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Hoelzchen

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Insgesamt 148 Bewertungen
Bewertung vom 22.05.2025
Nikolai, Maria

Der Geschmack von Freiheit / Little Germany Bd.2 (MP3-Download)


ausgezeichnet

Der Traum vom Auswandern, vorzugsweise in die USA, beschäftigte in den vergangenen zwei Jahrhunderten viele Europäer. Maira Nikolai hat in ihrem neuen Roman zwei sympathische junge Frauen geschaffen, die auch diesen Schritt wagen. Die Beweggründe sind unterschiedlich, doch der Zufall will, dass sie kurz vor der Schiffsüberfahrt aufeinandertreffen, sich sympathisch sind und beschließen zusammenzubleiben. Wir sprechen von Lissi und Julia, die 1901 die Schiffspassage nach New York gemeinsam antreten. Lissi war in ihrer Heimat Stuttgart ein Dienstmädchen und ist nun hochschwanger. Ihre Tochter wird auf der Überfahrt geboren. Immer an ihrer Seite, ihre neue Freundin Julia aus dem Raum Hannover. Julia stammt aus besseren Kreisen und will die Enge ihrer jungen Ehe entfliehen. In New York angekommen, bleiben die beiden zusammen, zumal Lissi auch Unterstützung mit dem Baby gebrauchen kann. Sie haben Glück. Schnell finden Sie Arbeit in einer deutschen Bäckerei. Die Zahl der ausgewanderten Deutschen es groß. In New York hat sich ein eigener Stadtteil entwickelt: Little Germany. Schnell erlernen die beiden die Sprache und passen sich dem neuen Leben an. Als sich dann auch noch die Möglichkeit einer Geschäftsübernahme anbietet, sind sie wirklich in der neuen Welt angekommen. Die ersten Männerbekanntschaften lassen nicht auf sich warten. Julia verhält sich zurückhaltend, denkt sie doch immer häufiger an ihren zurückgelassenen Ehemann in Deutschland. Lissis Gedanken gehen immer wieder an Tobi, einen jungen, deutschen Arzt, den sie auf der Überfahrt kennengelernt hat. Dieser erste Teil endet mit einem Cliffhanger. Es kommt zu einem dramatischen Unglück und die Karten werden neu gemischt.
Was für ein toller Roman, der auch als Hörbuch seine Faszination voll entfalten kann. Die ungekürzte Lesung wurde von Eva Becker eingelesen, die ihre Arbeit sehr gut gemeistert hat. Ihre junge, frische Stimme passt hervorragend zu den jungen Protagonistinnen. Besonders hervorheben möchte ich auch das Nachwort, welches von der Autorin persönlich eingesprochen wurde. Eine wunderbare Idee, denn so entsteht ein intensiver Bezug zum Buch. Die Stimme der Autorin zu hören, schafft eine ganz besondere Nähe. Hinsichtlich des Inhaltes, übermittelt das Nachwort viele ergänzende und auch wichtige Informationen. Maria Nikolai hat eine umfangreiche Recherche betrieben und viele historische Ereignisse in die Geschichte einfließen lassen. So dient dieser Unterhaltungsroman auch zur Wissensvermittlung. Es ist doch schön, wenn man immer etwas dazu lernt.
Die 13 ½ Stunden Hörbuchdauer vergingen für mich wie im Flug. Dank der vielschichtigen Geschehnisse und Figuren ist der Roman sehr kurzweilig und abwechslungsreich. Ich freue mich auf den zweiten Teil und bin neugierig wie sich die Leben der Auswanderer entwickeln wird.

