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Magnolia
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Bayern

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Insgesamt 203 Bewertungen
Bewertung vom 25.08.2025
Braun, Larissa

Liberantas - Im Licht der Vergebung (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Liberantas - das faszinierende Finale

Nachdem ich die ersten beiden Bücher verschlungen habe, war ich natürlich gespannt auf das finale dritte Buch. Was wird aus Elainy und Awan? Werden sie sich lieben dürfen, werden sie sich verlieren oder werden sie gar getötet, befohlen von Odium, dem Herrscher von Liberantas?

„Im Licht der Vergebung“ beginnt traurig, Elainy wird von allen Geschöpfen umschwirrt. Wut, Einsamkeit, Trauer, Angst und Verzweiflung werden von ihren Emotionen angezogen, auch ein Confido, ein Geschöpf, das den Weg weist, ist da. Wohin führt ihr weiterer Weg? So viel sei verraten, sie ist stark. „Du musst mir versprechen, dass du jedes Hindernis nimmst, Elainy. Denn die Alternative wäre, davor stehen zu bleiben und zu verlieren.“ Diesen so wahren, sehr weisen Satz hat einst ihre Mutter ihr mitgegeben, sie erinnert sich daran.

Elainy weiß, dass es in Liberantas keine Zukunft gibt. Nicht für sie, nicht für Awan und auch für die anderen nicht, denn Liberantas darf nicht weiterbestehen.

Sie lernt, zu kämpfen. Nicht nur in Awan hat sie einen Mitstreiter, auch auf Milo ist Verlass. Kian, der sie einst hierher gebracht hat, offenbart seine wahre Seite und auch von Marty, ihrem so lange vermissten Bruder, hört sie. Wohin dies alles führt, was der Kampf bringen wird, sei nicht verraten, nur so viel - es ist ein spannendes und nervenaufreibendes und sehr gefährliches Auf und Ab.

Schon das erste Buch „Im Schatten der Erinnerung“ hat mich fasziniert, ich hätte das nie gedacht. Und natürlich haben mich die Folgebände „Im Nebel der Furcht“ und dieses hier „Im Licht der Vergebung“ unbändig gelockt. Ich war in einer fremden Welt fernab der Erde, in der Liebe verboten ist, die aber mit einem Schlaraffenland aufwartet, von dem man nur träumen kann.

Spicy New Adult Romantasy ist nicht unbedingt das Buchgenre, das ich bevorzuge, aber „Liberantas“ in seiner Gänze möchte ich nicht missen. Was ich noch kurz erwähnen möchte, sind die tiefgründigen Gedanken, die den Kapiteln vorangestellt sind. Am liebsten würde ich sie hier alle zitieren, was den Rahmen sprengen würde. Und natürlich klärt das Glossar über all die Wesen und Geschöpfe auf, die in Liberantas leben.

Es war eine kurzweile, eine wunderschöne, aber auch eine mitunter gefährliche Reise, die nun zu Ende geht. Ich danke Larissa Braun für unterhaltsame Lesestunden, ich habe jedes einzelne Buch sehr genossen.

Bewertung vom 25.08.2025
Hart, Emilia

Unbeugsam wie die See (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Eine tiefgehende, eine ungewöhnliche, eine wunderschöne Geschichte

„Folge dem Ruf der Sirenen…“ Es sind die Gedanken, die mich ins Jahr 1800 zu den Zwillingsschwestern Mary und Eliza blicken lassen und andere, welche die Geschichte weitertragen - weiter zu Lucy, zum Hier und Jetzt, das im 2019 verortet ist. Dazwischen dann (zehn Jahre zuvor) lese ich von der 16jährigen Jess in ihrem Tagebuch.

