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katikatharinenhof

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Insgesamt 296 Bewertungen
Bewertung vom 12.08.2025
du Mont, Sky

Der nächste Fehler kommt bestimmt


sehr gut

„Es gibt keine Fehler oder Zufälle. Alles, was passiert, hat seinen Sinn.“ – Friedrich Nietzsche

Er hat es wieder getan ! Sky du Mont hat erneut ein paar Gedanken zu den Themen Leben, Wendepunkte und Schlüsselmomente zu Papier gebracht und sie mit dem Titel „Der nächste Fehler kommt bestimmt“ versehen“

Aber was sind eigentlich Fehler ? Wo beginnen und wo enden sie ? Sind Fehler eigentlich nicht hundert Möglichkeiten, andere Wege zu gehen und Neues zu entdecken ?

Gewohnt heiter und doch auch nachdenklich, sogar manchmal auch philosophisch, führt Sky du Mont die Leser:innen durch seine Rückblicke. Lässt sie an seinen Gedanken und Entscheidungen teilhaben und gibt ihnen tiefe Einblicke – auch in sein Seelenleben.

Er zeigt, dass es eigentlich nur eine einzige Bühne gibt, die sich Leben nennt und Jede/r darauf sein Bestmögliches gibt. Diese Bühne immer wieder neu zu bespielen. Sie als ganzen Raum zu nutzen bedeutet aber auch, vom Weg abzuweichen, sich mal zu verlaufen und auch ein Stück des Weges allein zu gehen.

Es sind Erinnerungen, die den Schauspieler und Autor geprägt haben und die ihn, trotz oder gerade wegen ihrer einschneidenden Erfahrungen dankbar gemacht haben. Dankbar für die Menschen, die ihn ein Stück weit in seinem Leben begleitet haben, dankbar für jeden Moment der Aufmerksamkeit, Respekt, Anerkennung Fürsorge und des an ihn Glaubens und dankbar für die Möglichkeit, sich auszuprobieren, hinzufallen und gestärkt wieder aufzustehen.

Du Mont richtet klare Worte an seine Leser:innen, bezieht Stellung im Hinblick auf die aktuelle politische Situation und beweist auch bei diesen Themen Fingerspitzengefühl, Empathie und Einfühlungsvermögen. „Würde ist nicht nur ein Konjunktiv“ könnte auch ein Untertitel seines Buches sein, denn du Mont nimmt die Würde des Menschen, die Würde des Alterns und die Würde des Ich-Seins sehr genau unter die Lupe, macht auf Diskrepanzen im Alltag aufmerksam (man sollte die Welt nicht durch die Filter der Fotos in den sozialen Medien sehen) und lädt dazu ein, das Leben als ein Geschenk zu betrachten.

Dinge, die für uns selbstverständlich sind, gehen oft im Alltag verloren und so ist das Leben einfach jeden Tag eine neue Gelegenheit, dieses Geschenk immer wieder auszupacken, es anzunehmen und daraus ein glitzernden Konfettibonbon zu machen. Fehler sind dazu da, um sie zu machen, denn nur dann werden wir zu den Menschen, die wir sind.

Ein Buch über Demokratie und Happy Ends, Abschiede und Neubeginn, erste Male, die gefeiert werden sollen und ganz viel Spaß am Leben

Bewertung vom 06.08.2025
Simon, Teresa

Die Holunderschwestern


ausgezeichnet

Ihr seid vielleicht so verschieden wie die Sonne und der Mond, aber das gleiche Blut fließt durch eure beiden Herzen. Du brauchst sie, so wie sie dich braucht. George R.R. Martin

Katharina kann kaum glauben, was der Fremde in ihrer Werkstatt ihr erzählt. Plötzlich steht nicht nur ihre eigenen Welt Kopf, sondern die ganze Familiengeschichte wird neu aufgerollt. Zwischen Holzspänen, tanzenden Staubpartikeln und Politur entfaltet sich nämlich nicht nur eine Romanze, sondern auch ein faszinierender und spannender Einblick in handgeschriebene Aufzeichnungen. Während manchmal die Tinte auf dem Papier regelrecht flüstert, wird Katharina Zeugin einer Geschichte, die zunächst von Euphorie und dem Glauben an eine aufregende Zukunft geprägt wird. Doch manchmal kommt alles anders....