Bewertung vom 21.05.2025
Leciejewski, Barbara

Am Meer ist es schön


ausgezeichnet

„Am Meer ist es schön“ so schreibt die achtjährige Susanne 1969 auf Postkarten, welche an ihre Eltern gehen. Susanne wurde zu einer sechswöchigen Kur nach St. Peter Ording geschickt. Doch nichts ist schön in diesem Erholungsheim. Die Kinder werden nach den Erziehungsmethoden (Schwarze Pädagogik) der NS-Zeit gedrillt und verleben dort eine Zeit voller Angst, Misshandlungen und Schrecken. Lediglich die Freunde, die Susanne dort findet, geben ihr Rückhalt und sie halten zusammen, um die Grausamkeiten, zu überstehen. Mittlerweile sind über fünfzig Jahre ins Land gegangen, der Gegenwartsstrang des Romans spielt in 2018, und Susanne wird immer noch von Albträumen geplagt, die an diese schreckliche Zeit erinnern. Doch der Zeitpunkt der Aufarbeitung scheint gekommen. Susannes Mutter ist dement und liegt im Sterben. Susanne eilt mit ihrer Tochter Julia und ihren Geschwistern ans Sterbebett im Pflegeheim, um Abschied zu nehmen. Aber ihre Mutter ist noch nicht bereit zu gehen, in einem wachen Moment bittet sie Susanne um Verzeihung und sofort ist ihr klar, worum es geht. Nun findet sie die Kraft, ihrer Familie von den damaligen Geschehnissen zu erzählen.
Barbara Leciejewski nimmt sich in ihrem neuen Roman einem wichtigen Thema an: die Verschickungskinder. Die Kinder von damals sind erwachsen geworden und viele finden nun endlich den Mut darüber zu sprechen, was sie erleiden mussten. In den letzten Jahren, hat sich viel geändert und die Medien haben berichtet. Aber es kann nie genug darübergeschrieben werden. Diese Geschehnisse in einem Unterhaltungsroman zu verarbeiten, ist ein Schritt in die richtige Richtung und somit trägt der Roman dazu bei, Aufklärung zu betreiben und einem großen Publikum zugänglich zu machen. Aber es geht nicht nur um die Verschickungskinder. Ein zentrales Thema sind auch die Beziehungen innerhalb von Familien. Dies Thematik spricht uns alle an und lässt uns ggf. über unsere Familienaufstellungen nachdenken. Der Roman nimmt ein gutes Ende, das ist nicht kitschig, sondern wichtig. Es gibt eine Botschaft: die Verursacher von damals, haben es nicht geschafft, Susanne zu brechen. Mir hat dieser Roman sehr gut gefallen und er wurde von mir innerhalb eines Wochenendes gelesen. Der Romanaufbau ist gut konstruiert und die wechselnden Zeitebenen schaffen eine angenehme Leseatmosphäre. Das Gelesen wird noch lange in mir nachhallen, zumal es in meinem Bekanntenkreis auch Verschickungskinder gibt, die in den 70er Jahren zu Kur mussten. Ob sie wohl ähnliches erlebt haben? Mein Gedankenkarussell will nicht stillstehen.
Wie auch immer, es ist Zeit sich mit dem Thema zu beschäftigen. Von mir eine absolute Leseempfehlung.

Bewertung vom 21.05.2025
Dunlay, Emily

Teddy (MP3-Download)


