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Schoko_und_buch
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Friedberg

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Insgesamt 71 Bewertungen
Bewertung vom 11.06.2025
Sukegawa, Durian

Kirschblüten und rote Bohnen


ausgezeichnet

Sentaro arbeitet in einem kleinen japanischen Laden, welcher nur Dorayaki (süßes Gebäck) verkauft. Eigentlich arbeitet er nur dort, um seine Schulden zu begleichen. Die Arbeit ist eintönig, er steckt nicht viel Herzblut rein. Eines Tages steht eine alte Frau in seinem Laden, Tokue. Mit über 70 Jahren und gebrechlichen Händen möchte sie bei ihm als Aushilfe arbeiten zu einem lächerlich niedrigen Preis. Zunächst skeptisch, stimmt er zu, unter der Bedingung, dass sie im Hintergrund bleibt. Tokue weiht Sentaro in die Kunst ein, An, die Bohnenpaste für das Gebäck, selbst herzustellen. Der Umsatz steigt und Tokue zeigt sich nun doch im Laden. Sie unterhält sich gern, insbesondere die Schulmädchen reden gern mit ihr. Doch dann kommt heraus, dass Tokue als Kind an Lepra erkrankt war. Die Kunden bleiben weg. Doch Sentaro werden dadurch die Augen geöffnet.
Und mehr möchte ich an der Stelle nicht verraten.

Die Geschichte hat mich zutiefst berührt. Dabei hat sie mich mitgenommen nach Japan und mir einen kleinen Einblick in das dortige Leben verschafft. Erschütternd, bewegend, zart und leise und doch voller Wucht hat mich diese Geschichte in den Bann gezogen. Wundervoll geschrieben. Es ist ein Buch, was mir hängen bleiben wird, weil es einfach auch ganz viel ausdrückt. Das einfache Leben, jeden Tag ein Leben lang nur eine Art von Gebäck herzustellen – und dabei aber einen Sinn zu empfinden, und sei es, Tokues Vermächtnis weiterleben zu lassen. Dagegen erscheint unsere „Höher, schneller, weiter“ Mentalität wie das komplette Gegenteil. Eine Geschichte, die mich beim Lesen nach Japan entführt hat.

Bewertung vom 03.06.2025
Lausen, Bettina

Neue Zeiten auf der Kö - Die Fotografin


ausgezeichnet

Krieg ist vorüber und mehr und mehr kehrt wieder Leben in die Städte ein. Die Jüdin Zuria konnte während des Krieges fliehen und sich in London ein Leben aufbauen. Ihre Hochzeit mit dem Modehausbesitzer Noam steht kurz bevor, als sie aus Deutschland die Nachricht erhält, dass ihre Schwester Jalda lebt. Zuria tritt somit die Reise in ihre alte Heimat an mit dem festen Ziel ihre Schwester zu sich zu holen. Doch während Zuria sich einst schwor, keinen Fuß mehr auf deutschen Boden zu setzen, geht Jalda anders mit der Vergangenheit um und bemüht sich ums Vergessen. Sie baut sich eine Karriere in der Düsseldorfer Modewelt auf. Stück für Stück rutscht auch Zuria während ihres Aufenthaltes in diese Branche, vor allem da sie sich fürs Fotografieren begeistert. Als ihre Jugendliebe Kurz plötzlich vor ihr steht, wirbelt dies Zurias Pläne komplett durcheinander.
Die Geschichte um die Schwestern Zuria und Jalda hat mich sofort in ihren Bann gezogen. Die Liebe zur Fotografie spricht aus den Zeilen und man kann sich wörtlich vorstellen, welch Kraft Fotos ausüben kann und welche Emotionen diese hervorrufen können. Die Suche nach der eigenen „Sprache“ und dem perfekten Motiv bringt Zuria dazu, sich auch auf Suche nach ihr selbst zu machen. Wunderbar geschrieben, lässt dieses Buch mitfiebern und mitleiden, mithoffen und mitfreuen. Zuria hat mich begeistert, vor allem wie sie in der schillernden Modewelt sich selbst treu bleiben kann und bodenständig ihren Weg geht. Eine starke Frau und eine starke Geschichte.

