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Buchkomet

Bewertungen

Insgesamt 58 Bewertungen
Bewertung vom 18.07.2025
Jackson, Holly

Not Quite Dead Yet


schlecht

Ich hatte wirklich gehofft, dass Not quite dead yet von Holly Jackson ein spannender Pageturner wird. Die Grundidee klang ja auch ziemlich vielversprechend: Jet, Tochter aus reichem Hause, wird an Halloween in ihrem eigenen Haus überfallen, erleidet eine schwere Kopfverletzung – und bekommt dann auch noch die Diagnose, dass sie in spätestens sieben Tagen an einem Aneurysma sterben wird. Statt sich geschlagen zu geben, beschließt sie, den eigenen „Mord“ aufzuklären. Klingt nach Nervenkitzel, Countdown-Spannung und einem emotionalen Ritt, oder? Tja. Leider war’s das dann auch schon mit den positiven Aspekten.

Denn was Holly Jackson daraus macht, ist eine völlig überzogene, stellenweise unfreiwillig komische Geschichte mit einer Hauptfigur, die einem mehr auf die Nerven geht, als dass man mit ihr mitfiebert. Jet ist überheblich, besserwisserisch und unfassbar unsympathisch – und das, obwohl sie dem Tod ins Auge blickt. Keine echte Verletzlichkeit, keine Entwicklung, nur Dauersarkasmus und ein Ego, das größer ist als das Haus, in dem sie lebt. Ich habe wirklich versucht, eine Verbindung zu ihr aufzubauen, aber ich war irgendwann einfach nur noch genervt.

Was die Logik betrifft, sagen wir’s so: Die ist, im Gegensatz zu Jet, einfach in der Klinik geblieben. Jet spaziert wenige Tage nach dem Überfall aus dem Krankenhaus, trägt einen Bauhammer durch die Gegend, verfolgt Leute, als wäre sie Jason Bourne und das alles mit einem angeblich tauben Arm und einem tödlichen Aneurysma im Kopf. Ernsthaft? Hinzu kommt eine Auflösung, die komplett unspektakulär ist, Nebenfiguren, die kaum Tiefe haben oder klischeehaft nerven (hallo, überdramatische Mutter), und handwerkliche Fehler, die einfach kaum zu übersehen sind. Kann man sich schenken.

2/10

Bewertung vom 17.07.2025
Rockwell, Ryan

Resonanz (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Ryan Rockwells Resonanz hat mich richtig gepackt. Der Roman startet mit einer spannenden Prämisse: Ein Sonnensturm trifft den Mond, zwei Astronauten der Artemis-5-Mission sterben, der Kontakt bricht ab – und das Ganze scheint nicht einfach nur ein Zufallsprodukt der Natur zu sein. Auf der Erde beginnt ein Rennen gegen die Zeit, denn weitere Stürme stehen bevor. Und sie werden immer stärker. Wenn das so weitergeht, war’s das mit dem Leben, wie wir es kennen.

Klingt nach klassischem Katastrophen-Szenario, oder? Ist es aber nicht. Resonanz geht einen anderen Weg. Statt Hektik und Daueraction gibt’s hier Spannung und viel Wissenschaft. Der Mondgeologe Max Altman und die Heliophysikerin Natalie Holmes entdecken eine Magnetfeldanomalie im Regolith – und was sich zuerst wie ein Messfehler anfühlt, wird bald zu einem Hinweis auf etwas Unfassbares.

Rockwell kombiniert harte Science-Fiction mit dem Thema Erstkontakt – aber ganz anders, als man es gewohnt ist. Keine Aliens, die mit den dicken Wummen vor unserer Haustür stehen, sondern eine stille, beunruhigende Erkenntnis, die sich langsam aufbaut. Ich liebe es, wenn ein Buch Fragen offenlässt, und genau das passiert hier: Kein Erklärzwang, keine übertriebene Auflösung. Vieles bleibt vage und gerade deshalb bleibt es im Kopf, weil man es weiterspinnt.

Dazu kommen viele schöne Details: Popkultur-Referenzen für SciFi-Nerds, ein angenehm zugänglicher Schreibstil, sympathische Figuren (auch wenn nicht jede so tief ist, wie sie sein könnte), und ein Ende, das nicht alles auflöst, aber trotzdem zufriedenstellt. Resonanz hat Bock gemacht. Wer auf gut gemachte SciFi steht, bei der man mitdenken kann, wird hier absolut auf seine Kosten kommen.

