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melange
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Insgesamt 923 Bewertungen
Bewertung vom 08.05.2020
Weiß, Sabine

Blutige Düne / Liv Lammers Bd.4


gut

Rache ist bitter

Zum Inhalt:
Auf Sylt ist es nicht beschaulich: Ein Mitglied des Milieus wird getötet, ein junger Zivildienstleistender sehr schwer verletzt. An beiden Opfern wird das Wort „Rache“ – geschrieben mit schwarzem Nagellack - gefunden. Liv Lammers von der örtlichen Polizei bekommt den Fall aus der Hand genommen, als Verbindungen zu Rockergruppen deutlich werden. Doch trotz aller Schwierigkeiten – auch privater Natur – ermittelt sie weiter.


Mein Eindruck:
Farbenfroh, großartig und mit viel Liebe zum Detail beschreibt Sabine Weiß Sylt. So gut, dass man förmlich das Meer rauschen und riechen kann. Leider nutzt sie für ihre Charaktere im Gegensatz dazu nur zwei Nicht-Farben: Schwarz und Weiß. Zwischentöne gibt es kaum, die Leser bekommen mit dem Holzhammer eingeprügelt, wenn sie ganz doll lieb haben und wen sie genauso abgrundtief verabscheuen müssen. Das ist insbesondere deshalb schade, weil Weiß ihren Figuren Leben einhauchen kann, wie sie immer wieder in kleinen Episoden beweist, die einen augenzwinkernden Humor beinhalten. Das zweite Manko der Geschichte sind die zum Teil nicht stringenten Handlungen dieser (stereotypen) Charaktere: Wenn z.B. Livs Chefin bei starken beruflichen Fehlverhalten nicht einmal mit der Wimper zuckt, an anderer Stelle jedoch grundlos rügt.
Doch ein Plus soll nicht unerwähnt bleiben: Der Fall ist nachvollziehbar, die mordende Person wird gut ermittelt (und hat eine Charaktertiefe, die man sonst vermisst), ihr Motiv klar dargelegt. Mehr, als man von einigen Krimis in letzter Zeit behaupten kann. Einige (zumeist private) Cliffhanger sind dabei gut zu verschmerzen und sollen das geneigte Publikum auf ein nächstes Buch anfüttern.

Mein Fazit:
Großartige dreidimensionale Bilder von Sylt, leider nur eindimensionale der handelnden Figuren

Bewertung vom 24.04.2020
Crispin, Edmund

Schwanengesang (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Old Fashioned

Zum Inhalt:
Den schönen Künsten nicht abgeneigt, ist Gervase Fen natürlich auch in der Welt der Oper zu Hause. Dort findet man den allseits unbeliebten Star aufgehängt vor. Unfall oder Selbstmord, denn ein Fremdverschulden scheint unmöglich. Die Polizei hat eine klare Meinung, doch Gervase denkt ein eine andere Richtung.

Mein Eindruck:
Es gibt Vieles, was an diesem Buch – über 70 Jahre nach der Erst-Veröffentlichung – immer noch taufrisch wirkt: Vor allen Dingen die patenten Frauenfiguren machen Spaß. Heimchen am Herd war vorgestern, - Crispins Damen sind beruflich erfolgreich, wissen sich zu helfen und nehmen ihr Geschick in die eigene Hand. Und auch wenn an einigen Stellen die Emanzipation nur ein zaghaftes Blümlein am Wegesrand ist, wird es an anderer Stelle wieder kräftig gedüngt.
Der zweite positive Aspekt liegt in dem schwunghaften Schreibstil – möglicherweise einer neuen Übersetzung geschuldet – der sich überhaupt nicht altbacken kleidet.
Das Beste ist jedoch der Fakt, dass Crispin seine Leser nicht dümmer als den Detektiv lässt: Was Fen weiß, wissen auch die Leser und deshalb können sie – falls mit einer ebenso brillanten Auffassung gesegnet – die gleichen Schlüsse ziehen, die auch der begnadete Detektiv zieht. Schlechte Träume sind dabei Mangelware, - Cosy Crime in Reinkultur.

