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Benutzername: 
Stanzick
Wohnort: 
Ober-Ramstadt

Bewertungen

Insgesamt 587 Bewertungen
Bewertung vom 12.09.2019
Die Untermieterin
Greg, Wioletta

Die Untermieterin


ausgezeichnet

Wioletta Greg, Die Untermieterin, C.H. Beck 2019, ISBN 978-3-40674085-5

Wiolka heißt die junge Ich-Erzählerin im neuen Roman der seit 2006 in England lebenden polnischen Schriftstellerin Wioletta Greg. Ich vermute deshalb, dass in die Gestalt und die Erlebnisse ihrer Protagonistin etliche eigene Erfahrungen eingeflossen sind. Als Wiolka noch in ihrem Heimatdorf Hektary wohnte, bevor sie zum Studium wegging, hat sie Herrn Kamil getroffen, einen zehn Jahre älteren Ethnologen, der von Wiolkas Großvater zunächst gegen dessen heftige Vorbehalte und Widerstände über polnische Folklore informiert wurde und sie eifrig aufschrieb.

Wiolka hat sich während der Aufenthalte von Herrn Kamil in ihrem Dorf heftig in ihn verliebt. Auch deswegen wählt sie als Ort für ihr Studium Tschenstochau, denn Herr Kamil wohnt dort.

Im Studentenwohnheim ist kein Platz mehr frei, deshalb kommt sie zunächst im barackenartige Arbeiterhotel „Wega“ unter. Dort fühlt sie sich nicht sehr wohl und verstrickt sich sehr schnell, was ihren fluchtartigen Auszug zur Folge hat.
Nachdem Wiolka auf der Straße der Oberin der Ordensgemeinschaft der Schwestern vom Herzen Jesu begegnet ist, kann sie im Haus der Schwestern einziehen. Es stellt sich im Laufe des Buches heraus, dass die aus der NS-Zeit noch traumatisierte demente Oberin Wiolka mit ihrer Tochter verwechselt, die von den Nazis getötet wurde.

Als Wiolka dann eines Tages unverhofft am Klostertor auf Herrn Kamil, den sie vorher erfolglos gesucht hat in der Stadt, scheint sie an ihrem Ziel angekommen. Doch ob diese Beziehung eine Zukunft hat bleibt offen, genauso wie Wiolkas Zukunft. Während die viele Rückblicke Wiolkas in ihre Kindheit in Hektary und die Kriegsepisoden, die von dem Schicksal der Oberin und ihrer Tochter berichten, sehr stimmig erzählt sind, fällt der Roman in seiner Gegenwartsebene doch sprachlich etwas aus dem positiven Rahmen.

Dennoch ist „Die Untermieterin“ ein lustiges Lesevergnügen. Vielleicht macht ein weiterer Roman die in Deutschland bisher wenig bekannte Schriftstellerin noch bekannter.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.09.2019
Schuldig.
Middelhoff, Thomas

Schuldig.


ausgezeichnet

Thomas Middelhoff, Schuldig. Vom Scheitern und Wiederaufstehen, Adeo 2019, ISBN 978-3-86334-240-1

Er war der große Top-Manager Deutschlands, der Autor des vorliegenden Buches, Thomas Middelhoff. Zunächst führte er als Chef den Medienkonzern Bertelsmann, später war er Vorstandsvorsitzender der Karstadt Mutter Arcandor. Mit fürstlichen Gehältern führte er ein Leben in großem Luxus.

Doch ihm waren der Erfolg und das viele Geld offenbar nicht genug. 2014 wurde er wegen Untreue angeklagt und nach dem Urteilsspruch zu einer dreijährigen Haftstrafe noch im Gerichtssaal medienwirksam abgeführt.

Sein Ruf, sein Vermögen und sehr bald auch seine Gesundheit – alles war verloren. Doch nach langem Hadern mit seinem Schicksal und der inneren Weigerung sein Scheitern und seine Fehler einzusehen, lernte er im Laufe der Haft, insbesondere bei seiner Arbeit mit behinderten Menschen in den von Bodelschwingschen Anstalten in Bethel sein eigenes Handeln zu reflektieren. Auch die Rückkehr zu seinem im Luxus und in im Glamour und der Verführung der Macht verloren gegangen Glauben halfen hm im Laufe der Jahre, die bittere Erfahrung des Scheiterns und der auf sich geladenen Schuld als eine Chance zu inneren Veränderung zu begreifen.


