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Sophia

Bewertungen

Insgesamt 60 Bewertungen
Bewertung vom 21.01.2025
Das Loch
Oyamada, Hiroko

Das Loch


sehr gut

Asahi und ihr Mann leben in der Stadt, wo beide auch arbeiten. Zu Beginn der Geschichte wird der Mann jedoch versetzt und es bietet sich an, in sein Geburtsdorf zu ziehen. Dort wohnen auch Asahis Schwiegereltern und sie bieten dem jungen Paar an, in das Haus nebenan zu ziehen. Beide willigen ein, auch wenn Asahi ihren Job in der Stadt aufgeben muss. Ihre Kollegin beneidet sie um das neue Leben als Hausfrau, Asahi ist einerseits froh, dem schlecht bezahlten Teilzeitjob zu entfliehen, andererseits fehlt ihr auch die Arbeit und eine Aufgabe. Die Hausarbeit füllt sie nicht aus, ihr Mann kommt meist nach Mitternacht nach Hause. Sie beginnt, sich die Umgebung anzusehen und bemerkt dort eines Tages ein seltsames Tier, dem sie folgt. Sie fällt bei dieser Suche in ein Loch, aus dem sie nicht mehr alleine heraus kommt. Zum Glück kommt eine Nachbarin vorbei und hilft ihr heraus. Ab diesem Tag passieren allerdings immer mehr seltsame Dinge sowohl in Asahis Leben als auch in ihrer Umgebung...

Das Cover hat mich direkt zum Buch gezogen und auch der Klappentext verspricht Einiges. Ich habe bereits mehrere Bücher von japanischen Schriftsteller/innen gelesen und war gespannt auf die Autorin, die ich zuvor noch nicht kannte. Ich gehe allerdings etwas enttäuscht aus der Geschichte raus.
Der Erzählstil ist nüchtern, es wird aus der Ich-Perspektive Asahis erzählt. Sie reiht die Ereignisse aneinander, was einerseits gut die Eintönigkeit und Langeweile in ihrem Leben widerspiegelt, anderseits auch keine Spannung erzeugt, sodass ich mich beim Lesen dabei ertappt habe, abzuschweifen. Die Ausgangslage ist vielversprechend und es werden auch gut das Rollenbild und die Erwartungen in Japan an eine Frau eingebunden: die Frau folgt dem Mann, sie soll sich nicht auflehnen und ihre Hausarbeit erledigen. Asahi schafft es nicht, daraus auszubrechen oder sich mit der Situation zu arrangieren. Vielmehr flüchtet sie sich in eine Fantasiewelt und als Leser verfolgt man die Ausmaße, die diese Welt in ihrem Leben annimmt.
Das Buch spielt zwischen Realität und Fantasie, Traum und Wirklichkeit. Stets schwingt auch eine Unheimlichkeit und Gefahr mit beim Lesen. Ich habe jedoch schlecht in die Geschichte hineinfinden können, mich hat die Geschichte nicht wirklich abgeholt.

Das Buch regt zum Nachdenken an, es bleiben aber auch viele Fragen offen. Es hätte auch noch etwas ausführlicher sein können, auf den knapp 120 Seiten bleibt für mich vieles auf der Strecke. Das Buch ist nichts für die breite Masse, wer aber japanische Autor/innen schätzt und Geschichten zwischen Traum und Wirklichkeit mag, ist mit "Das Loch" sicherlich gut bedient.

3,5/5 Sternen

Bewertung vom 20.01.2025
Die Nacht der Bärin
Mohn, Kira

Die Nacht der Bärin


ausgezeichnet

Jule flüchtet zu ihren Eltern, nachdem sie sich heftig mit ihrem Freund gestritten hat. Sie sucht Abstand zu ihm und hofft, bei ihren Eltern die Ruhe und Zeit zu bekommen, die sie gerade braucht. Als eine Nachricht vom Tod Jules Großmutter mütterlicherseits eintrifft, wundert sie sich, denn sie hat nie Kontakt zur Großmutter gehabt. Auch ihre eigene Mutter Anna hat sie nie erwähnt. Die beiden machen sich auf, das Haus der Großmutter auszuräumen. Dabei entdecket Jule Familiengeheimnisse, die ihre Mutter lieber in der Vergangenheit lassen würde und die trotzdem bis in die Gegenwart reichen.

