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SimoneF

Bewertungen

Insgesamt 505 Bewertungen
Bewertung vom 24.04.2023
Wagner, Gernot

Und wenn wir einfach die Sonne verdunkeln? (eBook, PDF)


ausgezeichnet

"Und wenn wir einfach die Sonne verdunkeln?" von Gernot Wagner befasst sich mit dem Thema des solaren Geoengineerings, bei dem man versucht, der globalen Erwärmung entgegenzuwirken, indem man einen Teil des Sonnenlichts ins Weltall zurückwirft.

Da mich die Klimathematik sehr interessiert und ich bereits mit großer Skepsis von dieser Technik gehört hatte, war ich sehr gespannt auf dieses Buch.

Wagner beschreibt die unkalkulierbaren Umweltrisiken sowie die politischen, moralischen und gesellschaftlichen Fragen, die Geoengineering aufwirft.

Inhaltlich ist das Buch durchaus interessant und beleuchtet wichtige Aspekte, dennoch konnte es meine Erwartungen nicht ganz erfüllen. Es fehlt zunächst eine detaillierte und fundierte fachliche Erläuterung der Technik des Geoengineerings. Aus wissenschaftlicher Sicht bleibt das Buch sehr vage und oberflächlich, auch die Diagramme sind ohne Angabe wissenschaftlicher Einheiten wenig aussagekräftig. Generell vermisse ich bei diesem Buch eine gewisse Stringenz und Struktur, vieles ist redundant. Der Schreibstil ist zudem sehr locker und eher einfach gehalten. In einem eigenen Buchteil ergeht sich der Autor in Zukunftsszenarien und Spekulationen um politische Konstellationen und den Einsatz von solarem Geoengineering in den nächsten Jahrzehnten, die recht willkürlich erscheinen.

Insgesamt habe ich eine gehalt- und anspruchsvollere (populär-)wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Thematik erwartet.

Bewertung vom 24.04.2023
Stanisic, Sasa

Wolf


ausgezeichnet

Kemi wird von seiner Mutter zum Ferienlager im Wald angemeldet, da sie in den Ferien keinen Urlaub bekommen hat. Kemi ist alles andere als begeistert - mit Natur kann er nichts anfangen, Ferienlager im Wald klingt nach fiesen Insekten und Brennnesseln und nach Gruppenprogramm mit nervigen Kids aus seiner Jahrgangsstufe. Im Ferienlager ist Jörg sein Zimmergenosse. Jörg ist auch ein Außenseiter, gilt als uncool und wird von seinen Mitschülern gehänselt, insbesondere Mark und seine Kumpels  haben es auf ihn abgesehen und machen ihm das Leben schwer.

Beim Lesen des Buches kam mir einiges aus meiner eigenen Schulzeit bekannt vor, die teils verhängnisvolle Gruppendynamik, kleine Boshaftigkeiten und spöttische Bemerkungen, denen man ausgesetzt ist, wenn man irgendwie aus dem Mainstream ausschert. Wer anders ist, ist schnell aussen vor.

Die Geschehnisse im Camp, die Verhaltensweisen der verschiedenen Jugendlichen und der erwachsenen Betreuer sind glaubhaft dargestellt. Ganz besonders gelungen finde ich die Sprache. Sie ist klar und erfrischend, jugendlich, ohne anbiedernd zu wirken, mal witzig, mal nachdenklich, und fängt Kemis Gefühle und Gedanken wunderbar ein.

Richtig toll finde ich die schwarz-gelb-weissen  Illustrationen im Buch, die wie flotte Skizzen wirken und hervorragend zum Stil des Buches passen.

Ein wirklich lesenswertes Buch über Freundschaft und Mobbing, über Andersartigkeit und Toleranz, über den "inneren Wolf" und den Mut, seine Ängste zu überwinden, zu sich selbst zu stehen und seinen eigenen Weg zu finden.