Er berichtet ehrlich und schonungslos, ohne weitere Entschuldigungen zu suchen, wie er lernte seine Schuld zu akzeptieren, Stolz, Gier und Machthunger loszulassen und über die bitteren Jahre der Haft zu seinem inneren Frieden zu finden.

Thomas Middelhoff hat nach der Zäsur in seinem Leben, die er sicher gerne vermieden hätte, aber schlussendlich akzeptiert hat als neue Chance, zu einem einfachen, aber intellektuell reicheren Leben gefunden. „Das Leben ist heute voller Gottvertrauen und ohne Ängste. Ich bin heute bescheidener, aber glücklicher… Meien Reputaion ist dahin, aber die Menschen begegnen mir in der Öffentlichkeit offen und respektvoll.“

Zunächst war ich skeptisch ob einer solchen Lebensbeichte, vermutete alte Hybris in neuem Büßergewand. Aber man nimmt ihm nach dem Lesen seine Läuterung ab. Vielleicht kann es Menschen, die an anderen Formen von alter Schuld leiden, ermutigen, ähnlich offen vor sich selbst damit umzugehen.

Was ich nicht verstanden habe: warum hat Thomas Middelhoff auf dem Coverbild die Augen geschlossen? Das passt irgendwie nicht zum Inhalt.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.09.2019
Heilige Hallen
Vieweg, Christof

Heilige Hallen


ausgezeichnet

Christof Vieweg, Heilige Hallen. Die geheime Fahrzeugesammlung von Mercedes-Benz, Delius Klasing 2019, ISBN 978-3-667-11666-6

Zwölf Hallen sind es, deren Standorte streng geheim gehalten werden, in denen Mercedes-Benz seine Modelle für nachfolgende Generationen aufbewahrt. Man nennt sie im Konzern die „Heiligen Hallen“.

Diese Sammlung wurde schon Anfang des 20. Jahrhunderts begonnen und umfasst mittlerweile mehr als 1000 Autos. Besondere, selten Autos sind dabei, aber auch Prototypen, die nie in die Produktion gingen.

Für diesen Bildband hat Christof Vieweg exklusiv die Erlaubnis erhalten, einige dieser seltenen Fahrzeuge zu fotografieren und die Geschichte zu schrieben, die mit ihnen verbunden ist.

Vieweg hat 50 Modelle ausgewählt und präsentiert sie in großformatigen Studioaufnahmen.

Der Band ist ein einzigartiges Highlight für jeden Autoliebhaber, speziell wenn er auf Autos mit dem Stern steht. Es eignet sich sehr gut als Geschenk für die bald bevorstehenden Festtage.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.09.2019
Leuchttürme
Belyaev, Roman

Leuchttürme


ausgezeichnet

Roman Beljajew, Leuchttürme. Wegweiser der Meere, Gerstenberg 2019, ISBN 978-3-8369-6017-5

Es gibt sie in allen Farben und Formen, klein, groß, aus Stein oder Holz, an Land oder mitten auf dem Ozean. Majestätisch wachen sie über das Meer und führen Seefahrer schon seit Tausenden von Jahren sicher in den Hafen und an gefährlichen Klippen vorbei. Die Rede ist von Leuchttürmen überall an den Küsten dieser Welt.

Das vorliegende Sachbilderbuch für wissbegierige Kinder ab etwa 8 Jahren erklärt mit vielen Abbildungen, wie Leuchttürme funktionieren und gibt einen lehrreichen und reich illustrierten Überblick über die Geschichte der Leuchttürme von den ersten Leuchtfeuern der Römer, über den legendären Leuchtturm von Alexandria bis hin zu den modernen und automatisierten Leuchttürme etwa in der Bretagne, in Russland oder in den USA.