Ich hatte von Kira Mohn zuvor noch nichts gelesen, aber da das Cover so grandios gestaltet ist und der Klappentext bereits viel verspricht, habe ich gerne zu dem Buch gegriffen. Trotzdem hatte ich mir vom Klappentext her etwas anderes unter der Geschichte vorgestellt; einen typischen Roman mit Familiengeheimnissen - ich wurde jedoch mehr als positiv überrascht!
Die Geschichte wird in abwechselnden Kapiteln von Gegenwart und Vergangenheit erzählt. Zunächst lernt man Jule besser kennen, die vor ihrem Partner "flüchtet", weil er gewalttätig geworden ist. Sie ist hin und her gerissen ob sie seinen Beteuerungen und Entschuldigungen, es käme nie wieder vor, Glauben schenken kann. Sie ist zu aufgewühlt und verwirrt, als dass sie weiter machen kann wie bisher.
Kira Mohn erzählt schonungslos und trotzdem emphatisch von dem wichtigen Thema der häuslichen Gewalt - sowohl in der Gegenwart als auch in der Vergangenheit vor dreißig Jahren. Es gelingt ihr unglaublich gut, die Zerrissenheit Jules darzustellen und gleichzeitig auch die Isolierung, die häusliche Gewalt auslöst, in der Vergangenheit dazustellen. Man ahnt von Anfang an, dass etwas Schreckliches passiert sein muss, sowohl bei Jule als auch ihrer Mutter Anna und deren Schwester Maja. Mit viel Gefühl beschreibt die Autorin die "Hölle", in der Anna und Maja als Kinder aufgewachsen sind. Es hat mir fast das Herz zerrissen, wie Maja sich mit ihren damals zwölf Jahren in eine Fantasiewelt voller Elfen flüchtet um dem Grauen zu Hause zu entgehen. Stets herrscht eine bedrohliche Atmosphäre und man fürchtet sich selbst, was als Nächstes passieren wird. Ich war entsetzt über die Ausmaße, die deutlich werden und was häusliche Gewalt bei den Opfern anrichtet. Genau deshalb ist es so wichtig, auf dieses Thema aufmerksam zu machen - damals wie heute passiert häusliche Gewalt hinter verschlossenen Türen und die Opfer trauen sich selbst nicht, zur Polizei zu gehen und sind sich oft zu spät bewusst, dass sie aus diesem Teufelskreis nicht mehr ausbrechen können.
Beim Nachwort der Autorin sind mir fast die Tränen gekommen. Man merkt beim Lesen, dass sie eine sehr persönliche Geschichte geschrieben hat und auf dieses wichtige Thema aufmerksam machen möchte. Vor allem aber, nicht wegzuschauen und sich Hilfe zu suchen bevor es zu spät ist.

Von mir gibt es eine unbedingte Leseempfehlung für ein so wichtiges und leider immer noch sehr aktuelles Thema, das hör beschrieben wird. Auch wenn das Buch oft nicht leicht zu lesen ist und einiger Triggerwarnungen bedarf - es lohnt sich!

Bewertung vom 17.01.2025
Mein Mann
Ventura, Maud

Mein Mann


ausgezeichnet

Die Protagonistin hat alles um glücklich zu sein: einen Mann, mit dem sie seit fünfzehn Jahren verheiratet ist, zwei wohlerzogene Kinder, ein schönes Haus und einen Teilzeitjob als Lehrerin. Doch sie ist unzufrieden. Sie glaubt, dass ihr Mann sie nicht genug liebt und beginnt immer mehr an seiner Liebe zu ihr zu zweifeln. Ihre Gedanken und Handlungen drehen sich immer mehr um ihren Mann und sie entwickelt eine fast schon krankhafte Intensität, mit der sie ihm beweisen möchte, wie sehr sie ihn liebt. Am Ende greift sie zu radikalen Mitteln um ihren Mann auf die Probe zu stellen.