Bewertung vom 24.04.2023
McCarten, Anthony

Going Zero (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Was passiert, wenn sich staatliche Geheimdienste und private Medienriesen zusammenschließen und ihre gesammelten Datenmengen und ihr technisches Know-How bündeln? Ist es überhaupt noch möglich, sich als Bürger deren kompletter Überwachung zu entziehen? Dieser Frage widmet sich "Going Zero".

Der Medienguru Cy Baxter, Chef des SocialMedia- und Cyberüberwachungs-Konzerns WorldShare, arbeitet zusammen mit NSA, FBI und CIA am Fusion-Projekt, das im Regierungsauftrag das Wissen und die Informationen aller Institutionen bündeln soll. Der Beta-Test "Going Zero", an dem 10 vorausgewählte Amerikaner*innen teilnehmen, soll nun die Schlagkraft von Fusion unter Beweis stellen: Wem es gelingt, 30 Tage lang unentdeckt zu bleiben, erhält 3 Millionen Dollar. Mit dabei ist auch die Bibliothekarin Kaitlyn Day, die ihre ganz eigenen Interessen verfolgt...

"Going Zero" ist ein atemloser, hochspannender Thriller, ein Buch wie ein Hollywood-Blockbuster. Er entwirft ein erschreckend realistisches Szenario über die Überwachungsmöglichkeiten, die sich anhand der Vielzahl an Daten ergeben, die wir in unserer hochdigitalisierten Welt ständig und überall, mal sorglos freiwillig, mal unausweichlich, hinterlassen. Daten sind die neue Währung, und Macht besitzt, wer über die Datenmassen verfügt.

Der Schreibstil ist direkt, eindrücklich und lebendig, und ich hatte die Protagonisten Kaitlyn Day, Cy Baxter und alle anderen Figuren, sowie die Schauplätze lebhaft vor Augen. Die Geschichte ist voller spannender Wendungen und interessanter Einfälle.

Mein einziger Kritikpunkt ist, dass der Roman dann deutliche Schwächen zeigt, wenn es um technische Dinge geht. Er bleibt dann entweder sehr vage, vereinfacht stark oder offenbart Mängel an technischem Wissen, etwa wenn eine der weltweit größten Datenbanken innerhalb weniger Minuten von einem Hacker kopiert und auf ein paar Festplatten in einem Lagerraum gespeichert wird. Auch bezeichnen FLOPS kein Datenvolumen, sondern die Anzahl der Gleitkommaoperationen pro Sekunde und sind ein Maß für die Leistung eines Computers.

Wenn man über diese technischen Unzulänglichkeiten hinwegsieht, ist "Going Zero" ein  hochinteressanter, angesichts realer Entwicklungen beunruhigend aktueller Thriller, der sehr zum Nachdenken anregt über die digitalen Spuren, die wir täglich hinterlassen und das, was uns in Zukunft noch bevorstehen könnte. Eine klare Leseempfehlung!

Bewertung vom 24.04.2023
Miller, Ben

Der Tag, an dem ich in ein Märchen fiel (eBook, ePUB)


gut

"Der Tag an dem ich in ein Märchen fiel" von Ben Müller ist eine nette Geschichte um die Geschwister Lana und Harrison, die mitten in ein  phantasievolles Abenteuer geraten, bei dem  mehrere Märchen der Gebrüder Grimm eine Rolle spielen.

Das Buch ist sehr gut geeignet für erfahrene Erstleser ab ca. 9 Jahren. Das Buch ist in mehrere kürzere Kapitel unterteilt und etwas größer geschrieben. Die Märchenpassagen sind durch eine etwas kunstvollere, aber dennoch leicht lesbare Schriftart abgesetzt.

Die Geschichte ist sehr unterhaltsam und auch spannend geschrieben, konnte mich aber dennoch nicht ganz überzeugen. Sie wirkt doch etwas künstlich und hat für mich zu viele innere logische Ungereimtheiten, selbst für ein Märchen, und gerade der Schluss ist in sich widersprüchlich (vom Autor beabsichtigt, aber ich empfinde es als störend).