9/10

Bewertung vom 15.07.2025
Ibsen, Ambrose

Haus der langen Schatten


sehr gut

Haus der langen Schatten von Ambrose Ibsen ist genau das Richtige für alle, die auf Spukhäuser mit Atmosphäre stehen – aber ein bisschen Geduld mitbringen.

Die Story: Kevin Taylor, Handwerker mit YouTube-Kanal, will ein altes, verlassenes Haus in 30 Tagen renovieren. Fixer Upper lässt grüßen. Kamera läuft, alles wie immer, bis sich Schatten bewegen, irgendwelche Stimmen zu hören sind und eine Leiche im Keller liegt. Ab da wird’s richtig ungemütlich.

Der Grusel zieht langsam an, wird aber von Kapitel zu Kapitel dichter, intensiver, besser. Wenn’s dann läuft, will man das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Die Auflösung ist stimmig, das Finale stark, der Stil schön schnörkellos und die kurzen Kapitel machen’s angenehm zu lesen.

Aber – und das ist ein wirklich dickes Aber – der Anfang zieht sich. Lange. Zu lange. Man kriegt viel Alltagsgeplänkel, Handwerker-Content und wenig Spannung. Wer hier durchhält, wird belohnt, aber es braucht Ausdauer. Kevin selbst ist dabei nicht gerade die hellste Kerze auf der Torte – Typ „Ich hör was im Keller, ich geh da mal allein runter“ – aber das kennt man ja aus unzähligen Horrorfilmen. Kann man mögen, muss man aber nicht, ich finde, das Konzept nutzt sich so allmählich ab.

Insgesamt: Kein Genre-Meilenstein, aber ein solider, stimmungsvoller Gruselroman, der stark beginnt – wenn man denn bereit ist, sich durch die ersten belanglosen Kapitel zu kämpfen. Für Fans von Hill House oder Paranormal Activity ein schöner nächtlicher Lesetrip mit Schauer-Garantie.

7/10

Bewertung vom 13.07.2025
Fiorillo, Andrea

Berlin Südwärts


sehr gut

Was, wenn plötzlich alles zusammenbricht? In Berlin Südwärts von Andrea Fiorillo versinkt Berlin im Mai 2027 in Dunkelheit. Ein Blackout legt die Stadt lahm, doch schnell wird klar: Das ist kein technischer Defekt, sondern der Beginn eines globalen Krieges. Kommunikation bricht ab, Orientierung schwindet, das Leben, wie wir es kennen, existiert nicht mehr.

Inmitten dieses Zusammenbruchs begleiten wir Lukas, Marie und Matthias – drei junge Menschen, die sich zu Fuß auf den Weg nach Süden machen, Richtung Italien, in der Hoffnung auf Sicherheit und ein Überleben. Was sie unterwegs erwartet: zerstörte Städte, brennende Landstriche – aber auch Menschlichkeit, Vertrauen, Nähe.

Fiorillo erzählt keine typische Endzeit-Story. Hier geht es nicht um Helden oder Gewaltorgien, sondern um das, was uns im Kern ausmacht, wenn alles andere wegfällt. Besonders berührend: die leise, zärtliche Dreiecksbeziehung zwischen den drei Figuren, in der queere Identität und emotionale Offenheit ganz selbstverständlich mitschwingen.

Gerade in einer Zeit, in der sich die weltpolitische Lage täglich zuspitzt – Ukrainekrieg, Iran-Israel-Konflikt, Spannungen rund um Taiwan – liest sich dieser Roman wie ein Mahnmal mit literarischem Tiefgang. Die Katastrophe, die Fiorillo beschreibt, fühlt sich nicht futuristisch, sondern unangenehm möglich an. Und genau deshalb trifft das Buch so sehr. Es ist keine dystopische Spekulation, sondern ein erschütternd realistisches „Was wäre, wenn?“ – verbunden mit der Frage: Was bleibt von uns, wenn alles fällt?

Der Schreibstil überzeugt mit Klarheit und Poesie, auch wenn einzelne Szenen ein bisschen aus der Tonalität rutschen. Aber für ein Debüt ist das bemerkenswert rund. Wer keine Lust auf plattes Endzeit-Geballer hat, sondern nach echtem Tiefgang sucht, kann bedenkenlos zugreifen. Und beim Lesen hoffen, dass es Fiktion bleibt.