Das Cover finde ich sehr gut gearbeitet, ich bin ein Fan von gemalten Portraits auf Covern.
Die Protagonistin sowie die gesamte Familie bleiben namenlos, lediglich die Namen der Nebenfiguren wie Freunde und Arbeitskollegen werden genannt. Sie beschreibt eine typische Woche unterteilt in die einzelnen Tage. Jedem Tag weist sie eine Farbe sowie Eigenschaften zu, die für sie die Stimmung und Ereignisse an diesen Tagen kennzeichnen.
Zunächst braucht es etwas um in die Geschichte hineinzufinden, aber man gewöhnt sich schnell an der sehr gut gestalteten Erzählstil. Am Anfang wirkt ihr ganzes Verhalten noch "normal", an manchen Stellen übertrieben, aber durchaus hinnehmbar. Im Verlauf der Geschichte wird jedoch ihre Obsession und ihr krankhafter Zwang, immer noch perfekter sein zu wollen, immer deutlicher. Ihre Gedanken kreisen nicht nur den ganzen (!) Tag um ihren Mann sondern sie vergleicht sich auch stets mit anderen: mit ihrer Freundin, bei der sie sich selbst äußerlich klar im Vorteil sieht, aber auch die Ehe der Freundin wird mit ihrer eigenen verglichen.
An vielen Stellen im Buch konnte ich nur mit dem Kopf schütteln, weil die Protagonistin mir immer fremder wurde. Ich habe mich auch immer wieder ertappt, wie ich versucht habe herauszufinden, welche Störungen bzw. psychische Krankheiten bei ihr diagnostiziert werden könnten. Oft war es aber auch schlichtweg lustig beim Lesen, z.B. wie sie sich auf dem Sofa hinsetzen soll, wenn ihr Mann nach Hause kommt.

Das Buch ist kontrovers, beim Lesen habe ich immer wieder geschwankt zwischen Mitleid und Unverständnis, es geht aber zu jeder Zeit eine unglaubliche Sogwirkung von der Geschichte aus. Man kann ihr Verhalten absolut nicht nachvollziehen, aber man ist auch gleichsam fasziniert und angezogen von dieser Frau. Durch ihre subjektive Erzählweise bleibt mir der Mann, um den sich ja eigentlich alles dreht, stets unnahbar.
Die Gesellschaftskritik, die das Buch vermittelt, wird hier hervorragend und überspitzt dargestellt: die Nachteile einer konservativen Ehe, die Abhängigkeiten darin und Manipulation. Auch das Ende konnte mich überzeugen, da es so ganz anders ausgeht als ich gedacht hätte.

Von mir gibt es eine klare Empfehlung für das Buch, ich kann mir das Buch auch sehr gut zum Lesen in einem Buchclub vorstellen, weil es viel Diskussionspotenzial bietet.

Bewertung vom 16.01.2025
Aus Sternen und Staub
Klune, T. J.

Aus Sternen und Staub


ausgezeichnet

Nate Cartwright flüchtet sich in eine Hütte in Roselend, Orlando, die er von seinen Eltern geerbt hat. Er hat niemanden mehr in seinem Leben und weiß nicht weiter. Seine Eltern sind tot, sein Bruder möchte nichts mit ihm zu tun haben und er hat seinen Job als Journalist verloren. Er entschließt sich, eine Auszeit zu nehmen und in der Hütte, die abgelegen vom nächsten Dorf liegt, in Ruhe zu überlegen, wie es weiter gehen soll. Er war ewig nicht dort, nach seinem Coming-Out haben seine Eltern ihn verstoßen. Die Hütte müsste demnach schon länger verlassen sein, doch als er dort ankommt, trifft er auf einen Mann, Alex, und ein kleines Mädchen, das sich Artemis Darth Vader nennt. Die beiden verstecken sich dort und nach und nach kommt heraus, warum die beiden auf der Flucht sind. Die Geschichte klingt so unglaublich, dass sie sich kein Mensch ausdenken könnte. Als es gefährlich für alle drei wird, entscheidet sich Nate kurzerhand mit den beiden zu fliehen. Er muss sich entscheiden: will er in sein altes und kaputtes Leben zurück oder lässt er sich auf ein verrücktes Abenteuer ein?

Von T. J. Klune hatte ich bereits "Mr. Parnassus' Heim für magisch Begabte" gelesen und war restlos begeistert. Und auch bei diesem Buch wurde ich nicht enttäuscht. Das Cover ist typisch für den Autor und wirkt harmonisch mit seinen zueinander passenden Farben.