Alles beginnt mit einer Geburt, fernab jeglicher Zivilisation. Erst spät wird klar, wie diese ersten Zeilen mit dem Geschehen zusammenhängen. Zunächst ist es Lucy, die - von Albträumen geplagt - sich in einer so bedrohlichen wie verfänglichen Situation wiederfindet, von der sie sich sofort befreien muss. Sie flieht Hals über Kopf zu ihrer Schwester Jess, von der sie schon lange nichts mehr gehört hat. Jess lebt seit geraumer Zeit an der australischen Küste in einem Haus, direkt am Meer. Sie ist für ein paar Tage weggefahren, lässt Melody, ihre Nachbarin, Lucy wissen. Wohin, weiß keiner so genau. Also wartet Lucy, sie findet ein Tagebuch, beginnt zu lesen…

Unter den Gefangenen (allesamt Frauen) auf der Naiad sind auch Mary und Eliza. Sie werden direkt vom Gefängnis aufs Schiff verfrachtet, das von Irland nach Australien unterwegs ist. Der Erzählstrang um die beiden Schwestern verrät nach und nach von ihrer Familie, von den menschenunwürdigen Bedingungen auf dem Schiff und noch so viel mehr.

Es ist eine mystische Erzählweise. So wunderschön und doch verworren und sehr beklemmend. Eine Meerjungfrau auf hoher See bedeutet nichts Gutes, von Schuppen auf der Haut wird berichtet und von den Häutchen zwischen den Fingern. Die Schwestern leiden unter einer Wasserallergie und doch scheint das Meer eine magische Anziehungskraft auf sie auszuüben. Träume verbinden die beiden Geschwisterpaare, alles ist geheimnisumwoben. Und da sind Stimmen, die sie immer wieder hören, all dies ist nicht recht greifbar. Es sind mehrere Ereignisse, die nebeneinander stehen, die abwechselnd erzählt werden, deren Ausgangspunkt der fiktive Ort Comber Bay ist.

Die Autorin hat den geschichtlichen Hintergrund um die britischen Sträflinge, unter denen auch Iren waren, ihrem Roman vorangestellt. Sie wurden ins ferne Australien verschifft, da die Gefängnisse daheim überfüllt waren. Sie hat Mary und Eliza auf eines dieser Schiffe verfrachtet, das Geheimnis um Baby Hope gesellt sich dazu, ebenso die acht Männer, die im Laufe der Jahre spurlos verschwunden sind. „Wie viele Leben hat diese Felswand im Laufe der Jahre enden sehen? Die Gefangenen auf der Naiad, die acht verschwundenen Männer, vielleicht sogar die Mutter von Baby Hope…“

Beide Zeitebenen haben etwas Mystisches, vor allem die Beschreibungen um das Wasser auf ihrer Haut kommen mir wie entrückt vor. Aber da ist noch mehr, auch das Tagebuch ist zunächst verwirrend, bis es doch mehr und mehr Licht ins Dunkle bringt. Wie die beiden Geschwisterpaare letztendlich miteinander verflochten sind, was Gemälde damit zu tun haben, erfahren wir schon auch. „Unbeugsam wie die See“ ist eine tiefgehende, eine ungewöhnliche Geschichte, das Meer als verbindendes Element.

Es ist mein erster Roman von Emilia Hart. An ihre Erzählweise musste ich mich herantasten, war aber bald gefangen in ihrer Geschichte um starke Frauen, die sich gegenseitig stützen und trotz aller Widrigkeiten nicht aufgeben.

Bewertung vom 25.08.2025
Keßler, Verena

Gym (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Selbstoptimierung oder Selbstzerstörung?

Das einzige, das mir an GYM nicht gefällt, ist das Cover. Nur gut, dass ich die Buchbeschreibung gelesen und so Verena Keßlers neuestem Buch doch noch eine Chance gegeben habe.

Es liest sich weg wie nix, es ist zum Schmunzeln, später wechselt dieses leichte, ein wenig verrückte Bild der namenlosen Erzählerin eher dem der entrückten, mehr und mehr süchtigen Person nach Perfektion, von Obsession und Ehrgeiz zerfressen, um sich letztendlich nochmal (nicht ganz freiwillig) zu wandeln.