Bewertung vom 14.05.2025
Hofland, Tom

Nimms nicht persönlich


gut

Lute ist als Führungskraft der Firma verantwortlich, den Mitarbeitern beizubringen, dass die Abteilung geschlossen wird und die Mitarbeiter möglichst selbst kündigen, so dass keine weiteren Kosten anfallen. Doch Lute scheut dieses unangenehme Thema. Mehr oder weniger zufällig trifft er auf Lombard, der die Sache für ihn übernehmen möchte. Doch zunehmends reagieren die Mitarbeiter komisch, es passieren seltsame Dinge, Menschen sterben.
Ich weiß bei diesem Buch gar nicht wie ich anfangen soll. Ist es so abstrus, dass es schon wieder genial ist? Oder ist es einfach eine wortwörtliche Umsetzung des Themas „Über Leichen gehen“, welches im Zuge von Restrukturierungen durchaus gebraucht werden könnte? Ich habe für das Buch 2 Anläufe gebraucht. Lute erscheint mir ein loyaler Mitarbeiter, der selten gern Entscheidungen trifft, eher mitläuft und sich treiben lässt. Und Lombard ist eine Satire auf 2 Beinen. Kennt Ihr die Serie „The Consultant“ mit Christoph Waltz? Daran musste ich die ganze Zeit denken und dann konnte ich das Buch zu Ende lesen. Komisch und doch gleichzeitig todernst, leichtfüssig und sorgenfrei setzt Lombard einfach alles um. Hat Lute hier einfach seine Seele an den falschen verkauft? Gegen Ende wurde es mir dann doch etwas zu abstrus. Gleichzeitig greift das Buch aber durchaus Themen auf, die nicht von der Hand zu weisen sind. Langjährige Arbeitnehmerverhältnisse, Fachkompetenz, Erfahrung und Loyalität vs. Gewinnmaximierung, Effizienz, Kostendruck, Marktwert. Ohne einen kleinen Lombard sind das unvereinbare Ziele.

Bewertung vom 14.05.2025
Durgun, Tahsim

'Mama, bitte lern Deutsch'


ausgezeichnet

Ich kannte Tahsim Durgun bisher nicht. In seinem Buch „Mama, bitte lern Deutsch“ schreibt er über sein Leben in Deutschland. Seine Eltern leben bereits seit rund 30 Jahren hier, er selbst und seine Geschwister sind in Deutschland geboren. Tahsim erzählt von Begebenheiten in der Schule, begonnen in der Grundschule, wo er bereits erste Erfahrungen mit Rassismus macht. Die Familie lebt in einem Wohnblock, in offensichtlich nicht der besten Gegen von Oldenburg. Bereits 5 Gehminuten weiter betritt man aber schon die „andere“ Welt. Tahsim muss in der Familie oft übersetzen, von Rezepten, Aldi-Prospekten bis hin zu Ablehnungsbescheiden und Arztdiagnosen. Damit kommt er mit Themen in Berührung, die Kinder nicht unbedingt übernehmen sollten. Die Beispiele aus dem Alltag bohren zum Teil den Finger tief in die Wunde und zeigen Reaktionen, wie ich sie zum Teil nicht für möglich gehalten habe. Dabei geht Tahsim zum Teil auch mit der eigenen Kultur kritisch um (siehe Hochzeiten). Ich habe mich beim Lesen teilweise wie ein stilles Mäuschen in Tahsims Familie gefühlt, so direkt hat er geschrieben. Respekt den Älteren gegenüber, der Zusammenhalt in der Familie – dies sind durchaus Dinge, wo sich unsere Kulturen heftig unterscheiden, und wo wir gern etwas abgucken dürften. Die Sprache ist oftmals sehr direkt, auch in der Familie. Dennoch strahlt alles Liebe aus und Respekt. Mit den (Kraft)Ausdrücken habe ich mich beim Lesen schwergetan. Besonders gefallen hat mir eine Szene am Ende des Buches, in der Tahsim mit seiner Mama in ein Gespräch verwickelt seinen Geburtstag vorbereitet.
Das Buch erscheint völlig authentisch, ehrlich. Treffende Zitate, passende Wortwahl, Humor und Ironie – eine tolle Mischung und damit sehr gut und unterhaltsam zu lesen. Für mich ist es ein Impuls, öfter versuchen zu verstehen. Menschen und Kulturen sind unterschiedlich – alle. Bereichert es nicht eher, wenn man einerseits die Unterschiede einfach akzeptiert und andererseits eher voneinander lernt, statt die Welt in ein „Wir“ und „Ihr“ einzuteilen?

