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Reader1965
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Hamburg

Bewertungen

Insgesamt 97 Bewertungen
Bewertung vom 08.09.2024
Maybrick und die Toten vom East End
Glas, Vanessa

Maybrick und die Toten vom East End


gut

Düsteres East End

Der historische Kriminalroman "Maybrick und die Toten vom East End" von Vanessa Glas spielt 1910 in den Slums von London und der sympathische Divisionsinspektor Joseph Maybrick & der zynische Leichenbeschauer Dave Roberts sind auf der Suche nach einem Kinder-Mörder.

Es ist eine düstere Geschichte, die sich sehr flüssig lesen lässt, East End ist atmosphärisch beschrieben, Maybrick & Roberts sind ein gegensätzliches, aber gutes Gespann und die Idee für den Fall ist gut. Es gibt mehrere Handlungsstränge, die sich nach & nach verbinden. Jedoch kommt die Geschichte relativ langsam in Gang. Für einen Kriminalroman ist es mir stellenweise zu langatmig und dadurch geht die Spannung leider etwas verloren. Zum Ende hin konnte ich das Buch dann nicht mehr aus der Hand legen.

Auch wenn ich hier nur 3 Sterne vergebe, würde ich auch den nächsten Maybrick-Fall lesen.

Bewertung vom 03.09.2024
Genau so, wie es immer war
Lombardo, Claire

Genau so, wie es immer war


sehr gut

Julia & das Glück

Nachdem mir bereits "Der größte Spaß, den wir je hatten" von Claire Lombardo gut gefallen hat, war ich sehr gespannt, auf ihren neuen Roman "Genau so, wie es immer war" - und ich wurde nicht enttäuscht.

Claire Lombardo ist eine grossartige Erzählerin, die ihre Charaktere feinfühlig & authentisch darstellt. In diesem Roman geht es um das Sein als Frau, Ehefrau & Mutter - und als Tochter. Auf 700 Seiten lässt die Autorin die Leser:innen in der Gegenwart & in Rückblenden am Leben von Julia (57) mit all seinen Höhen & Tiefen teilhaben. Nach & nach erfährt man immer mehr von Julia, den Herausforderungen ihrer Ehe & den Geheimnissen ihres Lebens und ihrem Wunsch, es besser als ihre Mutter zu machen. Es ist sehr ausführlich und Julia war mir nicht immer wirklich sympathisch, was das Leseerlebnis aber nicht gemindert hat. Im Gegenteil: Ich habe diese tiefgründige Familiengeschichte sehr gerne gelesen.

Bewertung vom 26.08.2024
Zwei in einem Leben
Nicholls, David

Zwei in einem Leben


ausgezeichnet

Es ist, wie es ist

In "Zwei in einen Leben" erzählt David Nicholls die Geschichte von Marnie (38) & Michael (42), die beide gescheiterte Beziehungen hinter sich haben und sich auf einer gemeinsamen Wanderung kennenlernen.

Die Kapitel sind kurz und die Perspektive wechselt zwischen Marnie & Michael. Es geht um Einsamkeit, das Verarbeiten von Erlebtem, zweite Chancen und um die Liebe.

Beim Wandern kommen die beiden sich näher, öffnen sich und ihre Gespräche werden immer offener & intensiver. Das hat mir gut gefallen und die Geschichte gewinnt dadurch an Tiefe. David Nicholls hat mit Marnie & Michael zwei sympathische Charaktere geschaffen, die nicht perfekt, aber authentisch und wie aus dem realen Leben sind. Diw Geschichte ist ein bißchen melancholisch, ein bißchen humorvoll & ein bißchen zum Nachdenken.

Dieser Satz (Seite 67) beschreibt diesen Roman sehr passend:
"Ein Buch zu lesen war etwas Privates, Intimes, etwas, worin man sich einhüllen konnte wie in eine Decke."

Das Lesen dieses wunderbaren Romans kann ich nur empfehlen.

Bewertung vom 06.08.2024
Ava liebt noch
Zischke, Vera

Ava liebt noch


ausgezeichnet

2 Leben - 1 Liebe
"Ava liebt noch" von Vera Zischke ist ein großartiger Debütroman über Ava (43 Jahre, verheiratet, 3 Kinder), die sich in den 19 Jahre jüngeren Kieran verliebt.