9/10

Bewertung vom 08.07.2025
Flach, Alex

Luzifers Burnout


ausgezeichnet

Luzifer hat die Schnauze voll – nicht von der Menschheit, sondern vom eigenen Job. In Luzifers Burnout von Alex Flach schmeißt der Teufel höchstpersönlich hin, weil er merkt: Die Menschen kriegen das mit dem Bösesein auch ganz gut ohne ihn hin. Sabbatical statt Seelenqual.

Was klingt wie ein Satire-Slapstick mit Teufelshörnchen, entpuppt sich als cleverer Roman über Burnout, Machtspiele und moralische Grauzonen. Luzifer, müde vom Menschheitswahnsinn, stolpert durch eine Welt, die so durchgedreht ist, dass selbst er sich fragt, ob er überhaupt noch gebraucht wird. Statt Apokalypse gibt’s Chili bei Lillith und existenzielle Sinnfragen.

Flach rechnet mit allem ab, was uns lieb und scheinheilig ist: Gott als CEO mit PR-Strategie, der Himmel als Konzern mit Imagepflege, die Hölle als überraschend sympathische Behörde mit Herz. Und mittendrin ein Luzifer, der mehr Menschlichkeit zeigt als so mancher Heilige. Hier ist nichts schwarz oder weiß, gut oder böse – alles ist Grauzone, und das verdammt unterhaltsam.

Der Humor? Trocken, bissig, nie drüber. Die Gesellschaftskritik? Punktgenau, aber unaufdringlich. Die Fragen? Groß: Was bedeutet Moral, wenn keiner mehr nach ihr lebt? Wer zieht die Fäden im Hintergrund, und warum folgen wir ihnen blind?

Flach schreibt mit Tempo, Stil und Hirn. Zwischen höllischer Burnout-Beratung und göttlicher Imagekontrolle schleichen sich echte Emotionen ein – und man ertappt sich dabei, wie man mit Luzifer mitfühlt. Der Teufel ist hier nicht der Feind, sondern der Einzige, der noch kapitulieren kann.

Fazit: Eine höllisch gute Gesellschaftssatire mit Tiefgang, Witz und der ernst gemeinten Frage, ob der Himmel wirklich die bessere Adresse ist. Wer glaubt, Gut und Böse wären klar verteilt, sollte dieses Buch lesen. Ich wechsel dann mal die Seiten … Just saying.

9/10

Bewertung vom 06.07.2025
Kaufmann, Claudia

Das Haus der Goldmanns


ausgezeichnet

Was passiert, wenn du in das Haus deiner Kindheit zurückkehrst – und plötzlich die Vergangenheit aufbricht? In „Das Haus der Goldmanns“ von Claudia Kaufmann passiert das Britta, eine Frau, die mit ihrer Mutter schon lange abgeschlossen hat. Die alte Villa in München, in der ihre Mutter Margit noch immer lebt, wirkt heruntergekommen. Britta will sie schnell ins Heim bringen, die Villa verkaufen. Doch dann macht die Mutter, gezeichnet von Alzheimer, seltsame Bemerkungen. Und aus Ablehnung wird Neugier.

Was steckt hinter diesem Haus, das nie verkauft werden durfte? Und was verheimlicht Margit seit Jahrzehnten?

Mit klarem Blick und emotionaler Tiefe entfaltet Claudia Kaufmann eine Geschichte über drei Generationen – und darüber, wie das Schweigen einer Familie mit den Gräueltaten der Nazi-Zeit verbunden ist. In Rückblenden erleben wir Elisabeth, Brittas Großmutter, die sich 1932 in ihren jüdischen Nachbarn verliebt und ein für sich tödliches Geheimnis hütet, während ihr Mann sich radikalisiert und der SA anschließt. Das Haus, einst Eigentum der jüdischen Familie Goldmann, wird zum Symbol für Mitläufertum, für geraubte Leben und für das Schweigen, das bis in die Gegenwart reicht.

Kaufmann erzählt ohne Pathos, aber mit großer Wucht. Was wie eine kalte Mutter-Tochter-Geschichte beginnt, entwickelt sich zu einem tief bewegenden Roman über Schuld, Wahrheit, Verdrängung und späte Versöhnung. Die historischen Szenen sind bedrückend real, die emotionale Entwicklung der Figuren glaubwürdig und aufwühlend.

Fazit: Ein Buch, das nicht loslässt. Kein leichter Stoff, aber ein wichtiger. Wer sich darauf einlässt, wird belohnt – mit einer Geschichte, die unter die Haut geht und lange nachklingt.