Bewertung vom 23.04.2023
Seeburg, Uta

Das wahre Motiv / Offizier Gryszinski Bd.2 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

"Das wahre Motiv" von Uta Seeberg ist der zweite Band um Major Gryszinski, den königlich-bayerischer Sonderermittler der Münchner Kriminalpolizei. Er spielt zur Faschingszeit im Jahr 1895 und beginnt mit dem bizarren Mord an einem jungen Mann, der nebenbei in Malerateliers Modell gestanden hatte. Die Ermittlungen führen Gryszinski in die schillernde Künstlerwelt Schwabings und auf ausschweifende Faschingsfestivitäten. Noch während er auf der Suche nach einer heißen Spur ist, geschieht ein weiterer Mord...

Nachdem ich kürzlich eher zufällig auf den dritten Band der Reihe als Hörbuch gestoßen bin und mir dieser sehr gut gefallen hat, wollte ich nun auch die beiden Vorgängerbände kennenlernen.

Ich liebe die Atmosphäre, die Uta Seeburg in ihren Büchern erzeugt und die diese Krimis von vielen anderen abhebt. Mit großer Liebe zum Detail beschreibt sie die Charaktere, das Stadtbild Münchens, die Cafes, Wohnungen,  gesellschaftlichen Konventionen und die Lebensumstände der damaligen Zeit, so dass ich alles genau vor Augen habe und direkt im Lebensgefühl der Jahrhundertwende versinken kann. Die wiederkehrenden Charaktere wie Major Gryszinski, seine Frau Sophie und der kleine Fritzi, sowie die resolute oberbayerische Haushälterin Frau Brunner habe ich schon richtig liebgewonnen, ebenso die schillernde Franziska Wurmbrand und Gryszinskis Kollegen, den Schwaben Eberle, das Münchner Original "Spatzl" Voglmair und den Gerichtsarzt Dr. Meyering.

Auch in diesem Band begeistert mich wieder der Schreibstil von Uta Seeburg und ihr Gefühl für Sprache. Ihre Wortgewandheit und der herrlich trockene Humor, der immer wieder aufblitzt, machen ihre Bücher für mich zu einem echten Lesevergnügen.

Die Handlung ist bis zum Schluß hochspannend  und ich tappte bei der Tätersuche lange im Dunkeln. Einen winzigen Kritikpunkt hatte ich gegen Ende, da mir eine Schlüsselszene doch sehr konstruiert und schwer realisierbar erschien (Stichwort Karaffe). Um nicht zu spoilern, möchte ich hierauf nicht näher eingehen.

Als Bayerin freue ich mich besonders, ganz nebenbei auch etwas über München um 1900 und die damalige Kunst- und Kulturszene zu erfahren. Sehr gut gefällt mir, dass die Autorin in einem Nachwort etwas auf ihre Recherchen eingeht und erläutert, wo sie sich an historische Fakten gehalten hat oder sich bewusst literarische Freiheiten genommen hat.

Fazit: Ein spannender, sprachlich hervorragend geschriebener historischer Krimi mit viel Jahrhundertwendeflair, den ich rundum empfehlen kann!

Bewertung vom 20.04.2023
Nielsen, Susin

Peanuts und andere Katastrophen


ausgezeichnet

Der 12jährige Ambrodius wächst nach dem plötzlichen Tod seines Vaters allein bei seiner Mutter auf, die ihn überängstlich in Watte packt. Da seine Mutter u.a. berufsbedingt ständig umzieht, kommt er nirgendwo richtig an. In der Schule ist er ein Außenseiter und wird gemobbt, doch seiner Mutter spielt er Freundschaften zu anderen Kindern und Geburtstagseinladungen vor. Eines Tages endet eine Mobbingsituation beinahe tödlich, da ihm Mitschüler eine Erdnuss aufs Pausenbrot schmuggeln und Ambrosius eine lebensbedrohliche Erdnussallergie hat. Seine Mutter erwirkt, dass Ambrosius ab sofort Fernunterricht zuhause erhält und arbeitet ab sofort abends, um untertags für Ambrosius da zu sein. Ohne den Schulalltag wird Ambrosius schnell langweilig. Er freundet sich mit Cosmo an, dem ca. 25jährigen Sohn der Vermieter, der gerade frisch aus dem Gefängnis entlassen wurde, obwohl ihm seine Mutter den Umgang mit ihm strengstens verboten hat. Cosmo und Ambrosius verbindet eine gemeinsame Freude am Scrabble-Spiel, und zusammen gehen sie abends heimlich in einen Scrabbleclub und unternehmen gemeinsam etwas. Ambrosius blüht richtig auf und hat zum ersten Mal das Gefühl, angekommen zu sein, doch die Lügen gegenüber seiner Mutter haben kurze Beine.