Sie braucht einen neuen Job und wie es der Zufall will, landet sie im MEGA GYM, einem Fitnessstudio, dem man sofort ansieht, dass Leistung und Durchhaltevermögen belohnt wird - hier trainiert die Crème de la Crème. In diesem Palast aus glänzenden Oberflächen ist kein Staubkorn zu finden, überall nur durchtrainierte Körper an den teuren Geräten. Da kommt sie sich mit ihrem nicht ganz flachen Bauch direkt klein vor, also muss eine Ausrede her. Sie habe erst entbunden, meint sie lapidar. Nicht ahnend, dass diese Lüge viele Fragen nach sich zieht. Der Chef bezeichnet sich als Feminist, er ist sehr verständig, stellt ihr sein Büro zum Abpumpen der Milch zur Verfügung, Babyfotos kann sie auch irgendwie präsentieren, sie wird als coole Mutter wahrgenommen. Der Tresen ist ihr Metier, sie bereitet Proteinshakes, Smoothies und alles, was nach dem Training verlangt wird, zu. Als dann Vick auftaucht, eine Bodybuilderin mit nichts als Muskeln, will auch sie so sein. Jede freie Minute pumpt sie sich an ihr Ideal heran, Adduktoren, Abduktoren, Bizeps, Trizeps, Latissimus – sie ist süchtig danach, jeden einzelnen Muskel zu spüren und nichts als Eiweiß zu sich zu nehmen.

Verena Keßler schreibt über Kontrolle und bald dann über Kontrollverlust, gliedert ihren Roman in drei Teile. Zunächst wird die Ich-Erzählerin von ihrem Chef ans Training herangeführt, ihre Trainingseinheiten kann sie vor oder nach ihrer Arbeitszeit erledigen, was für sie ziemlich demotivierend ist. Ich meine, dass jeder, der ein Fitnessstudio von innen gesehen hat, diese Anfangsschwierigkeiten kennt. Und dann - ein Blick in den Spiegel zeigt erste Erfolge, der Ehrgeiz ist geweckt.

Der Körperwahn und die damit einhergehende Selbstoptimierung wird hochstilisiert, Erfolg mit Fitness, mit einem ästhetischen, perfekten, durchtrainierten Körper assoziiert. Hinter dem locker-leichten, amüsanten Erzählstil schimmert Gesellschaftskritik durch, der Ton wird ernster, die Protagonistin verbissener, der äußere Schein bekommt Risse. So einiges ist überzeichnet, aber genau diese Passagen sind es, die diese Oberflächlichkeit, dieses Streben nach Selbstoptimierung hervorheben.

GYM hält unserer auf Äußerlichkeiten geprägten Gesellschaft den Spiegel vor – nur das Perfekte zählt. Ein Roman, der durchaus anregt, auf sich acht zu geben. Man sollte nicht jedem Hype nachrennen, nicht jede Hürde nehmen müssen, man darf auch ruhig mal scheitern.

Bewertung vom 20.08.2025
Lühmann, Hannah

Heimat


gut

Ein Hoch dem traditionellen Frauenbild

Die Tradwife-Bewegung folgt einem traditionellen Frauenbild, eher rückwärtsgewandt, das der Ehefrau die Rolle der dienenden, gefügigen Gattin zuschreibt, die sich selbst stets hintanstellt und die ganz in ihrer Mutterrolle aufgeht. Hannah Lühmann schreibt davon in ihrem neuen Buch „Heimat“. Auch wird der Rechtsruck thematisiert, ich bin als eigenständiger, demokratisch denkender und handelnder Mensch gespannt, wie sie diese Themen umsetzt…

…und lege den Roman nach dem Lesen ernüchtert weg.

Jana zieht mit ihrem Partner Noah und den beiden gemeinsamen Kleinkindern aufs Land. Ihren Job hat sie bereits gekündigt, die Kinder sind in der Kita, sie genießt die Zeit, die sie nur für sich hat. Bald lernt sie die vielfache Mutter und Ehefrau Karolin kennen, die in ihrer Rolle als Hausfrau und Mutter aufgeht. Sie und noch einige ihrer Freundinnen vertreten die Meinung, dass Kinder in ihren ersten Lebensjahren nicht fremdbetreut werden sollten, auch ist Karo weitgehend Selbstversorgerin. Nur unbehandelte Lebensmittel erreichen ihre Küche. Und sie betreibt einen erfolgreichen Kanal auf Instagram.