gut

Der Roman bringt uns zurück in die 1960er Jahre und lässt den Zeitgeist dieser Jahre aufleben. Im Mittelpinkt steht Teddy, eine Amerikanerin aus Texas. Sie kommt aus einer angesehenen Familie, ist mittlerweile Mitte dreißig und hat nun endlich einen Ehemann gefunden: David. Das Verhältnis zu ihren Eltern ist distanziert und oberflächlich. Lediglich mit ihrer Tante Sisters führte sie eine liebevolle Beziehung. Dies ist alles wird später noch wichtig. Nun ist Teddy ihrem Ehemann, der für die amerikanische Botschaft in Rom arbeitet, nach Europa gefolgt. Doch statt neuer Freundschaften und aufregenden Erlebnissen, plätschert ihr Leben dahin. David zeigt kaum Interesse und es wird allzu deutlich, dass diese Vernunftehe an ihre Grenzen gerät. Teddy sucht Wege aus dieser Tristesse und gerät dabei in Schwierigkeiten. Der Roman beginnt mit einem polizeilichen Verhör und wir, die Leserschaft, werden über die Ereignisse im Dunkeln gelassen. Über das Verhör beginnt Teddy aus ihrem Leben zu erzählen, immer wieder gibt es Rückblenden. Als Hörbuchkonsumentin ist es nicht immer leicht, dem Geschehen zu folgen. Ferner sind die Erzählungen oft langatmig und man fiebert regelrecht dem Moment entgegen, um endlich zu erfahren was vorgefallen sein könnte. Leider lässt das über 11 Stunden dauernde Hörbuch einen Spannungsbogen vermissen. Der Sprecherin Cathlen Gawlich kann man keinen Vorwurf machen, man hört ihr gerne zu. In der Nachbetrachtung wäre der Roman in gedruckter Form für mich besser gewesen, da ich dann beim Lesen das Tempo hätte steuern können. Abschließend lässt sich sagen, dass mich das Romanende versöhnt hat. Es gab überraschende Wendungen und, was mich besonders für Teddy freut, sie hat sich von den Konventionen befreien können. Teddy hat dazugelernt und ist eine starke Frau geworden. Was für eine tolle Botschaft an uns alle. Alles in allem vergebe ich 3,5 Sterne.

Bewertung vom 15.05.2025
Höflich, Sarah

Maikäferjahre (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Dresden 1945, der 2. Weltkrieg tobt in den letzten Zügen. Tristan wird als Jagdbomber abgeschossen und gerät in England in Kriegsgefangenschaft. Dort lernt er die Krankenschwester Rosie kennen. Für beide ist es Liebe auf dem ersten Blick. Doch eine Beziehung zwischen einem deutschen Soldaten und einer Engländerin wird nicht akzeptiert und die beiden haben mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen. Zeitglich muss Tristans Zwillingsschwester Anni mit ihrer kleinen Tochter Clara aus Dresden fliehen. Dresden ist im Bombenhagel völlig zerstört worden. An ihrer Seite, der Halbjude Adam. Dieser wurde von Annis verstorbenen Vater versteckt. So konnte der dem Naziregime entkommen. Seite an Seite kämpfen sich die drei zu Fuß durch Europa. Annis Erinnerungen an ihren vermissten Mann Fritz verblassen und Adam wird für sie mehr als nur ein Wegbegleiter. Auch die Hoffnung auf ein Wiedersehen mit Tristan gibt sie in all den Monaten nicht auf, denn als ihr Zwillingsbruder, verbindet die beiden eine ganz besondere Beziehung.
Was für ein berührender Roman, der uns Hoffnung gibt, dass es auch in aussichtslosen Situationen einen Weg zum Glück geben kann. Unterhaltungsromane zum Thema 2. Weltkrieg und Flucht gibt es viele und ich habe auch schon einige gelesen, aber in diesem, hat sich die Autorin Sarah Höflich einem ganz besonderen Thema gewidmet. Sie greift die Situation deutscher Kriegsgefangener in England auf. Die Zahl dürfte nicht gering gewesen sein, aber viel zu wenig wird über sie geschrieben. Sarah Höflich gibt ihnen mit Tristan eine Stimme. Und dann sind da noch die Millionen von Menschen, die sich nach Kriegsende durch Europa bewegen. So wie Anni und Adam, sie stehen für viele, die ähnliches durchmachen mussten. Dieser Roman ist so abwechslungsreich geschrieben, dass ich die 464 Seiten schnell durchgelesen hatte. Sofort stellte sich ein Lesefluss ein und die Autorin schafft es, sofort eine Nähe zu den Protagonisten herzustellen. Die unterschiedlichen Lebensläufe von Tristan und Anni werden abwechselnd erzählt und ich fieberte mit, wie die Ereignisse sich entwickeln würden. Ein klassisches Happy End gibt es nicht, aber braucht es das? Ist es so nicht viel realistischer? Allerdings gibt der letzte Satz Hoffnung auf eine Fortsetzung, denn vielleicht ist die Geschichte noch nicht auserzählt. Mir gefällt dieser Roman sehr gut und für die Leserschaft von historischen Romanen ist er eine Bereicherung.