Es ist eine berührende Liebesgeschichte, aber viel mehr noch eine kritische Auseinandersetzung mit der Rolle als Frau & Mutter. Ist Ava noch Frau oder nur noch Mutter? Gehört ihr Körper noch ihr? Muss sie 24 Stunden am Tag für die Familie verfügbar sein? Darf sie an sich denken, ohne sich schuldig zu fühlen? Kann sie sich in der Mutterrolle nicht mehr wohlfühlen und ihre Kinder trotzdem aufrichtig lieben?

Dieser Roman ist wunderbar & fesselnd geschrieben. Auf der einen Seite locker & bewegend und auf der anderen Seite sehr präzise & auf den Punkt gebracht - und tiefgründig & zum Nachdenken anregend.

Ich habe Ava gebannt auf ihrem Weg des Freischwimmens begleitet; habe mitgefühlt & mitgelitten.

"Ich werde untergehen, aber es wird sich anfühlen wie schweben."
(Ebook Seite 32)

Absolute Leseempfehlung.

Bewertung vom 01.08.2024
Der Bademeister ohne Himmel
Pellini, Petra

Der Bademeister ohne Himmel


ausgezeichnet

Willkommen in der Unwirklichkeit

In "Der Bademeister ohne Himmel" erzählt Petra Pellini die Geschichte der ungewöhnlichen Freundschaft zwischen Linda, einer lebensmüden 15-Jährigen, und Hubert, einem dementen 86-Jährigen. Linda ist orientierungslos und Hubert ist desorientiert.

Die Autorin schreibt einfühlsam & gefühlvoll und mit einer unglaublichen Leichtigkeit & einer Prise Humor über diese ungewöhnliche Freundschaft & die Schwere des Lebens. Es ist eine warmherzige & authentische Geschichte, in der alle Charaktere liebevoll gezeichnet sind. Und es gibt schöne Dialoge & Sätze in diesem Buch.

"Zufälle durchkreuzen Pläne. Pläne verhindern Zufälle."
(Seite 314)

Für mich waren das emotionale Lesestunden. Ich wollte gleichzeitig lachen & weinen, weil Vieles an Hubert mich an meinen dementen Vater erinnert hat.

Ein wunderbar bewegendes Debüt, dem ich viele Leser:innen wünsche.

Bewertung vom 31.07.2024
Ex-Wife
Parrott, Ursula

Ex-Wife


sehr gut

Ex-Frau Klasse A

"Ex-Wife" von Ursula Parrott wurde erstmals 1929 veröffentlicht (damals zuerst anonym) und erscheint jetzt fast 100 Jahre später wieder. Es geht um die 24-jährige Patricia, die nach kurzer Ehe von ihrem Mann Peter verlassen wird, und versucht, ihr Leben in New York zu leben.

Es ist ein zeitloser Gesellschaftsroman über eine junge Frau, die nicht dem Bild einer "moralischen" Frau & deren konventioneller Rolle entspricht: Patricia raucht, trinkt, flirtet hat Affären und will das Leben geniessen.
Wäre der Roman heute geschrieben worden, wäre er sicherlich sprachlich anders & auch die Denkmuster haben sich verändert, was ihn aber jetzt nicht weniger lesenswert macht. Der Roman vermittelt gut das Bild der 1920-iger und auch, das Gleichberechtigung noch kein Thema war.

Das "Sex in the City" meets "The Great Gatsby" finde ich persönlich nicht so passend. Dieser Roman steht für sich und braucht diesen Vergleich nicht.

Bewertung vom 26.07.2024
Don't kiss Tommy. Eine Liebe in der Stunde Null
Graw, Theresia

Don't kiss Tommy. Eine Liebe in der Stunde Null


sehr gut

Die Stunde Null

Der Roman "Don't kiss Tommy" von Theresia Graw beginnt nach Kriegsende in Bad Oeynhausen und erzählt vom Leben während der britischen Besatzung - aus zwei Perspektiven: Anne, die den Besatzern skeptisch gegenübersteht, und Rosalie, die ihnen gegenüber offener ist. Beide Frauen versuchen, das Beste aus ihrer Situation zu machen.