Jana tritt ziemlich unbedarft auf, sie himmelt Karolin direkt an. Dass diese dabei ihre eisernen Regeln bricht, sieht die mittlerweile zum dritten Male schwangere Jana nicht. Karo raucht (darf eine brave Ehefrau und Mutter rauchen?) und nicht nur das, sie animiert Jana zum Rauchen. „Ein Zug wird dem Kleinen schon nichts anhaben.“ Karo und auch ihre Freundinnen sind Impfgegner, bringen krude Corona-Beispiele, führen an, dass es nahezu ausgeschlossen ist, dass ein Kind an Masern stirbt. In dem Tenor geht es weiter – hier sind Verschwörungstheoretiker am Werk. Und dann – irgendwann holen die Frauen um Karo die blauen Fähnchen hervor, sie ziehen in den Wahlkampf.

Die Diskrepanz zwischen dem traditionellen Frauenbild und der selbstbewussten Frau, die Social Media für sich zu nutzen weiß, sticht hervor, das herkömmliche Bild einer intakten Familie wird infrage gestellt, zwischendurch blitzt das Rechte Gedankengut dann mal kurz auf. Vieles wird eher angedeutet, verläuft aber dann im Sande, verliert sich im Nirgendwo. Positiv erwähnen möchte ich den Schreibstil der Autorin, der mich das Buch letztendlich mit drei Sternen bewerten lässt.

Bewertung vom 20.08.2025
Kraus, Chris

Die Sonne und die Mond (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Einfühlsam erzählt

Chris Kraus schreibt vom Tod, vom Loslassen und vom Leben und von Freundschaft schreibt er auch. Die Sonne, das ist Sonja, und Jana von Mond waren in jungen Jahren beste Freundinnen, bis sie es nicht mehr waren. Jana ist mittlerweile ein gefeierter Comedy-Star und nun steht sie vor Sonnes Tür, denn ihr Liebster muss bestattet werden und wer wäre da besser geeignet als Sonne und ihr Bestattungsunternehmen. Allerdings ist Sonne alles andere als begeistert, sie geht sogar so weit, Jana hinauszukomplimentieren. Diese aber denkt gar nicht daran, sie nistet sich in Sonnes Leben ein, gewinnt das Herz des 8jährigen Nicky und auch Sonnes Mitarbeiter Samuel ist von Jana angetan.

„Alles war gerichtet. Und sie fühlte sich wie auf Wellen. Es gab keine Seekrankheit, die vergleichbar gewesen wäre mit ihrem Zustand. Sie begann zu weinen. Und doch hatte sie nicht die geringste Ahnung, welch perfekter Sturm sie an diesem Tag noch erwarten sollte.“ Jana wusste es nicht, auch nicht Samuel und Sonne war auch nicht darauf vorbereitet.

Während des Lesens bin ich durch eine Achterbahn der Gefühle gegangen. Ich mochte das Buch, dann wieder gar nicht. Zuweilen schrammt es an der Grenze des Erträglichen und doch konnte ich es nicht weglegen. Der Tod gehört zum Leben, wer kennt den Schmerz darum nicht. Auch der Autor weiß, wovon er schreibt, wie er im Nachwort verrät. Es ist seine Geschichte um Tod und Vergänglichkeit, um Abschied und Liebe und das unerträgliche, das tragische Ende eines geliebten Menschen.

Was das Buch so besonders macht, ist dieser feine Sinn für Humor, der auch den Schmerz und die Trauer erträglich macht. Zumindest ein wenig. Auch lässt es so einiges von den so unterschiedlichen Ritualen, die rund um das Sterben und den Tod in den verschiedenen Kulturen zelebriert werden, mit einfließen.

„Die Sonne und die Mond“ ist ein emotionales, ein einfühlsames Buch, nicht nur über den Tod. Auch und vor allem über Freundschaft, über verletzte Gefühle und das Sich-Wiederfinden.