Die Charaktere wirken sehr lebensnah und authentisch, und ich konnte mich in Ambrosius und seine Probleme sofort einfühlen. Ambrosius ist hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch nach etwas mehr altersgerechter Eigenständigkeit und dem Bestreben, seine überbehütende Mutter, die an jeder Ecke Gefahr wittert, nicht zu verletzen. Ambrosius ist ein liebenswerter Junge, dessen direkte und unverblümte Art ihn unfreiwillig in so manche Schwierigkeit bringt, ohne dass ihm das das so richtig bewusst wird. Durch den Kontakt mit Cosmo und Amanda aus dem Scrabbleclub lernt er im Umgang mit anderen dazu und gewinnt auch an Selbstbewusstsein. Im Gegenzug profitiert auch Cosmo in seiner Entwicklung von der Freundschaft mit Ambrosius.

"Peanuts und andere Katastrophen" ist mein erstes Buch von Susin Niesen, und es hat mich richtig begeistert. Es liest sich herrlich locker und flüssig, und trotz schwieriger Themen wie Mobbing, Einsamkeit, Kriminalität und Eltern-Kind-Konflikte ist es voller komischer Momente und besitzt eine ganz wunderbare humorvolle und leichte Grundnote.

Ein sehr berührendes, rundum empfehlenswertes Jugendbuch für Kids ab ca. 12 Jahren.

Bewertung vom 20.04.2023
Brahms, Annette

Der Wunschling - Wünsche schmecken nach Brausepulver


ausgezeichnet

Theo liegt abends aufgeregt im Bett und kann nicht einschlafen. Mit seiner Schwester Anne und seinen Eltern ist er kürzlich umgezogen, und morgen ist sein erster Tag in der neuen Schule. Da hört er ein Schmatzen und Tapsen, und entdeckt ein seltsames grünes Wesen aus Fell: Einen Wunschling, der die Wünsche von Kindern erschnüffeln und erfüllen kann. Die üblichen materiellen Wünsche wie Spielzeug oder Süßigkeiten findet er langweilig, doch im Moment ist der Wunschling einem ganz besonders leckeren und aufregenden Duft auf der Spur. Welcher Wunsch könnte das sein?

Als das Buch bei uns zu Hause ankam, hat es sich mein Sohn (3. Klasse) sofort geschnappt und auf einen Rutsch gelesen. Den knuffigen Wunschling haben wir auf Anhieb ins Herz geschlossen - man möchte ihn am liebsten knuddeln! Der Wunschling ist ein aufgewecktes kleines Kerlchen. Beim Erfüllen der Wünsche stellt er sich mitunter etwas schusselig an, was zu witzigen Situationen führt. So kommt beim Lesen auch der Humor nicht zu kurz.

Dank kurzer Sätze und altersgerechter Wortwahl ist das Buch perfekt für Erstleser ab der 2. Klasse. Für jüngere Kinder eignet es sich auch sehr gut als Vorlesebuch. Die liebevollen und farbenfrohen Illustrationen auf jeder Seite lockern die Geschichte zusätzlich auf. 

Ein sehr schönes, unterhaltsames und humorvolles Buch!