Bewertung vom 14.05.2025
Hughes, Siân

Perlen


sehr gut

Marianne blickt zurück auf ihr Leben. In früher Kindheit hat sie ihre Mutter verloren. Ihr Vater stand nun plötzlich mit ihr und einem Baby allein da. Die Mutter ging aus dem Haus und kam nie wieder. Dies hat Mariannes Leben geprägt. In der Schule fand sie kaum Anschluss. Die spätere Freundin war das, was man nicht unbedingt „guter Einfluss“ nennt. Und dann steht plötzlich der Tod eines weiteren Babys im Raum. Erst Jahre später, als Marianne selbst Mutter ist, kann sie die Zusammenhänge erkennen und sehen, was auch der Vater geleistet hat. Sie blickt wohlwollend zurück auf ihre Mutter und kann endlich abschließen.
Ich kann mir nicht vorstellen, was es für ein Kind heißen muss, ohne Mutter aufzuwachsen und dazu unter solch tragischen Umständen. Diese Schwere wird beim Lesen sehr deutlich. Ich habe Marianne teils als Fremdkörper in der Schule empfunden. Langsam nimmt die Geschichte Form an und löst sich erst gegen Ende auf. „Perlen“ ist ein bewegender Roman, der zwar nicht mein Highlight wird, aber den ich doch sehr gern gelesen habe und auch empfehlen würde.

Bewertung vom 14.05.2025
Baumann, Estell

Scheidung ohne Scherben


ausgezeichnet

Dieses Buch ist keine Aufforderung zur Trennung, sondern ein sehr gut lesbarer Ratgeber, der einem erst einmal ein Gefühl geben kann, wo genau man in einer Beziehung steht. Manchmal hilft eine solche Bestandsaufnahme schon, um vielleicht die Beziehung wieder verbessern zu können. Manchmal macht eine solche dann aber auch klar, dass eine Trennung vielleicht der bessere Schritt ist. Mit beiden Optionen geht die Autorin offen um, rät aber im zweiten Fall dazu, sich Unterstützung in Form einer Erstberatung zu suchen.
Das Buch zeigt nicht auf, welche Ansprüche der Ehepartner hat, auch nicht wie im Einzelfall Unterhaltszahlungen oder sonstige Ansprüche ermittelt werden. Die Themen werden zwar gestreift, an diesen Stellen wird jedoch – und das absolut zu Recht – auf eine juristische Beratung verwiesen. Ich möchte nicht so weit gehen zu sagen, dass das Buch ein Beziehungsratgeber ist. Aber es macht, dass man sich mit der Beziehung auseinandersetzt. Und allein das kann schon ein Schritt in die richtige Richtung sein, zeigt es zumindest, dass eine Entscheidung nicht leichtfertig getroffen wird. Auch wenn es für mich aktuell kein Thema ist, habe ich das Buch gern gelesen. Es hat mir interessante Impulse mitgegeben, den Blick neu auszurichten und das ein oder andere im Alltag auch wieder anders zu bewerten.
Ein tolles Buch, welches nicht nur für Scheidungswillige interessante Ansätze bietet.

Bewertung vom 11.05.2025
Armstrong, Tammy

Pearly Everlasting


sehr gut

Pearly Everlasting ist ein junges Mädchen, welches in den 30er Jahren in den kanadischen Wäldern aufwächst. Umgeben von der wilden Natur wächst Pearly zusammen mit ihrer Familie in einem Holzfällercamp auf. Ihr Vater ist der Koch, weiterhin gehören ihre Schwester Ivy und ihre Mutter zur Familie. Rauer Umgang, Armut, keine Gleichaltrigen – doch Pearly hat einen besten Freund, sogar Bruder: Bruno, einen kleinen Schwarzbären, der mit ihr gemeinsam von ihrer eigenen Mutter gesäugt wurde. Die beiden verbindet innige Liebe und Pearly würde alles für Bruno tun. Allerdings wird der Bär nicht von allen gern gesehen im Camp. Der ausbeuterische Chief Swicker lässt nichts unversucht, um den Bären loszuwerden. Als eines Tages seine Leiche gefunden wird, setzt Pearly alles auf eine Karte.
„Pearly Everlasting“ ist ein atmosphärischer Roman, bei dem man sich direkt in die kanadische Wildnis versetzt fühlt und die Kälte und Abgeschiedenheit spürt. In gewaltiges Naturschauspiel, welches mich aber leider in Summe nicht vollständig begeistern konnte. Die tiefe Verbundenheit zwischen Bruno und Pearly ist zwar zauberhaft dargestellt, mit Bruno wird teils wie mit einem Menschen umgegangen. Doch es hat mir etwas gefehlt, um mich wirklich mit Pearly verbunden zu fühlen.