Mein Fazit:
Wer gemütliche Whodunnits mag, wird dieses Buch lieben!

Bewertung vom 19.04.2020
Poznanski, Ursula

Grau wie Asche / Vanitas Bd.2


sehr gut

Ruhe nicht in Frieden

Zum Inhalt:
Carolin hat sich nach Wien in die Blumenhandlung am Zentralfriedhof zurückgezogen, nachdem sie ihren alten Auftraggebern aus dem organisierten Verbrechen im ersten „Vanitas“-Band entkommen ist. Doch bald ist es mit der fragilen Sicherheit vorbei: Auf dem Friedhof finden einige Grabschändungen statt, welche die Wiener Polizei auf den Plan rufen und bald gerät Carolin in das Blickfeld der Ermittlungen, - und damit auch wieder in den Fokus ihrer alten Feinde.

Mein Eindruck:
Auch ohne Kenntnis des ersten Buchs „Schwarz wie Erde“ ist dieser Thriller gut zu verstehen, dazu bedient sich Poznanski erstens der Möglichkeiten einer Ich-Erzählerin, die ängstlich an ihre Vergangenheit denkt. Zweitens erklärt ihre Protagonistin Carolin drei Personen mit mehr oder weniger großer Rolle in „Grau wie Asche“, warum sie handelt, wie sie eben handelt. Diese Handlungen sind für die Leser manchmal mehr, manchmal weniger gut nachzuvollziehen. Einerseits gefällt, wie sich die Hauptperson am eigenen Schopf aus dem Schlamassel zieht, wie sie zum Teil fast zynisch die richtigen Knöpfe bei ihren Mitmenschen drückt und selbst bei der Aufklärung eines Verbrechens hilft. Andererseits sind die Anflüge von Grausamkeit, die sich insbesondere in ihrem Verhalten gegenüber einem Verdächtigen spiegeln, fast unerträglich, - so verständlich sie auch sein mögen.
Absolut gelungen ist die Geschichte um die Grabschändungen, die nicht nur einen interessanten Hintergrund aufweist, sondern zum Schluss alle Bröckchen, welche die Autorin ihren Lesern vor die Füße wirft, gut zusammenfasst. Keine Handlung bleibt unerklärt, keine Zwischenepisode ist ohne Belang. Dazu schreibt Poznanski gewohnt fesselnd und trotzdem unaufgeregt. Fast so abgebrüht wie ihre Protagonistin.

Mein Fazit:
Fortsetzung mit eigener Hauptgeschichte, - da kommt keine Langeweile auf

Bewertung vom 19.04.2020
Sten, Camilla

Das Dorf der toten Seelen


sehr gut

Unheilvoll

Zum Inhalt:
Alice hat schon immer davon geträumt, das Geheimnis um den Heimatort ihrer nach Stockholm umgezogenen Großmutter in einen Dokumentarfilm zu bannen. Deshalb sammelt sie Geld über Crowfunding und aktiviert ihre Freunde, die ebenfalls über Fähigkeiten im Filmbusiness verfügen.
In Silvertjärn verschwand vor 60 Jahren fast die gesamte Bevölkerung spurlos, nur die Leiche einer gesteinigten Frau und ein brüllendes Neugeborenes wurden gefunden. Dort angekommen, sind die fünf jungen Leute von der Geisterstadt fasziniert und erkunden die Umgebung. Als jedoch Alices Freundin verschwindet und ihre Autos sabotiert werden, wird es unheimlich und Hilfe ist nicht greifbar – schließlich gibt es keinen Handyempfang, die Akkus sind fast leer und die nächste Ortschaft über 40 Kilometer entfernt.