Der Einstieg in die Geschichte fällt leicht, man begleitet Nate auf der Autofahrt zur Hütte. Am Anfang konnte man ihn als Charakter noch nicht wirklich greifen und er war weder sympathisch noch unsympathisch. Im Verlauf der Geschichte taut er jedoch auf, man erfährt von den Ereignissen in seinem Leben, die ihn negativ geprägt haben. Immer mehr lernt er, Vertrauen aufzubauen und Nähe zuzulassen.
Zunächst plätschert die Geschichte vor sich hin, gerade der Anfang erscheint langatmig. Nach knapp hundert Seiten allerdings wird es immer spannender und die Geschichte nimmt, typisch für den Autoren, immer mehr an Fahrt auf. Gerade Artemis Darth Vader ist so ein faszinierender Charakter, dass man weiter lesen muss, was es mit ihr auf sich hat. Die Geschichte, die Alex und sie Nate erzählen, klingt zu unglaublich um wahr sein zu können. Man begleitet die drei auf ihrer Flucht und je kurioser die Geschichte wird, desto mehr MUSS man einfach weiter lesen. Das Ende hat mich demnach auch voll begeistert und ich bin froh, auch in diesem Roman ein so tolles und wunderbares Buch gefunden zu haben. T. J. Klune greift auch hier erneut das wichtige Thema der Queerness auf und verarbeitet es wie selbstverständlich in seinem Roman.

Von mir gibt es eine große Empfehlung für dieses wunderbare Buch! 4,5/5 Sternen

Bewertung vom 14.01.2025
Notiz an mich: Alles wird gut
Steindor, Sabine

Notiz an mich: Alles wird gut


ausgezeichnet

Sabine Steindor hat mit "Notiz an mich: Alles wird gut" einen wunderbaren und sehr persönlichen Ratgeber geschrieben, der viel mehr ist als ein reines Sachbuch.

Bereits das Cover zieht den Blick auf sich und wirkt harmonisch und elegant. Auch der Titel ist persönlich und spricht den Leser sofort an mit seiner Prägnanz.
Die Autorin beschreibt in verschiedenen Kapiteln, was zur Überforderung im Leben führen kann, wie man dies erkennt und vor allem, wie man sich selbst helfen kann, der Überforderung die Stirn zu bieten. Abgerundet wird jedes Kapitel mit Übungen, die jeder für sich ausprobieren und verinnerlichen kann Auch beim Lesen fallen die kleinen Blumenillustrationen und die toll gestalteten Bilder auf, die das Buch so ästhetisch und ruhig wirken lassen. Ein besonderes Highlight sind für mich die immer wieder eingestreuten "Reminder" und "Notizen an mich". Sie bringen liebevoll auf den Punkt, was man sich selbst immer wieder sagen kann und fördern so einen achtsameren Umgang mit sich selbst. Die Autorin geht auf verschiedene wichtige Themen ein und besonders gut finde ich die Einleitung und Aufforderung, zunächst eine "Bestandsaufnahme" zu machen, bevor man sich auf eine Lösung fokussiert.

Generell liest sich das Buch, als würde man sich mit einer guten Freundin über das Thema unterhalten und Sabine Steindor schreibt sehr persönlich von ihren Erfahrungen und hat damit meinen Respekt - man darf sich eben nicht verstecken sondern muss sein Leben in die Hand nehmen. Man merkt beim Lesen direkt, dass dieses Buch ein "Herzensprojekt" ist und die Autorin viel Recherche und Mühe in die Arbeit daran investiert hat. Durch die persönliche Ebene, in der sie den Leser anspricht, wird sich jeder an der ein oder anderen Stelle wieder finden können und etwas für sich mitnehmen können.
Ein Mini-Kritikpunkt sind für mich die Kapiteleinteilungen in der ersten Hälfte des Buches, hier hätte man eventuell etwas mehr zusammen fassen können. Dies tut dem Buch allerdings keinen Abbruch und ist Kritik auf hohem Niveau.

Man lässt sich mit dem Buch auf eine Reise zu sich selbst ein und Sabine Steindor bietet mit dem Buch den passenden Begleiter dafür an. Ich kann das Buch jedem empfehlen, der auch öfters Überforderung in seinem Leben spürt, egal in welcher Form. Auch als Geschenk kann ich mir das Buch, auch wegen der tollen Illustrationen, sehr gut vorstellen. Unbedingt lesen!