Bewertung vom 15.05.2025
Fuchs, Felicitas

Die Akte Schneeweiß


ausgezeichnet

Geheimnisse gibt es wohl in vielen Familien, so auch in Katjas. 1963 verschwindet ganz plötzlich Katjas geliebter Großvater und weder ihr noch ihrer jüngeren Schwester Heidi werden die Gründe genannt. Sein Name darf nicht mehr erwähnt werden und die Großmutter sowie Katjas Eltern hüllen sich in Schweigen. Katja vermisst ihren Großvater sehr, er war verständnisvoll und sie pflegten ein liebevolles Verhältnis. Katjas Beziehung zu ihren Eltern ist distanziert und unterkühlt. Nach einer Ausbildung zur Krankenschwester, verwirklicht Katja, gegen den Willen ihrer Eltern, ihren Traum. Sie holt das Abitur nach und beginnt Medizin zu studieren. Doch immer wieder erinnert sie sich an ihren Großvater und der Verlust schmerzt weiterhin. Katja lässt nicht locker und deckt dabei die Familiengeheimnisse auf. Diese sind verknüpft mit der Geschichte von Mathilde. Sie war während der Nazidiktatur eine junge Frau und war gegen das Regime. Mathilde verlor ihre Eltern früh, ging, wie es damals so üblich war, in Stellung und lernte dann einen Arzt kennen und lieben. Diese Beziehung hatte Einfluss auf ihr weiteres Leben und somit auch auf das von Katjas Großvater.
Momentan ist der Markt an Neuerscheinungen historischer Romane groß, doch jede Geschichte ist anders. Und diese, von Mathilde und Katja, ist es wert, gelesen zu werden. Felicitas Fuchs gelingt es, in ihrem neuen Roman „Die Akte Schneeweiß“, eine Brücke zu bauen, die historische Ereignisse des 2. Weltkrieges mit der Geschichte der Nachkriegsgeneration verbindet. Gesellschaftspolitische Themen der Jahrzehnte aus dem letzten Jahrhundert werden uns nähergebracht. Die Selbstbestimmung der Frauen und letztendlich auch der Paragraph 218, sind Dreh- und Angelpunkt in diesem Roman. Wir werden daran erinnert, dass es vor allen die Frauen in den 1970er Jahren waren, die für die Rechte der Frauen kämpften, von welchen wir heute profitieren. Die Gesellschaft war im Wandel und Katja und Heidi mittendrin. Der Zeitgeist dieser Jahre ist deutlich spürbar und hat mich schnell durch die 410 Seiten getragen. Die Kombination dieser beiden Handlungsstränge gefällt mir sehr gut und ist hervorragend gelungen. Der Roman ist modern, flüssig und abwechslungsreich geschrieben, die Kapitel haben genau die richtige Länge und die Orientierung einfach, da die Personennennungen als Kapitelüberschriften dienen. Für die Leserschaft dieses Genres eine absolute Leseempfehlung.

Bewertung vom 07.05.2025
Frank, Rebekka

Stromlinien (MP3-Download)