Mein Eindruck:
Wenn die Schweden etwas wirklich gut können, dann sind es gruselige und tiefsinnige Romane, - schließlich ist der Geisterglaube dort weit verbreitet und das Land ist groß und außerhalb der Städte dünn besiedelt: „In der Nähe“ sind schnell einmal 50 Kilometer oder mehr.
Camilla Sten – Tochter von Viveca Sten – schafft es trefflich, die unheimliche Atmosphäre in dem Geisterdorf zu schildern, und das nicht nur in der Gegenwart, sondern auch in der Vergangenheit. Diese lässt Sten durch die Augen von Alices Urgroßmutter - jedoch in der dritten Person geschrieben - oder in Briefen ihrer Großtante an ihre Großmutter aufleben. Die heutige Zeit, die von der Ankunft im Dorf einige Tage Aufenthalt dort umfasst, wird von Alice erzählt und wirkt durch die Sicht einer Ich-Erzählerin für die Leser genauso ungemütlich wie für die Protagonistin des Romans. Stückchenweise werden zusätzlich Teile der zum Teil sehr schwierigen Vergangenheit der fünf Filmschaffenden aufgedeckt. Diese bilden die Grundlage für einige Interaktionen, die in einer anderen Kombination von Charakteren möglicherweise zu anderen Handlungen geführt hätten.
Meisterhaft die Aufklärung des Verschwindens der Dorfbevölkerung, kleine Abzüge in der B-Note für einige sehr unglaubhafte Vorgänge rund um das Geheimnis in der Gegenwart (ohne zu viel verraten zu wollen).

Mein Fazit:
Besser als die Frau Mama

Bewertung vom 18.04.2020
Goosen, Frank

Frank Goosen über The Beatles / KiWi Musikbibliothek Bd.6 (eBook, ePUB)


sehr gut

Ein echter Fan

Frank Goosen ist Beatles-Fan seitdem sein Vater mit Schallplatten als Lohn der Schwarzarbeit nach Hause kam. Da soll noch einer sagen, dass unrecht Gut nicht gedeiht, - hier fiel es auf fruchtbaren Boden und beschert den Lesern dieses Buches einige sehr vergnügliche Momente. Goosen nutzt sein Talent als Komiker, um bildhaft die eigene Vergangenheit als Jugendlicher in der Cliquen-Diskussion über gute Musik (und wie man damit bei den Mädels ankommt) darzustellen. Mit dieser Vergangenheit befasst sich hauptsächlich der erste Teil des Buches und ältere Leser werden in Erinnerungen zu Schallplattenläden und Klammer-Blues schwelgen. Der zweite Teil führt dann auf eine Beatles-Tour nach Liverpool; stilecht im Taxi eines noch größeren Fans. Auch hier ist sich Goosen für keinen Scherz auf eigene Kosten zu schade. Das zeigt sich in der Unfähigkeit, die Fragen des Taxifahrers zu beantworten wie in der Erkenntnis, dass sein Nachwuchs Papas Leidenschaft eher lächerlich als nachvollziehbar sieht.
Im dritten Teil begibt sich Frank Goosen auf eine andere Art von Zeitreise, - er hört die Musik der Fab Four in der korrekten Reihenfolge und erkennt für sich selbst nicht nur die Entwicklung der Band, sondern fühlt dem Gehörten mit dem Wissen von heute nach.

Insgesamt ist das Buch ein schöner Zeitvertreib, der seine Leser mit einigen Anekdoten aus dem Leben der Beatles (und aus dem Leben Goosens) bereichert.

Mein Fazit:
Ein Häppchen Love, Peace and Happiness

Bewertung vom 13.04.2020
Crispin, Edmund

... vorm Tor der Leichenwagen (eBook, ePUB)


sehr gut

Entspannt

Zum Inhalt:
Gervase Fen ist als Berater bei einer Filmgesellschaft tätig, als dort sein Freund Humbleby von der Londoner Polizei eine Befragung zum Tode des Filmsternchens Gloria Scott durchführt. Dieses hat am Vorabend Selbstmord begangen, augenscheinlich im Zusammenhang mit Vorgängen bei der Filmproduktion. Das wird umso klarer, als ein Mitarbeiter des Teams stirbt – vergiftet. Und der Rächer Glorias hat noch nicht genug.