Bewertung vom 20.04.2023
Seeburg, Uta

Der treue Spion / Offizier Gryszinski Bd.3 (MP3-Download)


ausgezeichnet

"Der treue Spion" von Uta Seeberg ist der dritte Band um Major Gryszinski, den königlich-bayerischer Sonderermittler der Münchner Kriminalpolizei. Im Jahr 1896 verschwindet ein französischer Diplomat spurlos aus dem Hotel Vier Jahreszeiten. Gryszinski nimmt die Ermittlungen in dem Fall auf, der sich als überaus verzwickt und mysteriös erweist und ihn in die Welt von Spionage und Hochstapelei entführt. 20 Jahre später, während des 1. Weltkriegs, befindet sich Gryszinskis inzwischen erwachsener Sohn Fritz als Meldegänger in Verdun und erhält unverhofft neue Hinweise zu dem alten Fall seines Vaters.

Die Geschichte wird abwechselnd in zwei Handlungssträngen erzählt, wobei der erste 1896 spielt und Major Gryszinskis Ermittlungen beinhaltet. Der zweite ist 20 Jahre später angesiedelt und erzählt die Erlebnisse von Fritz.

Uta Seeberg beschreibt die handelnden Figuren und ihre Gedanken sehr detailliert und lebendig, so dass ich sie sofort lebhaft vor Augen hatte und auch mit dem Ehepaar Gryszinski und ihrem Sohn richtig mitfiebern konnte. Auch die Handlungsorte, Hotels, Restaurants, Wohnungen etc. werden in ihrer Austattung und Atmosphäre sehr ausführlich beschrieben, so dass man als Leser*in richtig in die Welt der Jahrhundertwende und die Zeit des ersten Weltkrieges eintauchen kann. Allerdings tritt hierdurch auch der kriminalistische Part manchmal etwas in den Hintergrund.

Obwohl ich die beiden Vorgängerbände nicht kannte (das wird sich ändern!), bin ich problemlos in die Geschichte hineingekommen, da keinerlei Vorkenntnisse nötig sind. Die Handlung ist richtig spannend, die Puzzleteile fügen sich erst ganz zum Schluss ineinander und ich habe bis zur letzten Minute mitgerätselt.

Das Hörbuch gibt das Buch ungekürzt wieder und hat eine Laufzeit von 13 Stunden und 20 Minuten. Der Sprecher Michael Schrodt hat nach meinem Empfinden eine sehr angenehme, ruhige Stimme und genau das richtige Sprechtempo. Er verleiht jeder Figur eine individuelle Note und baut ihre persönlichen Eigenheiten, wie etwa ein charakteristisches Schnauben oder einen sächsischen Dialekt, gekonnt ein. Einzig bei den wenigen bayerischen Sätzen ist seine norddeutsche Herkunft für mich als Bayerin spürbar (und auch, wenn er die Münchner Liebigstrasse als "Liebichstrasse" ausspricht oder den Odeonsplatz auf der 1. anstatt der 2. Silbe betont.). Da die Familie Gryszinski jedoch selbst aus Preußen stammt, ist ein norddeutscher Sprecher hier sogar authentischer.

Fazit: Ein wirklich spannender, atmosphärisch toll erzählter Krimi, der sehr gelungen als Hörbuch umgesetzt wurde. Wilhelm, Sophie und Fritz Gryszinski sind mir richtig ans Herz gewachsen und ich bin sehr gespannt auf weitere Folgen (und auch die beiden Vorgängerbände, die ich noch lesen möchte).

Bewertung vom 20.04.2023
Hoyer, Katja

Diesseits der Mauer (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Das Sachbuch "Diesseits der Mauer" von Katja Hoyer verspricht "eine neue Geschichte der DDR 1949 - 1990", und holt hierzu etwas weiter aus: Das ersten beiden Kapitel beginnen bereits mit dem Zeitraum 1918 - 1945 bzw. 1945 - 1949, um wichtige Zusammenhänge und Voraussetzungen zu erfassen.