Bewertung vom 18.08.2025
Tsokos, Michael

Mit kalter Hand / Die Sabine Yao-Reihe Bd.3


sehr gut

Menschliche Abgründe tun sich auf

Zum nunmehr dritten Mal bekomme ich Einblicke in die Arbeit der Rechtsmedizinerin Dr. Sabine Yao. Sie hat viel zu tun, da kommt ihr überschaubares Privatleben wieder mal zu kurz, ihre Schwester Mailin und ihre Zwillinge werden wohl noch ne Weile warten müssen.

Diesmal erweitert sich der Blick hin zu einem Pferderipper, der auf dem Reiterhof Lindenhain sein Unwesen treibt. Schon drei dieser edlen Tiere hat er auf dem Gewissen und wie es den Anschein hat, wird das abscheuliche Gemetzel weitergehen. Es gibt sie gar nicht so selten, diese Pferderipper, wir lesen öfter über ihre Untaten. In der „Soko Ross“ arbeitet Yao mit dem Profiler Hasanović zusammen, sie schaut den Veterinärpathologen über die Schultern, ihre Arbeitsweise unterscheidet sich schon aufgrund der Größe der Tiere von ihrer.

Zunächst sind es andere, sehr ungewöhnliche Todesfälle, mit denen Yao zu tun hat. Bald aber ist sie mit einer Leichenzerstückelung vollauf beschäftigt und auch ihre Einbindung in die Soko Ross fordert sie. Im Spandauer Forst wird ein menschlicher Fuß gefunden. Eine Einsatzhundertschaft der Bereitschaftspolizei durchkämmt den Forst, mehrere Leichenteile werden gefunden, die vierte Mordkommission unter Leitung von Monica Monti ermittelt. Zwischendurch folgen wir einem online-süchtigen Mann in seine krude Fantasiewelt, die sich in seiner Wohnung in Berlin-Pankow abspielt. Ich ahne, wohin dieser Erzählstrang, der sich mit etlichen anderen abwechselt, führen wird.

Es ist mein mittlerweile dritter Rechtsmedizin-Thriller, der ähnlich konzipiert ist wie schon die beiden Vorgängerbände „Mit kalter Präzision“ und „Mit kaltem Kalkül“. Mit viel Fachwissen, das Prof. Dr. Michael Tsokos als Rechtsmediziner zweifelsfrei hat, bereichert er „Mit kalter Hand“ auch die neuesten Fälle für Dr. Sabine Yao. Aber doch ist es zu viel an Wissen, das sich für mich als Laien auf dem Gebiet etwas spröde liest. Dies ist jedoch jammern auf hohem Niveau, denn die Spannung, die durch diese Einschübe etwas gelitten hat, kommt schnell zurück. Durch die präzisen Zeit- und Ortsangaben, welche die kurzen Kapitel einleiten, behält man stets den Überblick, die gut beschriebenen Charaktere, allen voran Yao, die mir seit Buch eins sehr vertraut ist, sind gefühlt direkt aus dem Leben gegriffen. Als unsichtbarer Beobachter neben Yaos Seziertisch kämpfe ich mit den diversen, ziemlich unangenehmen Gerüchen und auch mein Magen rebelliert so dann und wann. Diesen Beschreibungen kann ich mich trotz allem nicht entziehen.

Ja, Tsokos transportiert nicht nur diese Gefühle aufs Anschaulichste wider, er weiß, wovon er schreibt. Er gibt einen realistischen Einblick in den Alltag einer Rechtsmedizinerin und ihrem polizeilichen Umfeld. Interessant, fesselnd, zuweilen ganz schön nervenaufreibend und nicht immer leicht zu ertragen, auf jeden Fall aber lesenswert.

Bewertung vom 14.08.2025
Voosen, Roman; Danielsson, Kerstin Signe

Schwüre, die wir brechen / Svea Karhuu & Jon Nordh Bd.2 (eBook, ePUB)


sehr gut

Tatort Malmö zum Zweiten

Der Frachter „Star Clipper“ kollidiert in der Nacht auf den 18. Januar 1980 mit einem Brückenpfeiler der mächtigen Bogenbrücke. Wir sind an der schwedischen Westküste. Der Lotse muss zusehen, wie ein Auto von der Brücke direkt in den Abgrund stürzt, dann noch eins und noch einige mehr. Dass die Straße plötzlich weg war, konnte der Autofahrer nicht sehen. Fünf PKW und ein LKW wurden später gefunden, acht Personen konnten nur noch tot aus den Fluten geborgen werden. Der Lotse wundert sich, denn er hat ein Auto mehr gezählt. Er muss sich wohl geirrt haben.