Bewertung vom 09.01.2025
Die Vegetarierin
Kang, Han

Die Vegetarierin


ausgezeichnet

Yong-Hye lebt mit ihrem Ehemann in Südkorea und führt als Hausfrau ein langweiliges Leben. Ihr Mann geht seinem Bürojob lustlos nach und die beiden leben mehr nebeneinander als miteinander. Eines Tages beschließt Yong-Hye, kein Fleisch mehr zu essen - ein Traum habe sie dazu veranlasst ist ihre Begründung. In Südkorea ist Vegetarismus verpönt und dementsprechend genervt und wütend reagiert ihr Mann. Alle in Yong-Hyes Umfeld reden auf sie ein, wieder Fleisch zu essen. Sie dagegen träumt davon, eine Blume zu werden und als Pflanze zu leben. Als sich schließlich auch ihre Familie gegen sie wendet, nimmt ihr Traum immer bizarrere Ausmaße an...

Von Han Kang hatte ich vor der Vergabe des Literaturnobelpreises noch nichts gelesen. Aber ich habe eine neue wunderbare Autorin für mich entdeckt nach dem Lesen!
Das Cover wirkt zunächst einfach mit den Blüten, aber auf den zweiten Blick erkennt man ein Stück Fleisch, eine Hand und eine Zunge. Es lässt sich darin bereits viel auf den Inhalt schließen.

Die Geschichte ist in drei Teile gegliedert: der erste Teil wird aus der Sicht des Ehemanns erzählt, der Zweite von ihrem Schwager, dem Mann ihrer Schwester und der Dritte aus der Sicht der Schwester. Interessant ist, dass Yong-Hye selbst nicht zu Wort kommt und die Selbstbestimmtheit, die sie nach und nach verliert, bereits beim Lesen verloren geht, indem andere über sie erzählen.
Die Entscheidung, vegetarisch zu leben, erscheint in Deutschland mittlerweile normal und wird auch meist unterstützt und gefördert. In Südkorea ist dies allerdings äußerst verpönt, man macht es einfach nicht, weil es sich nicht gehört. Han Kang zeichnet hier die Probleme der südkoreanischen Kultur sehr gut nach: familiärer Druck, das Patriarchat, die allgemeine Rolle der Frau. Yong-Hye soll sich nicht auflehnen oder sich gar die Entscheidung heraus nehmen, selbstbestimmt zu leben.
Alle drei Teile wirken beim Lesen verstörend und bizarr, beim Lesen schwingt stets ein mulmiges Gefühl mit. Man merkt schnell, dass die Lage um Yong-Hye sich immer weiter zuspitzt und man möchte ihr beim Lesen so gerne helfen, weil ihr Umfeld eben so eiskalt reagiert und sich abwendet. Han Kang spielt immer wieder geschickt zwischen Realität und Fiktion, Traum und Wachsein und erzeugt eine beklemmende, aber auch spannende Atmosphäre. Gerade der letzte Teil hat mich bedrückt zurück gelassen.
Das Buch behandelt so viele wichtige Themen der heutigen Zeit, die nicht nur in Südkorea problematisch sind: die Schuld, die eine Frau trägt, ihre Rechtfertigung für eigentlich normale Dinge und die Kälte und Herablassung, die Frauen immer wieder überall auf der Welt erfahren müssen.

Für mich eine absolute Empfehlung, auch wenn es einiger Triggerwarnungen bedarf - das Buch ist nichts zum Zwischendurch-Lesen, es hallt lange nach und lässt den Leser verstört und nachdenklich zurück.

Bewertung vom 08.01.2025
Der König und der Uhrmacher
Indriðason, Arnaldur

Der König und der Uhrmacher


sehr gut

Der isländische Uhrmacher Jón Sívertsen entdeckt im Schloss Christiansborg in Kopenhagen Ende des 18. Jahrhunderts eine historische astronomische Uhr, die aber leider nicht mehr intakt ist. Sein Interesse ist sofort geweckt und weil sich sonst niemand für die ramponierte Uhr zu interessieren scheint, tüftelt er von nun an abends nach seiner Arbeit im Schloss an der Uhr. Gelegentlich kommt der damalige König Christian VII. von Dänemark zu Jan und leistet ihm Gesellschaft. Jón erzählt auf Drängen des Königs seine isländische Familiengeschichte. Beide schwelgen in Erinnerungen und bewegen den Leser mit ihren ganz eigenen Geschichten und Problemen.