Sie.Kann.Es.Einfach! Teresa Simon aka Brigitte Riebe veröffentlicht mit "Die Holunderschwestern" einen sehr feinfühligen und zugleich aufwühlenden Roman der zeigt, wie das Leben seine Kreise zieht und das Rad des Schicksals sich immer weiter dreht, wenn der Stein erst einmal ins rollen gekommen ist.

Auf zwei Zeitebenen gelingt es der Autorin, ihre Leser:innen dermaßen an die Seiten zu fesseln, dass sie das Buch nur schwer aus der Hand legen können. Ähnlich wie Katharina im Buch ergeht es auch den Lesenden, denn sie tauchen immer tiefer in die Geschehnisse ein und erleben gerade die Schilderungen der Vergangenheit wie einen lebendig gewordenen sepiafarben Kinofilm. Dabei dienen die aufgeschlagenen Seiten des Romans als begehbare Kulisse und ziehen die Lesenden mitten hinein ins Geschehen.

Schwestern - und gerade Zwillingsschwestern - sind durch ein ganz besonderes Band verbunden und doch können sie unterschiedlicher nicht sein. Während Fanny warmherzig ist wie die Sonne, erscheint Fritzi kühl und weit entfernt wie der Mond. Fanny und Fritzi sind zwei starke Frauen, die es nicht immer leicht haben und doch auf ihre Weise ihren Weg gehen - ein Blick in das Gesicht der einen ist auch der Blick in die Seele der anderen. Von ihren Lebensgeschichten zu lesen bedeutet auch, eine sehr anschauliche Geschichtsstunde mitzuerleben, die Dank der hervorragenden Recherche der Autorin, ihren beruflichen Erfahrungen als promovierte Historikern und ihrem mitreißenden Schreibstil zu pulsierenden Sprachbildern verwebt werden.

Katharina steht als Bindeglied zwischen dem Einst und Jetzt. Ihre Arbeit als Restauratorin erschafft aus einer alten Ladeneinrichtung ein wundervolles Stück, das trotz Narben und Rissen in neuen Glanz erstrahlt. Und genau da setzt die Schreibende an, wenn sie Geschichte lebendig werden lässt - sie erzählt von Narben und Rissen, Wunden auf Herz und Seele und verbindet die Bilder der Erinnerung mit der Gegenwart, die ineinandergreifen wie Zahnräder. Aus gut gehüteten Geheimnissen entsteht eine Familiengeschichte, die manche Wunden heilen lässt, Vergebung und Neubeginn enthält und starke Botschaften aussendet.

Der kulinarische Genuss kommt auch nicht zu kurz und so können die Lesenden dank der vielen beigefügten Rezepte den Kochlöffel schwingen und sich Fannys Gerichte auf der Zunge zergehen lassen - bei Grießnockerlsuppe, Schweinsbraten mit Kartoffelknödeln oder gebackenen Holunderblüten mit Vanilleschaum schweifen gerne die Gedanken zurück zum Buch und so bleibt es ganz lange in Erinnerung.

Wer Kino in Buchform erleben möchte, der muss einfach "Die Holunderschwestern" lesen !

Bewertung vom 26.07.2025
Lott, Sylvia

Duftwickensommer


gut

Jede Blume im Garten erzählt eine Geschichte – über Überleben, Schönheit und die Wandlung der Zeit.

Marieke nimmt sich den Spruch "Das Meer ist meine Waschmaschine für die Seele" sehr zu Herzen und wagt nach ihrer Scheidung den Neustart auf Borkum. Ihre Villa Cupani ist ramponiert, ähnlich wie ihr Herz, und doch fühlt sich Marieke auf Anhieb wohl im rot geklinkerten Haus. Mariekes Neugier nimmt kein Ende, als Nachbarin Alwine ihr von der Geschichte ihres Hauses erzählt. Und so taucht Marieke immer tiefer in die Vergangenheit ein und lernt ganz nebenbei, dass das Leben mit all seinen Narben auch wundervolle Blüten treiben kann...



Sylvia Lott öffnet mit "Duftwickensommer " einladend die kleine Gartenpforte zur Villa Cupani und lädt ihre Leser:innen ein, sich auf Borkum direkt wohlzufühlen. Das duftig-sommerliche Cover verbreitet sofort eine angenehme maritime Atmosphäre und versprüht den Zauber eines Spätsommertages an der Nordsee.