Nach dem Prolog, den ich lange nicht zuordnen kann, bin ich im heutigen Schweden. Ein lebloser Körper wird in einem schmalen Boot, das am Uferrand liegt, gefunden. Schon allein der Leichenfund an sich ist schlimm, der Zustand der Leiche jedoch lässt einen schaudern. Ein Krokodilkopf, der mit engen Stichen an den Hals genäht wurde, ersetzt den menschlichen Kopf.

Ein Fall für Jon Nordh und seine Kollegin Svea Karhuu. Nach „Tode, die wir sterben“ ist es der zweite, nicht minder nervenaufreibende Fall für die beiden Kommissare, deren Privatleben auch nicht ohne ist. Nordhs Ehefrau ist tödlich verunglückt und noch heute drängt es ihn, die Hintergründe zu durchleuchten. Auch Karhuu lässt ihre Vergangenheit nicht los, auch sie muss dem Ganzen auf den Grund gehen. Dabei haben sie für ihre privaten Ermittlungen gar keine Zeit, denn diesem Krokodilmann folgen weitere Tote. Allesamt mit festgenähten Tierköpfen. Eine True-Crime-Podcasterin mischt kräftig mit, sie plaudert um des Erfolges willen zu viel, dann verschwindet ein junges Mädchen. Wie es aussieht, haben sie es mit einem Serienmörder zu tun.

Diesmal führt mich das deutsch-schwedische Autorenpaar Voosen/Danielsson in die Welt der altägyptischen Götter. Ich lese von Hieroglyphen, die entziffert werden wollen und von den Krokokiller-Morden, wie Pernille Friis, die Podcasterin, ihre True-Crime-Ergüsse nennt. Dazwischen bin ich immer mal wieder in Chile bei Colonia Dignidad, was mich zunächst verwirrt, ich aber bald einen Zusammenhang sehe.

Es sind einige Erzählstränge, denen ich gebannt folge, wobei mir die Gottheiten und deren Bedeutung zu viel Raum einnimmt und die ansonsten spannende Story ausbremst. Wie werden die Opfer ausgewählt? Klima und Umweltschutz klingen an, aber auch Wut, Diebstahl und Habgier. Ist das Motiv für die grausamen Taten hier zu suchen? Oder treibt den Täter etwas ganz anderes um? Lange tappe ich im Dunkeln, auch wenn ich dieser Spur zu Chile näherkomme. Ansonsten aber bin ich lange ratlos und zuweilen muss ich ob so manch brutaler Details ganz schön schlucken.

Die Charaktere sind vielschichtig angelegt, allen voran Nordh und Karhuu, zwei ganz und gar unterschiedliche Persönlichkeiten, beide sind sie greifbar trotz oder gerade wegen ihrer privaten Momente, die sie sehr nahbar machen. Und doch sind sie in erster Linie Polizisten, die ihren Job ernst nehmen. Diesen Kroko-Fall wollte Nordh zunächst ablehnen, da er um die psychische Belastung wusste. Für Karhuu aber kam das nicht infrage, also ziehen beide an einem Strang. Und sie ziehen ihre komplexen Ermittlungen durch bis zum Schluss, der ihnen beiden ziemlich zusetzt.

Tatort Malmö, Band zwei, ist in sich abgeschlossen, man muss den ersten Band nicht unbedingt gelesen haben. Das Wichtige, also das Private und der Werdegang von Jon Nordh und Svea Karhuu, ist in die Story gut eingeflochten. Ich habe beide Bücher im Rekordtempo gelesen und nun bin ich auf die „Opfer, die wir bringen“ gespannt.