ausgezeichnet

Von mir wurde „Stromlinien“ als Hörbuch gehört, was ein bisschen Konzentration verlangt, da die Zeitebenen ständig wechseln. Doch mit ein bisschen Übung funktioniert es und Belohnung ist eine spannende Familiengeschichte vermischt mit Krimi- und Thrillereinflüssen. Ulrike Kapfer hat den Roman wunderbar eingelesen und den Figuren tolle Stimmen gegeben. Im Vordergrund stehen die 17jährigen Zwillinge Enna und Jale. Sie wachsen bei ihrer Großmutter Ehmi auf, denn ihre Mutter Alea weilt seit 38 Jahren im Gefängnis. Der Vater ist unbekannt. Nun naht Aleas Entlassungstermin und schon seit vielen Wochen fiebern Enna und Jale diesen Tag entgegen. Der Entlassungstag kommt und Jale ist verschwunden und auch Alea ist untergetaucht. Mit Hilfe von Lucca, einem Schulfreund, versucht Enna Mutter und Schwester wiederzufinden. In Rückblenden erfahren wir, was sich in den letzten Jahrzehnten in der Familie Eggers abgespielt hat. Stück für Stück kommen wir den Geschehnissen näher, doch immer wieder gibt es Wendungen. Die erwähnten Schiffsunglücke sind historisch belegt. So vermischt die Autorin authentische Ereignisse mit einer fiktiven Geschichte. Das ausgedachte Handlungskonstrukt verlangt absolute Hochachtung. Rebekka Frank verliert nie den roten Faden und behält den Überblick. Alles ist perfekt abgestimmt. Zudem ein tolles Setting, die Landschaftsbeschreibungen sind einmalig, charakterstarke Figuren und eine berührende Geschichte runden den Roman ab und mach ihn zu einem Pageturner bzw. zu einem Hörbuch, welches man schnell wegsuchtet. Mehr geht nicht. Von mir gib es eine 5 Sterne plus Empfehlung.

Bewertung vom 07.05.2025
Maly, Beate

Zeit der Hoffnung / Die Trümmerschule Bd.1 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Die Bücher von Beate Maly sind immer besondere Romane, so orientieren sie sich meist an historische Personen. So auch hier in ihrem neuen Roman. Die Protagonistin Stella Herzig ist angelehnt an das Leben von Stella Klein-Löw. Stella hat in ihrem jungen Leben schon vieles erleiden müssen. Ihre Eltern und ihre Schwester wurden in Wien deportiert und im KZ ermordet. Stella gelang die Flucht nach London. Nun, nach Ende des 2. Weltkriegs, ist sie nach Wien zurückgekehrt. Dank ihrer besten Freundin Feli, hat sie eine Stelle als Lehrerin an einem Gymnasium erhalten. Leider sind einige ihrer Kollegen noch dem Antisemitismus zugetan und praktizieren autoritäre Erziehungsmethoden. Stella verfolgt einen reformierten Ansatz und bringt frischen Wind in den Schulalltag und sie setzt sich für die Belange der Schülerschaft ein. Dann soll die Rektorenstelle neue besetzt werden und für Stella wird dies Veränderungen bringen. Ich mag den Schreibstil von Beate Maly sehr. Man findet sofort einen Zugang zur Geschichte und sie schreibt modern und flüssig. Die Handlung ist spannend erzählt und hat mich schnell durchs Buch getragen. Historische Hintergründe werden unauffällig eingebunden und die Ort Wiens bildreich übermittelt. Dabei behält die Autorin ihre Protagonistin immer im Blick. Ihr gelingt es gut, der Leserschaft Stella Herzig näherzubringen. Eine bemerkenswerte Frau, die viel für die Gesellschaft getan hat. Toll, dass Unterhaltungsromane auch Wissen vermitteln. Es ist eine berührende Geschichte und so wichtig, dass sie erzählt wurde. Ich freue mich auf den zweiten Teil.

