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SimoneF

Bewertungen

Insgesamt 505 Bewertungen
Bewertung vom 25.01.2023
Blum, Charlotte

Der Tote im Kurhaus / Fräulein vom Amt Bd.2


ausgezeichnet

Der zweite Band der Krimireihe um die Telefonistin Alma Täuber und ihre lebenslustige Freundin Emmi spielt im Jahr 1924. Anfang der 20er Jahre finden in Ägypten die spektakulären Ausgrabungen im Tal der Könige statt und finden weltweit Beachtung. Kein Wunder, dass ganz Baden-Baden im Ägyptenfieber ist, als im Kurhaus Aida aufgeführt wird und zur Premierenfeier ein Ball unter dem Motto "Legenden des Nils" stattfindet. Auch Alma und Emmi sind unter den Gästen, und Emmi hat an diesem Abend gleich zwei Verehrer - den gefeierten Tenor Josef Wittich und ihren Freund August. Nach dem ausgelassen Fest folgt ein böses Erwachen, denn am nächsten Morgen steht die Polizei vor der Wohnung der beiden Frauen - es hat einen Toten gegeben! Der Tenor wurde ermordet und der Verdacht fällt schnell auf August. Emmi ist am Boden zerstört.
Eigentlich wollte sich Alma nach ihrem 1. Fall in keine weiteren Mordermittlungen mischen, auch um ihre Gefühle für den Kriminalkommissar Ludwig nicht wieder aufleben zu lassen. Doch sie will Emmi helfen, und so beginnt sie, Nachforschungen anzustellen....

Der Roman ist sehr unterhaltsam und spannend geschrieben, auch der Humor kommt nicht zu kurz, und es macht viel Freude, bis zum Schluß mitzuraten. DIe Auflösung habe ich so nicht erwartet!

Neben der Krimihandlung bekommt man interessante Einblicke in die Arbeit und Lebensumstände von Telefonistinnen und von Frauen in den Roaring Twenties im Allgemeinen (mir war bisher nicht klar, dass Telefonistinnen, wie viele andere Berufsgruppen auch, damals nicht heiraten durften. Falls sie sich für die Ehe entschieden, mussten sie zwingend ihren Beruf aufgeben und verloren alle Pensionsansprüche). Den beiden Autorinnen gelingt es, den*die Leser*in in die Welt der 20er zu entführen und das Lebensgefühl der damaligen Zeit lebendig werden zu lassen: Mode- und Sporttrends, "neumodische" Transportmittel, aber auch besorgniserregende politische Entwicklungen und die Erinnerung an die Inflation und den erst wenige Jahre zurückliegenden 1. Weltkrieg.

Besonders positiv fand ich, dass die Autorinnen im Nachwort auf ihre Recherchen eingehen und erläutern, wo sie sich an historische Fakten gehalten haben oder bewußt Ungereimtheiten in Kauf genommen haben.

Ich habe den ersten Band noch nicht gelesen und bin dennoch problemlos in die Geschichte reingekommen. Da mich das Buch wirklich begeistert hat, werde ich ganz sicher Band 1 noch lesen und freue mich auch schon sehr auf den dritten Teil! Absolute Leseempfehlung!

Bewertung vom 18.01.2023

Guinness World Records - Tiere


gut

Das Buch ist durch das auffällige Cover ein echter Blickfang und hat gleich das Interesse meines Sohnes geweckt.

Wir haben es das erste Mal gemeinsam gelesen, seither nimmt er es immer wieder gerne selbst zur Hand und liest darin. Ihm gefällt das Buch sehr gut, meine Meinung ist zwiespältig.

Das Buch ist in 4 Kapitel eingeteilt: Die Größten und Kleinsten, die Schnellsten und Langsamsten, die Giftigsten und Gefährlichsten, die Verrücktesten und Erstaunlichsten. Gleich auf der ersten Seite empfand ich den Text zum Blauwal als etwas unglücklich. Er wird als schwerstes Tier angekündigt, im Text aber generell als größtes Tier bezeichnet, wobei aber nur auf das Gewicht Bezug genommen wird. Da ihm das größte Landtier gegenübergestellt wird und hier Gewicht und Größe angegeben sind, ist das etwas verwirrend.

Die Illustrationen des Buches hätten gerne etwas aufwändiger ausfallen können, im wesentlichen ist das Tier auf 1-2 Bildern dargestellt und ein Textfeld mit einer kurzem Information daneben. Da bin ich von Ravensberger normalerweise schöneres gewohnt.

Positiv fiel mir auf, dass die Autoren bemüht waren, für die Geschwindigkeiten, Längen, Gewichte etc. kindgerechte Vergleiche zu finden und so die Vorstellung zu erleichtern. Auch die Texte sind sprachlich für die Altersgruppe gut verständlich.