Mein Eindruck:
Ja, es gibt viele Cosy Crimes in der letzten Zeit und einige davon spielen in der Vergangenheit. Doch die Crispin Bücher sind das Original und wirken trotzdem absolut zeitlos, - so, als könnten sie auch von einem „modernen“ Autoren erdacht sein. Immer wieder nutzt er als Nebencharaktere Frauenfiguren, die Stärke beweisen und lässt seine Polizisten klug ermitteln (auch wenn Gervase Fen, ein Universitätsprofessor mit Hang zur Neugierde, ihnen zur Seite steht). Dass Crispin ein Automobil-Fan ist, zeigt sich in den vielen Begebenheiten, die mit diesen Vehikeln (und ihren Mucken) in Zusammenhang stehen. Der eingängige Stil wirkt dabei keinesfalls altbacken (möglicherweise einer neueren Übersetzung geschuldet) und die Fälle sind gut entwickelt. Auch bei diesem könnte der Leser selbst auf die Lösung kommen, - gesetzt den Fall, er hat aufgepasst. Doch ähnlich wie Agatha Christie in ihren Whodunnits wird von Crispin die Ergreifung des Mörders perfekt für die Leserschaft hergeleitet, so dass niemand mit Fragezeichen in den Augen sterben muss.
Obwohl relativ unblutig, gibt es einige Mordopfer und Verfolgungsjagden und amouröse Verwicklungen bereichern die Tätersuche. So bleibt man gleichzeitig entspannt und interessiert und hofft auf weitere Fälle in der Neuauflage.


Mein Fazit:
Der Großonkel der modernen Cosy Crimes. Gemütlich, aber nicht langweilig

Bewertung vom 07.04.2020
Fischler, Joe

Die Toten vom Lärchensee / Ein Fall für Arno Bussi Bd.2


sehr gut

Sympathisch

Zum Inhalt:
Arno Bussi ist nicht nur mit seinem Nachnamen geschlagen, - nein, nach dem Seitensprung mit der Gattin des Innenministers ist er in Wien zur Schreibtischarbeit verdammt. Doch politische Wege sind manchmal unergründlich und so schickt ihn besagter Innenminister nach Tirol, um dort einen alten Mordfall aufzurollen. Das Wühlen Bussis in den Untiefen des Lärchensees führt sehr bald nicht nur zu neuen Erkenntnissen, sondern auch zum Fund einer Leiche.

Mein Eindruck:
Joe Fischler bewegt sich mit „Die Toten vom Lärchensee“ zwar im Genre des Heimatkrimis, füllt seine Geschichte aber mit einem ganz eigenen Stil aus. Dieser ist zwar gerne humorvoll, hintergründig und zuweilen handfest, jedoch nie krachledern und höchstens in Spuren unglaubwürdig. Dabei bedient sich der Autor der Perspektive seines Protagonisten, obwohl er in der dritten Person schreibt. So ist der Leser immer ganz nah am Geschehen, ohne jedoch mehr als Arno Bussi zu wissen und dementsprechend entweder in die gleichen inhaltlichen Fallgruben zu tappen oder die richtigen Schlüsse zu ziehen. Fischler seziert auf das Trefflichste politische Schlichen und agiert dabei ausgewogen und kein Stück belehrend, - etwas, das gerade in Zeiten von PC jedem Autor hoch anzurechnen ist. Die Charaktere neben Bussi sind zwar überspitzt dargestellt, agieren dennoch glaubhaft und besitzen zum Teil einen gewissen Wiedererkennungswert, der hoffentlich den zweiten Band zu Bussis Abenteuern in der österreichischen Diaspora überdauert. Dazu zählen insbesondere sowohl die Figuren im politischen Wien, als auch die Polizeikräfte aus Tirol.
Die Krimihandlung an sich ist gut durchdacht, verführt zum Mitraten und lässt in ihrer Erklärung nichts zu Wünschen übrig, die Schauplätze sind bildhaft beschrieben. Einzig der exzessive Genuss bewusstseinserweiternder Mittel scheint übertrieben, - aber vielleicht muss das in Ermangelung sonstiger Ablenkungen im ländlichen Österreich einfach so sein.