Bewertung vom 12.08.2025
Georg, Miriam

Die Verlorene (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Tiefgründig, absolut lesenswert

„Die Verlorene“ ist Miriam Georgs persönlichstes Buch, wie sie im Nachwort verrät. Es ist nicht autobiographisch und doch erzählt es viel von ihrer Familie. Von ihrem Großvater etwa, der mit gerade mal zweiundzwanzig Jahren auf der Krim stationiert und dann Jahre in russischer Gefangenschaft war, der als anderer Mensch heimgekehrt ist. In kleinen Schnipseln hat er ab und an erzählt, das meiste aber für sich behalten, wie so viele, die über ihre traumatischen Erlebnisse nicht sprechen konnten.

Miriam Georg hat mich sofort ins Buch gezogen und auch jetzt, nachdem ich um die ganze Geschichte weiß, bin ich noch bei ihnen. Bei Änne, die im hohen Alter gestorben ist, die von Schlesien erzählt hat, über ihre Familie jedoch hat sie geschwiegen. Laura, ihre Enkelin, findet in einer Pferdeskulptur aus Ännes Nachlass ein Bild, das ihre Großmutter in jungen Jahren zeigt, auf der Rückseite jedoch liest sie den ihr unbekannten Namen Luise. Was hat es damit auf sich? Kurzerhand beschließt Laura, auf den ehemaligen Gutshof der Familie zu fahren, der im heutigen Polen liegt. Ellen, ihre Mutter, will nicht mit, kommt aber ein paar Tage später dann doch nach – die beiden Frauen graben tief in der Vergangenheit. Was sie zutage fördern, ist so unglaublich und doch so erschreckend real…

…der Blick zurück beginnt 1941 auf der Krim mit Karl, der sich vor dem Feindesbeschuss in einen Schützengraben rettet. Mit einem Brief, den er immer wieder hervorholt. „Komm heim“ - geheimnisvolle Worte. Waren es tröstliche Worte? Worte voller Sehnsucht?

Zwei Zeitebenen sind es, die sich abwechseln. Wobei ich die Erzählung um die Kriegsjahre noch ein Stück weit intensiver empfinde. Das Leben auf dem Gutshof der Familie und der Helfer in Haus und Hof, die auch aus Kriegsgefangenen bestehen, ist hart. Es gilt, eine Krankheit zu vertuschen, denn die Deutschen fackeln nicht lange. Die Vernichtung lebensunwerten Lebens schwebt im Raum und nicht zuletzt treibt sie auch die Furcht vor den Russen um. Das Traumata um diese Kriegsjahre ist greifbar. Es geht um Vertreibung und Verlust - nicht nur von Hab und Gut - und um familiäre Geheimnisse, die ein Leben lang nicht angesprochen werden.

Diese beiden Erzählebenen nähern sich immer mehr an. Ich bin tief erschüttert, fühle mit ihnen, begreife das ganze Ausmaß dieser dramatischen, so traurigen und der so eindringlich erzählten Geschichte erst ganz zum Schluss so richtig, der so einiges vom meinem Denken, von meinen vorschnellen Urteilen, zurechtrückt. „Die Verlorene“ ist ein Roman, der im Gedächtnis bleibt und trotz aller Tragik ist es ein wundervolles, ein sehr lesenswertes Buch.

Bewertung vom 12.08.2025
Graw, Theresia

In uns der Ozean (MP3-Download)


ausgezeichnet

Rachel Louise Carson – eine faszinierende Frau

In ihrem Buch „In uns der Ozean“ erzählt Theresia Graw die beeindruckende Lebensgeschichte der Meeresbiologin und Umweltschützerin Rachel Carson, die ihrer Zeit weit voraus war. 1907 geboren, sah sie sich als Frau in einer männerdominierenden Welt vielen Hindernissen ausgesetzt.

„Ich durfte an meinem geliebten Meer die Gesetzmäßigkeiten des Lebens erforschen.“ Sie hatte tatsächlich die Zusage zur Promotion im Meeresforschungsinstitut in Woods Hole, doch als ihr Vater starb musste sie sich von ihrem Traum vorerst verabschieden. Geld war knapp, sie musste für ihre Familie sorgen.