Unterteilt in zwei Zeitebenen folgen die Lesenden zunächst Marieke auf ihrem Trip zu sich selbst, um dann erschrocken festzustellen, dass sich hinter der weiblichen Hautfigur eine doch eher depressive und fast schon antriebslose Frau versteckt, die mit sich selbst und der aktuellen Situation noch nicht ganz klar kommt.

Ganz anders Anni im Jahr 1911, die ein bisschen keck und vorwitzig ist und trotzdem, oder gerade deswegen, das Herz am richtigen Fleck sitzen hat. Die Erzählung ist hier spritzig, lebhaft und mitunter auch neckisch, perlt wie Champagnerbläschen im Glas und lässt die Leser:innen sämtliche Höhen und Tiefen miterleben.

Die Handlung im Hier und Jetzt ist manchmal sehr seicht, um dann doch einen großen, fast schon überspannten Bogen zu schlagen. Naturschutz, Klimawandel, Overtourism, Immo-Leerstand durch Umwandlung von Wohnraum in Ferienimmobilien und und und wirken mitunter oberleherhaft und deplatziert.

Alwine in der Gegenwart und Anni in der Vergangenheit sind die Stars des Romans und führen die Lesenden durch die Seiten. Was Marieke nicht immer gelingt, machen die beiden starken Frauenfiguren wieder wett.

Es gibt Wissenswertes und Neues über die Vielfalt von Duftwicken zu lesen und so erscheinen die duftig zarten Blüten in einem sehr romantischen Licht. Jedoch versäumt es Lott, ihre Leser:innen mit ihrer Geschichte ebenso zu verzaubern, wie es die Blüten und Anni im Buch tun.

Ein netter Sommerroman für den Strandkorb - schnell gelesen und leider schnell wieder vergessen

Bewertung vom 24.07.2025
Caspian, Hanna

Schwestern des brennenden Himmels


gut

Versprochen ist versprochen...

Während die Welt in Trümmern liegt, schicken sich die Siegermächte an, in Potsdam zu verhandeln, um so etwas wie Ordnung in das Chaos zu bringen. Ann Miller reist mit der britischen Delegation nicht etwa, um beim Verlauf der geschichtsträchtigen Ereignisse dabei zu sein, sondern aus eigenem Interesse. Denn hinter Ann Miller steckt nicht etwa die umtriebige junge Engländerin, sondern eine junge deutsche Frau, die alles dafür tut, um ein gegebenes Versprechen einzulösen. Was zunächst nach einer Odyssee zwischen Trümmern, Ruinen und politischem Chaos aussieht, entpuppt sich schon bald zu einer Achterbahn der Gefühle. Denn Ann steht sprichwörtlich zwischen den Stühlen...



Hanna Caspian - der Name steht für akribisch recherchierte geschichtliche Ereignisse und Romane, die Wahrheit mit Geschehnisse, die nicht sattgefunden haben, zu einer neue Realität verweben. Mit der "Gut-Greifenau-Reihe" hat sich die Autorin selbst gekrönt und macht damit umso neugieriger auf alle Bücher, die nachfolgen.

Mit "Die Schwestern des brennenden Himmels" erzählt sie ein Stück deutscher Geschichte, das die schrecklichen Bilder des Nachkriegsdeutschland unglaublich lebendig werden lässt. Zwischen Asche, Staub und Trümmerbergen sehen die Leser:innen Ann Miller durch die Ruinen streifen und werden ein Teil der Geschichte.

Während die Machtspielchen der Siegermächte und das politische Ringen um die neue Weltordnung sehr interessant dargestellt werden, gelingt es aber Caspian nicht, die Gedanken und Gefühle der Figuren zugänglich zu machen, um sich mit ihnen zu identifizieren. Ann's Gewissensbisse sind nachvollziehbar, jedoch fehlt ihnen manchmal die Glaubwürdigkeit, um die innere Zerrissenheit der jungen Frau vollkommen nachspüren zu können.

Je mehr Seiten gelesenen sind, desto mehr gerät die Erzählung ins stocken. Manchmal wirkt es so, als habe die Autorin selbst eine Schreibpause eingelegt, um Szenen neu zu überdenken, neue Ansätze der Erzählweise zu finden oder Gedankengänge einzuflechten, die nicht immer nachvollziehbar und passend sind.