Bewertung vom 03.05.2025
Lind, Hera

Um jeden Preis


ausgezeichnet

Ich habe bereits einige Tatsachenromane von Hera Lind gelesen und dieser hat mir bislang am besten gefallen, weil ich sofort einen Zugang zu den Protagonisten aufbauen konnte. Der Roman beruht auf später aufgeschriebene Aufzeichnungen von Lydia Judt. Ihre Vorfahren kamen im 19.Jahrhundert von Deutschland in die Ukraine, weil sie sich dort ein besseres Leben erhofften. Im Zuge des 2. Weltkrieges floh Lydia, mittlerweile eine Jugendliche, zusammen mit ihrer Mutter und den Geschwistern aus ihrem Heimatort. Der Vater war bereits zum Kriegseinsatz eingezogen worden. Was Lydia und ihre Familie dann erleiden mussten, ist kaum zu fassen. 12 Jahre Kälte, hartes Arbeiten und unmenschliches Wohnen in Sibirien. Eigentlich unvorstellbar. Wie konnten Menschen das Überleben? Lydia versucht das Beste aus den Situationen und vielen Ortswechseln zu machen. Ihrer Mutter zuliebe heiratet sie einen Mann, den sie nicht liebt und kaum kennt. Sechs Kinder zieht sie groß. Aber immer wieder ist der Gedanke in ihr, nach Deutschland, ins Land ihrer Vorfahren, zurückzukehren. Ein Land welches sie nicht kennt, aber hofft, dort ein besseres Leben führen zu können. Zumal es ihren Vater dorthin verschlagen hat und sie auf ein Wiedersehen hofft. Viele Ausreiseanträge werden abgelehnt, doch eines Tages gibt es eine Zustimmung und Lydia darf mit ihrer Familie nach Deutschland ziehen. Dort sind ihr noch viele gute Jahre vergönnt, denn Lydia wird stolze 92 Jahre alt. Ihre Kinder traten an Hera Lind heran, damit diese Lydias Erinnerungen einem breiten Publikum zugänglich machen kann. Der erste Romanteil basiert auf Lydias Aufzeichnungen, die sie spät im Leben aufgeschrieben hat. Im letzten Teil kommen dann Lydias Kinder zu Wort. Natürlich ist der vorliegende Roman kein literarisches Meisterwerk, aber diesen Anspruch erheben Hera Linds Tatsachenromane auch nicht. Das Buch lässt sich leicht lesen und ein Lesefluss stellt sich sofort ein. Die Geschichte hat mich sofort in den Bann gezogen und tief berührt. Allerdings kann ich bei diesen Tatsachenromanen auch nie mein Kopfkino mit der Frage ausschalten, was wohl der Wahrheit entspricht und was der künstlerischen Freiheit zuzuordnen ist. So auch hier. Hat sich das alles wirklich so zugetragen? Ist die menschliche Erinnerung im Nachhinein noch so genau? Wie dem auch sei. Mit diesem Genre trifft Hera Lind genau den Zeitgeist und es ist wichtig, dass sie sich diesen Geschichten annimmt. Wir können daraus lernen und verstehen. Mir jedenfalls hat sie die Vergangenheit der sogenannten Russlanddeutschen näher gebracht und ich kann vieles besser einordnen.

Bewertung vom 03.05.2025
Hörnlein, Ruth

Das Mädchen im gelben Tanzstundenkleid (eBook, ePUB)