Das Cover gefällt mir gut, es zeigt Schloss Christiansborg und eine angedeutete astronomische Uhr im Hintergrund, beides lässt bereits etwas über den Inhalt des Buches erkennen. Von dem Autor hatte ich zuvor noch nichts gelesen.
Die Geschichte wird in zwei Zeitebenen erzählt: im 18. Jahrhundert, in der Jón an der Uhr arbeitet und sich mit dem König unterhält und rückblickend Jóns Familiengeschichte auf Island, in der er selbst ein kleiner Junge ist. Beide Handlungsstränge sind gut voneinander getrennt und man kann den Überblick über beide Geschichten stets behalten. Beide Geschichten sind interessant, wobei die Familiengeschichte auf Island noch etwas spannender ist für mich, weil es ein mir bisher unbekanntes Kapitel aufschlägt und sehr gut die damalige Zeit widerspiegelt. Es geht um Familie, Verrat und Geheimnisse und wird sehr authentisch und spannend beschrieben.
Die Erzählstruktur ist übersichtlich aufgebaut. Auch sprachlich können beide Handlungsstränge überzeugen, beide sind an die jeweilige Zeit angepasst.
Man merkt direkt zu Beginn, dass Jón mit viel Liebe zum Detail und Herzblut an der Uhr arbeitet und es sein Herzensprojekt wird. Die Uhr wird dabei zum "roten Faden" der Geschichte und bildet ein tolles Grundgerüst um die Geschichte zwischen Jón und dem König.

Ich habe mir die Uhr im Internet angeschaut, sie sieht sehr beeindruckend aus und man fiebert beim Lesen so noch mehr mit, ob Jón es schafft, sie wieder instand zu setzen. Der Autor hat viel Recherche in seine Arbeit einfließen lassen und sich eng an die Fakten gehalten, womit sich das Buch sehr authentisch und intensiv lesen lässt.
Ein Kritikpunkt für mich sind allerdings die Längen, die das Buch an einigen Stellen hat und den Lesefluss ab und zu stören.

Von mir gibt es eine Empfehlung für alle, die gerne historische Romane lesen und an isländischer Kultur interessiert sind!

Bewertung vom 23.12.2024
Zwischen Ende und Anfang
Moyes, Jojo

Zwischen Ende und Anfang


sehr gut

Lila Kennedy ist 42 Jahre alt, Autorin und Mutter von zwei Töchtern. Seit ihr Ex-Mann Dan sie verlassen hat, weil er Lila mit einer jüngeren Frau betrogen hat und nun ein Kind mit ihr erwartet, steht Lilas Leben Kopf. Sie lebt mit ihren Töchtern Celie und Violet zusammen, ihr Stiefvater Bill hat sich nach dem Tod von Lilas Mutter Francesca ebenfalls bei ihr einquartiert. In diesem Chaos hat Lila mit Schreibblockaden und Geldsorgen zu kämpfen und versucht, den Alltag mit Kindern und Stiefvater bestmöglich zu händeln. Unerwartet taucht ihr leiblicher Vater Gene auf, der sich kurzerhand in Lilas Haus und Leben einnistet. Die beiden hatten jahrzehntelang keinen Kontakt und Lila muss nun mit noch mehr Chaos in ihrem Leben zurecht kommen. Zudem tauchen Jensen, den Bill angeheuert hat um Lilas Garten neu zu gestalten und Gabriel, ein alleinerziehender Vater an der Schule von Violet, auf und bringen Lilas Gefühle nun vollends durcheinander.

Das Cover gefällt mir gut und gerade den Farbschnitt finde ich hier sehr gelungen und dezent eingesetzt.
Man ist zu Beginn der Geschichte mitten im Geschehen. Es wird größtenteils aus Lilas Sicht eines allwissenden Erzählers geschrieben, einige Kapitel sind auch aus Sicht Celies in der dritten Person geschrieben, was dem ganzen Buch einen zusätzlichen Blickwinkel gibt. Lila ist eine Frau, der der Boden unter den Füßen weggerissen wurde: ihre Mutter stirbt bei einem Unfall und ihr Mann verlässt sie für eine jüngere Frau, die auch noch von ihm schwanger ist. Alleine kann sie das Haus kaum halten und auch die Töchter leiden in diesem ganzen Chaos. Sie versucht, den Überblick zu behalten, was ihr auch wegen der großen Hilfe ihres Stiefvaters Bill gelingt. Oft waren ihre Gedanken und Handlungen für mich nicht schlüssig bzw. konnte ich ihren Gedanken(gängen) nicht folgen.
Es werden im Buch viele Themen angesprochen: Scheidung, Trauer, Wut, Mobbing und vor allem das Leben als Patchwork-Familie. Das gefällt mir sehr gut, an manchen Stellen waren es allerdings zu viele Schauplätze und Handlungen gleichzeitig, sodass manche Themen nicht auserzählt wurden.
Man folgt Lila auf dem langen, beschwerlichen Weg als alleinerziehende Mutter und verlassene Ehefrau zu einer modernen Frauenrolle in einer Patchwork-Familie.