Das Einlösen des gegebenen Versprechens rückt manchmal in den Hintergrund und holt andere, plötzlich wichtigere Ereignisse und Szenen hervor, die für eine gewisse Unruhe beim Lesen sorgen. Die Handlung selbst ist eher unaufgeregt und nicht ganz so emotional, wie erhofft, sodass mitunter eine gewisse Zähflüssigkeit entsteht und sich der Roman ungewollt in die Länge zieht.

Hanna Caspian hat bereits bewiesen, dass sie sehr gute Romane schreiben kann und es bleibt zu hoffen, dass sie an den großen der Erfolg der Greifenau-Reihe mit weiteren Buchveröffentlichungen anknüpfen kann. Dieser Roman ist von der Idee sehr gut, in der Umsetzung bleibt jedoch noch ganz viel Luft nach oben - neutrale 3 Sternchen

Bewertung vom 21.07.2025
Völler, Eva

Der Sommer am Ende der Welt


sehr gut

Kinderseelen sind zerbrechlich (Seelenkarussell)


Hanna steht vor einer emotional sehr belastenden Aufgabe, denn die Recherche für ihren neuen Artikel geht nicht nur unter die Haut, sondern weckt auch in ihrer Mutter unschöne Erinnerungen. Ihre Kinderkur auf auf Borkum hat bis ins Erwachsenenalter tiefe Spuren hinterlassen, denn aus der geplanten Erholung wurde ein Alptraum. Je mehr Hanna sich mit den traumatischen Erfahrungen ihrer Mutter und den Zeitzeug:innenberichten einer Facebookgruppe befasst, desto klarer wird das Bild. Zunächst scheint auch das Geschwisterpaar, dem das "Dünenschloss" gehört, auch mehr als freundschaftlich mit Hanna verbunden zu sein, doch nachdem ein mysteriöses Tagebuch aufgetaucht ist, zeigen die beiden ihre wahres Gesicht. und das lässt tief blicken....

Kinderseelen sind zerbrechlich,
denn ihr Geist kennt keine Zwänge,
sie sind so zart und so verletzlich,
und leben nicht in unsrer Enge.
Sie schau’n mit ungetrübten Augen,
und ihr Lachen ist so echt,
sie sind bereit alles zu glauben,
für sie ist nichts und niemand schlecht.
Drum führe eine Kinderseele,
behutsam in ihr eignes Leben,
versuche es nicht mit Befehle,
nur so kann sie zu Freiheit streben.
Es ist dein Werkzeug was du gibst,
lehr sie es weise zu benutzen,
sag ihr wie sehr du sie auch liebst,
denn man wird ihr manche Flügel stutzen

(Seelenkarussell)



Es gibt wenige Romane, die den Leser:innen dermaßen unter die Haut gehen, dass sie beim Lesen seelische und emotionale Schmerzen hervorrufen, Tränen ungehindert fließen lassen und tief empfundenes Mitgefühl auslösen. "

"Der Sommer am Ende der Welt" erzählt in feinfühligen und einfühlsamem Worten vom Alptraum Kinderverschickung in den 1960er Jahren und prangert diejenigen an, die am Ende das große Geld mit misshandelten Kinderseelen gemacht haben. Die strenge und lieblose Atmosphäre wird dabei sehr plastisch eingefangen und zeigt, wie vielfältig die Formen von Gewalt und Vernachlässigung hinter verschlossenen Türen gewesen sind: Schläge, Essenszwang, Kollektivstrafen, Beschämung, unerlaubte Medikamentengabe, Kinder, die die Kur leider nicht überlebt haben, Entmenschlichung durch Namensentzug und Nummernvergabe. Ähnlichkeiten mit den Gegebenheiten der KZ sind nicht von der Hand zu weisen, da jegliche Entnazifizierung des Personals nicht nicht vorgenommen wurde und auch sonstige strukturellen Mängel niemanden interessiert haben - nur der Profit zählt.

Der persönliche Bezug von Völler zu diesen traumatischen Ereignissen lässt das Buch noch aufwühlender werden und schickt die Lesenden auf eine emotionale Achterbahn, mitunter an Grenzen des Ertragbaren. Der Aufbau des Buches ist durchdacht, die Handlung mitreißend und aufwühlend geschrieben. Jedoch verliert sich die Autorin manchmal in zu vielen Schauplätzen, sodass die Lesenden regelrecht mit Ereignissen überschüttet werden und das Gelesene nicht in in seiner ganzen Komplexität aufnehmen und verarbeiten können.