Die Autorin hat gut recherchiert und verbindet historische Fakten mit den fiktiven Geschichten von Anne & Rosalie. Theresia Graw vermittelt ein authentisches Bild der Zeit & den schweren Lebens-/Überlebens-bedingungen - und auch die unterschiedlichen Sichten, Umgangsweisen & Erfahrungen mit den Besatzern werden gut & nachvollziehbar dargestellt.

Der Roman ist kurzweilig geschrieben und lässt sich gut & flüssig lesen.

Wer sich für die Nachkriegszeit gepaart mit Liebe & Dramatik interessiert, wird diesen Roman mögen.

Bewertung vom 14.07.2024
Wir waren nur Mädchen (eBook, ePUB)
Jackson, Buzzy

Wir waren nur Mädchen (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Menschlich bleiben

In "Wir waren nur Mädchen" erzählt Buzzy Jackson die reale Geschichte der Hannie Schaft (1920 - 1945), die sich im 2. Weltkrieg in den Niederlanden der Widerstandsbewegung anschloss und für die Freiheit kämpfte.

Ein wichtiger Roman nach wahren Begebenheiten. Das waren bewegende & bedrückende Lesestunden. Die Autorin schreibt eindringlich & kraftvoll aus der Sicht von Hannie - und das für mein Empfinden auch sehr authentisch & sehr gut recherchiert. Dadurch konnte ich ansatzweise das Denken & Handeln von Hannie nachvollziehen - und mich mit der Frage "Wie weit würde ich gehen?" auseinandersetzen. Das Nachwort ist informativ und weil mich dieses Buch gedanklich noch beschäftigt hat, habe ich dazu auch im Internet einiges nachgelesen.

Ein grosse Leseempfehlung an diejenigen, die sich für diese Zeit & eine eher unbekannte Widerstandskämpferin interessieren.

Bewertung vom 14.07.2024
Die schönste Version
Thomas, Ruth-Maria

Die schönste Version


ausgezeichnet

It"s my life

"Die schönste Version" von Ruth-Maria Thomas ist ein unglaublicher Debütroman, in dem es um Jella, ihr Leben und um die toxische Beziehung mit Yannick geht - um Liebe, Sex & Gewalt.

Eine Geschichte mit enormer Sogwirkung: fesselnd, intensiv & verstörend. Es ist absolut kein Buch zum Wohlfühlen. Stellenweise wollte ich mit dem Lesen aufhören, aber gleichzeitig wissen, wie es weitergeht.

Grossartig geschrieben, ausdrucksstark & bildlich - und kein Wort zuviel oder zu wenig. Ich hatte das Gefühl, bei Jella zu sein und konnte ihre Wut & ihre Schuldgefühle und die Faszination & die Zerrissenheit zu der Beziehung mit Yannick nachfühlen (und das, ohne eine solche Beziehung selbst erlebt zu haben):
Wie es ist zu wissen, dass es nicht gut ist - und es trotzdem nicht loslassen zu können - weil es so schrecklich schön ist ... oder doch schön schrecklich.

Ich bin sehr beeindruckt von diesem Debüt & der authischen Story - und warte schon jetzt auf den nächsten Roman von Ruth-Maria Thomas.

Bewertung vom 06.07.2024
Das Pfauengemälde
Bidian, Maria

Das Pfauengemälde


sehr gut

Vergangenheitsbewältigung

In "Das Pfauengemälde" erzählt Maria Bidian die Geschichte von Ana, die 2 Jahre nach dem Tod ihres Vates Nicu zu ihrer Familie nach Rumänien reist, um das durch Enteignung verlorene Gemälde wieder zu bekommen - und es ist eine Reise zum Bewältigen der Trauer und in die Vergangenheit mit Erinnerungen an ihren Vater & sein Leben in Rumänien & Deutschland.

Es ist keine chronologisch erzählte Geschichte und sie ist ohne roten Faden. Sie war sehr gut zu lesen, erforderte aber Konzentration. Und - was ich so nicht erwartet hatte - es ist ein politisches Buch und vermittelt einiges zur Geschichte Rumäniens zur Zeit von Nicolae Ceausescu. Obwohl mich das Buch emotional nicht so richtig gepackt hat, war es interessant & lesenswert. Das Ende ist recht abrupt, aber überraschend und für mich schön & passend.

Vermisst habe ich einen Anhang mit Informationen zu den zeitlichen Abläufen.

Insgesamt ein Buch, dass ich geschichtlich Interessierten gern empfehle.