Mein Fazit:
Hintergründiger Humor und gute Verbrechensaufklärung. Dieser Bussi ist ein Küsschen wert.

Bewertung vom 07.04.2020
Etzold, Veit

Blutgott / Clara Vidalis Bd.7


schlecht

Eklig und brutal

„Blutgott ist Teil einer Reihe“, kann aber auch ohne Vorkenntnisse der anderen Bücher gelesen werden.

Zum Inhalt:
Noch nicht strafmündige Kinder begehen grausame Verbrechen. Clara Vidalis und ihr Team stellen fest, dass diese von einem Mann gelenkt werden, der sich selbst "Blutgott" nennt und immer perversere Morde von seinen Anhängern fordert, - schließlich könnte ihnen ja nichts passieren. Die Polizei versucht, den Mann im Hintergrund mit seinen eigenen Waffen zu schlagen, doch funktioniert diese List?

Mein Eindruck:
Spiegel-Bestseller, - schon klar. Aber was hohe Verkaufszahlen hat, ist noch lange nicht gut. Dieser Thriller ist es auf gar keinen Fall. Weder sprachlich noch inhaltlich auf besonders hohem Niveau (wenn man einmal von den ausführlich geschilderten Brutalitäten absieht), gestaltet sich der Text sogar stellenweise richtig langweilig. Zeitweise überlegt man sich, ob die Schar von Ermittlern überhaupt ihr Handwerk versteht, so oft, wie sie sich gegenseitig erklären müssen, wovon sie reden (zum Beispiel muss Claras Chef fragen, was das Dark Web ist). Dann denkt Clara an ihre Tochter als "die kleine Victoria", so dass man sich fragt: Gibt es die auch in groß? Dafür heißt ihr Mann nur "MacDeath", - nein, was für ein amüsantes Wortspiel.
Seiten werden gefüllt, in denen Etzold seine Charaktere von echten Serienmördern erzählen lässt (so bekommt man eine Verlagsvorgabe auch voll) und auch hier strotzen die Gespräche von „war das nicht der, der“ und „da ging es doch um“. Die inhaltlichen Löcher einmal ganz außen vor, - einer der jugendlichen Täter ist zuerst verschreckt und wird durch den Blutgott erpresst, mutiert dann aber innerhalb von Tagen zu einem mordlustigen, unempathischen Wesen? Stellenweise bekommt man den Eindruck, der Thriller soll durch Presseschelte und Überlegungen zum Umgang mit Tätern (Täterschutz vor Opferschutz, Geiseldrama Gladbeck, andere Länder haben andere Strafmaße und Altersgrenzen) legitimiert werden, doch das wirkt nur wie ein Feigenblatt und nicht wie echte Kritik.
Richtig schaurig schlussendlich das Versagen der so intelligenten, großartigen und allwissenden Vertreter von Recht und Gesetz in der Einschätzung der beteiligten Personen, welches in einem vorhersehbaren Ende mündet.

Mein Fazit:
Verstümmelungen und Morde als Selbstzweck, ansonsten nur heiße Luft und dilettantisches Handeln

Bewertung vom 07.04.2020
Crispin, Edmund

Der wandernde Spielzeugladen (eBook, ePUB)


sehr gut

Hübsch altmodisch

Zum Inhalt:
Das hätte sich der Dichter Cardogan nicht träumen lassen, als er seinen Ausflug nach Oxford geplant hat und dabei an „Abenteuer“ gedacht hat. Kaum entdeckt er nachts kurz nach seinem Eintreffen eine offene Ladentür und betritt neugierig das Geschäft findet er eine Leiche und wird niedergeschlagen. Am nächsten Tag berichtet er das Geschehen auf der Polizeiwache, doch nicht nur ist die Leiche verschwunden, - der ganze Laden steht nicht mehr an der gleichen Stelle. Glücklicherweise ist sein alter Freund Gervais Fen nicht nur Professor an der Universität, er versteht sich auch auf Ermittlungen und bald sind die ungleichen Freunde auf der Spur des Mörders… und auf der des verschwundenen Spielzeugladens.