Die Figuren im Buch sind sehr gut skizziert und erzählen authentisch und eindringlich ihre Lebensgeschichten. Die Bilder der physisch und psychisch misshandelten Kinder brennen sich auf der Netzhaut ein und gerade die kleine Sabine bliebt im Gedächtnis - ihr Martyrium mitzuerleben geht an die Substanz und sie steht stellvertretend für alle Verschickungskinder, die stumme Schreie der Verzweiflung Richtung Zuhause geschickt , heiße nächtlichen Tränen vor Heimweh geweint haben und ein Leben lang ihre Narben auf der Seele tragen.

Traurig und ergreifend, und daher umso wichtiger all denjenigen eine Stimme zu geben, die bis heute als Betroffene aus Angst und Scham schweigen. Ein Glück, dass sich vieles in dieser Hinsicht geändert hat und wir heute Kinder bedürfnisorientiert belgeiten.

Bewertung vom 19.07.2025
Dessaul, Arne

Ewige Schuld


sehr gut

Es gibt keine Geheimnisse, die die Zeit nicht irgendwann offenbart (Jean Racine)

Für Fritz hängt gerade der Himmel voller Geigen, denn ausgerechnet Freda, die Tochter des Bürgermeisters, hat sein Sehnen erhört und wird seine Freundin. Zwischen den Vorbereitungen für die Abiprüfung, der Euphorie der WM 1974 und den ersten sexuellen Erfahrungen klebt aber ein fieses Geheimnis, das die Dorfgeschichte bis heute prägt. Aber warum schweigen alle, wenn die Erklärung doch offensichtlich ist ? Je mehr Fritz nachbohrt, desto größer werden die Klüfte, die sich auftun. Unfreiwillig stößt Fritz in ein Wespennest und ahnt nicht, dass dieser Dolchstoß ihn ein Leben lang begleiten wird....



Arne Dessaul erzählt von Mauern...in Köpfen, in dörflichen Gemeinschaften, auf Herz und Zunge und als sichtbar gewordene Machtdemonstration eines ganzen Landes und doch verbindet er Leser:innen und Figuren. Nicht immer gelingt es ihm auch Anhieb, denn der Roman braucht ganze 100 Seiten, um aus den Startlöchern zu kommen und richtig Fahrt aufzunehmen.

Und dann ist es wie mit dem sprichwörtlichen Stein, der einmal ins Rollen gekommen, nicht mehr aufzuhalten ist. Fritz Tiedemann ist ein Blender, ein Lügner und Betrüger und täuscht nicht nur seine Mitmenschen, sondern auch sich selbst. Was als harmlose Affäre beginnt, entwickelt sich fast schon zu einer Art sexueller Hörigkeit und dadurch sieht Fritz die Zeichen der Zeit leider nicht oder nimmt sie nur verschwommen wahr.

Dessaul weckt die Gespenster der Vergangenheit und beweist, dass Lügen und Geheimnisse wie Ungeziefer sind, denn sie kriechen denjenigen immer nach, die sie mit aller Macht zu verheimlichen versuchen. Aus jeder Ecke, jedem Winkel oder wie hier, aus jeder Tagebuchseite, prangern sie auch Jahrzehnte später das an, was oft kunstvoll und mühsam in Lügengebilden aufgebaut wird.

Der Autor zeichnet ein echtes Retro-Gemälde eines niedersächsischen Dorfes nahe der deutsch-deutschen Grenze und lässt auch eine echt coole Playlist dazu abspielen. Während "Waterloo" im Radio rauf und runter läuft, erlebt Fritz selbst seinen ganz persönlichen Untergang und wünscht sich dabei, das "Über den Wolken" nicht nur seine Freiheit grenzenlos ist, sondern auch seine Probleme "plötzlich nichtig und klein" werden.

Dessaul bedient die Genres Krimi, Coming-of-Age und Vergangenheitsbewältigung zu einem Mix, der sich spannend entwickelt und mit überraschenden Wendungen immer wieder für Erstaunen und Aha-:Momente verantwortlich ist. Der Showdown fesselt die Leserschaft mit faszinierenden Fakten an die Seiten und doch bleiben manche Fragen ungeklärt und der Ausgang der Fantasie überlassen.