Sie arbeitet als Biologin für die dem US-Innenministerium unterstellte Fischereibehörde, deren Aufgabe die Erhaltung der Natur und ihrer Artenvielfalt ist, sie verfasst als wissenschaftliche Autorin Reportagen in einer sehr ansprechenden, verständlichen Form. Sie erhält eine Rundfunkserie, in der sie das Leben im Wasser thematisiert, sie schreibt für Zeitungen und Magazine und schreibt Bücher. Die Umwelt liegt ihr seit jeher sehr am Herzen, ihre zunehmende Kritik an DDT, dem viel zu laschen Umgang mit den synthetischen Pestiziden, ist der Industrie ein Dorn im Auge. Rachel aber lässt sich nicht einschüchtern, die verheerende Auswirkung des großflächig aufgebrachten DDT thematisiert sie auch in ihrem auch heute noch aktuellen Buch „Der stumme Frühling“.

Das faszinierende Leben der Rachel Carson hat mir Elke Schützhold in 10 Stunden und 12 Minuten nähergebracht. Sie hat der Ich-Erzählerin Rachel eine Stimme gegeben, der ich gerne zugehört habe. Ihr berufliches und ihr nicht minder turbulentes, von Schicksalsschlägen geprägtes privates Leben hat mich sehr beeindruckt. Und auch, wenn das Insektenvernichtungsmittel DDT, das in den 60er Jahren als Wunderwaffe galt, und Rachels unermüdlicher Kampf dagegen hier einen großen Raum einnimmt, so erfahre ich von der privaten Rachel so einiges, das sie als liebevolle, sehr empathische Frau beschreibt.

Der Roman ist eine Hommage an eine großartige Frau, Theresia Graw versteht es hervorragend, Rachel Carsons Leben und Wirken spannend und gut lesbar, dazu perfekt recherchiert, darzubieten. Ein Buch, das ich nicht missen möchte und in mir den Wunsch weckt, auch Rachels Bücher kennenzulernen.

Bewertung vom 09.08.2025
Williams, Hattie

Bittersüß


gut

Vergiftete Beziehungsverhältnisse

Die junge Charlie arbeitet in der Presseabteilung eines Londoner Verlages, in dem auch der erfolgreiche Autor Richard Aveling unter Vertrag ist. Als sie sich zufällig begegnen, ist sie von seiner Ausstrahlung beeindruckt und kann es gar nicht glauben, dass er sie als Person wahrnimmt. Es kommt, wie es kommen muss, sie beginnen eine Affäre, die sich für sie bald als äußerst toxisch erweist. Ab sofort wartet sie immer nur darauf, dass er sie in seine Londoner Wohnung zitiert. Dann ist sie happy, dann lässt sie alles und alle stehen, um ihm seine Wünsche zu erfüllen. Natürlich muss dies im Geheimen stattfinden, denn Richard ist verheiratet. Und – selbstredend besteht seine Ehe nur mehr auf dem Papier, was denn sonst.

Hattie Williams hat einen durchaus unterhaltsamen Roman über Abhängigkeiten und toxische Machtverhältnisse geschrieben. Der charismatische, allerdings sehr egoistische Richard weiß um seine Wirkung auf Frauen, was er für sich zu nutzen weiß. Da kommt ihm die unerfahrene, naive Charlie gerade recht. Er fordert permanent alles für sich ein, sie ist von ihm emotional total abhängig, vernachlässigt ihre Freunde und ist für ihn immer auf Abruf bereit. So oder so ähnlich sind diese äußerst toxischen Abhängigkeiten schon zigmal geschrieben und verfilmt worden. Dieses Auf und Ab der Gefühle nimmt viel Raum ein, erst später dann wendet sich für Charlie das Blatt auf nochmal sehr bittere Art.

Die Story ist voller Klischees, sie ist vorhersehbar – älterer Mann macht junge Frau von sich abhängig, der Alkohol fließt zu jeder Tages- und Nachtzeit in Strömen, dazu gesellt sich Tablettenmissbrauch. Die toxische Beziehung immer im Vordergrund ist „Bittersüß“ eine leichte Sommerlektüre, die schnell weggelesen ist.