Alles in allem ganz nett, aber ich hatte mir etwas mehr erwartet.

Bewertung vom 14.01.2023
Sanne, Manuela

Aus der Puste / Rosa Fink Bd.2 (MP3-Download)


ausgezeichnet

Im zweiten Band der Rosa Fink Reihe begibt sich die sympathische Hobbydetektivin mit ihrem Ex- und Bald-wieder-Ehemann Sebi in eine urige Pension nach Dangast, um dort 3 entspannte Urlaubswochen zu verbringen und diese mit ihrer beider Hochzeit zu krönen. Da Rosa Süßes liebt und Sport eher aus dem Weg geht, stehen ein paar Pfunde zuviel zwischen ihr und ihrem Hochzeitskleid, so dass sie sich in Dangast einer Walkinggruppe anschließt. Der durchtrainierte Trainer Olli ist nicht nur ein begeisterter Ultraläufer, sondern lässt auch beim weiblichen Geschlecht nichts anbrennen und flirtet mit Rosa - unter anderem. Weniger Tage später bricht er bei einem 24h-Lauf tot zusammen und Rosas Spürsinn ist geweckt. Hat Olli sich übernommen oder wollte ihn jemand aus dem Weg räumen? Zusammen mit dem gutmütigen und sehr gemütlichen Sebi, der eigentlich nur einen romantischen Urlaub verbringen wollte, stellt sie beharrlich Nachforschungen an....

Der Roman ist toll geschrieben, sehr kurzweilig und unterhaltsam, und perfekt für graue Tage, um es sich damit bei einer Tasse Tee unter der Decke gemütlich zu machen. Cosy Crime Fans kommen hier voll auf ihre Kosten. Das zugehörige Hörbuch wurde von Juliane Hempel sehr schön eingelesen. Sie verstimmlicht die einzelnen Figuren gekonnt und hat eine sehr angenehme Stimme. Eine klare Hör- und Leseempfehlung für Freunde der sanften Krimi-Unterhaltung!

Bewertung vom 09.01.2023
Matschke, Matthias

Falschgeld


ausgezeichnet

Herrn Matschke kannte und schätzte ich bisher schon sehr als Schauspieler und Hörbuchsprecher, und so war ich nun gespannt auf seinen ersten Roman. Nachdem mich dieser als Hörbuch begeistert hat, habe ich nun auch noch das Buch gelesen.

Der Roman beschreibt eine Kindheit und Jugend in einem hessischen Dorf der 80er Jahre. Er ist autofiktional, der gleichnamige Protagonist ist also nicht mit dem Autor zu verwechseln. Der Sprachstil ist klar, aufmerksam beobachtend, nicht wertend, der Grundton melancholisch, ohne in Nostalgie oder Bitterkeit abzugleiten. Der Blick für die kleinen, unscheinbaren Details und die behutsame Schreibweise haben mich besonders berührt. (Das gilt insbesondere für die erste Hälfte und das letzte Drittel, im Mittelteil rund um das "Schloss Lichtenberg"-Kapitel zieht sich das Buch meiner Meinung nach etwas.)

Die Erzählweise ist nicht chronologisch, vielmehr lässt sich der Protagonist scheinbar zufällig von einer Erinnerung zur nächsten treiben. Im Laufe der Geschichte knüpfen diese jedoch immer wieder aneinander an und referenzieren aufeinander (sowohl inhaltlich als auch sprachlich), so dass allmählich ein dichtes Netz entsteht. Dieser außergewöhnliche Stil und Herrn Matschkes Gefühl für Sprache verleihen der Geschichte einen ganz besonderen Reiz.

Ich habe mich immer wieder selbst in der Figur des Matthias erkannt. Regelmäßig wiederholt er den Satz "Ich bin Matthias Matschke", als müsste er sich seiner selbst vergewissern. Wer wir sind, definieren wir über unsere Erfahrungen, unsere Beziehungen, das Sozialgefüge, in das wir eingebunden sind. Wie den Protagonisten führt uns das Schicksal mit nahezu brutaler Gleichgültigkeit an Punkte, ab denen unser Leben irreversibel anders verläuft - oder beinahe hätte verlaufen können, und was bisher unverrückbar, sicher und wichtig schien, fällt wie ein Kartenhaus in sich zusammen.

Der Protagonist wächst in fest geglaubten Strukturen auf, die Familie unterscheidet strikt zwischen dem Innen und dem Aussen. Nach einem Schlaganfall des Vaters erlebt er, wie diese Strukturen plötzlich auseinanderbrechen, Sicherheiten schwinden, Gefühle und Beziehungen an Wert verlieren. Aber wer sind wir eigentlich, wenn wir unseren Erfahrungen, Gefühlen und Werten nicht trauen können? In diesem Zusammenhang wird auch die Demenz des Vaters thematisiert - was bleibt, wenn die Erinnerung schwindet, auf der wir unsere Identität gründen?