Die einzelnen Kapitel sind mit Fragen überschrieben, denen dann nachgegangen wird. Beispiel: „Wie weit sieht man das Lichtsignal?“

„Leuchttürme“ , das zuerst 2017 in Russland erschienen und von Thomas Weiler ins Deutsche übersetzt wurde ist ein gelungenes Beispiel dafür, wie man ein technisches Bauwerk, seine Geschichte und seine Funktionsweise so kindgerecht erklären und beschrieben kann, dass die Lektüre und das Betrachten wirklich Freude macht, und nicht nur Wissen vermittelt.

PS. Es ist das allererste Buch für Kinder aus dem Russischen, das ich je besprochen habe.

Bewertung vom 10.09.2019
Seen und Wasserfälle in Südtirol
Eichelsdörfer, Anja

Seen und Wasserfälle in Südtirol


ausgezeichnet

Anja Eichelsdörfer, Seen und Wasserfälle in Südtirol. Die schönsten Wanderungen, Folio Verlag 2019, ISBN 978-3-85256-783-9

In der Reihe „Folio: Südtirol erleben“ führt der vorliegenden Wanderführer seine Leser zu wunderbaren und malerischen Bergseen und atemberaubenden Wasserfällen mitten in der Südtiroler Berglandschaft.
Anja Eichelsdörfer, die Autorin des Buches hat die schönsten von ihnen persönlich erwandert und die Touren mit detaillierten Tourenbeschreibungen, genauen Wanderkarten sowie Angaben zu Anfahrt, Gehzeit, Schwierigkeitsgrad und Einkehrtipps für die perfekte Planung dokumentiert.

Von leichten Spaziergängen bis zu anspruchsvollen Touren ist alles dabei. Die meisten dieser Wege liegen ruhig weitab der anderen Touristenströme Südtirols.

Wer in der nächsten Zeit einen Besuch Tirols plant, sollte diesen kleinen und preiswerten Wanderführer mitnehmen und die eine oder andere Tour während des Aufenthaltes einplanen. Die faszinierenden Bilder im Buch versprechen einzigartige Erlebnisse in unberührter und einsamer Bergnatur.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.09.2019
1989 in Deutschland
Juchler, Ingo

1989 in Deutschland


ausgezeichnet

Ingo Juchler, 1989 in Deutschland. Schauplätze der friedlichen Revolution, be.bra Verlag 2019, ISBN 978-3-89809-158-9

In den letzten Landtagswahlkämpfen in Sachsen und Brandenburg ging die rechtspopulistische AfD mit dem Slogan „Die Wende vollenden“ auf Stimmenfang und versuchte sich und ihre Politik sozusagen als Erben der friedlichen Revolution 1989 in der DDR zu verkaufen.

Bei den schon in die Jahre gekommenen Bürgerrechtlern von damals rief das heftigen Protest hervor, der jedoch kaum zur Kenntnis genommen wurde.

Das, was damals geschah, die Friedliche Revolution von 1989, ist vielen Menschen der Gegenwart entweder nur noch verschwommen in Erinnerung, oder sie waren damals zu jung oder noch gar nicht geboren.

Wie kam es eigentlich dazu, dass sich die Bevölkerung der DDR von ihrem Regime befreite? Das vorliegende Buch von Ingo Juchler, seit 2010 Professor für politische Bildung an der Universität in Potsdam nimmt seine Leser in Wort und Bild mit auf eine Reise zu den damals zentralen Schauplätzen der Protestbewegung und schildert, was dort jeweils geschehen ist und welche Bedeutung es für die gesamte Entwicklung hatte, bis schließlich am 9.11.1989 die Mauer fiel.

