir wirklich große Mühe gegeben, den zahlreichen Puzzleteilen dieser Geschichte zu folgen und die Spannung , die im Klappentext versprochen wurde, zu finden. Außerdem dachte ich mir die ganze Zeit, "dieses Buch wurde ausgezeichnet mit dem Premio Strega 2020, das kann doch nicht so langweilig sein". Ich wollte nicht abbrechen, weil ich immer die Hoffnung hatte, dass der Funke noch überspringen würde. Doch das ist nicht passiert, obwohl ich mich tatsächlich bis zum Ende durchgekämpft habe. Vielleicht verstehe ich den Schreibstil des Autors ja auch einfach nicht, aber für mich war "Der Kolibri" leider ein Reinfall.

Bewertung vom 21.08.2021
Liebe Rock
Zürcher, Tom

Liebe Rock


gut

Das Cover von "Liebe Rock" von Tom Zürcher ist wunderschön und sehr ausgefallen. Der Klappentext hat mir auch noch gut gefallen und meine Neugier geweckt. Doch leider sind das schon die zwei positivsten Dinge, die mir zu diesem Buch einfallen und ich bin nach dem Lesen leider etwas enttäuscht.

Worum geht es in dem Buch? Also da ist der 18-jährige Timm, der gerade die Schule abgebrochen hat, weil er sich einbildet, er hätte das Zeug zum großen Schriftsteller. Und seiner Meinung nach müssen gute Schriftsteller immer viel Alkohol trinken, während sie schreiben, also sitzt er nun täglich in einer Kneipe, trinkt ein Bier nach dem anderen und schreibt dabei alles mögliche, was ihm so durch den Kopf geht, in sein altes Wachstuchheft. Dabei lernt er die Kellnerin Rock kennen und da bei ihr gerade ein Zimmer vermietet wird, zieht Timm, der bisher noch bei seinen Eltern gewohnt hat, dort ein. Aber Rock wohnt nicht allein in der Wohnung, sondern es gibt noch einen Hund und vor allem gibt es Marc, Rocks Freund. Und der ist Timm, der sich unsterblich in Rock verliebt hat, von Anfang an ein Dorn im Auge. Was Timm dann alles macht, um seinen Konkurrenten Marc auszustechen, ist wirklich krass und man fragt sich beim Lesen die ganze Zeit "warum setzen die diesen Spinner nicht vor die Tür?" Geschrieben ist "Liebe Rock" so, als würde Timm das alles an Rock persönlich schreiben, es liest sich also eher wie Briefe an Rock, von der er richtig besessen ist. Das Gute, es sind kurze Kapitel, manchmal nur eine halbe Seite lang, man kann es also immer wieder mal zwischendurch etwas weiterlesen. Aber die verrückten Gedanken von Timm ein ganzes Buch lang zu verfolgen, das hat mir keinen großen Spaß gemacht. Timm ist egoistisch und rücksichtslos, er lügt, er stiehlt, er ist gemein zu Menschen und Tieren, er ist überzeugt, ein toller Schriftsteller zu sein und wird ja von einigen Leuten in seiner Umgebung auch noch in dem Glauben gelassen. Auch die meisten anderen Personen in dieser Geschichte reagierten sehr seltsam, muss ich sagen. Ich persönlich fand weder zur Handlung , noch zu den Charakteren einen echten Zugang.

Was ungewöhnlich ist, die Kapitel laufen rückwärts, also es fängt bei Kapitel 100 an und endet bei 0 und warum das so ist, wird im Laufe der Story auch klar, aber ändert ja auch nichts an der Geschichte selbst und die war für mich persönlich einfach nicht fesselnd genug. Durch diesen Notizbuch-Schreibstil kamen bei mir einfach keine großen Gefühle für die Geschichte auf und die Protagnisten, besonders Timm, sind mir leider größtenteils zu emotionslos.

Dass Timm nicht grundlos so gestört ist, versteht man so nach und nach zwar, denn er hat so einiges erlebt, was an keinem spurlos vorbeigehen würde. Und es ist auch nicht so, dass ich das Buch durchgängig öde fand, es hat durchaus Passagen, die mir zu Herzen gingen ( besonders alles, was mit Timms Bruder zu tun hatte), aber insgesamt konnten mich leider weder Handlung, noch Schreibstil restlos überzeugen.

Bewertung vom 13.08.2021
Das letzte Bild
Jonuleit, Anja

Das letzte Bild


ausgezeichnet

Im November 1970 wurde im norwegischen Isdal eine verkohlte Frauenleiche gefunden. Sie wurde nie identifiziert und ihr rätselhafter Tod gibt bis heute Anlass zu allerlei Spekulationen. Gegen die weit verbreitete Vermutung, es sei Selbstnord gewesen, spricht einiges, aber falls es ein Verbrechen war, dann bleibt natürlich die Frage: "Wer hat diese junge Frau umgebracht und warum?"

Diesen sehr rätselhaften Kriminalfall nahm die Autorin Anja Jonuleit als Grundlage für ihren Roman "Das letzte Bild" Sie hat hier die Fakten über die Isdal-Frau, wie die Tote in der Presse genannt wird, mit einer spannenden fiktiven Handlung verknüpft und herausgekommen ist ein wirklich fesselnder Roman.

Zu Beginn entdeckt die Schriftstellerin Eva in der Zeitung ein Phantombild der toten Frau vom Isdal. Eva kann es nicht fassen, aber dieses Phantombild zeigt eine Frau, die ihrer Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Darauf angesprochen, reagiert diese komischerweise ungewöhnlich heftig, behauptet felsenfest, die Frau nicht zu kennen und Eva bilde sich die Ähnlichkeit nur ein. Durch diese seltsame Reaktion der Mutter, ist die Neugier der Schriftstellerin natürlich erst recht geweckt und so reist sie kurz darauf tatsächlich nach Norwegen und recherchiert über diese Tote, die aussieht wie ihre Mutter. Bei dieser Recherche kommen nach und nach unglaubliche Dinge ans Licht. Auch über ihre eigene Familie.

Ich fand dieses Buch fesselnd von der ersten bis zur letzten Seite. Zwei Handlungsstränge wechseln sich hier immer wieder ab. Im ersten die Gegenwart , in der Eva herauszufinden versucht, wer die Isdal-Frau war und was sie mit ihrer eigenen Familie zu tun hat. Wie sie gelebt hat und was damals mit ihr passiert ist, wieso sie sterben musste. Und im zweiten Handlungsstrang geht es weit zurück in die Vergangenheit, man erfährt die ganze tragische Lebensgeschichte der "Isdal-Toten" und wird Zeuge, was damals schreckliches mit ihr passierte.

Und das war richtig spannend. Ich kannte bisher noch kein Buch von Anja Jonuleit, aber ich bin so begeistert von ihrem packenden Schreibstil, dass ich jetzt unbedingt auch noch ihre anderen Bücher lesen möchte. Die Mischung aus echtem Kriminalfall und fiktiver Familiengeschichte macht "Das letzte Bild zu einem ganz außergewöhnlichen Buch. Am Ende gibt es noch einen extra Abschnitt, in dem die Autorin über die Entstehung des Buches berichtet und genau auflistet, was in der Geschichte auf Fakten beruht und was dagegen ihrer Fantasie entsprungen ist. Das fand ich nochmal ganz besonders interessant.


Von mir eine uneingeschränkte Leseempfehlung!