10/10

Bewertung vom 04.07.2025
Brandhorst, Andreas

Der Riss


sehr gut

Wer denkt, Science-Fiction sei nur was für „Nerds“, wird hier eines Besseren belehrt. Der Riss ist Sci-Fi, ja – aber einer von der klugen Sorte. Aktuelle Themen wie KI, Simulationstheorie und digitale Kontrolle treffen auf einen Plot, der sich wie ein Thriller liest und dabei trotzdem Tiefgang hat.

Im Zentrum: Flynn Darkster, einer der besten Hacker der Welt. Er hackt das Pentagon (wie man das halt so macht), wird erwischt und bekommt statt Knast ein verlockendes Angebot von einer geheimen Organisation. Die will herausfinden, ob unsere Realität überhaupt real ist oder nur perfekt simuliert. Klingt erstmal nach Matrix? Ja, erinnert daran, aber Brandhorst macht was Eigenes draus.

Das Schöne: Man muss kein Technikprofi sein, um reinzukommen. Klar, es geht um Quantenkram, neuronale Netzwerke und Simulationstheorie, aber alles wird so erklärt, dass man folgen kann. Und falls es doch zu wild wird – hinten im Buch gibt’s ein Glossar, das wirklich hilft. Besonders gelungen: die Welt, in der das Ganze spielt. Ein Zukunftsszenario, das bitter real wirkt. Klimakatastrophen, Pandemien, Überwachung – fühlt sich fast schon nach Jetzt an. Wer Serien wie Black Mirror oder Devs feiert, wird hier vieles wiedererkennen.

Die Figuren? Reduziert auf das Wesentliche. Flynn ist ein starker Hauptprota, menschlich, zynisch, wütend: ein Typ, mit dem man gerne mitgeht. Und auch die Nebenfiguren funktionieren, ohne dass sich der Roman darin verliert. Sprache und Erzähltempo sind auf den Punkt. Klar, im Mittelteil gibt’s ein paar Strecken, die etwas kompakter hätten sein dürfen, aber insgesamt bleibt das Ding spannend und klug bis zum Ende.

Fazit: Der Riss ist keine leichte Kost, aber auch kein verkopftes Nerd-Buch. Es ist ein intelligenter, spannender Roman, der unterhält und gleichzeitig richtig gute Fragen stellt: Was ist real? Wer kontrolliert wen? Und wie frei sind wir eigentlich noch? Für alle, die mitdenken und mitfiebern wollen.

8/10

Bewertung vom 01.07.2025
Gerhard, Christian

Stimmen der Nebelwälder / Shinwa Bd.1 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Manchmal lohnt sich ein Blick über den literarischen Tellerrand. Bücher zur japanischen Kultur und Geschichte sind hier auf dem Blog eher nicht zu finden. Doch als mich der Autor gefragt hat, ob ich sein Buch lesen will, habe ich direkt zugestimmt. Und es hat sich mehr als gelohnt. Nach ein paar Startschwierigkeiten hat mich das Buch komplett gepackt. Und zwar so richtig.

Die Geschichte spielt im Japan des 18. Jahrhunderts – ein Land voller Machtspiele, Ungerechtigkeit und starrer Hierarchien. Mittendrin: Aoi, eine Bauerntochter mit dem Traum, Geschichten zu erzählen. Nur leider ist Bildung für Mädchen wie sie so gut wie verboten. Und genau da fängt das Ganze an, spannend zu werden. Gerhard erzählt von Aufbruch, Verlust, Mut, Verrat und der Kraft von Worten. Als ein Vulkan ausbricht und Aois Dorf zerstört, wird aus dem leisen Start ein echtes Drama. Harte Schicksalsschläge, kein Schönreden, brutale Kämpfe – aber alles glaubwürdig, tief und bewegend.

Und dann kommt Himari ins Spiel – eine abtrünnige Samurai mit komplizierter Vergangenheit. Zwischen ihr und Aoi entsteht eine Verbindung, die stark trägt. Die Freundschaft zwischen den beiden ist das emotionale Zentrum der Geschichte, beide tragen die Geschichte mühelos.

Das alte Japan wird von Gerhard unglaublich lebendig beschrieben. Man merkt, wie viel Liebe in den Text geflossen ist. Die Kämpfe sind brutal, aber gut geschrieben – keine Gewalt um der Gewalt willen, sondern punktgenau dosiert.