Nicht alltäglich in der Herangehensweise, somit definitiv anders als der Mainstream und gerade deswegen lesenswert

Bewertung vom 13.07.2025
Romes, Claudia

Zeit der Pfingstrosen


ausgezeichnet

Liebe ist alles (Rosenstolz)

Aus. Schluss. Vorbei - Katy steht vor den Scherben ihrer Ehe und muss noch einmal ganz von vorne anfangen. Als alleinerziehende berufstätige Mutter fällt ihr dieser Schritt nicht gerade leicht, doch Aberdeen soll von nun an das Zuhause für Mabel und sie sein. Zunächst scheint auch alles ganz gut zu laufen, doch die Betreuung ihres Demenzpatienten Jeff entwickelt sich zu einem Tanz auf dem Vulkan. Der Nebel des Vergessens hüllt ihn immer mehr ein und dabei gäbe es doch so viel zu sagen....



Wenn die Leser,innen "Zeit der Pfingstrosen" von Claudia Romes in den Händen halten, werden sie zu erst mit dem Blick auf das romantische Cover verzaubert. Doch das Buch ist mehr als "nur" eine Romanze, es ist ein zauberhafter Roman, der in die Tiefe geht, feinfühlig und warmherzig die Türen in die Vergangenheit öffnet und die Lesenden mitnimmt auf eine Reise, die voller Geheimnisse, Erinnerungen und Ereignisse ist, die unter die Haut gehen.

Die Autorin bedient zwei Zeitebenen und weckt in den Rückblenden die Geister der Vergangenheit wieder auf, die im Hier und Jetzt immer noch für Tumult und Gefühlschaos verantwortlich sind. Romes findet immer den richtigen Ton, um zum einen Jeff, gefangene in seinem Gedanken- & Erinnerungsgefängnis, besser zu verstehen und zum anderen die Ereignisse der Gegenwart einordnen zu können.

Es ist eine Begegnung auf Augenhöhe, die Romes ihren Leser:innen mit den Figuren ermöglicht, denn jede einzelne von ihnen ist präzise beobachtet und ausgearbeitet worden. Katy im fortwährenden Spagat zwischen Beruf und Mutter sein, Aidan versucht die Pflege seines Onkels mit den eigenen Bedürfnissen unter einen Hut zu bringen und Mabel ist für eine Zehnjährige schon ganz schön clever und gewitzt - in ihr steckt mehr drin, als zunächst vermutet.

Die Handlung baut sich langsam auf und bietet dabei komplexe und mitunter tragische Einsichten in die Lebensgeschichte von Jeff. Eine Liebe, die so rein und unschuldig beginnt und durch den Zweiten Weltkrieg in ihren Grundfesten erschüttert wird, dient als Grundlage für melancholische Rückblicke, die mit Geheimnissen verbunden sind,

Das behutsame Annähern von Aidan und Katy lässt auch bei den Lesenden die berühmten Schmetterlinge im Bauch flattern. Es ist so unglaublich schön, eben diese zaghafte und doch intensive Entwicklung der Gefühle mitzuerleben und die Autorin zeichnet nebenbei noch malerische Kulissenbilder, die von der Landschaft in und um Aberdeen geprägt werden.

Ein Roman, der beweist, dass Liebe alles ist, was Menschen brauchen

Das ist alles, was wir brauchen
Noch viel mehr als große Worte
Lass das alles hinter dir
Fang nochmal von vorne an, denn

Liebe ist alles

(Rosenstolz - Liebe ist alles)

Bewertung vom 11.07.2025
Hedlund, Jody

Eine unmögliche Braut


gut

Romantische Komödie


Finola hat sich selbst ein Versprechen gegeben und diesen Schwur versucht sie mit allen Mitteln einzuhalten. So kommt es, dass die bisher alle Heiratskandidaten erfolgreich in die Flucht geschlagen hat. Jetzt gilt es nur noch, den Held des Ortes, Riley Rafferty, abzuweisen und dann steht ihrem Beitritt ins Kloster nichts mehr im Weg. Doch Riley lässt sich nicht so leicht ins Bockhorn jagen und dreht den Spieß einfach um. Denn wie heißt es so schön: "Im Krieg und in der Liebe sind alle Mittel erlaubt".....