Konzeptionell geht die Autorin, die selbst in der DDR aufgewachsen ist, ganz neue Wege, da sie die meisten der chronologisch angeordneten Kapitel mit den Erlebnissen von Zeitzeugen beginnt bzw. durchsetzt. Bei diesen handelt es sich vor allem um gewöhnliche DDR-Bürger, Arbeiter*innen, Soldaten, Lehrer*innen etc., doch auch bekannte Persönlichkeiten kommen zu Wort. Katja Hoyer stützt sich hierzu laut Vorwort auf Interviews, Briefe und Aufzeichnungen.

Diese Vorgehensweise macht für mich den besonderen Reiz und die große Stärke dieses Buches aus. Sie stellt den Menschen in den Mittelpunkt, anstatt die Geschichte der DDR nur anhand trockener politischer und ökonomischer Details abzuhandeln und sich auf Mauer und Stasi zu fokussieren. Vielmehr nehmen die Lebensumstände und der Alltag der DDR-Bürger*innen einen zentralen Platz ein und das politische und wirtschaftliche Geschehen wird durch die Zeitzeugenberichte unmittelbar greifbar. Der Schreibstil ist so wunderbar flüssig und eingängig, dass sich das Buch sehr anschaulich und abwechslungsreich liest und ich stellenweise wie in einen Roman eintauchen konnte.

Ich bin mit Anfang 40 zu jung, um die DDR als Westdeutsche noch bewußt wahrgenommen zu haben und zu alt, um in der Schule in Geschichte eine ausführliche Auseinandersetzung mit der DDR erfahren zu haben. Durch Katja Hoyers Buch habe ich einiges hinzugelernt und konnte mir eine bessere Vorstellung vom Leben in der DDR machen. Genau diese Bücher braucht es, um in Deutschland sachlich, fundiert und gründlich recherchiert ein ganzheitliches Verständnis der DDR zu entwickeln und zur Verständigung zwischen Ost und West auf Augenhöhe beizutragen.

Ein wichtiges und rundum empfehlenswertes Buch!

5 von 6 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.04.2023
Oswald, Georg M.

In unseren Kreisen


ausgezeichnet

Der Schriftsteller Nikolai und die Museumskuratorin Tatjana leben mit ihrer 10jährigen Tochter Marie in einer sanierten 60qm Altbauwohnung in einem gentrifizierten und angesagten Viertel. Das Geld reicht gerade so, um ein angenehmes Leben zu führen, als sie die Nachricht vom Tod von Tatjanas Tante erhalten. Diese vererbt Tatjana eine Villa nebst großzügigem Barvermögen, und der plötzliche Reichtum verändert alles...

Messerscharf seziert Oswald das Leben der gutsituierten Großstadthipster. Die Gehälter reichen nicht, um sich wie die Elterngeneration den Traum vom Eigenheim zu erfüllen, aber sie ermöglichen einen akademisch-aufgeklärten, bewussten Lebensstil, der auch ein gesellschaftliches Statement ist: Man kauft lokal und fair, lebt möglichst vegan und nachhaltig, ohne dabei die eigene Komfortzone zu verlassen, und fühlt sich moralisch überlegen, da Geld nicht alles ist.

Die plötzliche Erbschaft öffnet nun das Tor in eine neue Welt mit eigenen Codes und Möglichkeiten, und insbesondere Tatjana lernt schnell, diese einzusetzen. Der unerwartete Reichtum verändert unaufhaltsam und tiefgreifend Leben, Umfeld und Verhalten von Nikolai und Tatjana. Die Milieustudie des Reichenviertels ist wunderbar pointiert, Schein und Sein driften auseinander, und auch Tatjana und Nikolai biegen sich die Wahrheit komfortabel zurecht, belügen sich selbst und kommen immer mehr in ihrer neuen Welt an.

Oswald Blick für Details und der mitunter scharfzüngige Schreibstil sind einfach herrlich hintergründig und wunderbar zu lesen. Oswald trifft den Nagel auf den Kopf, blickt hinter scheinheilige Fassaden und hält auch dem Leser den Spiegel vor, der sich fragen muss, wie er sich in einer entsprechenden Situation verhalten würde.

Ein wirklich lesenswertes Buch, das zum Nachdenken anregt!