Mein Eindruck:
Schon 1946 wurde das Buch veröffentlicht und schnell wird klar, wovon sich die (Drehbuch)autoren von Inspector Lewis und Inspector Barnaby wenigstens zum Teil für ihre launigen, nie um ein Zitat verlegenen Detektive und die schrulligen Gestalten inspirieren ließen. Doch das hohe Alter sieht man der Geschichte überhaupt nicht an. Wunderbar zeitlos und sehr klassisch in seiner Art – zwar Leichen, aber unblutig, Sex nur in Andeutungen und eine Aufklärung, die auch von Agatha Christie hätte gestaltet werden können: Wenn man aufgepasst hätte, wäre die mordende Person ganz klar erkennbar gewesen, alles, was irgendwie seltsam war, erscheint plötzlich ganz einfach und logisch und die vielen Verfolgungsjagden bieten ein grandioses Kopfkino. Der Protagonist – eine Mischung aus Sherlock Holmes und Hercule Poirot – wird sich durch seine vielfachen Fähigkeiten, seines eloquenten Hintergrundes und dem Spaß daran, dem Affen Zucker zu geben, nicht so schnell verbrauchen. Deshalb ist es eine gute Idee des Verlages, Crispins Werke als Cosy-Crime in Serie gehen zu lassen und das mit den hübsch altmodisch gestalteten Einbänden deutlich zu machen.


Mein Fazit:
Whodunnit ohne Blut, doch mit viel Witz

Bewertung vom 04.04.2020
Politycki, Matthias

Das kann uns keiner nehmen


ausgezeichnet

Perfektes Road-Movie

Zum Inhalt:
Der Norddeutsche Hansi trifft am Krater des Kilimandscharos nicht etwa auf die erwartete (und erhoffte) Ruhe und Stille, sondern auf das genaue Gegenteil: Tscharli, seines Zeichens Bayer, und zwar einer der despektierlichen, lauten, politisch inkorrekten und damit absolut untragbaren Sorte. Aber manchmal geht das Schicksal seltsame Wege und was als Schock beginnt entpuppt sich schnell als ein Abenteuer von der Sorte, die man nie wieder vergisst.

Mein Eindruck:
In seinem Vorwort thematisiert Politycki, dass er von selbst Erlebtem inspiriert wurde, im Nachwort, dass ihm bekannte Personen nur ihre Namen gaben, die Begebenheiten mit ihnen jedoch frei erfunden sind. Daraus fabuliert der Autor eine Geschichte, die höchstwahrscheinlich auf eigenem Glück (oder Unglück – je nach Sichtweise) fußt und damit genau das kleine Quäntchen Wahrheit beinhaltet, die eine wirklich gute Geschichte braucht. Dazu ist Politycki ein brillanter Erzähler. Afrika in all seiner Schönheit erscheint so deutlich, dass man am liebsten direkt dorthin reisen möchte, bevor all seine Grausamkeit die Leser genauso schnell wieder auf den Boden der Tatsachen (und bekanntes Terrain) zurückholt.
Kein Kontinent für Weicheier, es wird Stärke benötigt. Und was macht – wie schon Chuck Norris immer wieder beweist – besonders stark? Humor! Neben Afrika ist das zweite große Pfund des Romans sein Humor, der immer wieder aufblitzt, wenn der Tscharli sich wieder einmal daneben benimmt und trotzdem weiser ist als so mancher braver Bürger, der nur nicht anecken will. Dieser Humor ist ansteckend, - nicht nur für den Ich-Erzähler Hans, sondern auch für alle anderen Charaktere und letztendlich für die Genießer des Buchs. Doch bei allem Humor, der sich in absurden Abenteuern und Dialogen entspinnt, besitzt „Das kann uns keiner nehmen“ eine sehr ernste Seite, die Krankheit, Tod und zerbrochene Beziehungen beinhaltet.
Und so hat man permanent Tränen in den Augen, - manchmal vom Weinen, manchmal vom Lachen und zum Schluss bei aller Trauer ein gutes Gefühl.

Mein Fazit:
Ganz großes Kino