Die einzelnen Kapitel führen den Leser nach Leipzig, Berlin, Dresden, Chemnitz, Plauen, Naumburg, Jena, Schwerin und andere Orte. Seine informativen Texte über die Hintergründe er jeweiligen Ereignisse und zahlreiche Fotos machen das Buch zu einem wertvollen Führer durch ein zentrales Geschehen in der jüngeren deutschen Geschichte, das nicht in Vergessenheit geraten darf oder politisch missbraucht werden darf.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.09.2019
Sohn des Himmels
Chen, Jianghong

Sohn des Himmels


ausgezeichnet

Chen Jianghong, Sohn des Himmels, Moritz Verlag 2019, ISBN 978-.3-89565-382-7

Chen Jianghong ist ein 1963 in Tianjin in China geborener Künstler. Er hat in seiner Heimatstadt und später in Peking Kunst studiert und lebt seit 1987 als freischaffender Künstler in Paris. Als Autor und Illustrator wirkte er an 33 Bilderbüchern mit, von denen sieben in deutschsprachiger Übersetzung erschienen sind. Für seine Bücher wurde Chen mit wichtigen internationalen Preisen im Bereich der Kinder- und Jugendliteratur ausgezeichnet, darunter dem Prix Sorcières (2004) und dem Deutschen Jugendliteraturpreis (2005).

Seine neue Geschichte vom „Sohn des Himmels“ wurde von alten chinesischen Legenden angeregt, die den Ursprung des Mondfestes beschrieben und erklären sollen. Zu diesem Mondfest treffen sich jedes Jahr im Herbst in China die Familien und essen Mondküchlein, um damit ihrer Freude Ausdruck zu verleihen, das sie alle beieinander sind.
Sie erzählt von einem Sohn, der gegen seinen und ihren Willen von seiner Mutter getrennt wird und nicht aufgibt, bis er sie wieder in seine Arme schließen kann.

Prinzessin Xian-Zi, so beginnt die Geschichte, ist die Tochter des Jade-Kaiser und lebt im Palast des Himmels. Weil sie ihrem unbändigen Wunsch nicht widerstehen kann, macht sie sich eines Tages ohne das Wissen ihres strengen Vaters auf zur Erde, wo sie sich in einen jungen Mann verliebt, bei ihm und seiner Mutter bleibt, die sie geheilt hat, und einen kleinen Sohn zur Welt bringt, den sie Tian-Zi nennt.

Doch der zornige Kaiser lässt seine Tochter von Soldaten wieder zurück in dem Palast des Himmels bringen. Als Tian-Zi herangewachsen ist und sich fragt, wo seine Mutter ist, lässt ihn die Antwort, sie im Palast des Himmels und er werde deshalb „Sohn des Himmels „ genannt, nicht in Ruhe. Er macht sich auf den Weg, sie zu suchen. Er durchquert die halbe Welt bis ans Meer, von wo ihn ein Kranich zu seiner Mutter bringt.
Sie umarmen sich vor Freude und sie bereitet ihm Mondküchlein zu.
„Wenn du sie isst, werden sie immer eine Erinnerung an mich und alle Mütter sein!“

Der zornige König erfährt alles, und lässt Tian-Zi zurück auf die Erde schaffen. Seine Tochter wird so krank, dass der König ihr erlaubt, einmal im Jahr zur Erde zurückzukehren und ihren Sohn zu sehen. Und jedes Mal bringt sie ihm ein Mondküchlein mit.

Chen Jianghong verbindet seine Geschichte mit der Legende um die Mondküchlein, die in China alljährlich im Herbst Anlass großer Familientreffen sind.

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Bewertung vom 05.09.2019
Der Zauberlehrling
Muller, Gerda

Der Zauberlehrling


ausgezeichnet

Gerda Muller, Der Zauberlehrling, Moritz Verlag 2019, ISBN 978-.3-89565-378-0

Man nennt sie die Grande Dame der europäischen Illustration, die 1926 in den Niederlanden geborene Gerda Muller, die leidenschaftlich gerne Bücher für Kinder schreibt und illustriert und die mehrfach für ihre Bilderbücher ausgezeichnet wurde. Der Moritz Verlag hat schon viele ihrer wunderbaren Bücher veröffentlicht, zuletzt 2018 „Unser Baum“.

Für das vorliegende Bilderbuch hat sich Gerda Muller von Goethes Gedicht vom Zauberlehrling inspirieren lassen und es erweitert. Diese Geschichte vom Bauernsohn Florian, so schildert sie es in der Rahmenhandlung, habe Goethe erst zu seiner Ballade inspiriert. Wie auch immer.