Trotz der knapp 500 Seiten gibt’s keine Längen. Nach dem etwas gemächlichen Einstieg bleibt das Tempo hoch, die Handlung dicht, und die Figuren entwickeln sich glaubhaft weiter. Und genau da liegt die Stärke des Buchs: Es fühlt sich echt an. Keine platten Figuren, sondern Menschen mit Ecken und Kanten.

Das Ende? Emotional, stimmig, stark. Kein übertriebenes Happy End, sondern ein Abschluss, der sitzt – und nachwirkt und definitiv Lust auf mehr macht.

Fazit: Shinwa ist mehr als ein historischer Roman. Es ist eine Geschichte über Hoffnung, Widerstand und die Macht, Dinge zu verändern – auch wenn alles dagegen spricht. Leseempfehlung!

10/10

Bewertung vom 24.06.2025
Finkenzonk, Finkenzonk

Master of his Universe


ausgezeichnet

Stell dir vor, du bist 14, es ist Sommer '89, die Welt gerät ins Wanken – und dir selbst droht das Internat. Willkommen in Bennis Leben.
In Master of his Universe von Finkenzonk geht’s um den ganz normalen Wahnsinn des Erwachsenwerdens – mit abrasierten Augenbrauen, einem alten Baum als Rückzugsort und einem Familiengeheimnis, das alles infrage stellt.

Benni ist ein unsicherer Teenager mit viel zu vielen Fragen. Warum weicht seine Mutter aus, wenn es um die Vergangenheit geht? Was hat es mit dem Schlüssel auf sich, den sein Bruder wie einen Schatz bewacht? Und was bitte stimmt mit Achim nicht?

Zum Glück gibt’s Fortuna – ein wildes Mädchen, das Benni gehörig den Kopf verdreht – und Hartwig, einen grummeligen Rentner, der zur Vaterfigur wird. Gemeinsam mit ihnen kämpft Benni gegen das Internat, gegen Geheimnisse, gegen Achim (den neuen Freund seiner Mutter, der in irgendeiner zweifelhaften „Glaubensgemeinschaft“ ist) – und vor allem: gegen das Gefühl, nicht dazuzugehören.

Der Roman trifft diesen schmalen Grat zwischen Humor und Tiefe, Retro-Feeling und Ernst. Die 80er-Jahre-Vibes sind on point, ohne aufdringlich zu sein. Die Story? Komisch, berührend, ein bisschen schräg – aber immer echt. Hier und da gerät der Autor etwas in zu blumige Sprache, aber das geht meist klar, irgendwie macht das ja auch den Charme der Geschichte aus.

Fazit: Eine tolle Geschichte mit ganz viel Herz.

9/10

Bewertung vom 20.06.2025
Lano, Ralf

Der Tod kennt verschwiegene Pfade


ausgezeichnet

Mord, Bohnenkaffee und kaputte Moral – der Schmied ermittelt wieder

Mit „Der Tod kennt verschwiegene Pfade“ schickt Ralf Lano seinen Dorfschmied Karl Bermes erneut ins Chaos der Nachkriegsjahre – irgendwo zwischen Schwarzmarkt, kaputter Infrastruktur und flackernden Moralresten. Und was soll man sagen? Es funktioniert wieder verdammt gut.

Ein Toter im Wald, ein Bürgermeister am Tatort, ein Kommissar ohne feste Strukturen – das Setup ist klassisch, aber Lano bringt frische Tiefe rein. Der Autor präsentiert ein ehrliches Nachkriegsgrau. Dass Bermes – kein Polizist, sondern Handwerker mit Hirn und Bauchgefühl – sich in eine Schmugglerbande einschleust, wirkt nicht erfunden, sondern logisch. Wenn keiner mehr weiß, wer Freund und Feind ist, hilft halt nur noch: selber machen.

Die Welt, die Lano zeichnet, ist kantig, glaubwürdig und bis in die Nebenrollen gut besetzt. Ob junger Polizeianwärter, dubioser Strippenzieher oder gebrochene Kriegsheimkehrer – jeder trägt sein Päckchen.

Lanos Stil bleibt schnörkellos, aber mit viel Gespür für Atmosphäre. Kein Satz zu viel, kein Pathos, aber immer dicht dran. Auch die historischen Details wirken nie aus dem Archiv gekramt, sondern wie gelebte Realität. Man erfährt viel, ohne belehrt zu werden.

Fazit: Ein historischer Krimi ohne Zuckerguss, mit Substanz, Tempo und einem Ermittler, der keine Marke braucht, um zu überzeugen. Wer auf echte Typen, klare Sprache und moralische Grauzonen steht, ist hier genau richtig.

9/10