Jody Hedlund legt mit "Eine unmögliche Braut" eine romantische Liebeskomödie vor, die eine Mischung aus "Der Trotzkopf" und "Der Widerspenstigen Zähmung" ist und so können die Leser:innen schmunzelnd miterleben, wie sich die beiden Sturköpfe Finola und Riley gegenseitig die Bälle zu spielen, wenn es darum geht, einfallsreich als der/die Andere zu sein.

Es entsteht ein mitunter sehr witziger verbaler Schlagabtausch, der sehr unterhaltsam und kurzweilig ist und die Lesenden können den Kapiteln und dem Verlauf der Geschichte sehr leicht folgen. Das Rad der Romanze wird durch Hedlund leider nicht neu erfunden und so ist schon zu Beginn des Romans ersichtlich, dass das Happy End eigentlich nur einen einzigen Schluss zulassen kann.

Bis dahin sind einige Höhen und Tiefen zu nehmen, die sich sowohl im Rad des Schicksals als auch im Geschriebenen wiederfinden. Hedlung verknüpft die Aspekte des christlichen Glaubens mit einigen doch eher sehr frivolen und freizügigen Szenen, die nicht so ganz zu dem passen wollen, für das Finola einsteht. Da sich das Buch an manchen Stellen nicht ganz so ernst nimmt , scheint es auch von Vorteil zu sein, wenn dies die Leserschaft ebenfalls nicht tut und sich eher von der leichten Lektüre tragen lässt.

Die Figuren sind sher schön ausgearbeitet und gerade Finola und Riley haben mir ihren querschädeligen Dickköpfen genug Ecken und Kanten, um die ein oder andere widersprüchliche Sequenz wieder auszubügeln. Der Blick in die gesellschaftlichen Konventionen um 1849 ist sehr präzise eingefangen, setzt sich mit den Themen Stellung der Frau in der Gesellschaft, Sklaverei, (familiärem) Gehorsam und christlichem Glauben auseinander und bietet so eine willkommene Abwechslung zu der manchmal doch recht übertrieben dargestellten Romanze.

Eine leichte Sommerlektüre, die sich für einen lauen Abend auf der Terrasse eignet - schnell gelesen, jedoch hinterlässt sie keinen bleiben Eindruck

Bewertung vom 08.07.2025
Hannon, Irene

Eine Pension zum Verlieben


sehr gut

Du musst die Vergangenheit loslassen, damit die Zukunft eine Chance hat

Vienna hat alles, aber auch wirklich alles für ihren Arbeitgeber getan - 24/7 war bei ihr normales Pensum und trotzdem steht sie jetzt ohne Job da. Kurzerhand packt sie zwei Taschen, fährt nach Hope Harbor und besucht ihre Mutter. Aber bei ihr auch zu übernachten kommt für Vienna nicht in Frage. Doch wohin, wenn alles ausgebucht ist ?Ihr Blick fällt auf die Pension Strandblick, die auch schon besser Tage erlebt hat. Naja, es kann eben nicht immer alles glatt gehen und doch fühlt sich Vienna zu der kleinen maroden Pension hingezogen. Ob das auch an Matt liegen kann, der eigentlich nur mal eben eine Krankheitsvertretung für seine Schwester, die Besitzerin der Pension ist, liegen kann ?



Irene Hannon schreibt echte Herzensbücher und ihre wundervolle Buchreihe über das kleine Städtchen Hope Harbor und seine Bewohner:innen ist einfach Balsam für die Seele. Der Ort ist wie geschaffen dafür, zweite Chance zu ergreifen, Freundschaften und Zusammenhalt aktiv zu erleben und sich rundherum wohl und willkommen zu fühlen.

"Eine Pension zum Verlieben" reiht sich mühelos in die Geschichten der Vorgängerbände ein und erzählt vom Mut, neue Wege zu gehen, wenn man einmal falsch abgebogen, gestrandet oder gar gescheitert ist. Die Figuren sind mit ganz viel Liebe, Herzenswärme und Güte ausgestattet und es fällt auch ohne Vorkenntnisse leicht, sich in Hope Harbor an ihrer Seite zu bewegen.