Der Erzählstil ist eingänglich und gut zu lesen. Die Handlung war öfters vorhersehbar und das Buch hat seine Längen, aber ich habe es gerne aufgrund der wichtigen und allgegenwärtigen Themen gerne gelesen und die Familie bei ihrer Entwicklung begleitet.
Wer Familiengeschichten mag, wird hier sicher auf seine Kosten kommen. Ich kann das Buch deshalb gerne empfehlen!

Bewertung vom 16.12.2024
Der Schwimmer
Norton, Graham

Der Schwimmer


sehr gut

Helen Beamish ist pensionierte Lehrerin und hat sich ein Haus an der irischen Küste gekauft. Mit der Ruhe ist es allerdings vorbei als sich ihre Schwester Margaret dort dauerhaft einquartiert. Margaret ist stets schlecht gelaunt und zu Beginn der Geschichte zu ihrer Tochter gefahren. Helen kann es sich also alleine im Garten mit Blick auf das Meer gemütlich machen. Sie beobachtet einen Mann, der in das Wasser geht, aber nicht zurück kommt. Sie nickt ein, aber als sie aufwacht, liegt seine Kleidung noch genauso am Strand wie einige Stunden zuvor. Sie verständigt die Polizei, die mit Booten nach dem Mann sucht, aber er bleibt verschwunden. Der Fall wird als tragisches Unglück zu den Akten gelegt - nur Helen glaubt nicht daran und begibt sich auf die Suche nach dem Mann.

Von Graham Norton hatte ich bereits begeistert "Heimweh" gelesen und war nun auf einen Krimi von ihm gespannt. Das Buch ist mit knapp 110 Seiten überschaubar und an einem Nachmittag durch gelesen. Der Erzählstil passt zum Inhalt und man kann dem Geschehen gut folgen. Die Charaktere bleiben eher oberflächlich gezeichnet aufgrund der Kürze der Geschichte, hier hätte ich mir eventuell ein paar mehr Details gewünscht.
Die Handlung ist für einen Krimi nicht neu, aber man folgt Helen gerne bei der Suche nach dem vermissten Mann, die sich als spannend erweist. An einigen Stellen war die Handlung etwas vorhersehbar und auch das Ende hat mich nicht umgehauen.

"Der Schwimmer" ist ein leichter, unterhaltsamer Kurzkrimi, der auf wenigen Seiten alles für kurzweilige Unterhaltung bietet.

Bewertung vom 16.12.2024
Die Wunderübung
Glattauer, Daniel

Die Wunderübung


gut

Joana und Valentin sind seit über 18 Jahren verheiratet und am Tiefpunkt angelangt. Sie gehen zu einem Paartherapeuten um ihre Ehe zu retten. Doch auch er verzweifelt an den den beiden, die immer wieder aneinander geraten. Joana lässt Valentin nicht zu Wort kommen, Valentin hingegen ist gefühlskalt und sieht keinen Grund für Veränderung. Aber sie scheinen nicht die Einzigen mit Problemen zu sein - auch der Therapeut steckt in Schwierigkeiten und mitten in der Sitzung kommt es zum Höhepunkt. Bis schließlich alle anfangen zu reden.

Ich hatte bereits einige Bücher von Daniel Glattauer gelesen und war fast jedes Mal begeistert. Aufgrund der Kürze und der als Theaterstück angelegten Textform habe ich auch begeistert zu "Die Wunderübung" gegriffen. Leider kann das Buch aber nicht mit den anderen Büchern Daniel Glattauers mithalten.
Die Idee eines Theaterstücks, das von einem zerstrittenen Paar in einer Sitzung beim Paartherapeuten handelt, fand ich eine tolle Ausgangslage. Mir hat jedoch der Humor gefehlt. Sprachlich ist das Buch typisch Glattauer und pointiert und beobachtet sehr genau die Menschen in seinen Geschichten. Es liest sich leicht und lässt sich auch an einem Nachmittag beenden.
Die Handlung war leider oft vorhersehbar und auch das Ende konnte mich nicht mehr versöhnlicher stimmen.

Für mich leider die schwächste Geschichte des Autors. Schade!