Das Wohnhaus, bisher das steinerne Bollwerk gegen das Aussen, Ort der Geborgenheit und Enge zugleich, steht plötzlich mit Matthias im Innen alleine da, mit weit heruntergelassenen Rolläden, nur aufs Nötigste bewohnt. Das Innen definiert sich nur noch als das Komplement des Aussen, ist aber eine leere Hülle, aus der auch Matthias letztlich aus- und aufbricht.

Sehr berührt hat mich das letzte Kapitel des Buches, das ich hier nicht spoilern möchte. Es ist wunderbar leise erzählt, mit einem runden Ende, das auch einen Aufbruch beinhaltet.

Interessant fand ich auch den Abschnitt über Prozesstheologie und Herrn Arnulf Zitelmann, der mir aus meiner eigenen Jugend noch als Autor ein Begriff ist (etwa "Paule Pizolka", leider zZt nicht mehr verlegt).

Fazit: Ein ganz leiser und berührender Roman, dessen Thematik mich sehr nachdenklich gestimmt hat. Das Leben als steter Prozess des Werdens und Vergehens, die Suche nach der eigenen Identität eine lebenslange Aufgabe, das Ende gleichsam ein neuer Anfang.

Anmerkung: Wer zwischen Hörbuch und Printausgabe schwankt, dem würde ich aufgrund der komplexen Erzählweise, die ein sehr genaues Zuhören erfordert, zum gedruckten Buch raten. Danach dann dem Hörbuch zu lauschen, das vom Autor selbst wunderbar eingelesen wurde, ist nochmal ein zusätzlicher Genuss.

Bewertung vom 09.01.2023
Wunn, Andreas

Saubere Zeiten


gut

Jakob Auber, Journalist in Berlin und Enkel eines ehemals reichen Waschmittelfabrikanten, fährt zu seinem im Sterben liegenden Vater nach Hause in seine alte Heimat Trier. Der Kontakt ist seit Jahren lose, die Mutter tragisch früh verstorben,  die Verhältnisse innerhalb der Familie von Sprachlosigkeit geprägt. Über das Vermächtnis seines Vaters wird er mit der Geschichte seiner Familie im Dritten Reich, der Nachkriegszeit und der Zeit des Wirtschaftswunders konfrontiert. Er macht sich auf Spurensuche und taucht ein in eine Geschichte aus Opportunismus und Verdrängung, Aufstieg und Niedergang, Schuld und Sühne, Liebe und Verlust und kommt dunklen Geheimnissen auf die Spur.

Der Roman ist spannend geschrieben und eng verbunden mit der deutschen Geschichte in den 30er bis 50er Jahren. Nach anfänglicher Begeisterung wurden meine hohen Erwartungen leider nicht ganz erfüllt. Die Dialoge empfand ich häufig als platt und inhaltsleer. Der Protagonist und sein ständiger Alkoholkonsum wurden mir im Verlauf des Buches immer fremder und seinen besten Freund Ben empfand ich als oberflächlich und unsympathisch. Umso gelungener fand ich die Zeichnung seines Vaters Hans, der mir sehr ans Herz wuchs und dessen Schmerz und Einsamkeit ich sehr gut mitfühlen konnte.

Das Vorgehen von Jakob Auber bei seinen Nachforschungen erscheint mir erstaunlich unstrukturiert für einen studierten Journalisten. Er geht nur die Dokumente im Archivzimmer des Vaters durch und stellt keine weiteren Recherchen an. Ich hätte erwartet, dass er über Behörden, die örtliche jüdische Gemeinde und offizielle historische Archive zumindest versucht, mehr darüber herauszufinden, was mit dem Ehepaar Stein passiert ist und wie die genauen Umstände der Enteignung waren. Auch dass er die Schlüsselfigur Bella nicht googelt oder telefonisch kontaktiert oder überhaupt in Erfahrung bringt, ob sie noch lebt, bevor er nach Rio fliegt, wirkt auf mich etwas seltsam. 

Die Geschichte ist in Teilen sicher die Geschichte vieler Familien im Deutschland der damaligen Zeit. "Saubere Zeiten" greift die Schatten der Vergangenheit gekonnt auf, bleibt aber stellenweise zu sehr an der Oberfläche. Ich hätte mir manchmal noch mehr Tiefgang gewünscht und auch einen ausführlicheren und tiefer gehenden Austausch zwischen Jakob und Bella. 

Der Roman bietet insgesamt eine interessante und lesenswerte Geschichte, die zum Nachdenken anregt und mich dazu gebracht hat, über meine eigene Familie und das, was letztlich bleibt, zu reflektieren.