Florian ist von zu Hause aufgebrochen. Er ist ganz allein. Seine Eltern sind gestorben und er hat keine Familie mehr. In der Fremde will er sich eine Lehrstelle suchen um sein Leben in die eigenen Hände zu nehmen.

Auf dem Weg trifft er den Zauberer und Wunderheiler Sigiswald. Der sucht gerade jemand, der ihm in seinem Labor hilft und nimmt Florian auf. Vom diesen Zauberer lernt der Junge lesen, schreiben und rechnen.

Dafür muss Florian ihm versprechen niemals ohne den Meister eine von ihm gelernte Zauberformel zu gebrauchen. Doch irgendwann setzt sich Florian über den Willen des Meisters hinweg. Aus Bequemlichkeit verzaubert er Besen, die dann für ihn das Wasser vom Brunnen holen. Sie hören nicht auf damit und Florian kann ihn keinen Einhalt gebieten. Das ganze Dorf droht im Schlamm unterzugehen. Da kommt der Meister und kann mit einem Zauberspruch die Besen zurückverwandeln in ihre ursprüngliche Gestalt.

Sigiswald ist wütend, will seinen Lehrling wegschicken. Der bettelt um sein Bleiben und wird zum Putzen und Aufräumen des Schadens verdonnert.
„Und mit der Zeit wurde er ein ebenso weiser Zauberer und Wunderheiler wie sein Meister. Oder beinahe.“

Die Ballade von Goethe ist am Ende des Buches abgedruckt. Gerda Muller hat in Wort und Bild eine wunderbare Interpretation von ihr geschaffen.
Goethes berühmte Ballade verwandelt in ein Bilderbuch.

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Bewertung vom 05.09.2019
Boris und der Ruf des Wassers
Calì, Davide;Soma, Marco

Boris und der Ruf des Wassers


ausgezeichnet

Davide Cali, Marco Soma, Boris und der Ruf des Wassers, Carl-Auer Verlag 2018, ISBN 978-3-8497-0207-6

Jedes Kind stellt sich, wenn es heranwächst, irgendwann einmal die Frage und setzt sich mit ihr auseinander: wer bin ich eigentlich? Wo komme ich her und wo gehöre ich hin? Und nicht selten spürt es den Zweifel: wo will ich überhaupt dazu gehören?

Ich kann mich aus meiner eigenen Kindheit an solche Gefühle erinnern, als mir die anderen Familienmitglieder zeitweise vorkamen wie Fremde.

Die von Marco Soma farbenprächtig illustrierte kleine Geschichte von Davide Cali thematisiert solche Gefühle und formuliert zwischen den Zeilen als Parabel auf das Wesen und die Bedeutung von Familie die Frage: „Wie sehr müssen uns die Menschen gleichen, die wir lieben?“

Boris, um den es in diesem Bilderbuch für Kinder ab sechs Jahren geht, ist ein angenommenes Kind. Früher nannte man das Findelkind. Tatsächlich finden seine Eltern, die keine eigenen Kinder bekommen können, bei einem Ausflug ins Grüne an einem Teich ein Neugeborenes, das sie Boris nennen. Dass Boris Kiemen hat wie ein Fisch, stört sie nicht.

Boris wächst ohne Probleme bei seinen Eltern auf. Sie lieben ihn sehr. Doch innerlich wird er immer unruhiger und fragt sich oft, ob er wirklich glücklich ist. Nach einigen Jahren indes weht ihn eines Tages ein eigenartiger Geruch an, der in ihm Sehnsucht und Traurigkeit weckt. Er folgt dem Geruch und kommt zu dem Teich.

Nun fühlt er sich wohl und glaubt nun seine wahre Familie gefunden zu haben. Doch nach einiger Zeit sehnt er sich wieder nach seinem anderen Zuhause. Er fühlt sich allein und sinkt in die Tiefe, ist völlig ohne Halt.

Da fallen ihm wieder seine Eltern ein. Sie haben ihm die ganze Zeit ihre Liebe gegeben und die Bindung zu ihm aufrechtgehalten. Sie haben ihn nicht festgehalten, sondern ihm immer vermittelt: „Wenn du dort, wo du bist, glücklich bist, dann sind wir es auch!“


Und er macht sich zurück in die Stadt.