Bewertung vom 11.05.2025
Starr, Mary Catherine

Mama braucht 'ne Pause


sehr gut

In kleinen Episoden zeigt die Autorin im Comic Stil, wie sich ihre Partnerschaft mit Einzug von Kindern verändert hat. Auf den Punkt, unterhaltsam, ansprechend, in vielem absolut nachvollziehbar. An sehr vielen Stellen musste ich innerlich schmunzeln, angefangen beim Titelbild. Wie in vielen Beziehungen wurde auch die Beziehung zwischen der Autorin und ihrem Mann ordentlich durcheinander gewirbelt mit der Geburt des ersten Kindes. Vorher war alles schön gleichberechtigt und auch in der Theorie sollte es mit Kind genauso gleich weitergehen. Doch dann kam das Leben dazwischen und unbewusst verschoben sich die Aufgaben immer mehr zur Mama hin. Teils durch äußere Einflüsse (ihr Job war flexibler), teils durch simple Gewohnheit oder durch nicht loslassen können (Mamas Art vs. Papas Art). Das Gute: Man ist nicht allein und durch ein einfaches Mittel wie Kommunikation kann zumindest das Ungleichgewicht in der eigenen Familie überwunden werden.

Daher NEIN, es ist nicht noch ein Buch über die gestiegene Belastung von Müttern. Es ist ein bildlich gewordener Auszug aus dem normalen Leben. Kleine Impulse, die einen selbst den eigenen Trott hinterfragen lassen. Ein Trost, dass das Chaos, was man manchmal empfindet, normal ist. Und Hoffnung, dass man nicht aufgeben sollte. Oder einfach gute Unterhaltung für Eltern.

Bewertung vom 09.05.2025
Suter, Martin

Wut und Liebe


ausgezeichnet

Noah, ein Künstler, wird von seiner Freundin Camilla verlassen. „Ich liebe Dich, aber nicht das Leben mit Dir“. Berechnend trennt sie sich, um einen Mann zu finden, der ihr finanziell mehr bieten kann. Noah trifft währenddessen auf Betty, eine reiche Witwe, welche im alkoholisierten Zustand ausruft, dass derjenige, der den ehemaligen Chef ihres Mannes um die Ecke bringt, 1 Mio SFF erhält. Noah arbeitet an einem Plan, Camilla zurückzuerobern und macht dabei Bekanntschaft mit Zaugg, dem potentiellen Mordopfer. Dabei lernt er auch seine Machenschaften kennen und seine Wut auf ihn nimmt zu. Camilla dagegen sitzt dem Betrug ihrer Freundin auf und beginnt nun auf ihre Art, sich ein Standbein aufzubauen. Zaugg scheint ein mieser Typ zu sein.

Klasse erzählt, kurz und prägnant und mit tollen Überraschungen. Der Aufmacher der Geschichte ist genial und die Umsetzung ebenso. Wut kann tief sitzen und die Gedanken eines Menschen ein Leben lang steuern. Ob dies immer richtig ist oder die Wut den Blick nicht trübt, kann nach dem Lesen jeder für sich entscheiden. Und die Liebe – ja, so ganz ohne geht es dann wohl doch nicht. Und doch hängen beide Gefühle auch richtig zusammen. Denn nur wenn man tiefe Liebe empfindet, kann man auch richtig wütend sein. Ein tolles Buch mit feinsinnigem Humor und einem tollen Gespür für interessante Charaktere, geistreich, pointiert, absolut lesenswert.

Bewertung vom 07.05.2025
von Kessel, Julie

Altenstein


sehr gut

Agnes von Kolberg weiß, sich im Leben zu behaupten und durchzusetzen. 1945 beginnt sie mit ihren 10 Kindern im westlichen Deutschland neu. Konrad, der jüngere Sohn, steht dabei unter besonderem Schutz ihrerseits, nachdem die Töchter in der Familie klar in der Überzahl waren. Doch sein Leben verläuft unstet. In der deutschen Wiedervereinigung sieht er eine Chance, das Gut Altenstein wieder in Familienbesitz zu bringen. Doch ohne die Hilfe seiner Schwester Bobby, die ganz nach Agnes kommt, kann er dies finanziell nicht bewerkstelligen. So entbrennt ein heftiger Streit zwischen den Geschwistern.

Die Verbindung zwischen der Gegenwart und der Vergangenheit ist geschickt dargestellt und läuft über das Gut zusammen. Die Geschwister Nona, Konrad und Bobby könnten unterschiedlicher kaum sein. Dies entlädt sich in der Besitzfrage um das Gut. Familiäre Konflikte, Flucht, Nachkriegszeit – all dies sind Themen, die der Roman aufnimmt. Das Buch liest sich sehr gut und hält die Spannung bis zum Schluss. Ich mochte es sehr und konnte richtig eintauchen in die Familie.