gut

2017: Henny erbt nach dem Tod von Esther, einer Nachbarin ihrer Eltern, ein Medaillon mit Inschrift. Über Esther ist wenig bekannt, also begibt sich Henny auf Spurensuche. Unterstützt wird sie von Daniel, einem Mitarbeiter des örtlichen Standesamtes. Sie hat ihn kontaktiert, um etwas über Esther herauszufinden. Obwohl sich die beiden nicht kennen, besuchen sie gemeinsam den Ort, an dem Esther in den 30er und 40er Jahren ihre Kindheit und Jugend verbracht hat. Nach und nach finden sie Antworten und decken die Geschehnisse der Vergangenheit auf.
Die Inhaltsangabe hat mich auf diesen Roman neugierig gemacht, zumal ich gerne historische Bücher lese. Der Lesefluss stellte sich bei mir leider erst nach dem ersten Drittel ein. Henny konnte ich überhaupt nicht greifen, es sprang kein Funke über und somit ließ mich der Beginn zäh erscheinen. Die Idee mit dem Medaillon erscheint mir zu konstruiert und die Begleitung durch Daniel unglaubwürdig. Ihn konnte ich auch bis zum Romanende nicht einordnen und verstehen. Kurzum, die Figuren Henny und Daniel waren mir nicht wirklich sympathisch. Ich stelle es mir auch schwierig vor, einen Roman zu beginnen. Es gibt eine Idee, ein Gerüst und eine Geschichte, welche man zu Papier bringen möchten. Hier hat es gebraucht, bis die Autorin endlich auf den Punkt kam. Wirklich angekommen und tief berührt, war ich von dem Moment an, als ich Esthers Tagebuchaufzeichnungen gelesen habe. Hier hat die Autorin Ruth Hörnlein ihr literarisches Können gezeigt. Der Handlungsstrang der Vergangenheit hat mich vollständig überzeugt. Er ist emotional und lässt uns in die Geschichte eintauchen. Der Gegenwartsstrang hingegen lässt mich ratlos zurück. Er wirkt für mich nicht rund und die Figuren nicht auserzählt. Hier hätte ich mir mehr Tiefe und Details gewünscht. Als Gesamteindruck deshalb von mir leider nur 3,5 Sterne Leseempfehlung.

Bewertung vom 03.05.2025
Simon, Teresa

Zypressensommer (MP3-Download)


ausgezeichnet

Der neue Roman von Teresa Simon wurde von mir als Hörbuch geradezu „ weggesuchtet“. Schnell hatte ich die 11 ½ Stunden gehört, zumal das Buch von meiner Lieblingssprecherin Tanja Fornaro eingelesen wurde. Die Handlung umfasst zwei Zeitebenen und beginnt 1998. Die Hamburgerin Julia reist in die Toskana, um das Vermächtnis ihres kürzlich verstorbenen Großvaters zu erfüllen. Er war Italiener und kam im Zuge des 2. Weltkrieges als Zwangsarbeiter nach Hamburg. Dort lernte er seine spätere Frau Marieke kennen. Einen Kontakt nach Italien gab es in all den späteren Jahren nicht. Während ihres Aufenthaltes in Luciganao bröselt Julia ihre Familiengeschichte auf und erfährt viele Geheimnisse der Vergangenheit. Geschickt gelingt es der Autorin, uns in Rückblenden, die 1940er Jahre sowohl in Italien, wie auch in Deutschland näher zu bringen. Von der französischen Widerstandsbewegung habe ich schon oft in Romanen gelesen, von der italienischen bislang noch nicht. Diese thematisiert Teresa Simon hier recht umfangreich und gewährt und einen wichtigen Einblick. Auch das es italienische Zwangsarbeiter gab, wusste ich bislang noch nicht. Wieder einmal stelle ich fest, dass auch so genannte Unterhaltungsliteratur einen Bildungsauftrag erfüllt. Die sympathischen Protagonisten machten es mir leicht, diesen Roman zu lieben. Auch die Liebesgeschichte hat Teresa Simon gut verpackt. Wie wir im Nachwort erfahren, ist jedoch der historische Kontext, das A und O dieser Handlung. Diese Umsetzung ist ihr perfekt gelungen. Der Schreibstil ist, so wie immer, modern und flüssig. Mit jeder Zeile ist sichtbar, dass sie die Toskana gut kennt und weiß worüber sie schreibt. Vor meinen Augen ließ sie die Orte und Landschaften erscheinen und meinen Wunsch bestärken, dieses schöne Fleckchen der Welt zu besuchen. Abschließend möchte ich erwähnen, dass diesem Hörbuch auch das Nachwort beigefügt wurde, dass ist nicht selbstverständlich, denn häufig mache ich die Erfahrung, dass es fehlt. Diese Worte machen den Roman rund und geben uns die wichtige Botschaft: nicht vergessen und aus der Geschichte lernen. Ich danke der Autorin für diese gute Zeit, die sie mir geschenkt hat und bin auch ein bisschen traurig, dass die 11 ½ so schnell vorbeigingen.