Christel Rech-Simon, die am Ende des Buches unter dem Titel „Heilende Geschichten“ Hinweise für Eltern, Erzieher und Vorleser gibt, nennt das Bilderbuch „ein Buch über Integration, Selbstfindung, Identität, Heimat, Angst vor Fremden, Loslassen, Festhalten, Verlassen und Verlassenwerden und … Liebe.“

Das Bilderbuch erschließt sich nicht gleich, verstört zunächst und strahlt seine Botschaft erst nach mehrmaligem Lesen (Vorlesen) dann umso intensiver aus.

Eine Parabel über das Wesen und die Bedeutung von Familie.

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Bewertung vom 05.09.2019
ÜberWunden
Hoffmann, Leonie

ÜberWunden


ausgezeichnet

Leonie Hoffmann, Überwunden, GerthMedien 2019, ISBN 978-3-95734-489-2

Dieses Buch, das unter dem Pseudonym Leonie Hoffmann geschrieben ist, ist der bewegende und auch erschütternde Bericht einer 1988 geborenen Frau, die in einer Beziehung zu einem Mann, von dem sie dachte, sie habe in ihm die Liebe ihres Lebens gefunden, die Hölle erlebt. „Die wahre Geschichte einer zerstörerischen Liebe, tiefer Verletzungen und großer Wunder“, wie es im Untertitel heißt.

Alex, ihr vermeintlicher Traummann, entpuppt sich schon bald als ein eifersüchtiger Partner. Doch es ist nicht nur die Eifersucht und die Kontrolle, die er mehr und mehr über sie und ihre Seele ausübt, es kommt bald harte Gewalt dazu.

Leonies Leben wird sehr schnell unerträglich, weil er immer wieder das große Vertrauen, das sie in ihn setzt, immer wieder, auch nach großen Erniedrigungen, missbraucht und schon bald ihr ganzes, früher großes Selbstwertgefühl zerstört hat. Und- was für Leonie sehr schlimm ist- Alex hat es geschafft, ihren früher tiefen Glauben an Jesus Christus und an Gott und seine Liebe kaputtzumachen.

Was man kaum glauben kann beim Lesen: trotz aller Gewalt und Erniedrigung empfindet Leonie immer noch Liebe für Alex. Doch irgendwann erlebt sie eine Art turning point und erkennt, dass diese Beziehung schon lange nichts mehr mit Liebe zu tun hat. Als sie sich endlich befreien will, leistet er Widerstand.

Und ein langer schwerer Weg zurück zum eigen Leben beginnt. Leonie Hoffmann beschreibt ohne Groll im Herzen diesen Weg ihrer Befreiung. Weil sie auf diesem Weg zum Glauben zurückgefunden hat, der ihr wiederum die Befreiung erst vollständig ermöglichte, kann sie ihrem Peiniger sogar verzeihen, vielleicht Grundlage und Bedingung dafür, dass sie wirklich von all dem Schrecklichen, was sie erlebt hat, geheilt werden konnte.

Leonie will mit ihrem bewegenden Zeugnis, denn das ist ihr Buch zweifellos, anderen Frauen, die Erfahrungen gemacht haben mit Gewaltbeziehungen und emotionaler Abhängigkeit, Mut machen. Sie will sie dabei unterstützen, sich von Selbstanklage und Scham zu befreien.

Leonie konnte ihren Weg nur gehen, weil sie glaubte und im Gebet und in der Beziehung zu Gott und Jesus Christus die Kraft fand, sich zu befreien. Doch auch Frauen, die keine Beziehung zum christlichen Glauben haben und es auch nicht wollen, können sich von dem Buch trösten ermutigen und inspirieren lassen.

Trotz aller Schwere (ich musste das Buch manches Mal aus der Hand legen) schenkt das Buch von Leonie Hoffmann Hoffnung, dass der Schmerz nicht das letzte Wort ist, und auch nach schlimmsten Demütigungen in einer Beziehung es einen Weg gibt heraus aus der Abhängigkeit und Scham.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.