Es gibt ein Wiedersehen mit liebgewonnenen Charakteren, die zwischenzeitlich für Fans der Buchreihe zu Freund:innen geworden sind und auch Taco-Stand-Besitzer Charly hat wieder die Hände im Spiel, wenn es darum geht, Menschen zusammenzubringen, die einen kleine Schubs in die richtige Richtung brauchen.

Während der Renovierungsarbeiten wird aus der maroden Pension mit jedem Pinselstrich, jedem Stück Teppich und jeder neuer Tapete ein kleines Schmuckstück, das nicht nur ein Zuhause auf Zeit darstellt, sondern auch ein bisschen wie Heimat für verwundete Seelen und Herzen ist. Hannon erzählt vom Prozess des Lassen - Zulassen. Darauf einlassen und Loslassen - um die Chance für einen Neustart nicht nur zu erkennen, sondern auch zu ergreifen. Menschen mit Narben auf Herz und Seele finden im christlichen Glauben Halt und Hoffnung und Hannon verwebt diesen Aspekt ganz unaufdringlich mit ihrer warmherzigen Geschichte.

Es gibt Fügungen des Schicksals und Zufälle, die sich wahrscheinlich in der Realität in diesem Maß so nie ereignen würden, aber genau das macht die Bücher der Schreibenden einfach wunderbar. Sie zeigt, dass Träume, Glaube, Liebe und Hoffnung eine gute Mischung sind, um die Vergangenheit loszulassen, damit die (gemeinsame) Zukunft eine Chance hat.

Bewertung vom 06.07.2025
KUNTH Verlag

KUNTH Bildband Das große Autowanderbuch Deutschland


ausgezeichnet

Der Spieleklassiker als Reisebuch

Urlaub direkt vor der Haustür wird immer beliebter und es gibt so viele Flecken in Deutschland, die wir zwar alle irgendwie vom Hörensagen kennen, doch wirklich da gewesen sind die wenigsten. Warum eigentlich ? Zu weit weg ? Kann nicht sein... Zu uninteressant ? Garantiert nicht... Uncool ? Auf keinen Fall....Also, warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah ?

Genau nach diesem Gedicht ist "Das große Autowanderbuch Deutschland" konzipiert und es führt mitten hinein in die schönsten Städtchen und Dörfer Deutschlands, erzählt Märchenhaftes und aufregende Geschichten und ist vor allen Dingen eins: eine Liebeserklärung an unsere Heimat.

50 sehr gut ausgearbeitete Tourenvorschläge zeigen die ganze Vielfalt Deutschlands und sind eine perfekte Kombination aus Autotouren, Wandern, Radfahren und anderen Freizeitaktivitäten, um die Urlaubsziele nicht nur als Tourist:in zu entdecken, sondern sie mit anderen Augen zu sehen. Dabei helfen die übersichtlichen Karten mit Tourenverlauf , GPX-Tracks und ein Straßenatlas bei der Planung in den heimischen vier Wänden. Die Fotos sind gelungene kleine Appetithäppchen, die Lust auf Berge, Seen, Meer und mehr machen.

Träum ich oder wach ich...doch das Klimahaus in Bremerhaven ist kein Trugbild und sieht dem Burj al Arab in Dubai wirklich sehr ähnlich Ob der Schuh auf der Treppe von Schloss Moritzburg auch wirklich passt, mit Charlotte Buff und Goethe bei einer Kostümführung Wetzlar entdecken oder mit der Draisine das Extertal erkunden. "Kaiser-Mania" an der Elbe, "Eine Nacht in Venedig" auf der Seebühne in Bregenz, "Loreley ley ley - Unter dir da fließt der Rhein, wie ein blaues Band durch das weite schöne Land" schallt es auf der Reise durch das Rheintal und in Mittenwald hängt der Himmel voller Geigen - nicht nur für frisch Verliebte

Einige der vorgestellten Touren verlaufen entlang bekannter Reiserouten, andere sind noch nicht ganz so oft befahren und doch führen sie alle mitten hinein in die schönste Natur, in die aufregenden Geschichten und Geschichte , lassen die Reisenden auf den Spuren von berühmten Persönlichkeiten wandeln und wecken mit Sicherheit die ein oder andere Kindheitserinnerung.

Also, Tasche packen und rein ins Auto, damit der Spielklassiker sich in ein aktives Reiseerlebnis verwandeln kann.